Protocol of the Session on December 11, 2002

Diese Entschließung ist, denke ich, heute aktueller denn je. An der spanischen Küste kämpfen die Menschen in diesen Tagen verzweifelt gegen eine neue Ölpest. Der Untergang des Tankers „Prestige“ setzt die Reihe katastrophaler Ereignisse fort, die ich als Verbrechen an der Umwelt bezeichnen möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Verantwortlich sind dafür gewissenlose Reedereien, denen nichts heiliger ist als der Profit aus dem Öltransport in maroden, vom Stand der Sicherheitstechnik längst überholten Tankern. Sie nehmen das Risiko der Umweltzerstörung, die Menschen und Tieren die Lebensgrundlage nimmt, billigend in Kauf.

Mecklenburg-Vorpommern mit seinen vielseitigen und beliebten, jedoch ökologisch sensiblen Küsten sieht sich in besonderer Weise für den Schutz der Ostsee verantwortlich und zollt dieser Verpflichtung höchste Priorität.

Wir können sagen: Wieder mal ist unsere Küstenlandschaft gerade noch davongekommen, vielleicht auch nur deswegen, weil gehandelt worden ist und die größte Schwachstelle, die Kadet-Rinne, für die Durchfahrt übersichtlicher gestaltet worden ist. Doch die schwimmenden Zeitbomben ticken weiter. Unverzichtbar geboten ist es, unsere touristischen und maritimen Werbeträger Küste und Ostsee entsprechend ernst zu nehmen und weiterhin mit allen Mitteln parlamentarischen Handelns genauestens aufzupassen, dass sowohl die abwendbaren Gefahren, Schiffsunfälle, Schadstoffeinleitungen in die See, und Küstenrückgang als natürliche Gefährdung minimal gehalten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, in das Thema „Maritime Sicherheit im Ostseeraum“ ist durch politischen, parlamentarischen Druck Bewegung gekommen. Dieses zeigt sich unter anderem darin, dass die Arbeit des Umweltausschusses des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern der 3. Legislaturperiode bei Behörden und Gremien Anerkennung gefunden hat, so im Rahmen des 7. Warnemünder Schifffahrtskollegs am 01.11.2001, der 8. Seerechtsgespräche am 05.11.2001 und der 2. Nationalen

Maritimen Konferenz in Rostock-Warnemünde am 06.11.2001. Und wie Frau Kollegin Holznagel das ja auch schon sagte, diese Reihe ließe sich auch für das Jahr 2002 fortsetzen. Besonders hervorzuheben sind auch die Gutachten der Universität Rostock, die der Landtag eingeholt hatte und die eine wertvolle Arbeits- und Informationsgrundlage für regierungsseitiges Handeln sein dürften.

Und ich verkenne nicht, meine Damen und Herren, dass auch seitens der Opposition inhaltlich wichtige Beiträge geleistet wurden,

(Beifall Renate Holznagel, CDU)

von einigen Fehlgriffen in der Wahl der Mittel, wie ich es damals aus der Presse entnommen habe, jedoch abgesehen.

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr richtig, sehr gut.)

Entscheidend, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass gegenwärtig in Deutschland eine Erneuerung der Verwaltungsstrukturen des maritimen Sicherheitsmanagements stattfindet. Die Initiativen der Parlamente haben dafür wertvolle Anregungen gebracht.

Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern bestätigte die auf der 10. Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald beschlossene Einrichtung einer Arbeitsgruppe der Ostseeparlamentarierkonferenz „Maritime Sicherheit“ und unterstützte die Nominierung von Dr. Henning Klostermann zu deren Vorsitzenden, dem ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich Dank sagen möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Regine Lück, PDS)

Die Arbeitsgruppe konstituierte sich am 26.11.2001 und hatte die Aufgabe, wichtige Vorbereitungsarbeiten für die 11. Ostseeparlamentarierkonferenz in Sankt Petersburg zu leisten. In der Arbeitsgruppe wirkten Mitglieder aus Schweden, Dänemark, Polen, Finnland, Norwegen, Lettland, Russland und den deutschen Küstenländern zusammen. Ziel war es, bisher noch nicht umgesetzte Maßnahmen zu forcieren, von den Regierungen Berichte anzufordern sowie Experten aus den Anrainerstaaten anzuhören, um politischen Druck auch weiterhin über die Ostseeparlamentarierkonferenz auf Regierungen und internationale Gremien auszuüben. Schwerpunkte waren erstens Prävention, zweitens Unfallbekämpfungsmanagement und drittens langzeitige Katastrophenbekämpfung.

Durch entsprechendes Regierungshandeln hat es eine ganze Reihe präventiver Maßnahmen gegeben. Eine Empfehlung der Ostseestaaten zur freiwilligen Annahme von Überseelotsen mit spezieller Lizenz für Schiffe mit größerem Tiefgang besteht bereits. Nach Auskunft der dänischen Behörden folgen freiwillig 95 Prozent aller Schiffe dieser Empfehlung. Eine Verpflichtung dazu kann nur über die Internationale Maritime Organisation, die IMO, als verbindliches Gremium ausgesprochen werden. Allerdings, bei 158 Staaten, die der IMO mit unterschiedlichen Interessenlagen angehören, ist dieses natürlich schwierig und sehr langwierig.

Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der IMO auf eine weltweite Ausrüstungspflicht aller Schiffe bei mehr als 300 Bruttoraumzahl mit dem automatischen Schiffsidentifikationssystem, Abkürzung AIS, hingewirkt. Diese Ausrüstungspflicht ist für neue Schiffe am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Am Standort Rostock wird aus Mitteln des Bundes ein landgestütztes AIS-System aufgebaut.

Bis 2015 sollen alle Einhüllentanker, so will es die IMO, je nach Alter außer Betrieb gehen. Durchgesetzt werden muss ein solches Verbot durch entsprechende Hafenstaatkontrollen. Nur 25 Prozent aller Schiffe müssten nach bestehenden Sicherheitsvorschriften der EU in den Häfen kontrolliert werden. Leider wird diese Anzahl der Kontrollen aus verschiedenen Gründen bisher nur sehr unvollständig realisiert.

Die EU will die schlimmsten Seelenverkäufer auf einer schwarzen Liste für Schiffe mit besonders hohem Gefährdungspotential erfassen und diesen das Einlaufen in allen Häfen der EU verbieten. Eile tut Not und geschlossenes Handeln der Regierungen der europäischen Hafenstaaten bei der Umsetzung der EU-Beschlüsse hat höchste Dringlichkeit.

In Rostock-Warnemünde wurde ein Notschlepper, „Fairplay 26“, mit 67 Tonnen Pfahlzug stationiert. Für seinen Einsatzbereich kann dieser Schlepper binnen zwei Stunden vor Ort sein und so das Sicherheitssystem für Havarien vervollständigen.

Ein besonders wichtiger Schritt nach vorn ist die Einrichtung eines deutschen Havariekommandos als Kompetenzzentrum für maritime Notfallversorgung mit Sitz in Cuxhaven. Zweifellos ist das ein Fortschritt, aber es gibt zu viele Schlupflöcher in der Kompetenzstruktur. Der große Wurf ist es noch nicht. Dieses Gebilde ist zu schwerfällig. Ziel, wenn auch nur ein Fernziel, muss die volle Zuständigkeit für das Havariekommando durch den Bund sein. Für die dazu erforderliche Grundgesetzänderung sind entsprechende Mehrheiten erforderlich, die es bisher nicht gibt. Wie ein Havariekommando funktionieren kann, beweisen die Amerikaner mit ihrer Coast Guard. Im Hinblick auf den gesamten Ostseeraum sollte als längerfristige Perspektive die Einrichtung einer gemeinsamen internationalen Seewache erfolgen.

