Bei den Straftaten, Herr Schlotmann hat schon einiges dazu gesagt, bewegt sich die Zahl der Fälle im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität Rechts“ in den zurückliegenden Jahren insgesamt zwar auf einem annähernd gleichbleibenden Niveau, im letzten Jahr ging die Zahl der Straftaten glücklicherweise um 10 Prozent zurück. Von den 274 im Jahr 2003 gemeldeten Delikten der „Politisch motivierten Kriminalität Rechts“ wurden 159 als Propagandadelikte erfasst. Mehr als die Hälfte aller Fälle, nämlich 58 Prozent, sind damit diesen Straftaten zuzuordnen. 253 der 274 Delikte galten als extremistisch motiviert, 2002 waren dieses 140.
Dieser scheinbare Anstieg bei den als extremistisch bewerteten Straftaten geht dabei nicht mit einer veränderten Lage einher, sondern die Ursache liegt hier in der Einführung des neuen Meldesystems „Politisch motivierte Kriminalität“ im Jahr 2002, das bundesweit zu Unsicherheiten bei der Bewertung geführt hat. Ob das System bes
ser ist als das alte System, das ist eine andere Frage. Ich habe mich nicht so sehr dafür eingesetzt, aber wir haben es nun einmal.
Ein kontinuierlicher Rückgang ist bei der Anzahl der Gewaltdelikte PMK-Rechts zu verzeichnen. Wurden 1998 in Mecklenburg-Vorpommern noch 51 Gewaltdelikte registriert, so waren es im Jahre 2003 35. Von diesen 35 wurden 32 als extremistische Gewaltdelikte bewertet.
Meine Damen und Herren, der Rechtsextremismus in unserem Bundesland ist insgesamt durch eine äußerst aktive Skinhead- und Neonaziszene geprägt, zu der Herr Schlotmann schon einiges gesagt hat, die über eine hohe Mobilisierungsfähigkeit verfügt. Und das ist der entscheidende Bewertungsmaßstab für uns im Innenministerium. Während alle rechtsextremistischen Parteien, mit Ausnahme einiger Kreisverbände der NPD, kaum mehr Aktivitäten entfalten und laufend an Bedeutung verlieren, baut die rechtsextremistische Szene zunehmend dezentrale Strukturen und hier insbesondere die Kameradschaftsstrukturen auf. Dabei spielen insbesondere im Bereich des Neonazismus die Kameradschaften ihre Rolle, von denen derzeit mindestens acht vorrangig im Raum Rostock sowie in den Landkreisen Ostvorpommern, Uecker-Randow, Mecklenburg-Strelitz und Ludwigslust aktiv sind. Daneben existieren vorwiegend auf örtlicher Ebene Personengruppen, die sich um eine Leitperson scharen und sich teilweise um den Aufbau festerer Strukturen bemühen.
Die wachsende Bedeutung der Kameradschaften ergibt sich insbesondere bei der Darstellung der politischen Ziele des Rechtsextremismus, mit denen wir uns auch auseinander setzen müssen. Bei einzelnen Anlässen, beispielsweise anlässlich der Wehrmachtsausstellung in Peenemünde war dies besonders zu beobachten, oder auch bei solchen Veranstaltungen, wie sie am Volkstrauertag stattfinden, dringen die ideologisch gefestigten Angehörigen dieser Zusammenschlüsse teilweise sehr massiv in die Öffentlichkeit. Auch sonst sind sie in der Lage, Aktionen konspirativ vorzubereiten und dazu eine große Anzahl von Personen der rechten Szene zu mobilisieren, ohne gegen Strafrechtsnormen zu verstoßen. Das ist auch ein Vorsatz dieser Szene, bis an den Rand der rechtlichen Möglichkeiten vorzugehen.
Die Beobachtung des Rechtsextremismus und die Anwendung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit von Verfassungsschutz, Polizei und Ordnungsbehörden halte ich nach wie vor in unserem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern für eine ganz zentrale Aufgabe. Und damit komme ich zu den Maßnahmen, die es im Bereich der Landesregierung gibt, um den Rechtsextremismus einzugrenzen und ihn zu bekämpfen.
Voranschicken will ich allerdings, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Herr Schlotmann hat schon von den drei Säulen gesprochen und ich will eine vierte hinzufügen. Jeder einzelne Bürger, sozusagen als tragende Säule einer Demokratie, muss diese Auseinandersetzung in seinem Umfeld, in seinem Wirkungsbereich führen, sonst sind wir in der Regierungskoalition bestenfalls gut aufgestellt und motiviert. Wir müssen aber erreichen, dass sich die Gesellschaft im Ganzen schützt und hart gegenüber diesen Attacken aus diesem Milieu wird.
