Protocol of the Session on May 26, 2005

Meine Damen und Herren, ich will auch, genauso wie Sie, Frau Fiedler-Wilhelm, darauf hinweisen, dass Europa sich nicht in Brüssel entscheidet, sondern an solchen Orten wie Hintersee. Da entscheidet sich Europa für die Bürger. Hier erfahren die Menschen hautnah, wie ernst wir es alle meinen, wenn wir „Europa“ sagen, und zwar je weiter entfernt vom Entscheidungsort, desto wichtiger.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Und in diesem Sinne, glaube ich, ziehen wir am selben Strang. Ich hoffe, dass wir – mit „wir“ meine ich jetzt die polnische Seite und die Seite der Bundesregierung – den zuletzt vereinbarten Termin, Herbst 2006, tatsächlich einhalten. Man spricht ja bereits davon, dass ab 2007 das Schengen-Abkommen in Kraft treten soll. Dann haben wir rechtlich gesehen eine vollständig andere Lage.

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Fiedler-Wilhelm?

Bitte sehr.

Bitte schön, Frau Fiedler-Wilhelm.

Danke, Herr Minister.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Pkw-Verkehr von Hintersee nach Dobieszczyn, also Entepöl, im Abkommen von 1992 enthalten war? Aber ist es nicht auch richtig, dass die polnische Seite den Pkw-Verkehr für die Zukunft nie ausgeschlossen hat? Das ist meine erste Frage.

Der Pkw-Verkehr ist im Abkommen nicht enthalten.

Im Abkommen nicht, aber …

Im Abkommen nicht enthalten.

Trotzdem hat die polnische Seite laut Beantwortung der Kleinen Anfragen durch die Landesregierung immer gesagt – nach den Antworten zu urteilen –, die polnische Seite hat den Pkw-Verkehr nie wirklich ausgeschlossen. Es wurde immer wieder auf den Pkw-Verkehr in Zukunft hingewiesen.

Ich akzeptiere das noch mal als Erläuterung der Frage.

Entschuldigung.

Okay.

Herr Minister.

Das Problem ist, dass hauptsächlich die polnische Seite ein Paket schnürt und einen Grenzübergang und seine Öffnung mit dem Grenzübergang an einer anderen Stelle verknüpft. Das ist in diesem Falle Garz-Swinemünde. Und nur dann, wenn alle Grenzübergänge zeitgleich geöffnet werden können, kann es zu einer Öffnung auch in Hintersee kommen. Ob das mit Pkw-Verkehr ist oder ohne, entscheidet sich nicht in Hintersee, sondern entscheidet sich daran, ob man sich zu allen Punkten einig wird. Und die Bundesregierung sagt in diesem Falle als deutsche Seite, dass wir zuerst einmal die vereinbarten Vertragsbestandteile umsetzen. Da kann sozusagen kein Vertragspartner mehr ausbüchsen, will ich mal sagen. Und erst dann, wenn wir diese Umsetzung hinter uns haben, sollte man daran denken, weitere Vertragsverhandlungen aufzunehmen. Sonst würde man wahrscheinlich über Jahre hin, außer Verträge zu verhandeln, nichts erreichen.

Gestatten Sie eine Nachfrage?

Ich muss sagen, das ist nicht Aufgabe der Landesregierung, hierzu zu verhandeln, sondern es ist Aufgabe der Bundesregierung. Das ist allerdings deren Standpunkt, den ich hier wiedergebe.

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Frage der Abgeordneten? (Zustim- mung)

Bitte schön, Frau Fiedler-Wilhelm.

Herr Minister, da ich davon ausgehe, dass Sie sich händeringend um unsere Belange in Berlin kümmern

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU)

und für unsere Belange kämpfen, darf ich noch einmal eine Frage stellen. Sie hatten es gerade angesprochen, das Thema Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen. Halten Sie es zum jetzigen Zeitpunkt für möglich, diese schicksalhafte Verbindung der beiden Grenzübergänge Garz und Hintersee eventuell aufzulösen und mit einem zu beginnen und mit dem anderen fortzufahren? Wie hoch sind die Erfolgschancen dafür?

