Sehr deutlich war aus den Äußerungen von Herrn Kollegen Müller zu entnehmen, wo es eigentlich hingehen wird. Und, Herr Müller, da teile ich vollkommen Ihre Auffassung.
Es wird wenig bringen, wenn man einen über eine längere Zeit ausgehandelten Kompromiss, der von sehr gutem Willen – einschließlich des guten Willens unseres Ministerpräsidenten, das unterstelle ich, denn er war ja an den Verhandlungen beteiligt – getragen worden ist, nur an den Punkten aufmachen will, wo man glaubt, dass man die Kompromisse, die man selber mit formuliert hat, nicht mehr mittragen kann. Deswegen ist der Hinweis, den Sie gegeben haben, dort, wo Einheitlichkeit trotz Selbstständigkeit der Landesgesetzgebung erwünscht ist, etwa mit Musterentwürfen zu arbeiten, ein sehr vernünftiger. Das haben wir bereits, denken Sie nur an die Musterentwürfe zu den Bauordnungen. Oder wir haben eine ganze Reihe von anderen Dingen. Da haben Sie mir etwas vorweggenommen, da sind wir sehr einig. Aber wir sind auch, und das sage ich deutlich, dafür, dass in jedem Gesetzgebungsverfahren Feinkorrekturen innerhalb von Kompromissen natürlich vorgenommen werden.
Und, Herr Ministerpräsident, ich habe mich etwas gewundert, dass Sie gesagt haben beim Artikel 104 b des Grundgesetzes, da sei das so oder anders. Es ist doch noch gar nichts beschlossen. Es geht doch darum, dass erst die Grundlinien festgelegt werden. Und wenn Sie zu Finanzbeziehungen kommen, dann können Sie Finanzbeziehungen doch nur so regeln, wie Sie die Materien geregelt haben. Wenn Sie aber ganze Materien herausnehmen, dann bringen Sie das Gebäude, das notdürftig konstruiert worden ist, wieder zu Fall. Da liegt eigentlich Ihre Fehleinschätzung. Sie können nicht einfach, ohne den Landtag vorher zu beteiligen, das haben Sie nicht getan, an Kompromissen mitwirken und sich anschließend über eine Entschließung des Landtages die Begründung dazu
geben lassen, warum Sie das alles nicht mehr wollen. So werden wir als Land unglaubwürdig und das werden wir nicht mitmachen.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir auch von der Landesregierung in diesen Punkten mehr Selbstvertrauen. Es hilft nichts, wenn wir überall nur sagen, dafür sind wir zu schwach, das können wir nicht, das ist für uns ungünstig, wenn wir das selber entscheiden müssen. Meine Damen und Herren, jemand, der nur zögert, der nie zu seinen Überzeugungen steht, der wird in dem bundesstaatlichen Gefüge aus der Sicht der anderen gar nicht gebraucht, weil er nicht verlässlich ist.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass die Diskussion darüber geführt wird, ob wir das wollen oder nicht, und dass wir uns auch häufiger rechtfertigen müssen für Finanztransfers. Deswegen ist es eigentlich sehr gut, dass nicht nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird, sondern dass offen diskutiert wird, wie schaffen wir es in diesem Lande, etwas zu bringen, was Sie als Beispiel ohnehin noch zitieren werden, deswegen nehme ich das einmal vorweg, wie das Bayern geschafft hat. Die waren auch einmal Nehmerland. Die haben mit sehr viel Selbstvertrauen ihre eigenen Dinge in die Hand genommen.
(Siegfried Friese, SPD: Mit viel Geld aus Bonn! – Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Das haben sie schon vergessen.)
Nehmerland heißt, dass aus dem horizontalen Finanzausgleich der Länder untereinander Geld von dem einen Land zum anderen fließt, Herr Kollege. Genau das habe ich gesagt. Und da bin ich dem Ministerpräsidenten für die Nennung eines Datums sehr dankbar, aber er muss dann auch darauf hinwirken, das tut er nämlich nicht. Das kann nur heißen, dass wir auch wettbewerbsfähig sind bis zu dem Zeitpunkt, wo wir alleine gehen müssen. Aber immer nur zu sagen, wir können das nicht, wir wollen das nicht, wir haben vor allen Risiken deswegen Angst, weil wir dann eigene Verantwortung haben, hat uns nicht weitergebracht.
(Siegfried Friese, SPD: Das sagt kein Mensch! Herr Dr. Jäger, bleiben Sie bei der Wahrheit! Herr Dr. Jäger, das sagt kein Mensch! – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das sagt doch gar keiner!)
