Protocol of the Session on December 11, 2002

(Rainer Prachtl, CDU: So viel zur Qualität an den Schulen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht hier nicht um Französisch, es geht hier nicht um Religion, um Musik oder Kunsterziehung, um die so genannten Mangelfächer, es geht um die Hauptfächer Deutsch, Mathe und Englisch. Und deswegen mein Appell an Sie, Herr Dr. Ringstorff, an Sie, Herr Professor Metelmann: Der Unterrichtsausfall an den Schulen, das ist das zentrale Thema der Bildungspolitik im Augenblick.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und wir sind bereit, gemeinsam mit Ihnen den Haushalt zu durchforsten, um Mittel freizuschaufeln, damit eben die Unterrichtsversorgung deutlich gesteigert werden kann. Es reicht nicht aus, wenn Sie schreiben, wir bilden einen Pool im Bereich der jetzigen Kriterien, im Bereich des jetzigen Umfangs. Hier wird zu wenig Unterricht erteilt, hier fehlen Lehrer an den Schulen. Und stellen Sie sich mal die Lehrer an diesen Schulen vor, die im Juni ihre Änderungskündigung gekriegt haben in Mathematik, Deutsch oder Englisch, die heruntergegangen sind von 27 oder 26 auf 20 oder 18 Stunden! Die müssen am Schuljahresanfang merken, den Unterricht, den ich erteilen könnte, den die Kinder in diesem Land brauchen, der wird nicht erteilt, weil zu wenig Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen sind. Aber gleichzeitig, Herr Ministerpräsident, was haben Sie verschwiegen beim Abbau der Personalzahlen von 44.000 auf gut 38.000?! 80 Prozent davon sind Lehrerinnen und Lehrer und auch in der Vergangenheit gewesen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Das ist die Tatsache. Hören Sie endlich auf, die Verwaltung nur oder größtenteils über Lehrerinnen und Lehrer zu sanieren! Passen Sie auf, dass die Qualität der Bildung erst entsprechend so ist, dass wir in PISA wieder eine Chance haben, weiter nach vorne zu kommen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist in Mecklenburg-Vorpommern im Augenblick das zentrale Thema von Bildung. Und, Herr Ministerpräsident, gucken Sie sich die Zugangszahlen bei den Lehramtsstudenten in Rostock und Greifswald an! Die sind fast auf dem Nullpunkt. Bei 17 oder 20 kann ich nicht mehr davon reden, dass ich den Bedarf in der Zukunft abdecken kann.

Herr Professor Metelmann, ein ganz persönliches Wort an Sie: Sie wissen doch selbst, dass nur ein Schulsystem, welches Leistung fördert, eine vernünftige Basis legt, für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Als Schüler am evangelischen Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ in Berlin-Wilmersdorf haben Sie selbst erfahren können, wie wichtig eine qualitativ hochwertige Schulbildung für den weiteren Lebensweg ist. Oder ist der Weg, den Sie gegangen sind, der klassische Weg eines Schülers einer Gesamtschule in Westberlin oder einer künftigen Regionalschule in Mecklenburg-Vorpommern? Wenn Sie ehrlich zu sich sind, werden Sie dies mit Nein beantworten müssen. Wenn Sie es mit Nein beantworten, dann biete ich Ihnen unsere Zusammenarbeit an, dass wir uns gemeinsam für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land einsetzen. Wir sollten die sinkenden Schülerzahlen als Chance begreifen zu einer Qualitätsverbesserung, zu einer Verbesserung der ganz individuellen Förderung von Leistungsstarken und Leistungsschwachen. Und die Devise kann nicht heißen „Fördern statt Auslese“, wie Sie sie uns unterstellen, sondern die Devise muss heißen „Fördern und fordern“. Das muss zum Prinzip der Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir sind bereit, mit Ihnen ein System des Nachteilsausgleiches, beginnend im Kindergarten, zu installieren, und das kostet selbstverständlich Geld. Aber das ist eine der Prioritäten der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, zumal Kultuspolitik, Schulpolitik zu fast 100 Prozent Landespolitik ist. Und, Herr Professor Metelmann, Sie werden unsere Unterstützung dazu erhalten, dass wir dieses als Priorität setzen.