Meine Damen und Herren, es ist auch ein Erfolg für das Parlament dieses Landtages, dass das Standing Committee der Ostseeparlamentarierkonferenz durch einen Beobachterstatus bei der Helsinki-Kommission eine deutliche Aufwertung erfuhr. Dieses ist deswegen so bedeutungsvoll, weil sich Informations- und Einflussmöglichkeiten der Ostseeparlamentarierkonferenz auf die IMO nur über die Helsinki-Kommission realisieren lassen. Hier den Durchbruch geschafft zu haben ist ein sehr bemerkenswertes Ergebnis der 11. Ostseeparlamentarierkonferenz. Das möge der Landtag in Punkt 2 seiner Entschließung begrüßen.

Meine Damen und Herren, die Kette schrecklicher Terroranschläge, insbesondere nach dem 11. September 2001, hat deutlich werden lassen, dass das Sicherheitsmanagement auf See und im Küstenbereich völlig neu überdacht werden muss. Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, bei der IMO entsprechende Vorschläge aus ihrem Sicherheitskonzept „Port and Maritime Security“ einzubringen. Der Grundgedanke dieser Herangehensweise ist, dass Terrorismusgefahr auf dem Seeweg nicht importierbar sein darf.

Ich halte es für außergewöhnlich wichtig, dass der Landtag der Ostseeparlamentarierkonferenz von dieser Bühne aus seine Zustimmung zu Maßnahmen gegen den Terrorismus signalisiert und solche Maßnahmen auch begleitet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

In einer zweibändigen Dokumentation in blau übermittelt der Landtag unter dem Thema „Maritime Sicherheit im Ostseeraum“ eine hervorragende Übersicht zu parlamentarischen Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene. Ich empfehle Ihnen dringendst, hier mal reinzusehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bewegung in der Sache muss es weiter geben, denn alle potentiellen Schäden am ökologischen System der Ostsee und seiner Küsten wirken nachhaltig. Es darf daher am finanziellen Aufwand für die Prävention, das heißt Kontrollen, Verbesserung der see- und landseitigen Aus- und Fortbildung und Kosten für die Einhaltung von Vorschriften, nicht gespart werden.

Zunächst hat der Landtag seine Hausaufgaben gemacht. Für Weiteres ist die Landesregierung am Zuge. Sie ist, das möchte ich abschließend ausdrücklich betonen, mit der Nieklitzer Erklärung auf dem richtigen Wege. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter Jarchow, für Ihre Jungfernrede hier im Parlament.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Es werden ja eine ganze Reihe weiterer Reden folgen. Alles Gute!

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Caffier für die Fraktion der CDU.

(Heinz Müller, SPD: Das ist keine Jungfernrede. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Politik ist die Kunst des Machbaren und stützt sich auf demokratisch legitimierte Mehrheiten. Dies wird zum einen an dem Beschluss der 11. Ostseeparlamentarierkonferenz in Sankt Petersburg und zum anderen an dem hier vorliegenden Antrag deutlich.

Es tut mir aber Leid, wenn ich etwas Wasser in den Wein schütten muss: Auf lange Sicht wird es nicht reichen, ständig nur zu begrüßen, zu fordern, übereinzukommen oder zu akzeptieren. Wer die Debatten heute über den ganzen Tag verfolgt hat, hat dies auch in unterschiedlicher Form schon wahrgenommen.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Wir brauchen endlich Taten und rechtliche Grundlagen, die den Schutz der Ostsee und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Anrainerstaaten sichern.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Henning von Storch, CDU)

Diese Ziele lassen sich im Rahmen der Tätigkeit der Ostseeparlamentarierkonferenz nur gemeinsam erreichen, da Entscheidungen auf dem Prinzip der Einstimmigkeit basieren. Dieses Einstimmigkeitsprinzip ist schon deshalb geboten, da in der Konferenz sowohl Nationalstaaten als auch Bundesländer mit gleichem Antrags- und Stimmrecht nebeneinander sitzen. Diese Verfahrensweise ist für die internationale Ebene eine außergewöhnliche Praxis.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl gerade im Bereich der Ostseesicherheit dringend mehr getan werden müsste, war es bisher aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips eben nicht möglich, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Aber es gibt aufgrund der Ostseeparlamentarierkonferenzen auch Erfolge, die ich nicht verschweigen will.