Für die Regierungskoalition darf ich sagen, dass wir sehr vieles in den letzten Jahren seit 1998 auf den Weg gebracht haben. Entscheidend ist allerdings, dass die
Dinge, die wir auf den Weg bringen, vor Ort auch umgesetzt werden. Das heißt, dass Handlungsmöglichkeiten vor Ort ergriffen werden, um die Szene im örtlichen Bereich zu erreichen.
Zahlreiche Handlungsansätze gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Stärkung von Demokratie und Toleranz zum Beispiel im „Programm zur Kriminalprävention und zum Kampf gegen das Verbrechen und seine Ursachen“ und auch im Handlungsrahmen „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“, außerdem im Sonderprogramm gegen Rechtsextremismus „Pro Zivilcourage – gegen Extremismus“ sind von uns auf den Weg gebracht worden und führten in den letzten Jahren örtlich zu sinnvollen Einzelinitiativen. Diese Programme haben auch dazu beigetragen, die erforderliche Zusammenarbeit verschiedener Aktionen und Akteure in Mecklenburg-Vorpommern zu vernetzen. Dabei haben die zuständigen Ministerien mit Tatkraft entsprechend ihrer eigenen Möglichkeiten ihre Beiträge geleistet. Ich will einige Dinge aufführen, die die Polizei seit 1998 auf den Weg gebracht hat:
Am 01.07.1999 wurde in den fünf Polizeidirektionen jeweils eine Einsatzgruppe „Mobile Aufklärung Extremismus“ und beim LKA eine Koordinierungsstelle MAEX eingerichtet. Inzwischen sind hier in den Direktionen circa 50 Polizeibeamte tätig.
Mit dem Erlass „Ordnungsbehördliches und polizeiliches Vorgehen bei Veranstaltungen von Rechtsextremisten“, dem so genannten Musikerlass vom März 1999, wurde den Ordnungsbehörden und der Polizei eine Grundlage für die Einordnung von Gefahrenprognosen sowie Handlungsalternativen bei solchen Veranstaltungen an die Hand gegeben.
Mit dem Erlass vom 30. August 2000 wurde beim Landeskriminalamt eine Hotline gegen Rechts eingerichtet.
Das Intensivtäterkonzept vom 19. Juli 2002, durch das polizeiliche Maßnahmen insbesondere auf mehrfach auffällige Täter konzentriert werden, schließt ausdrücklich die Bekämpfung politisch motivierter Straftäter mit ein, weil sich ja zeigt, dass nur ein Teilbereich der Kriminalität aus dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität“ herreicht. Vielfaches ist auch sonst im Bereich der Kriminalität zu suchen.
Auf Beschluss der Landesregierung vom 20. November 2002 wurde ein Analyse- und Beraterteam eingerichtet, bestehend aus Mitarbeitern des Innen-, des Sozialund des Bildungsministeriums. Aus meinem Hause sind Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und der Polizeiabteilung in diesem Analyse- und Beraterteam tätig. Die Aufgabe des Teams ist es, örtliche Träger von Aufgaben und Projekten gegen den Rechtsextremismus, besonders die Kommunen vor Ort, die Städte, Gemeinden und auch die Kreise in dieser Hinsicht umfassend zu beraten.
Im Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung wurde im September 1999 die Arbeitsgruppe Extremismus gebildet. Im Bereich Rechtsextremismus und Gewalt wurden durch den Landesrat im Jahre 2003 41 Projekte mit insgesamt 88.000 Euro unterstützt. Besonders die Broschüre „Kritisch integrieren“ hat in den letzten Jahren eine interessante, konstruktive und teilweise auch kontroverse Diskussion ausgelöst.
Die Landesregierung hat beim Bundesrat einen Antrag zur Präzisierung des Versammlungsrechtes eingereicht. Allerdings bedauere ich die teilweise nicht sehr ausgeprägte Unterstützung aus anderen Ländern. Der Bundesrat sah sich in der Lage, diesen Antrag als Initiative in die Ausschüsse zu überweisen. Da wird er nun seit Jahren beraten.
Ich würde mich sehr freuen – der Bundesinnenminister hat es aufgegriffen, er will eine Bundestagsinitiative starten –, wenn dies flächendeckend von den Bundesländern unterstützt würde.
Berlin ist auch so ein Land, das uns sehr unterstützen wird und uns auch unterstützt hat. Andere Länder kennen das Problem nicht, aber es kann letztendlich in jedem Land auftreten. Insofern wünschte ich mir hier mehr Aktivitäten.
