Protocol of the Session on March 10, 2005

Und, Herr Minister Timm, wenn Sie sich dann in der gleichen Landtagsdebatte hinstellen und sagen, man kann heute noch gar nicht beziffern, welche Kosten zusätzlich oder welche Kosten überhaupt auf die zukünftigen vier oder fünf Landkreise zukommen – ich bleibe mal bei vier –, dann sage ich Ihnen, dafür gibt es Normative, Herr Minister Timm. Es gibt Normative dafür, wie teuer ein Büroarbeitsplatz pro Beschäftigter im öffentlichen Dienst ist. Und dann können Sie das ganz leicht ausrechnen. Ich halte die Zahl, die der Landkreistag nennt, Investitionsbedarf für neue Verwaltungsgebäude 20,5 Millionen Euro, für deutlich zu niedrig angesetzt,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das kann man wohl sagen, aber immer. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

für deutlich zu niedrig angesetzt fürs ganze Land. Aber was Sie mit einrechnen müssen, zwingend dagegenrechnen müssen, das ist Ihre Anlage. Wenn ich mich richtig entsinne, ist es die Anlage 45 im Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Das sind die 16,5 Millionen Euro, die bis teilweise ins Jahr 2027 zu tragen sind für Leasing, Mietraten und Kapitaldienstraten für bestehende Verwaltungsgebäude.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Oder wollen Sie wirklich allen Ernstes sagen, Sie lassen das alles dezentral und das wird erst in 20 Jahren dann an einem Ort zusammengefügt?

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Der entscheidende Punkt, wenn so eine Reform Sinn machen soll, ist doch die Bündelung, die Zusammenfassung von Intendanzaufgaben. Also müssen Sie doch zwingend eins sagen: Die bestehenden Verwaltungsgebäude muss ich zumindest zum großen Teil aufgeben und ich muss neue zentral bauen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einem Verwaltungsgebäude mit 1.500 bis 2.000 Beschäftigten haben Sie normative Sätze von nicht unter 3.000 Euro pro Beschäftigten. Da können Sie alle mal schön rechnen, da ist keine Möbelausstattung dabei, keine IT-Ausstattung und die Parkplätze sind auch noch nicht dabei.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Und wenn Sie acht oder neun Prozent Zins und Tilgung auf die Bausumme rechnen, dann sind 20,5 Millionen Euro Leasingrate sehr, sehr niedrig angesetzt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihre Kostenfolgeabschätzung haben Sie nur an einem Punkt gemacht. Sie haben die 180 Millionen Euro in die Welt gesetzt und das war es dann.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Mutius-Gutachten, Herr Minister Timm, dieses geht nicht an der Realität vorbei, wie Sie es beschrieben haben. Hier wird dezidiert bewiesen, dass diese ganze Reform für den zukünftigen Kreis Mecklenburgische Seenplatte eher teurer wird, als es überhaupt einen Euro oder einen Cent einbringt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Hier ist der Beweis angetreten worden, meine Damen und Herren.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich noch einen allerletzten Punkt aufgreifen, den Sie ja immer so vor sich hertragen: Bürgernähe und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müller, Sie haben am 13. Mai gesagt, dass die Aufgaben möglichst nicht in den übertragenen Wirkungskreis gehen sol

len, sondern in den pflichtigen oder in die ausschließliche Selbstverwaltung.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Herr Kollege Müller, wie viel Aufgaben sind denn in den pflichtigen Wirkungskreis oder in die ausschließliche Selbstverwaltung gegangen? Haben Sie einmal nachgezählt? Haben Sie das wirklich einmal gemacht? Acht von insgesamt mehreren hundert Aufgaben, die Sie übertragen. Das ist ein Armutszeugnis!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Das ist ein Armutszeugnis, das Sie sich selber ausstellen. Allein hier sieht man, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinander liegen. Weiter kann das gar nicht auseinander liegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau, genauso ist es.)

