Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes, Drucksache 4/970, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses auf Drucksache 4/1118.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/970 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Innenminister des Landes hatte in der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes am 28. Januar um eine zügige Beratung gebeten. Dieser Bitte ist der Innenausschuss gefolgt. Er legt heute seinen Bericht über die Beratungen des Gesetzentwurfes vor und empfiehlt dem Landtag, den Gesetzentwurf der Landesregierung in unveränderter Fassung anzunehmen. Vor dem Hintergrund der vom Terrorismus für alle Menschen ausgehenden Gefahren hat der Innenausschuss die ihm über
Wie die jüngsten Anschläge in Spanien zeigten, ist auch Deutschland für international agierende Terroristen nicht mehr weit weg. Ich möchte hervorheben, dass sich alle Fraktionen dieser Verantwortung bewusst waren, denn mit der getroffenen Empfehlung an den Landtag haben sie ein deutliches Zeichen für ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Stärkung der inneren Sicherheit in unserem Lande gesetzt.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden künftig die Verfassungsschutzbehörden Auskünfte zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufklärung von geplanten und durchgeführten Terrorakten einholen können, so zum Beispiel bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Postdienstleistungs- und Telekommunikationsunternehmen sowie auch Luftfahrtunternehmen. Das Auskunftsersuchen ist zu begründen und wird vom Innenminister beschieden. Der Innenminister wiederum wird künftig die G-10-Kommission über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug unterrichten müssen. Das ist ein Beispiel der sich ändernden Rechtslage.
Die vom Landesbeauftragten für den Datenschutz zum Gesetzentwurf vorgetragenen Bedenken hat der Ausschuss aus Gründen der Deregulierung nicht geteilt.
Er beließ es bei der ausdrücklich abstrakten Formulierung der lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen im Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Möglichen Tätern sollen potentielle Anschlagziele nicht bekannt gegeben werden.
Meine Damen und Herren, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beratungen im Innenausschuss möchte ich Sie auf meinen schriftlichen Bericht verweisen und es an dieser Stelle bei meinen Ausführungen belassen, um auch den nachfolgenden Redebeiträgen nichts vorwegzunehmen. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu folgen und dem Gesetzentwurf in unveränderter Fassung zuzustimmen. – Schönen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor neun Wochen – zugegebenermaßen vor relativ kurzer Zeit – ist Ihnen der Gesetzentwurf durch mich hier im Parlament vorgelegt worden. Zur Begründung habe ich damals auf den Anschlag vom 11. September 2001 und auf die zahlreichen nachfolgenden Attentate aus dem islamistischen Täterspektrum hinweisen müssen.
Damals, nach dem 11. September 2001, hat die Bundesregierung durch zwei Sicherheitspakete des Bundes auf die damalige Lageentwicklung reagiert. Heute wissen
wir leider, dass uns inzwischen die terroristische Wirklichkeit überholt hat. Die Bomben von Madrid am 11. März haben erneut auf menschenverachtende und überaus brutale Weise deutlich gemacht, dass Terroristen ihre Ziele immer rücksichtsloser verfolgen. Dieses Attentat auf europäischem Boden in unserer unmittelbaren Nachbarschaft zeigt überdeutlich, dass wir in unseren Sicherheitsanstrengungen nicht nachlassen dürfen und die wehrhafte Demokratie diesen Herausforderungen mit klarer Entschiedenheit begegnen muss.
Die Europäische Union berät nach dem 11. März 2001 über einen zentralen Datenaustausch der Sicherheitsbehörden. Ein erster Schritt war die Einführung des Terrorismusbeauftragten der Europäischen Union, der die entsprechenden Maßnahmen in den und zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert.
Für unser Land will ich sagen, dass ich allen Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss dafür danke, dass sie das vorliegende Gesetzt tatsächlich zügig beraten und eine einstimmige Beschlussempfehlung gefasst haben, die es uns nun ermöglicht, das Gesetz heute in Zweiter Lesung verabschieden zu können. Das zeigt, wenn es darauf ankommt, steht der Landtag zusammen, und das ist gut so.
Der Gesetzentwurf beinhaltet, wie Sie wissen, drei einzelne Teile, nämlich das Ausführungsgesetz zum G-10Gesetz, das Sicherheitsüberprüfungsgesetz und das Verfassungsschutzgesetz. Die Gesetzesänderungen werden es der Landesbehörde für den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern erlauben, einen noch wirkungsvolleren Beitrag zur Bekämpfung des nationalen und internationalen Terrorismus zu leisten.
Zu den Regelungen im Einzelnen, und zwar zum Ausführungsgesetz zum G-10-Gesetz: Durch die Neufassung des Artikel-10-Gesetzes des Bundes wurde eine Anpassung dieses Gesetzes hier im Land erforderlich. Es wird jetzt klargestellt, dass sich die Kontrollbefugnis der G-10Kommission nicht nur auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung von G-10-Maßnahmen, sondern auf den gesamten Prozess der Verarbeitung von personenbezogenen Daten aus G-10-Maßnahmen erstreckt. Außerdem erhält die Kommission das Recht, die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz kontrollieren zu lassen. Dadurch wird klargestellt, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz anders als im heute noch geltenden Recht auch im G-10-Bereich für die Kommission tätig werden kann.
