Protocol of the Session on September 16, 2004

Meine Damen und Herren, klar ist, dass die unangemessene Risikoeinschätzung seitens der Bundesregierung zu einer Übertreibung in der Bürokratie führt und somit den Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen der Grundlagenforschung zur konkreten Anwendung in der Landwirtschaft erschwert.

Die EU-Vorgaben im Bereich der Freisetzungsrichtlinie, der Verordnung für Lebens- und Futtermittel aus gentechnisch veränderten Organismen und der Verordnung der Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen sind konkret formuliert. Das bitte ich doch zu beachten. Leider weicht die Bundesregierung aus rein dogmatischen Gründen von diesen konkreten Vorgaben ab. Dies stellt die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf fest, meine Damen und Herren. Nur bei der Koexistenz öffnet die EU-Vorgabe in Form von Leitlinien den Ländern der EU einen Freiraum für nationale Regelungen.

Um ein Nebeneinander des Anbaus von konventionellen, ökologischen und gentechnisch veränderten Kulturen zu ermöglichen, haben die Länder daher Möglichkeiten einer eigenen Gestaltung. Dies ist im Hinblick auf eine Wettbewerbsfähigkeit aller Produktionsrichtungen auf europäischer und globaler Ebene vorzunehmen. Wichtig dabei ist, festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Koexistenz nicht um eine Frage der Sicherheit handelt. Die Bewertung der ökologischen und gesundheitlichen Risiken der gentechnisch veränderten Organismen wird bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vor der Zulassung der Sorten zum Anbau vorgenommen. Es gibt hier ein Verfahren, das durch- und umgesetzt werden muss. Die Auswirkungen der neuen gentechnisch veränderten Sorten werden dabei mit den Auswirkungen konventioneller beziehungsweise ökologischer Sorten verglichen und bewertet.

Meine Damen und Herren, hier wird im Vorfeld schon exakt und verantwortungsvoll untersucht. Die EU-Kommission hat in den Leitlinien zur Koexistenz hervorgehoben, dass Landwirtschaft und Verbraucher zwischen konventionell, ökologisch oder mit Hilfe von gentechnisch veränderten Pflanzensorten erzeugten Lebens- beziehungsweise Futtermitteln wählen können.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Wahlfreiheit, das heißt, allen drei Produktionsformen eine reelle Chance geben zu müssen und keine der Anbauformen von vornherein zu benachteiligen oder auszuschließen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Die Europäische Kommission hat bewusst keine verbindlichen Festlegungen von Maßnahmen für den Anbau der verschiedenen Produktionsrichtungen getroffen, um den regionalen Gegebenheiten innerhalb der EU Rechnung tragen zu können. Auch innerhalb Deutschlands variieren die regionalen und betrieblichen Bedingungen. Daher gilt es auch hier, einen gewissen Grad an Flexibilität aufrechtzuerhalten.

Gleichzeitig allerdings benötigen die Anbauer von gentechnisch veränderten Kulturen wie auch die der anderen Produktionsrichtungen Sicherheit, um nicht ungerechtfertigten Ansprüchen, vielleicht auch übertriebenen Ansprüchen von Nachbarn ausgesetzt zu sein. Ziel sollte es daher sein, klare Regelungen für die gute fachliche Praxis des Anbaus aller Produktionsweisen festzulegen, die dann je nach regionalen und betrieblichen Bedingungen zum Einsatz kommen.

Meine Damen und Herren, die im Gesetz von der Bundesregierung formulierten Regelungen berücksichtigen einseitig ökologische Gesichtspunkte, ohne deren Nachhaltigkeit einzubeziehen. Meine Damen und Herren, Nachhaltigkeit bedeutet unter anderem, soziale Gesichtspunkte für alle Produktionsweisen zu berücksichtigen. Diese umfassen auch die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern. Das kann nur erreicht werden, wenn für alle Produktionsweisen im europäischen und internationalen Vergleich keine Nachteile durch gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Gleichzeitig werden die Vorteile der grünen Gentechnik völlig außer Acht gelassen. So kann mit Hilfe von genoptimierten Pflanzen zum Beispiel die Ausbringung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln drastisch reduziert werden.

(Alexa Wien, PDS: Das stimmt doch gar nicht. – Zurufe von Angelika Peters, SPD, und Birgit Schwebs, PDS)

Meine Damen und Herren,...

