Protocol of the Session on January 28, 2004

Aber, meine Damen und Herren, die Aussage, dass letztendlich auch der Bereich der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft nur dann eine Perspektive hat, wenn er sich im Wettbewerb behaupten kann, lässt sich andererseits auch nicht leugnen. Das bedeutet selbstverständlich, dass Sparkassen genauso wenig wie andere Wirtschaftsunternehmen auch zukünftig nicht unter Artenschutz gestellt werden dürfen. Letztendlich ist es das wirtschaftliche Agieren der Sparkassen selbst, welches über einen Fortbestand entscheiden wird. Und darum ist der vorliegende Gesetzentwurf bei allen Kritikpunkten, die sie vielleicht in der Sache anbringen, Herr Kollege von Storch, gerade keine Lex Stralsund, sondern vielmehr der Versuch, im Bereich der hiesigen Sparkassen zur Schaffung von auf Dauer existenzfähigen Strukturen beizutragen,

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, Dr. Martina Bunge, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

beizutragen deshalb, weil hier, wie bereits ausgeführt wurde, nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen gesetzt werden können, innerhalb derer, die Verantwortlichen vor Ort wirtschaftlich agieren müssen. Dies ist eindeutig heute schon im Paragraphen 2 Absatz 1 Sparkassengesetz M-V geregelt, wonach Sparkassen Wirtschaftsunternehmen sind, die auf der Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse – das ist der Gesetzestext – handeln. Ein solch gewinnorientiertes Handeln begrenzt auch nicht den weiteren Auftrag der Sparkassen, die Kommunen bei deren Aufgabenerfüllung im wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereich zu unterstützen. Es ist vielmehr die grundlegende Voraussetzung dafür, denn nur wenn ich Geld erwirtschafte, kann ich es hinterher auch den Trägern zur Verfügung stellen.

Der Vorwurf von Seiten der Kritiker der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft, dass die Sparkassen heute genauso gewinnorientiert arbeiten würden wie private Institute, verkennt daher die spezifische Bedeutung der Sparkassen. Sie müssen vielmehr genauso gewinnorientiert arbeiten wie private Institute, um ihrem öffentlichrechtlichen Auftrag zur Unterstützung der Kommunen, und zwar gerade im sozialen und kulturellen Bereich, entsprechen zu können.

Durch die Neufassung soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen nunmehr noch stärker als bisher verdeutlicht werden, dass die Schaffung leistungsfähigerer und auch zukünftig wettbewerbsfähiger Strukturen im Bereich der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft im Interesse der Versorgung der Bevölkerung und der regionalen Wirtschaft im Vordergrund stehen muss. Dabei kommt – auch wenn sich die öffentliche Diskussion schwerpunktmäßig bisher auf die Frage der Veräußerung oder Nichtveräußerung an private Dritte fokussiert hat – letztendlich der beabsichtigten Neufassung der Regelung über die Fusion von Sparkassen im Geltungsbereich dieses Gesetzes aus ordnungs- und wirtschaftspolitischer Sicht eine zumindest gleich große Bedeutung, wenn nicht sogar langfristig wesentlich größere Bedeutung zu.

Der vorliegende Entwurf zur Änderung des Sparkassengesetzes nimmt damit einen sich abzeichnenden tief

greifenden Wandel im Bereich der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft auf, wie er sich bundesweit abzeichnet. Als eines von vielen Beispielen sei hier nur die anstehende Fusion der Sparkasse Dresden mit der Sparkasse Elbtal-Westlausitz mit einer Bilanzsumme von voraussichtlich circa 10 Milliarden Euro angeführt. Gleichzeitig betreibt die Sparkasse Leipzig mit derzeit rund 7 Milliarden Euro Bilanzvolumen den Zusammenschluss mit weiteren sächsischen Sparkassen. Ein anderes Beispiel ist der Zusammenschluss der Kreis- mit der Stadtsparkasse Hannover zur neuen Sparkasse Hannover als zwischenzeitlich fünftgrößte Sparkasse Deutschland mit einer Bilanzsumme von 13,8 Milliarden Euro im letzten Geschäftsjahr. Die Aufzählung, meine Damen und Herren, ließe sich beliebig fortführen.

