Protocol of the Session on December 11, 2002

das muss auch nicht sein, sonst überziehe ich nachher meine Zeit, und das wäre für mich ungewöhnlich. Ich denke, Herr Rehberg, Sie haben süffisant vorhin das Wort gesagt von der Buchhalterin mit dem Rotstift. Erlauben Sie mir eine kleine Süffisanz auch am Anfang: Als gelernter Informatiker können Sie recht gut aus den Zeitungen vorlesen, das werde ich nachher noch mal kommentieren. Allerdings – das werden Sie sicher noch unter Spaß abhaken können – als Frechheit betrachte ich, dass Sie Herrn Ringstorff sagen: Fangen Sie einfach an, politisch zu han

deln! Herr Ringstorff hat bereits politisch gehandelt, als Sie in Ihrer Blockpartei noch gar nicht wussten, wo es langgeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Auch Ihre Zahl, 11.000 Menschen verlassen das Land. Sicherlich ist die Zahl richtig. Die Zahlen der anderen Bundesländer habe ich jetzt nicht im Kopf, aber sie sind ähnlich.

(Torsten Koplin, PDS: Richtig.)

Es ist ein Problem des ganzen Ostens und Sie wissen es auch ganz genau, dass nach der anfänglichen Euphorie nach der Einheit die knallharte Wirklichkeit zurückgekehrt ist, auch nach Thüringen, auch nach Sachsen und natürlich auch nach Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Und Sie haben sicherlich dann auch nicht bemerkt, Sie haben es an anderer Stelle gesagt, Sie haben es nicht mitbekommen, Herr Ringstorff hat sehr eindeutig die Entwicklungslinien des Landes genannt, für die es dann auch gilt, dass Leute wieder im Land bleiben. Dies heißt, Arbeitsplätze schaffen im Hochtechnologiebereich, in den normalen Wirtschaftszweigen, Tourismus, Landwirtschaft und so weiter, Sie kennen das alles. Und ich weise darauf hin, dass wir in den nächsten Jahren junge Leute in Größenordnungen von über Hunderttausend gebrauchen werden, um die fehlende Facharbeiterquote aufzufüllen.

Sie sagen wieder das übliche Thema: Polizeidichte, Polizisten und so weiter und so fort, die Bürger brauchen mehr Sicherheit. Sie wissen ganz genau, dass wir die höchste Polizeidichte haben, und Sie wissen auch, dass seit Gottfried Timm die Aufklärungsquote bei der Polizei steigt. Sie haben gesagt, es gilt nicht nur die Probleme zu benennen, um Lösungen zu bringen. Ich sage Ihnen eins: Sie benennen ständig Probleme und dann hört Ihr Satz auch schon auf.

Und zu Ihren vorgelesenen Zeitungsmeldungen könnte ich Ihnen, wenn ich gewusst hätte, dass Sie das tun, mindestens genauso viele oder noch mehr Positivmeldungen entgegenhalten. Natürlich ist es das Recht der Presse, auf Negativentwicklungen im Land, und die gibt es ohne Weiteres, auch einzugehen.

(Udo Timm, CDU: Eine negative ist eine zu viel!)

Sie sagten etwas zu den Personalausstattungen in den Ministerien. Herr Rehberg und alle die Kollegen, die seit 1990 dabei sind, wer hat denn 1990 hingelangt in den Stäben, so dass kaum noch Spielräume sind?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Und wer hat denn hingelangt bei den Richtlinien und Verordnungen?

(Torsten Koplin, PDS: Schamlos! Schamlos!)

Die sind doch alle abgeschrieben worden, natürlich aus der Not heraus. Aber wer hat denn zu der Zeit hingelangt, dass wir kaum noch Spielräume haben?

Sie behaupten, Sie hätten bessere Alternativen zum Regierungsprogramm. Ich glaube Ihnen das sogar, dass Sie daran glauben.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Aber der Wähler hat Ihnen nicht geglaubt und er hat – das haben wir alle im Wahlkampf erfahren und auch schon längst davor – durchaus die Situation in der Bundesrepublik Deutschland und auch in unserem Land als dramatisch empfunden. Die Bürger haben einen Schluss daraus gezogen. Sie wollten nicht, dass es noch dramatischer wird, und haben Herrn Stoiber und Sie in die Oppositionsrolle geschickt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heinz Müller, SPD: Und das ist auch gut so!)

Und sie haben im Bund Rot-Grün und hier Rot-Rot gewählt.

Und wenn Sie ehrliche Worte vermissen, Herr Rehberg, dann hören Sie wirklich nicht zu. Es gibt genügend ehrliche Worte in den ganzen letzten vier Jahren von unserer Seite aus, von unserem Koalitionspartner, von der Regierungsbank. Ich weiß nicht, wo Sie da gesessen haben, aber es ist ja auch egal. Sie behaupten es einfach mal und ich widerspreche Ihnen hiermit energisch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Thema Wirtschaft und Arbeit zusammen: Ich darf an die große Koalition erinnern, Sie haben es dramatisch und heftigst abgelehnt, das zu tun. Sie wollten den Arbeitsmarkt nicht haben. Jetzt reden Sie das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge.