So war es vor zwölf Jahren keineswegs sicher, dass sich Russland an einem Projekt beteiligen würde, welches eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit und einen grenzüberschreitenden Umweltschutz im Bereich der Ostseeregion zum Ziel hat. Klarheit bestand seinerzeit nur darin, dass ohne die Beteiligung Russlands ein Konzept zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung der Ostseeregion zum Scheitern verurteilt sein würde. Obwohl sich Russland von Anbeginn an den Tagungen beteiligte, war das Engagement der russischen Regierung in den ersten Jahren äußerst zurückhaltend. Das Verhältnis der baltischen Staaten zu der einstigen Schutzmacht war von Misstrauen geprägt.

Auf der 11. Ostseeparlamentarierkonferenz in Sankt Petersburg wurde nunmehr deutlich, dass das Konferenzgeschehen heute nicht mehr von diesem Misstrauen geprägt ist. Ich glaube, das ist eine gute Entwicklung. Auf der zurückliegenden Konferenz gab es meines Erachtens zwei bedeutende Themen: zum einen die Wege der Integration und der Kooperation in der Ostseeregion mit den besonderen Schwerpunkten des Umweltschutzes und des maritimen Schutzes und zum anderen die Rolle Kaliningrads. Das Bedeutendste aber war, dass diese Ostseeparlamentarierkonferenz erstmalig in Sankt Petersburg, also in Russland stattfinden konnte.

Entscheidend ist für mich die Aussage, dass nationale Strategien – dazu gehören auch unsere Landesprogramme – immer stärker auf die Interessen des Gesamtgebietes Ostseeregion ausgerichtet sein müssen, damit sie über die Grenzen der jeweiligen Nationalstaaten hinausreichen. Dazu gehört unter anderem die Beachtung der in der Agenda 21 festgeschriebenen Schwerpunkte zur Förderung des ökonomischen Wachstums, des ökologischen Gleichgewichts und des sozialen Fortschritts für alle Anrainerstaaten.

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass mit der in Sankt Petersburg verabschiedeten Resolution auch die Fährverbindungen im Ostseeraum in das transeuropäische Netzwerk der Verkehrsinfrastruktur aufgenommen wurden. So wird die Europäische Kommission aufgefordert, diesem Verkehrsmittel als bedeutender Verbindung der Ostseeräume mehr Beachtung zu schenken. Gerade vor dem Hintergrund der zurückliegenden Diskussion um den Verkauf der Scandlines-Anteile ist dieser Aspekt für unser Land von besonderer Bedeutung.

Der zweite Teil der Resolution befasst sich mit der Schiffssicherheit und dem Schutz der Ostsee. Wie aktuell dieses Thema gerade vor dem Untergang der „Prestige“ ist, das wurde hier bereits erwähnt. Klar ist, dass die seitens der Europäischen Kommission genannten Fristen zur Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen hinfällig sind. Wir können den Einsatz von Einhüllentankern wie der „Prestige“ nicht bis zum Jahre 2015 zulassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Dr. Till Backhaus, SPD)

Schon im letzten Jahr auf der Konferenz in Greifswald wurden Beschlüsse gefasst, die mittlerweile konkretisiert

wurden. Dazu gehören zum Beispiel Risikoanalysen für Schiffe, Plattformen und Hafenanlagen. Meines Erachtens gehören in diesen Katalog der Sicherheitserhöhung auch zukünftige Windkraft-Offshore-Anlagen, wie sie derzeit vor dem Darß geplant werden.