Protocol of the Session on January 25, 2006

Sie hatten ja schon den Schlenker drin und das spiegelt sich im Koalitionsvertrag und in all den Dingen, über die jetzt aktuell politisch diskutiert wird, wider: Frauen und Familie sind eins. Ich lasse mich als Frau nicht gleich mit Familie setzen,

(Beifall Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

sondern Frauenpolitik, Gleichstellungspolitik ist doch etwas anderes als Familienpolitik. Und das sollten wir beachten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und wenn ich mir den Koalitionsvertrag auf Bundesebene anschaue, dann sind eben schon einige Problemfelder zu benennen. Zum Beispiel: Frauen- und Gleichstellungspolitik wird im Koalitionsvertrag unter Punkt „VI: Familienfreundliche Gesellschaft“ subsumiert – genau das, was ich gerade gesagt habe. Offenbar soll dieses Themenfeld von Familienpolitik vereinnahmt werden, anstatt als eigenständiges Politikfeld anerkannt zu werden. Fazit: Frau gleich Familie!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Margret Seemann, SPD)

Zweitens. Keine Erwähnung findet mehr das Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Privatwirtschaft. Die Rede ist von, ich zitiere: „möglicherweise notwendige(n) verbindliche(n) Instrumente(n)“, Seite 102, um die Frauenerwerbsquote anzuheben.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Alles Konjunktiv.)

Das „möglicherweise“ legt nahe, dass gar nichts unternommen werden wird. Programme für Berufsrückkehrerinnen et cetera fehlen. Frauen kommen im Punkt 2.5 „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ als eigenständige Persönlichkeiten nicht mehr vor.

Drittens. Die einzige Idee der Bundesregierung zur Bekämpfung der Frauenarbeitslosigkeit ist, ich zitiere: die „Förderung von Beschäftigung... haushaltsnahe Dienstleistungen“ durch steuerliche Absetzbarkeit. Im Klartext bedeutet das, dass dieser unterbezahlte und prekäre Beschäftigungssektor, in dem überwiegend Frauen arbeiten, weiter ausgebaut wird – Stichwort „Minijobs“ und „1-EuroJobs“.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Das kann man aber daraus nicht ableiten, Frau Schmidt, sondern um den Frauen den Freiraum zu schaffen, glaube ich.)

Fazit: Das Prinzip Gender-Mainstreaming findet im Koalitionsvertrag keine Anwendung. Die Gleichstellung der Geschlechter wird nicht in den einzelnen Politikfeldern reflektiert wie zum Beispiel der Arbeitmarktpolitik oder anderen, sondern unter einem Zusatzpunkt, und dann auch nur unter Familienpolitik, additiv hinzugefügt. Damit bleibt die Strategie des Gender-Mainstreaming weitgehend wirkungslos. Und damit bin ich bei einer Problema

tik, die auch hier immer wieder auftaucht, denn sobald der Begriff „Gender-Mainstreaming“ auftaucht, taucht nach wie vor auch eine große Ablehnung auf gegen diese Begrifflichkeit.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Ansonsten haben wir in Politik, in Wirtschaft, in der Gesellschaft überhaupt keine Probleme damit, dass unsere Sprache immer mehr von Anglizismen durchsetzt wird. Das gehört dazu. Das ist in, weil es gibt ja keine alternativen Begriffe dafür.

(Beate Mahr, SPD: Sehr richtig.)

Da reden wir sie in allen Bereichen hoch und runter, aber bei diesem Begriff sträubt sich nach wie vor die Politik, genauso wie in anderen Bereichen, wenn diese Begrifflichkeit auftaucht, wenn das Gender-Mainstreaming genannt wird, angewendet wird. Ich glaube, dass es auch damit zusammenhängen könnte, weil es ja eigentlich etwas ganz Einfaches ist, nämlich dass alle Arbeitsvorhaben, Gesetzlichkeiten, die vorbereitet werden, auf ihre Auswirkungen geschlechtsspezifisch hin zu betrachten und zu untersuchen sind. Das setzt aber voraus – und vielleicht sträubt man sich davor, leider auch in der Politik, weil sie ja auch nicht immer davon gekennzeichnet ist –, dass sie langfristig strategisch denken und handeln muss. Und das muss ich tun, wenn ich Gender-Mainstreaming anwenden will.

Dessen sollten wir uns bewusst sein und das, was Frau Dr. Seemann dargestellt hat, was in vielen unserer Häuser, in unserem Land vor Ort getan wird, auch weiterhin ganz konstruktiv umsetzen. Es wird eine Menge getan, ich will das nicht alles wiederholen, aber die Aussage, die Frau Schlupp getroffen hat mit der Pauschalisierung, dass ja nichts erreicht worden ist, möchte ich auch nicht so im Raum stehen lassen,

(Egbert Liskow, CDU: Wenig, hat sie gesagt.)

denn seitdem dieses Konzept 1999 hier beschlossen worden ist, ist eine Menge in diesem Land passiert.