Um die Finanzkraft dieser zuvor genannten öffentlichrechtlichen Kreditinstitute in einem sich wandelnden Finanzmarkt zu verdeutlichen, einige wenige Zahlen zum Vergleich: Die Ostseesparkasse hatte zum Stichtag 31.12.2002 eine Bilanzsumme von 3,5 Milliarden Euro, die Sparkasse Neubrandenburg von 1,2 Milliarden Euro, die Sparkasse Schwerin von 0,9 Milliarden Euro und, um ein Beispiel aus unserem östlichen Landesteil zu wählen, die Sparkasse Uecker-Randow hatte ein Bilanzvolumen von 0,6 Milliarden Euro. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, verdeutlichen einerseits die derzeitige wirtschaftliche Bedeutung dieser Institute und ihrer Schwester-Sparkassen in unserem Land und den jeweiligen Regionen, sie machen aber gleichzeitig deutlich, dass der sich zukünftig verstärkende Konzentrationsprozess aller Voraussicht nach auch nicht vor den hiesigen Kreditinstituten Halt machen wird.

Meine Damen und Herren, um es zusammenzufassen: Nur leistungsfähige Sparkassen können den Mittelstand in unserem Land auch zukünftig ausreichend mit Krediten versorgen. Das Umfeld der insgesamt zwölf Sparkassen dieses Landes ist geprägt durch den anstehenden Wegfall der Gewährträgerhaftung, die erhöhten Anforderungen an die Eigenkapitalbildung sowie die schwierige Ertragslage und dem damit verbundenen hohen geschäftspolitischen Druck gerade auch aufgrund der bestehenden Konzentrationsprozesse im Bereich der Kreditwirtschaft. Um dieser Situation zu entsprechen, ist es daher aus Sicht der SPD-Fraktion dringend geboten, jeder Art der Vereinigung von Sparkassen, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu vertreten ist, den Vorrang vor einer Auflösung einer Sparkasse einzuräumen. Im Gegensatz zu anderen, die, berechtigt oder nicht, vorrangig ihre Partikularinteressen für eine möglichst lukrative Verwertung einzelner Vermögenswerte im Auge haben, ist es unsere gemeinsame Aufgabe, auch gesamtwirtschaftliche Aspekte in unsere Überlegungen einfließen zu lassen.

Die Diskussion um die Privatisierung der Sparkasse Stralsund hat das Augenmerk des einen oder anderen auch in unserem Land, der sich mit der Entwicklung der Kreditwirtschaft in Deutschland zuvor nicht näher beschäftigt hatte, hierauf nunmehr zu Recht gerichtet. Aber – auch das muss man hier sagen – wie auch der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, Herbert Waltner, übrigens nachzulesen in der von mir schon angesprochenen FAZ, allerdings diesmal vom 19.01. dieses Jahres, erklärte, bringt die Diskussion um die Privatisierung der Sparkasse Stralsund den privaten Banken und den Sparkassen nicht, auch aus Sicht des Dresdner Bankchefs, das wünschenswerte Gespräch.

Diese Auffassung wird allerdings von der SPD-Fraktion geteilt. Ein verstärkter Dialog innerhalb der deutschen Kreditwirtschaft ist sicherlich sinnvoll und geboten. Unsere Aufgabe muss es jedoch sein, den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten in unserem Land die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu verschaffen, damit sie sich in einem ändernden Markt betriebs- und volkswirtschaftlich behaupten können, um in einem Dialog mit den privaten Banken und den Genossenschaftsbanken gemeinsame strategische Lösungen zu finden. Der von den Stralsunder Stadträten oder der Stralsunder Gemeindevertretung ins Auge gefasste Weg der Auflösung, Privatisierung oder Zerschlagung, wie immer man es nennen will, ist sicherlich nicht der richtige Ansatz, den Sparkassen in diesem Land, den Menschen in diesem Land und der Wirtschaft in diesem Land Genüge zu tun. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher, entsprechend dem Antrag meines Kollegen von der PDS-Fraktion einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den Finanzausschuss sowie zur Mitberatung in den Innen- und den Wirtschaftsausschuss zuzustimmen.

