Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat jetzt der Abgeordnete Herr Klaus Mohr von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Mohr.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorredner haben ja schon einiges zu den vielfältigen Aktivitäten gesagt, die hier insbesondere im deutsch-polnischen Raum in der deutschpolnischen Zusammenarbeit stattfinden. Erlauben Sie mir vielleicht hier zwei, drei aktuelle Anmerkungen beziehungsweise Ergänzungen.
Gut ist – ich hatte das in der letzten Landtagsdebatte auch schon mal deutlich gemacht –, dass im Bereich der Landesarbeitsmarktpolitik hier im Jahre 2004 im laufenden Jahr zwei neue Landesaktionsprogramme initiiert werden, die zum Ziel haben, deutsch-polnische Aus- und Weiterbildungsprojekte zu entwickeln und zu fördern. Daneben finde ich es bemerkenswert im positiven Sinne, dass in Greifswald ein großes Weiterbildungsunternehmen derzeit Planungen anstellt, um eine deutsch-polnische private Fachhochschule respektive eine deutschpolnische Berufsakademie zu entwickeln.
Und last, not least erwähne ich vielleicht auch eine kleine, aber, denke ich, wichtige Initiative des hiesigen Wirtschaftsministeriums, wo ein Verkehrssicherheitskalender für Kitas für das kommende Jahr 2005 in deutscher und polnischer Sprache entworfen wurde – ein kleiner Schritt, aber, wie gesagt, ein wichtiger Schritt.
Und ich denke, die Gesamtschau dessen, was wir hier von den Kollegen vorgetragen bekommen haben und jetzt von meinen Beispielen, die ich noch angefügt habe, beweist eigentlich, dass wir hier sehr, sehr umtriebig sind, dass eine Vielzahl von Projekten in den vielfältigsten politischen Bereichen laufen, entwickelt sowie ausgebaut werden und dass wir hier auf einem guten Weg sind. Aber ich denke – und das muss man noch mal deutlich sagen –, das ist auch notwendig, und ich meine, wir müssen uns hier auch noch steigern, denn eins ist klar: Wir stehen ja hier im knallharten Wettbewerb, insbesondere auch gegenüber unseren Partnerländern, den neuen deutschen Bundesländern Brandenburg und Sachsen, die auch nachbarschaftliche Beziehungen zu Polen knüpfen und erhalten und von der Geographie her sicherlich den einen oder anderen Vorteil haben. Ich will nur beispielsweise für Brandenburg nennen das Phänomen der geteilten Grenzstadt Frankfurt/Oder und Slubice oder in Sachsen ist das Görlitz als geteilte Grenzstadt, auf polnischer Seite Zgorzelec. Das sind Phänomene, das sind Geographien, die es hier schon leichter machen, in diesen städtischen Räumen Interaktion, Kommunikation möglich zu machen und deutsch-polnische Kommunikation zu fördern. Diesen Vorteil haben wir hier eben nicht.
Ich habe im Rahmen meiner Gespräche in Polen auch festgestellt, dass gar nicht mal die Gefahr besteht, dass die Polen oder insbesondere die Bevölkerung in Westpommern sozusagen die Region Vorpommern überschwemmen, sondern Fakt ist einfach – und das muss deutlich gemacht werden –, die Polen orientieren sich,
insbesondere in dem Großraum Stettin, an anderen deutschen Großräumen, dem Großraum Berlin, auch an dem Großraum Hamburg. Und ich habe da ein bisschen die Angst und die Sorge, dass wir in diesem Bereich, in der Grenzregion von Vorpommern nur Durchgangsstation sind, und da müssen wir natürlich gucken, dass wir entsprechende Projekte und auch entsprechende Kooperationen fördern, damit dies sich so zukünftig nicht bewahrheiten wird. Und ich denke, es gibt auch weiterhin eine ganze Reihe von Möglichkeiten, insbesondere im Bereich der maritimen Wirtschaft, des Tourismus – das haben wir ja angesprochen –, der Landwirtschaft, wo deutsche und polnische Kooperationen und Zusammenarbeit möglich sind und wo also in dieser Richtung noch mehr getan werden muss.
Ich habe an dieser Stelle einen Appell an Sie, an uns alle in dieser Beziehung: Wir müssen, meine Damen und Herren, den 01.05.2004 als Initialzündung verstehen,
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)
als Initialzündung insbesondere für Mecklenburg-Vorpommern, vor allem im Bereich Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. Wir müssen hier sicherlich einen Gang zulegen.