Doch, lesen Sie mal nach! Das stimmt schon.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat über ihren Einfluss im Bundesrat die Möglichkeit, die Vorschläge über einen eigenen Gesetzentwurf oder im Rahmen der Beratungen über den zustimmungspflichtigen Teil des Gesetzes einzubringen. Ganz besonders unser Land benötigt hier die Neuregelungen. Deswegen bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister, dieses im Bundesrat zu tun,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut!)

um auch in unserem Land für unsere Landwirtschaft in diesem Sinne zu wirken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, ich denke, die Gentechnik ist ein sehr sensibles Gebiet. Wir sollten in Mecklenburg-Vorpommern die Chancen für unsere Landwirtschaft hochhalten und auch verantwortungsvoll bedenken und, ich glaube, was ganz besonders wichtig ist, die Grundlagen, die die EU-Kommission uns hier vorgegeben hat, umsetzen. Deswegen bitte ich um Zustimmung für unseren

Antrag beziehungsweise den Änderungsantrag. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Holznagel.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zuerst der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Dr. Backhaus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe hier als Landwirtschaftsminister und gleichzeitig in der Funktion als Minister für den Verbraucherschutz in diesem Bereich.

(Beifall Angelika Peters, SPD – Harry Glawe, CDU: Das ist gut. – Dr. Ulrich Born, CDU: Und als Kollege von Frau Holznagel.)

Sehr geehrte Frau Holznagel, insofern, glaube ich, darf ich an den Anfang meiner Ausführungen noch einmal setzen, in bin Ihnen, dem Hohen Haus, sehr dankbar, dass Sie die 14. MeLa so sehr gut begleitet haben. Ich glaube, wir haben damit dokumentiert, dass wir in MecklenburgVorpommern eine fortschrittliche Landwirtschaft betreiben, die wettbewerbsfähig ist, die umweltverträglich ist und die insbesondere den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus die Sicherheit bietet, nämlich davon ausgehen zu können, dass hervorragende Lebensmittel produziert werden. Das ist eine der wichtigsten Botschaften, die wir immer wieder senden müssen. Ich hoffe, da sind wir uns einig.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und wenn ich die Gäste in diesem Raum sehe, dann ist das sicherlich ein Thema, die Gentechnik, das Gentechnikgesetz, wo sich viele, viele Menschen in Deutschland, in Europa Gedanken machen, Sorgen machen und auf der anderen Seite natürlich auch Chancen sehen, aber auch die Risiken bewertet werden müssen. Und genau das betreiben wir.

Ich glaube, ich kann auch in meinem Beitrag deutlich machen, dass wir uns gemeinsam bemühen, einen Weg zu finden, in eine Art friedliche Koexistenz einzutreten. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Gespräche, die wir auf der Bundesebene im Vermittlungsverfahren oder auch mit der Bundesregierung geführt haben, seit Februar dieses Jahres das Ziel verfolgen, endlich zu einem Gesetz zu kommen, denn wir sind seit 2001 in Deutschland geradezu aufgefordert, endlich dieses auch umzusetzen.

Seit Februar dieses Jahres beschäftigt sich also der Bundesrat in seinen Ausschüssen und im Plenum mit der Überarbeitung des Gentechnikrechtes. Sie haben darauf hingewiesen. Inzwischen befinden wir uns im Vermittlungsverfahren und Mecklenburg-Vorpommern ist in diesem Verfahren beteiligt. Wie aus heiterem Himmel präsentiert uns nun die Union just zu diesem Zeitpunkt diesen Antrag. Und, wie könnte es anders sein, Sie haben darauf hingewiesen, Frau Holznagel, er beschreibt im Wesentli

chen die Linie der so genannten B-Länder, also der CDUgeführten Länder, und die Position der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag fast wortgenau. Insofern ist das eine Fleißarbeit gewesen, die Sie hier vorgenommen haben, und zwar im Abschreiben.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Also scheint in der Opposition zumindest die Abstimmung auf Bundesebene nach wie vor noch zu funktionieren. Das finde ich auch in Ordnung. Der Antrag als solches ist auch von der Substanz her schon interessant.

(Renate Holznagel, CDU: Dazu kann man ja nichts anderes mehr aufschreiben.)

Aber ich gehe darauf nachher noch einmal ein. Ansonsten bewahrheitet sich das alte Sprichwort: „Besser gut abgeschrieben als schlecht erfunden.“ Das ist schon richtig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Jörg Heydorn, SPD – Zuruf von Renate Holznagel, CDU)

Das ist nicht böse gemeint, aber ich will ausdrücklich zur Sache etwas sagen.

(Harry Glawe, CDU: Fällt Ihnen dazu mehr ein?)

