Protocol of the Session on December 11, 2002

Wissen Sie, ich kann viele Bürger verstehen, dass sie oftmals nahe am Verzweifeln sind und dass sie sich zuweilen vorkommen wie Asterix und Obelix, die die Römer im Feld zwar immer schlugen, die sich aber an der Bürokratie der Römer dann letztendlich die Zähne ausbissen.

Und zweitens ist natürlich klar – aber auch das haben Sie versäumt zu sagen –, dass ein Wegfall von Aufgaben, insbesondere der Wegfall, nicht das Verschieben von Aufgaben, Herr Ministerpräsident, eine Verminderung des Personalbestandes bei der Verwaltung bedeutet auf allen Ebenen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Natürlich.)

Deswegen ist das Gebot der Stunde nicht einfach Rüberschieben von Aufgaben, Rüberschieben von Strukturen, das Gebot der Stunde ist Wegfall von Verwaltungsaufgaben, Wegfall von Einvernehmensregelungen, Verkürzung der Fristen. Das bringt Bürgerfreundlichkeit, das bringt Bürgernähe und es minimiert den Personalbestand. Und diese Ziele, Herr Ministerpräsident, wenn wir dort die gemeinsamen Ziele haben, dann sind wir als CDU auch bereit, mit Ihnen gemeinsam bei der Verwaltungsmodernisierung zu arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren von SPD und PDS, auf der letzten Landtagssitzung vor den Wahlen im Juni haben wir alle den Finger gehoben,

(Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

haben alle Ja gesagt zu den Beschlüssen der Enquetekommission.

(Angelika Gramkow, PDS: Allerdings gab es auch ein Minderheitenvotum. Das gehört dazu.)

Und wir haben dort formuliert – und morgen werden wir darüber debattieren, meine sehr verehrten Damen und Herren –, dass in einer Enquetekommission, weil sie sich bewährt hat – ich habe Herrn Müller noch genau im Ohr, wie er sie gelobt hat,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Heinz Müller, SPD: Das tue ich auch weiterhin.)

weil sie sich bewährt hat, weil sie sich bewährt hat, Herr Müller –, dass die weiteren Ausgaben der Themen StadtUmland-Problematik und Funktionalreform nicht in einem Sonderausschuss gelöst werden sollen, sondern in einer Enquetekommission.

(Gabriele Schulz, PDS: Oh, da steht aber Gremium, Herr Rehberg!)

Meine Damen und Herren von SPD und PDS, wie ernst nehmen wir uns eigentlich noch selber? Wie ernst nehmen wir unsere eigenen Beschlüsse? Und, Herr Ministerpräsident, Sie brauchen uns, dem Parlament, keine Vorgaben zu machen. Das werden wir morgen selber entscheiden. Ich weise nur darauf hin – ich spreche gerade die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen an –, wir haben beschlossen, dass eine Enquetekommission der richtige Weg ist. Oder gibt es andere Gründe, diesen Sonderausschuss einzusetzen? Dann sagen Sie morgen diese Gründe. Was kann es für ein besseres Gremium geben, wo die kommunalen Landesverbände dabei sind, wo qualifizierte, engagierte Kommunalpolitiker dabei sind? Und ich rate dringend dazu, dass wir diesen Weg gehen und nicht den, den Sie vorgeschlagen haben. Und ich rate eines uns allen dringend: Die Regierung soll erst mal, nachdem sie den Mund weit aufgemacht hat, auch heute wieder der Ministerpräsident, ihre Vorschläge ganz konkret, detailliert am Umweltrecht, am Denkmalschutzrecht, am Wasserrecht darlegen, was sie an Aufgaben wegfallen lassen will, was sie für eine Aufgabenkritik hat! Und dann sollten wir uns darüber unterhalten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Aber ich bitte wirklich herzlich darum, ich bitte ganz herzlich darum, das ist Selbstverständnis von Parlament: Wenn wir den Finger hier heben zu einem Beschluss, einstimmig, und wenige Woche später wird ein ganz anderes Gremium eingesetzt, dann verlieren wir alle an Glaubwürdigkeit gegenüber der Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber der Kommunalpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es werden im Augenblick die abstrusesten Ideen geäußert, wie die finanzielle Lage der Kommunen verbessert werden kann. Die ist dramatisch. Rostock: 2000 noch 52 Millionen Euro Gewerbesteuer, für 2002 erwartet man wahrscheinlich nur 14 bis 16 Millionen Euro. Der Landkreis Bad Doberan muss 843.000 Euro mehr bezahlen für Sozialhilfeausgaben, Nordvorpommern habe ich genannt. Dieses Jahr fehlen zur Jahresmitte in Wismar 1 Million Euro, in Greifswald 1,1 Millionen, Schwerin erwartet zum Jahresende einen Steuerfall von 2,4 Millionen Euro. Das sind Probleme, die die Kommunen haben.

Und Sie haben, Herr Innenminister Timm, am 30. Januar gesagt: „... konjunktur- oder auch steuerrechtlich bedingte Einnahmeschwankungen hat es immer gegeben und wird es immer geben.“ Damit „müssen Bund, Länder und Gemeinden“ gleichermaßen „fertig werden. Tagespolitische Aufgeregtheiten und“ hektischer „Aktionismus helfen“ überhaupt nicht weiter. Das klingt heute ein bisschen anders. Herr Minister Timm entwickelt jetzt Vorschläge für einen Hebesatz – höre! – auf die konjunkturunabhängige Einkommens- und Mehrwertsteuer. Und er entwickelt einen Aktionismus in ungeahnter Richtung. Erstens, Herr Minister Timm, weder die Einkommenssteuer noch die Mehrwertsteuer ist konjunkturunabhängig.