Wissen Sie, ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir das versucht haben. Aber es war eben nicht möglich. Die polnische Seite besteht darauf, dass die Verknüpfung, die im Vertragswerk angelegt ist, eingehalten wird. Und wenn darauf bestanden wird, geht es eben nur gleichzeitig. Aber wie wir gesehen haben, geht es gleichzeitig auch nicht. Insofern können wir nur hoffen, dass die letzten Beschlüsse der Expertenkommission in Potsdam, die, wie gesagt, auf das nächste Jahr datieren, nun auch umgesetzt werden.

Darf ich eine letzte Frage stellen?

Herr Minister, eine weitere Frage?

Ja, gerne.

Bitte.

Sehen Sie unsere Bemühungen – mit „uns“ meine ich Mecklenburg-Vorpommern – ausreichend durch die Bundesregierung unterstützt?

Es war ja nicht nur eine Regierung, das läuft nun seit 14 Jahren.

Deshalb sagte ich, Mecklenburg-Vorpommern. – Entschuldigung.

Wie gesagt, Mecklenburg-Vorpommern, darum geht es. Wie viele Regierungen seit 1992 sich hierum bemüht haben, müsste man zählen. Ich würde sagen, vier. Mein persönlicher Eindruck ist der, dass diese Säge nicht in Berlin klemmt. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS der Abgeordnete Herr Walther. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Wolfgang Riemann, CDU: Jetzt hat er sich aber die Latte der Kleinen Anfragen durchgelesen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Seit 1992 besteht die politische Forderung, aber auch der Wunsch der Bevölkerung vor Ort im Uecker-Randow-Kreis nach einer Öffnung des Grenzüberganges Hintersee-Dobieszczyn.

In allen Legislaturen hat sich der Landtag unseres Bundeslandes mit dieser Frage beschäftigt – das wurde in den

Redebeiträgen zuvor auch schon deutlich –, sich eindeutig positioniert und seinen Willen bekräftigt, sich für diese Öffnung einzusetzen. Neben diesen Bekenntnissen wissen wir, zumindest teilweise, auch um die Aktivitäten der Landesregierung beziehungsweise der Landesregierungen, die seit 1992 hierfür in unserem Land zuständig waren. Unabhängig von der jeweiligen parteipolitischen Färbung seit 1992 hatten sich alle Landesregierungen gleichlautend hier positioniert.

Nun wissen wir mit den Aktivitäten im Hintergrund zum einen, dass diese Frage der Grenzöffnung äußerstes Fingerspitzengefühl in der Verhandlung selbst braucht, und zum anderen, dass die Abhängigkeiten mit Blick auf die Befindlichkeiten – Innenminister Timm hat das eben schon einmal versucht, vorsichtig anzudeuten – natürlich vor Ort auch bestehen. Für uns war deshalb, und das ist, glaube ich, auch der aktuelle Hintergrund für den CDUAntrag hier im Landtag, resultierend auch aus der gemeinsamen Entschließung im Uecker-Randow-Kreis, also im Kreistag dort, die Positionierung der polnischen Seite vor wenigen Wochen ein wenig verwunderlich, die vorsichtig formuliert hat, dass der Ball, der gespielt werden müsste, momentan auf der deutschen Seite des Spielfeldes liegt. Das war für uns sehr neu. Ich glaube, das ist der sachliche und auch verständliche Hintergrund dafür, dass wir gesagt haben, wir möchten hier eine möglichst einvernehmliche Klärung herbeiführen, woran es denn momentan krankt, was denn momentan der Grund fürs Bremsen ist.

Wir wissen auch um den direkten Zusammenhang der beiden Grenzübergänge Garz-Swinemünde auf Usedom und des Grenzüberganges Hintersee-Dobieszczyn im Uecker-Randow-Kreis. Gerade mit Blick auf den Usedomer Übergang muss man natürlich sagen, dass die Öffnung dort bedeutend problematischer gesehen werden kann, gesehen werden muss als die Öffnung in Hintersee, weil zu Recht, glaube ich, die Angst vor einem Verkehrskollaps auf der Insel zumindest in der Hochsaison nicht so unbegründet ist, wenn man sich den Pkw-Verkehr, der in diesen Tagen wieder beginnen wird, anschaut.