(Egbert Liskow, CDU: Zuhören! Zuhören!)

Aber – und damit schließt sich der Rahmen – wenn gesamtgesellschaftliche Verhältnisse den Rahmen nicht dafür geben, dass die Frauenarbeitslosigkeit sinkt, dass Frauen, gerade Akademikerinnen, die nur zu 40 Prozent bereit sind, Kinder zu bekommen, die Zahl ist ja gerade in diesem Bereich erschreckend,

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

dass keine Kinder geboren werden, und anderes, dann müssen natürlich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie in anderen Politikfeldern dafür realisiert werden. Deshalb ist es nach wie vor eine ressortübergreifende Aufgabe und, ich denke, auch eine Aufgabe für alle Parteien und insbesondere für uns Frauen. Und es macht mich schon traurig, wenn gerade bei diesem Thema insbesondere wir Frauen anfangen, uns hier gegenseitig ins Wort zu fallen beziehungsweise uns auseinander zu setzen.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Tja! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ich habe von uns Frauen gesprochen.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Ich sag ja gar nichts, ich sag ja gar nichts.)

Ich habe mich da einbezogen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Schmidt.

Ich schließe die Aussprache.

Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 4/1607 verfahrensmäßig für erledigt erklären? – Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Grundsätze künftiger Förderung zur Entwicklung des ländlichen Raumes, auf Drucksache 4/1926.

Unterrichtung durch die Landesregierung: Grundsätze künftiger Förderung zur Entwicklung des ländlichen Raumes – Drucksache 4/1926 –

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist auch das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Minister für Landwirtschaft, Ernährung, Fischerei und Forst – jetzt habe ich das bestimmt wieder nicht in der richtigen Reihenfolge gesagt – Herr Dr. Backhaus. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich natürlich, dass wir heute die Möglichkeit haben, die Grundzüge der zukünftigen Förderung der ländlichen Räume vorzustellen, denn vor einem Jahr habe ich ja auch auf Antrag der Koalitionsfraktionen die Grundsätze der künftigen Förderung zur Entwicklung der ländlichen Räume bereits schon einmal vorgestellt. Im Mai dieses Jahres hatten wir dann die Aktuelle Stunde zu diesem Thema, von der CDU-Fraktion beantragt. Insofern ist es sicherlich gut, dass wir uns intensiv gerade in unserem Bundesland mit den ländlichen Räumen immer wieder auseinander setzen, denn immerhin 80 Prozent der Menschen leben in den ländlichen Räumen.

Doch wenn ich darauf zu sprechen komme, dann will ich einige Punkte sehr klar ansprechen. Wir haben im Rahmen der Entwicklung der Diskussion auf europäischer Ebene zwei wesentliche Punkte schon durchgesetzt, erstens die Förderung im Rahmen des ELER-Fonds ab dem Jahr 2007. Das ist ein großer Erfolg für unser Bundesland, dass der Fördergrundsatz, insbesondere der ländlichen Entwicklung und damit der Flurneuordnung, erhalten bleibt. Das ist eine ganz wichtige Geschichte, weil zunächst von der Kommission vorgesehen war, dieses Projekt nicht weiter zu fördern.

Als Zweites, glaube ich, darf ich hier ansprechen, dass es uns gemeinsam gelungen ist, im Rahmen der nationalen Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass es auch in der Zukunft die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz geben wird und damit die Kofinanzierung der europäischen Mittel überhaupt gewährleistet werden kann. Auch das war nicht selbstverständlich.

(Beifall Hannelore Monegel, SPD, Ute Schildt, SPD, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Damit erhalten im Übrigen sowohl die Landwirte als auch die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern Planungssicherheit, nämlich wenigstens für die nächste Förderperiode bis 2013. Auch das ist nicht selbstverständlich.

Nun zum Hauptanliegen der Unterrichtung. Bei der Beschlussfassung konnten wir davon ausgehen, dass die Europäische Kommission ihren Zeitplan einhalten wird. Demnach hätten wir bereits in diesem Herbst oder im vergangenen Herbst sowohl die inhaltlichen als auch die finanziellen Rahmenbedingungen vorliegen haben müssen, um damit den Vorlauf für 2007 zu sichern. Dass uns das nicht gelungen ist, das wissen wir. Oft sind die Dinge in Europa eben doch schwieriger, als man sie ohnehin schon erkennen muss oder glaubt. Deshalb stehen wir heute vor folgender Situation: Für den so genannten ELER-Fonds wurde zwar bereits im September die Verordnung mit den inhaltlichen Schwerpunkten formell verabschiedet und vorgelegt, es besteht aber immer noch keine abschließende Klarheit hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen. Sie haben das sicherlich auch aufgenommen.