Ganz klar ist, dass die aktuelle allgemeine Debatte im Moment geführt wird. Wir haben dieses Thema „Deutschland als Niedriglohnland“. Ich denke, das kann sicherlich nicht in unserem Sinne sein. Die Koalitionsfraktionen werden dazu auch noch einen entsprechenden Antrag einreichen. Ich denke, wir sind uns da einig, dass Deutschland kein Niedriglohnland in Zukunft sein soll, sein kann
und dass wir im Gegenteil gucken müssen, dass wir unsere Stärken stärken und hier mehr auf Forschung, auf Innovation, auf Bildung setzen und investieren in Wissen und in Know-how.
Und ich denke, diesen Worten, diesem Programm, dieser Zielstellung müssen natürlich auch noch mehr Taten folgen. Ich denke, das ist ganz klar.
Wir haben uns, meine Damen und Herren, zu lange ausgeruht. Wir sind vielleicht ein bisschen bequem geworden. Das ist so mein Eindruck, den ich habe. Und ich bin in letzter Zeit sehr oft in Polen gewesen,
auch letztens in Ungarn, und ich habe mir schon angeguckt, wie sich insbesondere die jungen Leute vorbereiten auf diesen wichtigen Termin 01.05.2004.
Mein Fazit ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir hier unter massivem Handlungsdruck stehen.
Im letzten „Focus“ sind Zahlen erhoben worden, zum Beispiel – ich fand das ganz interessant – zu einer Erhebung über die Bildung von Arbeitskräften.
Letzten Endes war die konkrete Fragestellung: Wie viele Arbeitkräfte haben in den verschiedenen Ländern, den Beitrittsländern und in Deutschland, mindestens den Abschluss Sekundarstufe II? In Deutschland waren es 61 Prozent. Ich denke, jetzt sollte man gut zuhören,
in Polen 69 Prozent, in Tschechien 76 Prozent, in der Slowakei 75 Prozent, in Lettland 63 Prozent und in Slowenien 62 Prozent.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen machen deutlich, dass allein in fünf Beitrittsstaaten, zumindest hier in diesem Bereich und in diesem Spektrum, die Beitrittsländer bildungstechnisch weiter an uns vorbeigezogen sind. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Ein weiteres Beispiel: Wir haben das Europakolleg in Brügge und dort wird die Elite an europäischen Verwaltungsfachleuten und an Managementleuten in Europa ausgebildet. Wo ist denn eine Zweigstelle dieses Europakollegs? Nicht in Frankreich, nicht in Italien, nicht in Deutschland, sondern in Warschau/Natolin in Polen.
Wir sehen uns hier einer wachsenden Elite gegenüber, man muss das so sagen, und zwar einer wachsenden Elite von gut ausgebildeten osteuropäischen jungen Menschen, von Managern, die sehr engagiert sind und es kaum abwarten können, hier nach Europa zu kommen, hier Karriere zu machen und hier Projekte anzustoßen. Und da sehe ich eine gewisse Gefahr.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Deswegen müssen wir die Anstrengungen verstärken, lieber Kollege.)
Meine Damen und Herren, die Situation ist für junge Menschen heute nicht einfach. Fakt ist genauso, nur Englisch reicht heute nicht mehr aus und nur Französisch reicht heute nicht mehr aus. Leider! Der Konkurrenzdruck und der Wettbewerb sind so gewachsen. Heute haben junge Leute gute Chancen, wenn sie Englisch, Polnisch oder Russisch, Französisch oder eine andere osteuropäische Sprache sprechen.
Hierin liegen sicherlich Chancen und das haben die Kolleginnen und Kollegen auch schon angesprochen. Hier müssen wir einen ganz starken Akzent in Richtung Sprachkompetenzen setzen und insbesondere die jungen Menschen und die junge Bevölkerung stärken und fördern.
Ein letzter Satz zu dieser Geschichte mit dem Büro Tallinn und ein offenes Wort: Ich bedauere das auch, ganz ehrlich. Ich habe sicherlich auch ein Problem damit, weil ich finde, dass wir insbesondere im osteuropäischen Raum, im Baltikum politische Präsenz zeigen müssen.
Wir müssen politisch präsent sein. Ich denke, es reicht nicht, nur zu sagen: Wirtschaft macht Nord/LB im Baltikum und Wirtschaft macht sicherlich auch IHK Neubrandenburg, Frau Hinze, die da sehr engagiert ist.
Ich sehe die rote Lampe brennen. Insofern noch einmal meine Aufforderung und auch meine Bitte, diesem Primat der politischen Präsenz in Osteuropa Rechnung zu tragen. Hier kann die Devise nicht sein, halbe Kraft, sondern volle Pulle voraus! – Vielen Dank.