Und ein Zweites: Herr Professor Metelmann, wir brauchen motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Ich bitte Sie ganz herzlich, nicht Lehrerpersonalkonzept und Zwangsteilzeit kann die Devise sein, sondern folgen Sie unserem Vorschlag zu einem Personalentwicklungsprogramm. Wir müssen jungen Lehrerinnen und Lehrern, die in Mecklenburg-Vorpommern in den Schuldienst einsteigen, eine Perspektive geben. Nicht Einjahresverträge stehen auf der Tagesordnung, sondern eine Perspektive für junge Lehrerinnen und Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern, damit unsere Kinder eine Zukunft haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Berufsschulen im Land, die harren einer Lösung. Und, Herr Minister, hier kann es nicht so sein, dass man die Landkreise und kreisfreien Städte alleine lässt. Hier muss man schon als Ministerium auch koordinierend, regulierend mit eingreifen. Das Problem dieser Lösung, das sage ich Ihnen ganz offen, liegt nicht in der Neuordnung der Landkreisstrukturen. Das Problem dieser Lösung liegt im Kultusministerium. Bei den Hochschulen, das ist Ihr Fachgebiet, werden wir Sie unterstützen, Herr Metelmann, um sich der Umklammerung der Frau Finanzministerin zu entziehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Wer die Hochschulpolitik nur mit dem Rotstift der Buchhalterin betreibt, verkennt die Chancen, die in unseren Hochschulen stecken. Herr Metelmann, Sie haben unsere Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Wort zur politischen Bildung. Sie sprachen davon, dass Sie diese bündeln wollen, um sie effizienter zu gestalten und sie damit zu stärken. Wer die Medien am Wochenende gründlich gelesen hat, da scheint eher bündeln und kürzen, Herr Ministerpräsident, Ihr Motto zu sein. Und was Ihnen hier so richtig vorschwebt, da haben Sie nicht die Katze aus dem Sack gelassen. Aber wir werden Sie, gerade auf diesem wichtigen Gebiet, nicht beim Tun unterstützen, wo gegebenenfalls 20 Prozent der Mittel für politische Bildung gekürzt werden. Ich glaube, inhaltlich haben Sie es ja gesagt, aber wir werden genau prüfen, ob Sie Ihren Worten hier auch Taten folgen lassen. Eine Kürzung der Mittel für politische Bildung wird mit der CDU in Mecklenburg-Vorpommern nicht machbar sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren, wir müssen gemeinsam für die Jugend in unserem Land etwas bewegen und deswegen bieten wir Ihnen unsere Zusammenarbeit an bei der Beseitigung des Unterrichtsausfalls, bei der Aufstellung eines Personalentwicklungskonzeptes, bei der Verbesserung der Autonomie der Hochschulen und bei der Setzung von Prioritäten im Landeshaushalt zugunsten des Bildungsetats.

Meine Damen und Herren, breiten Raum nimmt seit einigen Wochen eine Diskussion über neue Strukturen bei unseren Gebietskörperschaften ein. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass hier geschickt von den wirklichen Problemen abgelenkt wird. Die Kommunen – und dies ist unzweifelhaft – stecken in einer schweren finanziellen Krise. Aber wo liegen eigentlich die Ursachen für die

Probleme bei der Einnahmeseite und für die Probleme bei der Ausgabenseite? Wegbrechen von Steuern durch die rot-grüne Steuerreform – Herr Ringstorff, Sie haben dazu Ja gesagt –, dramatischer Anstieg der Zahl der Sozialhilfeempfänger. Gründe dafür: Wegfall und Kürzung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und eine Reihe von gesetzlichen Änderungen, zum Beispiel, dass Alleinerziehende mehr Sozialhilfe beantragen müssen. Die Deckelung der Finanzausgleichsmasse bedeutet, dass den Kommunen immer weniger Geld zur Verfügung steht,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Stichwort Inflationsrate und Lohnkostensteigerung, Kürzungen des Landes bei investiven Programmen, die den Kommunen zugute kommen, Erhöhung der Gewerbesteuerumlage und weitere Verlagerung von Aufgaben des Bundes auf die Länder wie Grundsicherung bei der Riester-Rente und so weiter und so fort. Herr Ministerpräsident, das sind die Probleme, die Kommunen haben.

Allein in meinem eigenen Landkreis steigt die Sozialhilfe um 1,1 Millionen Euro – nicht vordergründig verursacht durch den Anstieg der Anzahl der Sozialhilfeempfänger. Die Zahl steigt um nicht mal fünf Prozent. Die Sozialhilfe steigt um deutlich über zehn Prozent. Und die Ursachen sind Verlagerungen der Aufgaben des Bundes auf die Landkreise. Das hat zur Folge, dass der Landkreis, um einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen – ich glaube, das ist der einzige noch in Mecklenburg-Vorpommern –, die Kreisumlage um zwei Prozent anheben muss. Wenn diese Sozialhilfekosten nicht um 1,1 Millionen Euro ansteigen würden, dann wären wir in Nordvorpommern noch bei einer Kreisumlage bei 24 Prozent. Herr Ministerpräsident, das macht die Kommunen kaputt. Und Freiräume können wir nur dann schaffen, wenn wir ganz engagiert darangehen, die Einnahmeseite zu stärken, und wir uns bei der Ausgabenseite wirklich die Frage stellen müssen, ob alle Leistungen sein müssen. Stattdessen spricht das ganze Land über die roten Kreuzchen von Herrn Dr. Timm, die er bei Landesbehörden macht, und über seine Interviewaussagen.

