Protocol of the Session on June 23, 2004

Die erste Debatte wird sich dem dreigliedrigen Schulsystem stellen müssen.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD – Glocke der Vizepräsidentin)

Die Frage, ob wir die Konsequenzen aus PISA ziehen und in Richtung Skandinavien gehen wollen, spreche ich ganz deutlich aus,

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

denn es geht um das Thema Gesamtschule.

(Volker Schlotmann, SPD: Gehen Sie doch in die Bütt!)

Es geht um das Thema skandinavische Gesamtschule, es geht um langen Unterricht in einer Klasse und um Einzelförderung, um das Sitzenbleiben und um andere Themen wie die Einzelförderung.

Zweitens geht es um die Fragen: Wie organisieren wir unsere Schulstrukturen in einem dünnbesiedelten Land? Können wir es uns weiterhin leisten, eine große Anzahl kleiner Schulstandorte zu finanzieren mit hohem Unterrichtsausfall, geringen Klassen, geringer Sozialkompetenz bei den Schülern, riesigen organisatorischen Problemen, Lehrertourismus, können wir uns das weiter leisten? Oder müssen wir den Mut haben, langfristig finanzierbare Strukturen im Schulwesen zu organisieren, so dass wir zu größeren Schulstandorten kommen mit geringeren Klassenstärken, mit Sozialpädagogen, mit besserem Unterricht, mit geringerem Unterrichtsausfall, mit weniger Lehrertourismus? Das sind die beiden Grundsatzentscheidungen, die wir hier in diesem Land treffen müssen.

(Torsten Koplin, PDS: Die wollen erst mal Ruhe haben.)

Und Sie, Herr Renz und Frau Fiedler, haben angekündigt, keine Systemdebatte! Schluss mit Reformen!

(Torsten Koplin, PDS: Die wollen erst mal Ruhe haben.)

Das, was Sie sagen, kann ich nur so deuten, dass Sie sagen: Wir machen weiter so! Wir haben hier Probleme, wir erkennen sie, aber wir gehen sie nicht an. Das unterscheidet uns von Ihnen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Torsten Koplin, PDS: Genau. So ist es. – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Und dann sei mir der Hinweis gestattet, denn diese beiden Probleme hängen ganz eng miteinander zusammen.

(Zuruf von Dr. Gerd Zielenkiewitz, SPD)

Wer ein fehlgegliedertes Schulsystem in einem dünnbesiedelten Land aufrechterhalten will, wird eine hohe Anzahl von Schulstandorten haben, denn es geht gar nicht anders. Wenn ich viele verschiedene Schultypen habe, muss ich viele verschiedene Schulstandorte haben. Das Ergebnis ist, dass mein Geld in kleine Schulstandorte geht, die nicht mehr die Qualität von PISA erreichen können.

Ich kann hier nur Herrn Professor Klemm zitieren, und zwar zustimmend: Wenn wir am Schulsystem, wie wir es in Mecklenburg-Vorpommern haben, festhalten, dann werden wir, ich zitiere die Überschrift, „bestenfalls zweite Liga“, mehr nicht. Und insofern kann ich nur unterstützen, was meine Vorredner von der Koalition gesagt haben. Wir brauchen eine breite Debatte über diese zwei Fragen:

Erstens. Wie sieht das Schulsystem in sich aus, welche Gliederungsstruktur?

Zweitens. Welche Organisationsstruktur in der Fläche, größere oder kleinere Schulstandorte?

Und dafür braucht man in der Tat eine gesellschaftliche Mehrheit, einen Konsens. Darüber muss man diskutieren, das muss man organisieren. Wir können es uns in der Tat nicht leisten, gegen die Mehrheit der Bevölkerung eine Schulreform zu machen.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Wir müssen dafür werben, die Erkenntnisse aus PISA endlich auch umzusetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Brodkorb.

Das Wort hat jetzt der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Herr Professor Metelmann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Aktuelle Stunde, das ist die Stunde des Parlamentes. Und deshalb war es schlicht der Respekt vor dem Hohen Hause, dass ich an dieser Stelle meinen Beitrag anbringen möchte.

Das Thema lautet: „Situation und Perspektive von Schule“.

(Reinhard Dankert, SPD: Das ist auch im Übrigen von der Fraktion der CDU im Ältestenrat so gewünscht worden.)

Vielen Dank, ich bin ganz lernfähig.