Es wird also maßgeblich darauf ankommen, dass die Vertreter der deutschen Seite – und hier meine ich ganz bewusst die Vertreter unseres Landes, mir persönlich reicht der Blick nur auf die Bundesregierung an der Stelle nicht aus – zielstrebig, aber mit gebotener diplomatischer Verhandlungsstrategie versuchen, ein Ergebnis zu befördern, mit der beide Seiten leben können. Denn neben den politischen Problemen am Straßenrand, in diesem Falle am Rande der fertig gestellten Bitumenstraße im Hinterseer Forst, die dort seit zehn Jahren im Dornröschenschlaf verharrt, ist die Achse vor Ort enorm wichtig. Es geht um das Zusammenwachsen der Regionen beidseits der Grenze. Es geht um europäische Normalität, die auch hier endlich einziehen muss. Es geht auch um die Verbesserung der Lebenssituation von direkt betroffenen 40.000 Einwohnern, wenn ich jetzt einmal den städtebaulichen Komplex Ueckermünde, Torgelow, Eggesin sehe, die heute einen enormen Umweg in Kauf nehmen müssen, um das Oberzentrum Stettin, direkt vor ihrer Haustür eigentlich, auf Umwegen – heute über 80 Kilometer Weg – zu erreichen. Im weitergehenden regionalen Bezug würden sich über 150.000 Menschen auf deutscher Seite über diesen kürzeren Weg nach Polen sicherlich sehr erfreut zeigen. Vor diesem Hintergrund haben wir im Kreistag Uecker-Randow einen sehr einstimmigen Beschluss über alle Grenzen hinweg getroffen.

Eines will ich aber auch noch einmal ganz deutlich sagen, weil hier eben so ein bisschen der Disput aufkam mit Blick auf die Frage, welche Verkehrsarten sind es denn nun, die für Hintersee und für Garz auf Usedom die entscheidenden seien. Ich sage noch einmal ganz eindeutig, und das ist vielleicht aus der heutigen Landtagssitzung auch noch einmal eine Erwartungshaltung, die wir an die Landesregierung formulieren: Für Hintersee muss der Individualverkehr fester Bestandteil der Planungen sein, das heißt, der Pkw-Verkehr muss für Hintersee bestehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn wir uns jetzt zufrieden geben mit einer Planung für Fußgänger, Fahrrad und Busse, dann ist das schlicht und einfach eine Lösung – in Anführungsstrichen –, die den Beteiligten vor Ort nicht das bringt, was wir benötigen. Deshalb auch meine sehr intensive und nachdrückliche Bitte, dass wir an der Stelle, wo es die Möglichkeit gibt, auch den Pkw-Verkehr, sprich den so genannten Individualverkehr, mit auf die Tagesordnung nehmen,

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

natürlich immer mit Blick auf das, was die polnische Seite bereit ist, hier zu leisten.

Ich möchte noch einmal an die gemeinsame Erklärung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern und der Woiwodschaft Westpommern erinnern. Hier wird – das hatte ich zumindest ein bisschen anders herausgelesen aus der Erklärung, ich habe sie mir gestern Abend noch einmal angesehen – davon gesprochen, dass man mit Blick auf die deutsche Seite doch vielleicht mit Hintersee-Entepöl beginnen sollte, so steht es wörtlich formuliert in der damaligen gemeinsamen Erklärung, weil dort die logistischen Probleme vor Ort geringer sind.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sehr richtig.)

Das ist ein ganz kleiner Unterschied – ich will das hier nur noch einmal ganz fachlich darstellen – zum gleichzeitigen Agieren, weil es eben ein paar Unklarheiten gibt. Ich glaube schon, wir sollten an der Stelle auch die Möglichkeit geben, dass wir uns sachlich und fachlich über diese Fragen, die gestellt wurden, verständigen, dass wir uns auch darüber verständigen, was vielleicht künftig geleistet werden kann aus der Mitte des Landtages heraus. Ich würde für die Fraktionen der Koalition vorschlagen, den Antrag in den Rechts- und Europaausschuss zu überweisen, um dort eine Klärung der Fragen herbeizuführen, um gegebenenfalls dann hier, wenn es sich ergeben sollte, parlamentarische Aktivitäten für den Landtag selbst ableiten zu können. – Danke.