Die vielfältigen Maßnahmen sind insgesamt darauf gerichtet, dem von den Rechtsextremisten erklärten Anspruch, den öffentlichen Raum zu beherrschen, entgegenzutreten und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten mit rechtsextremistischem Hintergrund zurückzudrängen. Dieses Vorgehen hat sich als erfolgreich erwiesen. Die Maßnahmen werden wir daher mit gleichbleibend hohem Engagement und auch finanziellem Niveau weiterbetreiben. Festzustellen ist allerdings, dass sich seit einiger Zeit der Rechtsextremismus zunehmend in den nichtöffentlichen Bereich zurückzieht. Wir haben demzufolge einen Teil unserer Maßnahmen und unserer Strategie der neuen Lage anzupassen. Der vorliegende Koalitionsantrag zielt, so weit ich ihn verstehe, ich habe ja an der Entstehung mitgearbeitet, auf die veränderte Lage ab.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Dann geht es in die Ausschüsse und dann geht’s los. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)
aber ich habe noch einiges vorzutragen, Frau Präsidentin. Ich kann Sie natürlich auch alle schriftlich über das informieren, was die Landesregierung für richtig hält. Ich will nur noch auf einige Punkte eingehen, die mir wirklich wichtig sind.
Das eine ist das Bundesprogramm „Civitas“. Das hat in diesem Lande einiges bewirkt, und zwar positiv. Allerdings hat der Bund vor, seine Förderhöhe sukzessive zurückzufahren, und bittet freundlich die Länder, die fehlenden Förderbereiche aufzufangen. Ich muss sagen, wir werden nicht als Bundesland die Zukunft der „Civitas“Programme bundesweit unterstützen können.
Hier ist der Bund gefordert, um seinen eigenen Anteil an dem Auftrag im Kampf gegen den Rechtsextremismus aufrechtzuerhalten.
Zweitens will ich darauf hinweisen, dass sich der örtliche Einsatz im Kampf gegen den Rechtsextremismus messbar lohnt. Eine wissenschaftliche Studie von Professor Dr. Dünkel aus Greifswald hat dies anhand der Präventionsmaßnahmen in der Stadt Greifswald nachgewiesen. Dort hat man im zeitlichen Abstand von mehreren Jahren feststellen können, dass sich die Einstellung der Jugendlichen wegen der Aktivitäten in diesem Präventivbereich deutlich geändert hat. Und das, meine Damen und Herren, zeigt, dass wir insgesamt, und zwar Regierung, Parlament und natürlich auch die dritte Gewalt, vor allem aber auch die Gesellschaft im Ganzen, in diesem Bereich keineswegs nachlassen dürfen.
Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, Herr Schlotmann hat es schon angesprochen, das Entscheidende ist, dass die staatlichen Behörden hart und konsequent gegen die Rädelsführer in den rechtsextremistischen Gruppierungen vorgehen. Ebenso entscheidend ist es, dass wir uns umsichtig und verantwortungsvoll um alle Jugendlichen bemühen, die in der Gefahr stehen, in dieses Milieu abzugleiten.
Diese Doppelstrategie, hart und konsequent in den Kernbereichen vorzugehen, umsichtig und verantwortungsvoll in den Bereichen, wo Jugendliche in der Gefahr stehen abzugleiten, diese Doppelstrategie halte ich nach wie vor für richtig und wir werden als Landesregierung auch in den nächsten Jahren daran festhalten.
Herr Innenminister, sagen Sie bitte, gibt es aus Ihrem Ministerium eine Erkenntnis darüber, ob sich rechtsextremistische Gruppen, Gruppierungen oder Parteien mit an der Kommunalwahl beteiligen, dass diese sich in Mecklenburg-Vorpommern aufstellen lassen haben?
Wir stellen gerade hier die Ergebnisse zusammen. Sie wissen ja, dass die 5-ProzentKlausel gefallen ist und insofern natürlich in den Gebietskörperschaften gerade deswegen Personen oder auch Parteien leichter, jedenfalls Parteien, in die Vertretungen kommen können. Wir stellen das gerade zusammen.
Herr Schlotmann, die Tatsache, dass wir beide uns vorhin die Hand gegeben haben, erleichtert mir, das zu sagen, was ich jetzt sage, nämlich das Gute vorweg.
Wir werden Ihrem Antrag zustimmen. Wir tun das, weil ich nicht will und wir nicht wollen, dass Rechtsextreme darüber feixen,