Längst sieht natürlich die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern die Umsetzung der so genannten EUFreisetzungsrichtlinie aus 2001, und zwar die Nummer 18, als dringend notwendig an. Genau dies soll mit der Novellierung des Gentechnikgesetzes nun erfolgen. Insoweit stimme ich Ihnen zu, denn der heute schon praktizierte Eingriff in Gene, nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei Menschen, fordert von uns allen in dieser Gesellschaft eine neue Qualität der Verantwortung. Auch dieses habe ich immer versucht deutlich zu machen in den letzten Wochen und Monaten.

Und um dieser Verantwortung wirklich gerecht zu werden, sollten wir drei grundlegende Prinzipien deutlich verinnerlichen: erstens die Entscheidungsfreiheit, zweitens die Transparenz, das heißt die Darstellung eben auch dieser Maßnahmen, und drittens die Koexistenz. In der Zeit des Überganges spielt sicherlich auch ein viertes Prinzip eine ganz große Rolle, nämlich das Prinzip der Freiwilligkeit. Dazu komme ich aber noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gesetz, wie es gegenwärtig vorliegt, lehnt die Landesregierung nach gründlicher Prüfung nicht in Gänze ab. In zwei wesentlichen Punkten, und das habe ich immer wieder deutlich gemacht, haben wir aber Änderungsbedarf gegenüber der Bundesregierung angemahnt. Und zwar geht es um den Zweck des Gesetzes, in dem es unter anderem im Paragraphen 1 heißt, die Möglichkeit zur Gewährleistung, dass Produkte insbesondere Lebens- und Futtermittel konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Das gleichberechtigte Nebeneinander des Verfahrens ist also gewollt. Das ist auch das Ziel des Gesetzes, dass das überhaupt ermöglicht wird. Das ist auch die Philosophie der Bundesministerin, überhaupt zu einem Anbau in Deutschland kommen zu können. Dieses entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft.

Der Gesetzentwurf bedarf meiner Meinung nach einer Klarstellung beziehungsweise Ergänzung, nämlich hin

sichtlich der vorgeschlagenen Haftungsregelungen. Auf EU-Ebene ist es im Übrigen auch so, dass das De-factoMemorandum für das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Organismen inzwischen aufgehoben worden ist und damit Klarheit dafür existiert.

Im Übrigen, Frau Holznagel, wird dieses Gesetz auch durch die Europäische Kommission noch zu notifizieren sein und ich bin gespannt, ob die Europäische Union diesen Gesetzentwurf oder dann das beschlossene Gesetz überhaupt notifizieren wird. Ich bin gespannt. Das habe ich auch der Bundesministerin so gesagt. Ich gehe davon aus, dass die Veränderungen, die wir herbeiführen wollen, auch umgesetzt werden. Insbesondere für Forschung, aber auch für die Landwirte in Deutschland ist daher Planungs- und natürlich auch Rechtssicherheit dringend geboten,

(Beifall Renate Holznagel, CDU)

die wir zurzeit eben aufgrund des fehlenden Gesetzes in Deutschland so nicht haben. Das soll damit geändert werden.

Der Gesetzentwurf überbewertet aber auch die möglichen Risiken einer grünen Gentechnik. Ich will das ausdrücklich betonen, denn im roten, also im medizinischen Gentechnikbereich, sind wir, glaube ich, einer Meinung, dass die Gentechnik hervorragende Ergebnisse bei der Prophylaxe und hoffentlich auch weitere Ergebnisse bei der Krankheitsvermeidung oder eben das Ausmerzen von Krankheiten erreichen wird.

Die Überregulierung erschwert unter anderem einerseits die Forschung, so ist es im Gesetz zurzeit vorgesehen, und andererseits natürlich auch die praktische Anwendung des Verfahrens. Das ist meine Auffassung und dazu stehe ich auch.

(Beifall Renate Holznagel, CDU)

Mecklenburg-Vorpommern hat daher im Agrarausschuss zwei Anträge zur Änderung des Gesetzentwurfes vorgelegt. Sie befassen sich mit der Definition des In-Verkehr-Bringens sowie der Errichtung eines Ausgleichsfonds. Bei der Definition des Begriffes „In-Verkehr-Bringen“ geht es vor allem um eine Klarstellung. Erzeugnisse, die entweder zufällig oder technisch unvermeidbar gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten, welche auf eine genehmigte Freisetzung zurückzuführen sind, benötigen keine Genehmigung zum In-Verkehr-Bringen gemäß Paragraph 14 Absatz 1. Die derzeitige Regelung würde die versuchsweise Freisetzung, vor allem bei Getreide und Raps, erheblich behindern.