Hierzu darf ich folgende Erläuterung geben: Die Staatsund Regierungschefs haben sich auf den Kompromiss verständigt – das ist ja allgemein sehr begrüßt worden, darauf komme ich auch ausdrücklich noch mal zurück –, aber das Europäische Parlament hat diesen Kompromiss verweigert und seine Zustimmung nicht gegeben. Erstens ist es so, für Berechnungen und die Auswirkungen auf den aktuellen Finanzrahmen lässt sich für den zukünftigen Fonds für die ländliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern Folgendes festlegen: Ähnlich wie bei den Strukturfonds wird die originäre EU-Mittelbereitstellung für den ELER um die 75 bis 78 Prozent liegen. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass wir wesentlich weniger Mittel in der Zukunft zur Verfügung haben werden. Für den ELER-Fonds kommen allerdings noch 120 Millionen Euro aus der so genannten obligatorischen Modulation hinzu. Die werden von den Direktzahlungen für unsere Landwirte abgezogen und damit in die so genannte zweite Säule transferiert. Dadurch kann nach den derzeit bekannt gewordenen Rahmenbedingungen tatsächlich der Fonds zur ländlichen Entwicklung prozentual zu der gegenwärtigen Finanzausstattung fast in ähnlicher Höhe bereitgestellt werden. Darüber sind wir in Mecklenburg-Vorpommern natürlich nicht traurig. Aber der Preis für die Mehrausstattung geht eindeutig zulasten der Direktzahlungen der Landwirte in Deutschland oder in Europa insgesamt.

Keine abschließende Klarheit besteht im Übrigen zu den wichtigen Umsetzungskriterien. Vor diesem Hintergrund muss ich heute einschränkend ausdrücklich sagen, die erwünschte Unterrichtung des Landtages kann derzeit nur eine erste quantitative Schwerpunktsetzung für die Entwicklung der ländlichen Räume in Mecklenburg-Vorpommern sein – nicht mehr, aber auch nicht weniger, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zur Kritik der Opposition, die ich ja auch vernommen habe, wir würden gewissermaßen im Nebel herumstochern im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen, muss ich sagen, dieser Nebel hat sich aus meiner Sicht deutlich gelichtet. Und wenn es uns gemeinsam mög

lichst schnell gelänge, im Europäischen Parlament zur Verabschiedung des Haushaltes zu kommen – auch da ist es notwendig, dass man gemeinsam an einem Strang zieht –, wären wir auf einem guten Weg. Das heißt, wir sind keineswegs untätig, sondern wir arbeiten intensiv.

Wenn ich Ihnen jetzt noch einmal wesentliche Aspekte der Förderpolitik für den ländlichen Raum vorstelle, werden Sie erkennen, hier finden zurzeit intensive Gedankenaustausche statt und darüber hinaus natürlich eine Koordinierung innerhalb des Landwirtschaftsministeriums, aber auch innerhalb der unterschiedlichen Ressorts der Landesregierung wie auch – das ist außerordentlich wichtig – mit den Wirtschafts- und den Sozialpartnern. Vielleicht haben Sie es gehört, dass es diese Runden bereits gegeben hat. Dabei ist es zunächst wie oft stets erforderlich, sich klar zu machen: Wo stehen wir eigentlich? Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Agrarstruktur und der ländlichen Entwicklung gemeinsam eine Menge erreicht, niemand wird sich wundern, wir haben sehr viel erreicht. Wir haben die modernste Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern gegenüber allen anderen europäischen Mitgliedsländern und wir sind auch, was die ländliche Entwicklung anbetrifft, im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern wesentlich weiter als andere.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Alexa Wien, Die Linkspartei.PDS)

Im Übrigen will ich ausdrücklich sagen: MecklenburgVorpommern verfügt über eine leistungsstarke Agrarstruktur. Wir haben 474 landwirtschaftliche Unternehmen und 4.455 einzelbäuerliche Betriebe. Immerhin sind in dieser Branche, also direkt in der Landwirtschaft, 23.470 Menschen beschäftigt – ich glaube, das darf man auch ruhig mal sagen – mit einer Bruttowertschöpfung von immerhin 1,1 Milliarden Euro. Und wenn wir die Ernährungswirtschaft mit 3,6 bis 3,8 Milliarden noch dazuzählen, ist tatsächlich die Land- und Ernährungswirtschaft einer der wirtschaftlich stärksten Wirtschaftszweige, die wir in unserem Bundesland haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Hinzu kommen die Förderungen durch die beiden wesentlichen Häuser, also durch das Wirtschaftsministerium und durch das Landwirtschaftsministerium, die Neuansiedlungen und vor allem die Produktionserweiterungen, die in diesem Jahr intensiv weitergehen werden. Wenn man sich überlegt, meine Damen und Herren, in den letzten 15 Jahren sind insgesamt 171 Lebensmittel verarbeitende Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern neu angesiedelt worden, die mehr als 20 Beschäftigte in unserem Bundesland beschäftigen, dann ist das schon eine Erfolgsstory.