Ein letztes Wort, Herr Kollege von Storch, sei mir allerdings in diesem Zusammenhang noch erlaubt. Ich warne dringend davor, das weitere Gesetzesvorhaben durch nicht erforderliche – damit mir nicht der Vorwurf gemacht wird, ich wollte hier etwas übers Knie brechen – Anhörungen zu verzögern. Über eines müssen wir uns auch im Klaren sein: Wir können hier in diesem Haus ein Gesetzesvorhaben beschließen, das nicht das Papier wert ist, auf dem es stehen wird, wenn wir es nicht verhindern können, dass in diesem Land durch Dritte Tatsachen geschaffen werden, die letztendlich ein Zurückdrehen der Ereignisse nicht mehr ermöglichen. Ihnen als Kollege, Herr von Storch, brauche ich – und ich beziehe das jetzt auf die juristische Tätigkeit – über die normative Kraft des Faktischen sicherlich nichts zu erklären. Ich denke, in diesem Punkt finden wir einen gemeinsamen Nenner. – Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Neumann von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was hat die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund beschlossen? Ich möchte das einmal zitieren, da es offensichtlich Irritationen gibt. Sie hat unter der Überschrift „Sachantrag gemäß § 22 Kommunalverfassung M-V“, so war es in der Tagesordnung ausgeschrieben, veröffentlicht und beschlossen:

Erstens. „Angesichts der Veränderungen durch die anstehende Gebietsreform in M/V“, also das ist der Anlass, die anstehende Gebietsreform,

(Heiterkeit bei Dr. Martina Bunge, PDS)

„und angesichts der veränderten Rahmenbedingungen im Bankensektor wird die Hansestadt Stralsund die Möglichkeiten prüfen, die Sparkasse Hansestadt Stralsund (SHS) an einen Investor zu veräußern und die Erlöse für einen gemeinnützigen Zweck zu verwenden. Dabei sollen verschiedene Möglichkeiten der Veräußerung in Betracht gezogen werden, insbesondere eine Fusion gegen Wertausgleich mit einem anderen öffentlich-rechtlichen Kredit

institut und der Verkauf aller bzw. wesentlicher Vermögenswerte der SHS an einen sonstigen Erwerber.“

Zweitens. Herr Kollege von Storch, im Rahmen der Prüfung sollen „in einem für derartige Transaktionen üblichen Bietungsverfahren Angebote möglicher Erwerber eingeholt und gegebenenfalls verhandelt werden“ und der Bürgerschaft und dem Verwaltungsrat der SHS zur endgültigen Entscheidung vorgelegt werden. Das heißt, es geht hier mitnichten um Nachdenken, Gutachten einholen oder sonst etwas, sondern es geht um die Einleitung eines Bietungsverfahrens. Und wie das abläuft, das ist erstens genau beschrieben und zweitens wissen das die Stralsunderinnen und Stralsunder aus der Privatisierung des Krankenhauses. Das bedeutet nämlich, dass in einem Raum der Deutschen Bank in Berlin, einem so genannten Datenraum, die Geschäftsgeheimnisse, die Bilanzen et cetera der Sparkasse ausgestellt und den möglichen privaten Bietern

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und Investoren zur Verfügung gestellt werden, damit diese ein Angebot abgeben können. Und um das abgeben zu können, muss ich natürlich wissen: Was kaufe ich denn da? Darum geht es und so weit geht der Beschluss. Das ist der Grund, weshalb man in diesem Punkt völlig zu Recht sagen muss: Schon dieser Prüfauftrag muss gestoppt werden! Das ist übrigens auch Inhalt des Bürgerbegehrens gewesen, schon diese Prüfung zu verhindern.