(Torsten Koplin, PDS: Was kümmert sie das Geschwätz von gestern?!)

Da müssen wir doch mal wissen, wo das Ziel Ihrer Zusammenlegungsstrategien ist. Sie wollen den öffentlichen Arbeitsbeschäftigungsmarkt abschaffen, das haben Sie doch gesagt, 60 Millionen ÖBS streichen und so weiter und so fort, woanders besser aufgehoben. Sie haben dabei gesagt, das soll in die Bürgschaften, in die Coaching-Maßnahmen, es soll in die Existenzsicherung. Das tun wir bereits. Natürlich haben wir dann nebenbei auch den so genannten ÖBS und wir werden ihn auch weiter durchführen, weil es notwendig ist. Sie haben doch gerade gesagt – das war einer Ihrer nächsten Sätze –, die Insolvenzen sind dramatisch hoch. Offensichtlich gelingt es immer weniger Menschen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Platz zu finden. Was machen wir denn mit all denen, die keine Arbeit gefunden haben? Da haben wir doch eine Alternative, die im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung ist.

(Harry Glawe, CDU: Das ist richtig.)

Zu den Haushaltsresten, auch widersprüchlich. Natürlich ist die Zahl, wenn man sie alleine stehen lässt, hoch. Ich habe jetzt nicht die Vergleichszahlen parat, in der Kürze der Zeit gelang mir das nicht. Aber vielleicht können ja unsere Finanzexperten das noch einmal nachliefern.

(Angelika Gramkow, PDS: Die waren damals höher. – Ministerin Sigrid Keler: Wesentlich!)

Ich gehe mal davon aus, dass Frau Gramkow das vielleicht als anerkannte Finanzexpertin hier noch mal definitiv bringt. Aber ich will nur eins sagen, als noch Wahlkampf war, da haben Sie den Wirtschaftsminister kritisiert: Jetzt schmeißt er das Geld raus. Im Übrigen waren ja im Wirtschaftsministerium noch die geringsten Reste.

Jetzt wird kritisiert, dass die Landesregierung das Geld nicht rausgeworfen hat. Ja, was wollen Sie denn? Vor der Wahl waren es noch plus 10 Grad oder sogar plus 20 Grad, jetzt sind es natürlich minus 10 Grad, jetzt kann man natürlich keine Straße bauen, das ist vollkommen richtig. Aber als wir das Geld „rausgeworfen“ haben, wie Sie immer behaupten, da haben Sie es kritisiert. Und jetzt kritisieren Sie, dass Reste da sind.

(Torsten Koplin, PDS: Die Beliebigkeit der Meinung. – Harry Glawe, CDU: Und das bei den Fördermittelbescheiden!)

Ihr Angebot zur Zusammenarbeit: Herr Rehberg, ich kenne jetzt Ihr Hochglanzpapier nicht, aber ich gehe mal davon aus, dass die Fraktionen auch so ein Exemplar bekommen.

(Angelika Gramkow, PDS: Ich möchte auch eins!)

Ich habe ja gesagt, die Fraktionen.

Ich gehe mal davon aus, dass die CDU das weiß. Aber Ihre ganze Rede hört sich ein bisschen so an, dass Sie verlockende Angebote machen, Sie bringen einige Dinge, aber im Grunde genommen heißt das doch: Erst schaffen Sie mal wieder alles ab, dann können wir uns einigen! Auf dieser Basis wird es nicht gehen, Herr Rehberg.

(Harry Glawe, CDU: Nein, nein, das haben wir nicht gesagt.)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich sehe natürlich in der Koalitionsvereinbarung eine gute und verlässliche Grundlage für die nächsten vier Jahre für die Regierungs- und Parlamentsarbeit. Die SPD und PDS haben sich nach der eindrucksvollen Bestätigung der Koalition durch den Wähler darauf verständigt, die Arbeit fortzusetzen, und das nicht erst ab heute, sondern schon gleich am 22. beginnend. Wir tun das, weil der Wähler dazu auch keine andere Regierung wollte und weil es dazu auch keine ernst zu nehmende Alternative gab und gibt. Wir bauen auf Bewährtem auf, haben an anderer Stelle Korrekturen vereinbart, sind aber auch bereit, neue Wege zu gehen. Der Ministerpräsident hat es gesagt, wir haben uns dabei auf ein Grundprinzip verständigt: Das Prinzip der Nachhaltigkeit wollen wir zum tragenden Bestandteil unserer Politik machen.

Die Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine Frage – wir kennen es aus der Umweltpolitik –, es ist ein ressortübergreifender Ansatz für Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial-, Landwirtschafts- und Innenpolitik. Und dabei habe ich einen Bereich nicht vergessen: Das ist natürlich auch die Finanzpolitik.

Eine Politik der Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, muss vier Kernbereichen gerecht werden: Das sind Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung.

Generationengerechtigkeit heißt in diesem Zusammenhang, dass wir nicht länger auf Kosten künftiger Generationen leben dürfen. Dies ist der entscheidende Maßstab für politisches Handeln und das erfordert den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ebenso wie den Abbau der Staatsschulden. Nur so geben wir den zukünftigen Generationen ihre Entscheidungsfähigkeit und ihre politische Gestaltungsfähigkeit wieder.