Das, was Sie schaffen, hat mit einem Landkreis nach Artikel 28 Grundgesetz nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Sie schaffen sich Regierungspräsidien, Sie schaffen sich Erfüllungsgehilfen der Landesregierung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Kreistag verkommt zu einer Palaverbude,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

weil die übertragenen Aufgaben dermaßen zunehmen und die pflichtigen nicht deutlich ausgebaut werden. Wenn Sie wirklich kommunale Selbstverwaltung stärken wollen, dann müssen Sie bei den pflichtigen deutlich zulegen. Sie können es aber teilweise gar nicht, weil Sie Aufgaben übertragen, die Ausführungen von europäischem und von Bundesrecht sind. Und das kann man weder zur pflichtigen noch zur ausschließlichen kommunalen Selbstverwaltung machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben das deswegen heute auf die Tagesordnung gesetzt – meine Einbringungszeit ist fast vorbei –, weil es uns wirklich darum geht und die große Sorge bei uns vorhanden ist, dass dieser wichtige Teil, Deregulierung, Übertragung von Aufgaben von Landesseite auf die Kreisebene, auf die Gemeindeebene und auf die Stadtebene, auf der Strecke bleibt, weil Sie so verbohrt sind und sagen: Alles das kann man nur realisieren, wenn ich vier oder fünf Striche auf der Landkarte mache. Kehren Sie um, nehmen Sie sich Beispiele anderer Länder zur Hand wie Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, gemeinsam mit der Opposition, gemeinsam mit denen, die auf der kommunalen Ebene tätig sind, so eine Reform angepackt und auch umgesetzt wird!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben angekündigt, wenn das politisch nicht zu verhindern ist, dann gehen wir vors Landesverfassungsgericht. Wir werden das nicht alleine machen. Und was uns politisch Mut macht, ist – und das hätte ich vor einem halben, vor einem Jahr nicht so erwartet –, dass kein Landkreis, keine kreisfreie Stadt, keine Gemeinde in diesem Land Ja gesagt hat zu einem Gesetz, was sich selber durch die Stellungnahmen des Landesrechnungshofes disqualifiziert. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Rehberg.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Innenminister Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird oft gesagt, Deutschland sei reformunfähig. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland im europäischen Vergleich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zurückfällt. Es gab Zeiten, da waren wir führend im Wirtschaftswachstum, made in Germany war das Qualitätssiegel schlechthin, auf dem Arbeitsmarkt wurden Fachkräfte gesucht, die soziale Struktur galt als vorbildlich und ein deutscher Bildungsabschluss erreichte Weltniveau. Ich kann mich noch daran erinnern. Heute sind wir im europäischen Vergleich vielfach unter dem Durchschnitt: schlechtes Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit, soziale Strukturprobleme, Qualitätsrückstände im Bildungsbereich nach PISA und vieles mehr.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ach ja! Wer regiert denn hier?! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das ist nicht zufällig so, Herr Dr. Jäger,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Ganz gewiss nicht. Ganz gewiss nicht. – Dr. Armin Jäger, CDU: Solche Selbsterkenntnis ist richtig ungewöhnlich bei Ihnen.)

das ist das Ergebnis mangelnder Dynamik in Staat,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig, richtig. – Harry Glawe, CDU: Genau.)

Wirtschaft und Gesellschaft seit Jahrzehnten.

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, wenn man schon zuguckt, ja.)

Ich persönlich halte vor allem das Scheitern der Föderalismuskommission Ende letzten Jahres für verheerend,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

denn der staatlich organisierte Organisations- und Entscheidungsstau zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist eine ganz wesentliche Ursache für die mangelnde Reformfähigkeit in Deutschland insgesamt. Wir als strukturell schwaches Bundesland sind hiervon ganz besonders betroffen. Deswegen haben wir auch unsere eigenen Hausaufgaben zu machen bei der Frage, wie wir für die nachfolgende Generation Lebensbedingungen schaffen,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Einfach anfangen! – Egbert Liskow, CDU: Dann fangt doch an! – Wolfgang Riemann, CDU: Einfach anfangen, Herr Timm!)

die Wohlstand und soziale Sicherheit ermöglichen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, richtig.)

Das nimmt uns niemand ab, auch nicht die Bundesregierung,