(Harry Glawe, CDU: So ist das wohl.)

Und jetzt frage ich Sie allen Ernstes – Hebesätze gibt es heute für die Grundsteuer A und B und für die Gewerbesteuer, weil die von den Kommunen erhoben wird –, mei

nen Sie allen Ernstes, dass in diesem Land in Rostock eine andere Mehrwertsteuer als in Schwerin gezahlt werden soll,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

dass ich in Pasewalk eine andere Einkommenssteuerhöhe habe als in Gadebusch?

(Harry Glawe, CDU: Und Rügen wird ein neues Land. – Zuruf von Martin Brick, CDU)

Herr Minister Timm, ich habe eine Bitte, ehe Sie solche Luftblasen steigen lassen, überlegen Sie sich wirklich, was Sie sagen. Der Zwischenruf, der ist natürlich wirklich ganz phantastisch. Die Rüganer haben es natürlich einfach: Brücke hoch, eigenes Steuerrecht, eigene Republik. Da könnte man es vielleicht verwirklichen und glaubhaft umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Jawohl! – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Herr Minister Timm, es gibt eine ganz einfache Lösung: Um die Finanzkraft der Kommunen zu stärken, folgen Sie dem Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass die Gewerbesteuerumlage sofort gesenkt wird! Das hilft den Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und nicht Ihre abstrusen Ideen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist richtig. – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Sie haben am Sonntag viele ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ausgezeichnet. Das ist gut und richtig so. Aber, ich warne eindringlich davor, dass die Debatte, die Herr Timm losgetreten hat – auf diesen Zug sind andere aufgesprungen –, dass sie eventuell dazu führen könnte, dass wir in einem Maße zentralisieren, wo kommunale Selbstverwaltung, ehrenamtliches Engagement nicht mehr oder nur noch schlecht möglich sind.

Meine Damen und Herren, das Wort heißt Subsidiarität. Die Frage stellt sich immer wieder: Was kann ich in der kleinen Einheit besser lösen als in der größeren, in der zentralisierten? Und wer heute leichtfertig Debatten führt über vier Regionalkreise, wer heute leichtfertig Positionen vertritt, dass die Zeitdauer der Legislaturperiode von Kreistagen verkürzt oder verlängert wird, der muss sich natürlich fragen: Welcher Bürger findet sich bereit, für einen Kreistag zu kandidieren, wenn er in Aussicht hat, sein eigener Totengräber zu sein.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren – ich sehe die rote Lampe, einen Augenblick –, dieses ehrenamtliche Engagement darf durch Zentralisierung nicht zerstört werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, zur politischen Bestandsaufnahme gehört in jedem Fall Mut. Und, Herr Ministerpräsident, wir brauchen Mut zur Wahrheit, die Probleme zu erkennen, wir brauchen Mut zu neuen Ideen, um die Probleme zu lösen, und wir brauchen Mut zum Anpacken, um unser Land wieder vorwärts zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Timm, ich habe schon noch weitere Argumente, aber wenn die

rote Lampe leuchtet, dann muss man in der Regel zum Schluss kommen.

(Reinhard Dankert, SPD: Schade! – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Und ich sage Ihnen ganz, ganz offen und ehrlich: Wer diesen Mut nicht besitzt, die Probleme zu benennen, und, Herr Ministerpräsident, Probleme benennen, das heißt nicht, das Land schlechtreden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und wir werden uns von Ihnen nicht politisch den Mund verbieten lassen. Und ich warne Sie davor, Schönreden führt dazu, dass man Probleme nicht anpackt! Wir sind bereit, mit Ihnen in vielen politischen Feldern die Probleme anzupacken. Wir werden unsere Vorschläge hier auf den Tisch des Hauses legen und dann werden wir sehen, wie Sie als Landesregierung, wie Sie als Koalitionsfraktionen bereit sind, sich mit uns politisch darüber zu streiten, ob hier im Landtag oder in den Ausschüssen, und dass wir zu einer gemeinsamen, aber politisch fairen Lösung kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Wir fahren jetzt fort in der Debatte. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dankert für die Fraktion der SPD.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie haben mir zu früh die Zeit genommen. Das stimmt nicht hier, das stimmt nicht.)

Also, Herr Rehberg, bitte schön, es waren genau 65 Minuten. 63 Minuten hätten Ihnen zugestanden nach der Stoppuhr hier vorne. Sie haben um 2 Minuten überzogen, ich habe Ihnen diese 2 Minuten gewährt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine sehr lange Rede gehört. Ich spreche heute in Vertretung meines Fraktionsvorsitzenden. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ich bin sicher, dass er in ein paar Wochen wieder ordentlich und anständig hier seine Arbeit machen kann. Aber zurzeit muss er Zeit für sich haben und ich denke, die gewähren wir ihm.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte meine Rede beginnen, wie man sie immer beginnt, aber Herr Rehberg hat natürlich einige Vorlagen geliefert. Ich äußere mich nicht zu jedem Spezialthema,

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

das muss auch nicht sein, sonst überziehe ich nachher meine Zeit, und das wäre für mich ungewöhnlich. Ich denke, Herr Rehberg, Sie haben süffisant vorhin das Wort gesagt von der Buchhalterin mit dem Rotstift. Erlauben Sie mir eine kleine Süffisanz auch am Anfang: Als gelernter Informatiker können Sie recht gut aus den Zeitungen vorlesen, das werde ich nachher noch mal kommentieren. Allerdings – das werden Sie sicher noch unter Spaß abhaken können – als Frechheit betrachte ich, dass Sie Herrn Ringstorff sagen: Fangen Sie einfach an, politisch zu han