Herr Ministerpräsident, wenn es Ihnen ernst ist mit einer Verwaltungsmodernisierung, wirklich ernst ist, ernst mit Bürokratieabbau und effektiven Strukturen, dann fangen Sie an der Spitze an!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Legen Sie als ersten Schritt Landwirtschaft und Umwelt zusammen, legen Sie Wirtschaft und Arbeit zusammen und folgen Sie unserem Vorschlag, die Zahl der Abteilungen in der Staatskanzlei und in den Ministerien von 49 auf 36 zu reduzieren!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wie heißt Ihre Existenzgründeroffensive? – Einfach anfangen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Und was machen wir mit den Beschäftigten, Herr Rehberg? Haben Sie dafür eine Antwort?)

Frau Gramkow, Sie haben es seit 1998 versäumt,

(Angelika Gramkow, PDS: Ich!)

Vorsorge zu treffen bei der Kernverwaltung des Landes.

(Angelika Gramkow, PDS: Ich! Seit ’98 ich?!)

Sie haben Personal aufgestockt, Sie wollen weiter Personal aufstocken. Sie hätten seit 1999 kw-Vermerke ausbringen können in den Jahresscheiben und Sie werden Riesenprobleme haben, Ihre Zielstellung zu erfüllen. Sie verlassen sich nur auf eins: auf sinkende Schülerzahlen, auf sinkende Geburtenzahlen, offenkundig noch auf Abwanderung, und meinen, dieses Problem ist damit gelöst. Damit ist überhaupt kein Problem gelöst. Fangen Sie an zu regieren, fangen Sie an zu handeln, zuerst bei sich selber!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Herr Ministerpräsident, Sie haben schöne Worte gefunden zur Verwaltungsmodernisierung – völlig unkonkret, völlig unverbindlich. Es gibt Vorarbeiten. Holen Sie die Vorarbeiten aus der Schublade in der Staatskanzlei heraus, die unter Leitung von Thomas de Maizière in den Jahren 1995 bis 1997 geleistet worden sind und die Sie damals als SPD-Fraktionsvorsitzender gemeinsam mit dem DGB letztendlich blockiert haben! Gehen Sie nach Hessen, gehen Sie ins Saarland, dort wurden massive Entbürokratisierungsoffensiven vorgenommen!

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

30 Prozent der Gesetze, Verordnungen und Erlasse sind dort reduziert worden. Übrigens, beiden Ländern geht es sehr, sehr gut, geht es hervorragend. Oder, Herr Ministerpräsident, stellen Sie sich doch einmal die Frage: Ist es sinnvoll, dass 50 Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme zu einem Flächennutzungsplan abgeben müssen?

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Stadt Marlow – so dick das ganze Ding. Und die müssen dann abgewogen werden, Herr Ministerpräsident, abgewogen werden in der Kommune, im Amt, abgewogen werden in der Kreisverwaltung, abgewogen werden beim Planungsverband, abgewogen werden beim Staatlichen Amt für Umwelt und Naturschutz, abgewogen werden bei den obersten Landesbehörden in den Ministerien. Diese Fragen, Herr Ministerpräsident, diese Fragen müssen Sie beantworten.

Oder, Herr Ministerpräsident, ich hoffe, dass wir Gelegenheit haben zum Ende der Legislaturperiode, denn dann wollen Sie ja Ihre Ziele realisiert haben, dass Sie mir dann auf diese meine Fragen eine Antwort geben können.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Und zwar habe ich mir ein Beispiel herausgesucht, was beim Bau eines Bootssteges an der Peene so alles zu tun beziehungsweise nicht zu tun ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das wird bestimmt lustig.)

Sie brauchen, Herr Ministerpräsident, eine Genehmigung nach Bundesrecht durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund und den Abschluss eines Nutzungsvertrages für die Inanspruchnahme der bundeseigenen Landes- und Wasserflächen. Erste Behörde. Zweitens: Sie brauchen eine wasserrechtliche Genehmigung durch das STAUN nach Landeswassergesetz für das Gewässer erster Ordnung. Das Einvernehmen der unteren Naturschutzbehörde ist notwendig – zwei und drei. Sie brauchen eine Ausnahmegenehmigung der Naturschutz

behörde gemäß Paragraph 19 Landesnaturschutzgesetz, Wasserschutzstreifen gemäß Paragraph 20 nach Landesnaturschutzgesetz, Biotopschutz und Ausnahmen zu Verboten aus der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Und schließlich, eine Prüfung der FFH-Verträglichkeit nach Paragraph 19 c des Bundesnaturschutzgesetzes, Herr Ministerpräsident, ist notwendig. Das sind, wenn ich nicht schlecht zähle, sechs Behörden.

Herr Ministerpräsident, ich würde Ihnen zugestehen, dass Ihre Verwaltungsmodernisierung erfolgreich ist, wenn wir uns vielleicht im Sommer des Jahres 2006 darüber unterhalten können, dass nur noch eine Behörde die Genehmigung erteilen muss, wenn ich einen simplen Bootssteg an der Peene bauen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. Richtig.)

Wissen Sie, ich kann viele Bürger verstehen, dass sie oftmals nahe am Verzweifeln sind und dass sie sich zuweilen vorkommen wie Asterix und Obelix, die die Römer im Feld zwar immer schlugen, die sich aber an der Bürokratie der Römer dann letztendlich die Zähne ausbissen.