Lassen Sie mich auf die Situation eingehen, denn die Situation hat mehrere Seiten. Ohne Frage haben wir in den Schulen eine ganze Menge harter Nüsse zu knacken, das ist ausführlich geschildert worden. Ich bin froh, dass mir nicht noch mehr zu dem Thema einfällt. Ich hüte mich aber, dies alles nur schwarz zu sehen. Natürlich haben wir mit dem Lehrerpersonalkonzept Probleme, und zwar in der Teilzeitbeschäftigung durch entstandene Minderbedarfe, wir haben Unruhe in den Kollegien durch Abordnungen, wir haben organisatorischen Aufwand ohne Ende, aber wir haben mit dem Lehrerpersonalkonzept auch den Vorteil, dass wir keine Lehrer entlassen müssen. Und wir haben auch den Vorteil, dass wir einen Einstellungskorridor für junge Lehrer haben. Diese Vorteile werden offensichtlich auch so hoch von den Lehrern gewertet, da ja gerade die Lehrerverbände vor wenigen Wochen die Fortsetzung des Lehrerpersonalkonzeptes unterschrieben haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Torsten Renz, CDU)

Ein anderer Aspekt: Die Pflichtstundenerhöhung, als ein Sparbeitrag der Lehrer zur Konsolidierung des Haushaltes. Kursgrößenerhöhungen machen den Schulalltag nicht leichter. Das ist keine Frage. Aber sie sind ein wesentlicher Bestandteil dafür, dass wir die Stundentafel, die über Jahre aufgebaut worden ist, halten können. Sie machen den Schulanfang im nächsten Jahr organisatorisch und finanziell möglich und vermeiden, dass wir diese großen Löcher in die Unterrichtsversorgung reißen mussten, die uns drohten.

Ein dritter Aspekt. Natürlich ist die Motivation der Lehrerinnen und Lehrer strapaziert. Aber auf der anderen Seite dürfen wir es doch allen Lehrerinnen und Lehrern hoch anrechnen, dass sie dennoch gute Schule machen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

dass sie unsere Kinder von diesen Belastungen freihalten. Das ist mindestens ein Grund für mich, an dieser Stelle den Lehrerinnen und Lehrern Dank zu sagen. Zur Situation unserer Schule gehört auch, dass die Schule in Mecklenburg-Vorpommern gut ist. Sie ist leistungsstark.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Schauen Sie doch einmal, nur um ein Beispiel aufzugreifen, wie sich die Abiturprüfungen entwickelt haben. Wir hatten noch nie so viele Schülerinnen und Schüler, die in diesem Zentralabitur einen Abschluss mit 1 Komma X gemacht haben.

Oder ein anderes Beispiel, die vielen Bundeswettbewerbe. Wir hatten noch nie so viele junge Leute, die sich an den Bundeswettbewerben „Jugend forscht“, „Jugend musiziert“, „Jugend debattiert“, „Jugend trainiert für Olympia“ beteiligt haben und sogar gewonnen haben.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ehrenamtlich.)

Ja, das ist keine Frage.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Aber es gehört zur Schule, denn es ist ein Teil von Schule. Oder die Bundesfremdsprachenwettbewerbe

oder „Jugend spricht Platt“ oder „Künstler an Schulen gegen Gewalt“ oder Bibelwettbewerb sind viele, viele Beispiele dafür, wie Schule lebt. Für mich ist das auch ein Anlass, an dieser Stelle den Eltern zu danken, denn dieses ist ohne die große Unterstützung aus den Elternhäusern heraus – das fängt beim Fahrdienst an und endet nicht bei den Übungsstunden, und zwar auch im Hause – das heißt also, ohne die Leistung der Eltern gar nicht zu machen.

Dritter Aspekt. Zur Situation der Schule gehört auch, dass viele Schulen selbst sehr intensiv daran arbeiten, besser zu werden. Ich möchte nur das Ganztagsschulprogramm aufgreifen. Unabhängig von den Investitionssummen, die dort zur Verfügung gestellt werden, gibt es eine ganze Menge von Schulen, die sich zu Ganztagsschulen profiliert haben. Wir haben inzwischen 114 Ganztagsschulen, und zwar unabhängig von den Investitionsprogrammen.

(Torsten Renz, CDU: Schauen Sie sich doch einmal die Ausgestaltung an! – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Ja, das sind aber die Programme, Herr Renz. Das ist ja alles berechtigt, aber es zeigt doch ganz offensichtlich, dass die Schulen an Schulprogrammen arbeiten, um Bildung und Erziehung ….

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Finanzministerin schüttelt den Kopf und sagt, wir geben nichts.)

Das ist eine inhaltliche Frage. 85 weitere Schulen haben einen Antrag gestellt.

Ein anderes Stichwort. Die Schulen selbst gehen an das Stichwort Deregulierung heran, weil sie wissen, dass die Schule vor Ort in vielen Fragen viel besser entscheiden kann, wie man Wissen ordentlich vermittelt. Diese 20 Modellschulen, die jetzt im kommenden August in die Pilotphase hineingehen, werden viele Erkenntnisse liefern für Deregulierung im Schulbereich, die wir in anderen Schulen anwenden können.

Und ein drittes Stichwort, Bildungsinhalte. Bildungsinhalte länderübergreifend, weg von dem kultuspolitischen Kleinstaatendenken, gemeinsame Rahmenpläne in Grundschulen. Nachbarländer …

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Die schlechtesten Abschneider.)