Herr Friese, ich weiß nicht, wie empfindsam Sie heute sind. Der Ministerpräsident hat heute eine sehr leidvolle Erklärung abgegeben,
(Dr. Margret Seemann, SPD: Eine sehr selbstbewusste Erklärung hat er abgegeben. – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Es ist doch gut, dass er sich engagiert! – Zuruf von Heike Polzin, SPD)
Und Sie wollen das alles nicht, was im Kompromiss ist. Was wollen Sie denn eigentlich? Schwierig wird es immer und das ist das Schlimme.
Sie hören auch von allen anderen Ministerpräsidenten, dass man nicht weiß, was wir eigentlich wollen. Und das ist ganz schädlich, wenn man mit den anderen arbeiten will.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Frank Ronald Lohse, SPD: Doch, doch, sie wissen schon, was sie wollen. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
Meine Damen und Herren, wenn Sie das so schlimm finden, eigene Verantwortung zu übernehmen, weil Sie sagen, ja, wir sind so finanz- und wirtschaftsschwach,...
Eben hat aber der Wirtschaftsminister – jetzt ist er nicht mehr da – noch ausgeführt, wie man bei seiner Art, Zahlen zu lesen, erklärt, man sei erfolgreich.
... frage ich: Was wollen Sie eigentlich? Innerhalb von einer halben Stunde dreht sich für Sie die Welt, das ist zu schnell, da wird einem schwindelig.
Meine Damen und Herren! Wenn der Ministerpräsident sagt, wenn das, das und das auf Bundesebene nicht anders geregelt wird, dann sind die Interessen der Länder gefährdet und das ist schädlich, dann frage ich mich, warum andere Ministerpräsidenten – übrigens teilweise sogar mit gleichen Mehrheitsverhältnissen in ihren Landtagen – wie Herr Wowereit oder mit anderen Vorzeichen Herr Platzeck und sogar Ihr neuer Bundesvorsitzender Herr Beck all diesen Kompromissen, die sicher sehr schwierig auszuhandeln waren, zustimmen.
Sind das alles Ministerpräsidenten, die keine Verantwortung haben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Damit tut man diesen doch durchaus wichtigen Menschen sehr, sehr unrecht.
Was mir fehlt in der ganzen Diskussion, was schon schmerzt, ist, dass wir immer unsere Schwächen betonen. Warum sagen wir nicht einmal, wie wir es machen, damit dieses Land noch attraktiver wird? Es ist ja schon attraktiv, vergessen Sie das doch nicht!
Und ich finde es ganz schlimm, dass Sie die Chance, die der Föderalismus bietet, immer wieder ablehnen, weil Sie Angst vor der eigenen Courage haben. Das wird uns nicht weiterbringen. Föderalismus heißt ja gerade nicht
Zentralismus. Ich finde es schade, dass an diesem Pult bisher eigentlich nur von lauter Ängsten geredet wurde und nicht von den Chancen, die es uns bringt, wenn der Föderalismus wieder entfesselt wird, die Fesseln, die entstanden sind über eine Verkrustung durch politische Praxis im Gesetzgebungsverfahren. Wir fassen uns alle dabei an die eigene Nase, egal in welcher Verantwortlichkeit wir über die vielen Jahre waren. Das ist richtig und das ist auch zu beklagen. Aber wenn jetzt endlich einmal die Kruste aufgebrochen wird, dann schreien Sie doch nicht gleich wieder, wir brauchen einen neuen Panzer, der uns vor der eigenen Verantwortung schützt. Das bringt uns nicht weiter.
Und, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, was ich sehr, sehr bedauert habe, ist, dass Sie so locker darüber hinweggehen. Gesetzgebungsverfahren, darüber reden wir, Herr Ministerpräsident. Gesetzgebungszuständigkeiten, darüber reden wir, Herr Ministerpräsident. Ohne dass Sie den Landtag vorher gefragt haben, haben Sie lauthals verkündet: Die Regelungsmaterie wollen wir als Länder nicht, die wollen wir nicht, die wollen wir nicht.
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wir haben eine Beschlusslage dieses Landtages zu diesen Fragen.)
sollte durch die Föderalismusreform gestärkt werden. Ein zaghafter Ministerpräsident spricht uns das Recht ab, auf den Gebieten, die er nicht haben will, darüber zu reden und auch tatsächlich mit zu entscheiden,