Zur Lebensqualität gehören neben einer intakten Landschaft auch gute Schulen, lebenswerte und sichere Städte, ein vielfältiges kulturelles Angebot, gesunde und qua

litativ hochwertige Lebensmittel und eine Neuorientierung in der Landwirtschaft.

Das dritte Merkmal der Nachhaltigkeit ist der soziale Zusammenhalt. Der soziale Zusammenhalt ist deswegen von zentraler Bedeutung, weil der notwendige wirtschaftliche Strukturwandel so gestaltet werden muss, dass alle an den damit verbundenen Chancen teilhaben können. Schleswig-Holstein, aber auch die Bundesregierung sind da schon sehr weit. Wir müssen jetzt auch unsere Hausaufgaben machen. Deswegen haben wir in Ziffer 108 der Koalitionsvereinbarung festgelegt, dass ressortübergreifend ein Leitbild für die nachhaltige Entwicklung des Landes erarbeitet werden soll.

Meine Damen und Herren, ich habe auch den Eindruck, dass wir uns alle zu wenig bewusst gemacht haben, dass mit der hinter uns liegenden Jahrtausendwende mehr geschehen ist als eine bloße Jahrhundertwende oder Jahreswende. Wir stehen vor neuen Herausforderungen, Herausforderungen, die neuer Antworten bedürfen, Herausforderungen, für die wir neue Ansätze finden müssen und werden. Wir Politiker müssen uns dieser Herausforderung stellen, müssen offen ansprechen, was zu tun ist, müssen den Menschen sagen, was sie erwartet. Wir müssen alle miteinander aufhören mit dem „Das geht nicht, das geht zu weit“. Damit bringen wir aber diese oder jene Gruppe gegen uns auf.

Die Suche nach dem Konsens ist gut und richtig und ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft, weil dadurch versucht wird, möglichst alle mit einzubeziehen. Dies darf aber nicht den Blick auf das vernebeln, was getan werden muss. Die Lösung darf dann nicht nachher so aussehen, dass sie niemandem wehtut, aber auch nicht allen oder niemandem nutzt. Wir als Parlament müssen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und auch unbequeme Entscheidungen zu fällen. Dazu sind wir bereit.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Gedanken zu dem Start sagen, den diese neue Koalition nach der Wahl hatte, denn wie Herr Rehberg schon treffend bemerkte, wir sind ja schon ein Vierteljahr in Gang.

Bei diesen Wahlen ist ja etwas Besonderes geschehen. Ich weiß nicht, ob es in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte schon oft vorgekommen ist, dass die stärkste Regierungspartei bei den darauf folgenden Wahlen über sechs Prozent dazugelegt hat. Noch nie war seit der Wende eine Fraktion so stark in diesem Landtag wie die SPD-Fraktion jetzt. Das zeigt zum einen das große Vertrauen der Menschen in die SPD-Landtagsfraktion und die von ihr getragenen Regierungsmitglieder, zeigt aber auch die große Verantwortung, die wir übernommen haben. Nur, allein sollten wir nicht regieren. Wir müssen und wollen zusammenarbeiten. Zusammenarbeit war und ist für uns keine hohle Phrase.

Ich bin sehr zufrieden und kann gut damit leben, wenn diese Koalition ihre bewährten Arbeitsweisen und ihre bisherige Form der Zusammenarbeit beibehält. Was meine ich damit? Ich meine, dass wir schon in den Koalitionsverhandlungen miteinander und nicht übereinander geredet haben, dass wir den Willen, gemeinsam weitere vier Jahre zu regieren, in einer von Sachlichkeit geprägten Atmosphäre in die Koalitionsvereinbarung eingearbeitet haben. Manch einem Journalisten wird das etwas zu langweilig gewesen sein und er mag die Nase rümpfen. Und die Opposition redet lieber von Stillstand, als konstruktiv

zu kritisieren. Aber auch bei der Union gibt es das gewohnte Bild. Das hat aber auch nichts und rein gar nichts damit zu tun, dass man von Sprachlosigkeit, von Abtauchen oder dem Minister den Vortritt überlassen reden kann. Die nach außen sichtbare Ruhe sollte nicht falsch verstanden werden, meine Damen und Herren. Es ist nicht so, dass wir immer einer Meinung wären. Nein, wir ringen nicht selten hart um eine einheitliche Linie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Denn nur mit einer einheitlichen Linie, klarem Auftreten und Argumentieren in der Öffentlichkeit kann diese Koalition Erfolg haben. Ich wiederhole es: Nur so und nicht anders werden wir als Koalition Erfolg haben und ich möchte gerne diesen Erfolg haben. Für eine Opposition in der Regierung gibt es keinen Raum, das schadet auf Dauer demjenigen, der so auftritt. Applaus von falschen Freunden wird einem nicht dazu verhelfen, sich mehr durchzusetzen, wird eher der eigenen Glaubwürdigkeit schaden und bringt bei den nächsten Wahlen mit Sicherheit nicht die erhofften Stimmenzuwächse.