Zweiter Komplex: Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Die Änderungen im Sicherheitsüberprüfungsgesetz sind durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes veranlasst worden. Aufgenommen wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz. Dieser ermöglicht es, bei Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen tätig sind oder tätig werden sollen, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. Vorgesehen wird dabei die einfache Überprüfungsart, die am geringsten in die Rechte der Betroffenen eingreift. Sinn und Zweck des vorbeugenden Sabotageschutzes ist es, besonders sensible Teile von
Einrichtungen zu schützen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen oder für das Funktionieren des Gemeinwesens notwendig sind, wie etwa Bahn, Post oder auch die Telekommunikation.
Der dritte Komplex betrifft das Verfassungsschutzgesetz. Hier soll die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Finanzdienstleistern, Postdienst- und Luftfahrtunternehmen sowie Telekommunikations- und Teledienstleistern Auskünfte einzuholen. Dadurch wird es möglich sein, Geldströme oder Reisewege von Terroristen sowie deren Kommunikationswege zu erkennen und zu überwachen.
Wegen der Bedeutung dieser Befugnisse sind daran für die Behörde hohe Voraussetzungen geknüpft. So darf der Verfassungsschutz diese Mittel nur einsetzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren oder die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Grundgesetz vorliegen. Zudem dürfen die Auskünfte erst eingeholt werden, nachdem die G-10-Kommission die Anträge genehmigt hat. Wie bei der Brief- und Telefonüberwachung hat die Kommission auch in diesen Fällen die gesamte Kontrollbefugnis von der Erhebung, Verarbeitung und auch über die Nutzung der dadurch erlangten personenbezogenen Daten erhalten.
Von Bedeutung ist schließlich auch, dass die neuen Befugnisse des Verfassungsschutzes befristet sind und der Verfassungsschutz verpflichtet ist, das parlamentarische Kontrollgremium – die PKK des Bundes – jährlich über die durchgeführten Maßnahmen zu unterrichten. Auf der Basis dieser Berichterstattung findet eine Evaluierung statt, um nach Ablauf von fünf Jahren nach In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes, also im Januar 2007, zu entscheiden, ob diese neuen Befugnisse beibehalten werden sollen oder ob es 2007 weitere Sicherheitslücken zu schließen gilt. Damit wird sich dann die Innenministerkonferenz sehr eingehend beschäftigen.
Die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes durch die Aufnahme der Öffentlichkeitsarbeit in das Gesetz trägt dem Gedanken nach mehr Transparenz Rechnung und unterstreicht den Stellenwert dieser Arbeit. So ist es bereits im Koalitionsvertrag von SPD und PDS im Jahr 2002 ausdrücklich vereinbart worden.
Meine Damen und Herren, mit diesen Änderungen wird auf Verfassungsschutzebene in, wie ich meine, angemessener Weise auf die veränderte Bedrohungslage reagiert. Gerade nach den terroristischen Anschlägen von Madrid wäre ich Ihnen für eine einstimmige Annahme und Verabschiedung des Gesetzentwurfes im Plenum dankbar. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung enthält die Umsetzung des vom Bund beschlossenen Ter
rorismusbekämpfungsgesetzes vom 9. Januar 2002. Sie hatten alles sehr gut erläutert. Wir stimmen natürlich dem Gesetzentwurf zu, weil langjährige Forderungen von CDU und CSU in die Schily-Sicherheitspakete I und II mit eingeflossen sind.
Erstens. Die Politik ist spätestens nach dem 11. September 2001 gefordert, alle zum Schutz der Bürger dieses Landes notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Und dazu gehören auch die präventiven Maßnahmen.
Zweitens. Auch Datenschützer sollten ab und zu einmal Umfragen zur Kenntnis nehmen, wie zum Beispiel 87 Prozent für Fingerabdrücke in Ausweisen und 74 Prozent für mehr Videoüberwachung.
Drittens. Die Würde des Menschen ist nach Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, vor allem jetzt vor Terroristen. Die Schutzpflicht des Staates ist zugleich der Schutzanspruch eines jeden Bürgers gegenüber dem Staat. Deswegen sind wir froh, einer Vorlage der SPD zustimmen zu können, jener SPD, und daran darf man auch erinnern, die in den 70er Jahren die Herausforderung des Terrors angenommen und mit Bravour bestanden hat, und das, obwohl sie mit der FDP in Koalition war.
Ich meine, SPD und CDU/CSU sollten sich trotz aller unterschiedlichen Positionen nicht mehr von den politischen Zwergen, zumindest in diesem Bereich, dirigieren lassen. Im Kampf gegen den Terrorismus müssen wir gemeinsame Wege finden, weil wir uns de facto im Kriegszustand mit dem islamischen Terrorismus befinden. Das ist keine Panikmache und das ist keine Hysterie, aber wir müssen sagen, was los ist und was wir tun müssen. Deswegen sprechen wir die Probleme auch an.
Im Oktober 2001 haben wir ein Antiterrorpaket in Höhe von 30 Millionen zur Stärkung der Polizei und des Verfassungsschutzes vorgeschlagen. Ihre Personalabbaupläne von 177 wollten wir stoppen und circa 250 zusätzliche Stellen bei der Polizei schaffen:
Darunter eine Hundertschaft für die Bereitschaftspolizei, weil wir bei Großlagen mit sehr viel mehr Einsätzen rechnen müssen. Herr Minister, es gibt jetzt schon einige Einsatzlagen mehr bei der Polizei, und zwar unabhängig vom Terrorismus.