Ich glaube, dass dieser Blick in den Beschluss ein ausreichender Beleg dafür ist, dass hier detailliert und populistisch der Versuch unternommen worden ist, die Privatisierung einer Sparkasse als bloßen Eigentümerwechsel zu tarnen. Das ist sie nämlich nicht, weil die Sparkasse kein Eigentum der Stadt ist, das hat die Finanzministerin schon ausgeführt. Im Zusammenspiel mit all den Informationen, die im Dezember und im Januar an die Öffentlichkeit drangen, den Reaktionen der Kanzlei Hengeler und Mueller – im Übrigen keine Stralsunder Kanzlei – das Wirtschaftsberatungsunternehmen Deutsche Bank Consult sowie einer Investmentbank und nicht zuletzt dem Bundesverband der Privatbanken wird klar, es geht und es ging hier niemals um Stralsund.

Zu dem von Ihnen angeführten IWF-Gutachten, Herr Kollege von Storch, das den ostdeutschen Sparkassenverband dazu gebracht hat, zu sagen, IWF habe gesagt, dass das System gut ist, Daten, Fakten, Argumente des Bundesverbandes deutscher Banken zum selben Gutachten, die zum gegenteiligen Ergebnis kommen, die hier also den Eindruck vermitteln,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

die IWF würde dringend darauf rekrutieren, dass dieses System abgeschafft werden muss, da heißt es in der Zusammenfassung des Bundesverbandes der Privatbanken, wie gesagt, dass ein marktgesteuerter Suchprozess eingeleitet werden soll, das gelte vor allem für die öffentliche Rechtsform von Landesbanken und Sparkassen. Hier seien die rechtlichen Grundlagen für die Umwandlung dieser Institute in Aktiengesellschaften zu schaffen. Um private Investoren zu gewinnen, sei eine Anpassung der Institutssicherungssysteme für öffentliche Banken erforderlich, das Regionalprinzip im Geschäft der Sparkassen müsse abgebaut werden und letztendlich sollten die öffentlichen Institute privatisiert werden. Das sind ganz

klar das Ziel und der Auftrag. Und deshalb haben nahezu 7.000 Bürgerinnen und Bürger Stralsunds die sehr kurze 6-Wochen-Frist nach Paragraph 20 Kommunalverfassung trotz Weihnachten und Neujahr genutzt, um ein Bürgerbegehren zu unterstützen, das einen Bürgerentscheid über die Zukunft der Sparkassen fordert.

Im Übrigen hat bereits die PDS-Fraktion in der Beratung der Bürgerschaft im Dezember einen Antrag eingebracht, um zu sagen, wenn der Oberbürgermeister der Meinung ist, was er ja erklärt hat, dass die Stralsunderinnen und Stralsunder seine Auffassung teilen, dann lasst uns doch beschließen, dass wir selber sagen, wir wollen einen Bürgerentscheid über diese Frage. Auch dieser Antrag ist mit der Mehrheit abgelehnt worden, weil man eben genau diese Diskussion und dieses gemeinsame Nachdenken nicht will.

Dieses Bürgerbegehren fand im Übrigen eine gleich große Resonanz von Brüssel über Bayern bis Nordvorpommern und Rügen wie die Pläne des Oberbürgermeister, nur war die bundesweite mediale Resonanz zugegebenermaßen nicht gleichgewichtig. Und doch sagen diese Unterschriften unter der Überschrift „Hände weg von meiner Sparkasse“, dass eben auch nicht die Stralsunderinnen und Stralsunder bereit sind, auf ihre Sparkasse zu verzichten, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht auf das Versprechen von 50 Millionen für Schulen und Kindertagesstätten hereinfallen, dass sie sich keine Kommune vorstellen können, in der sie zu 100 Prozent von der Gnade – oder dort heißt es Geschäftspolitik – einer Privatbank abhängig sind.

Ich möchte zu Ihrem Punkt, Herr Kollege, zur Not der Kommune, etwas sagen: So sehr ich Ihre Argumentation unterstützen würde und so schwer es mir sicherlich fällt, das zugeben zu müssen, aber die Finanzpolitik in der Hansestadt Stralsund kann sich nun wirklich sehen lassen. Wir haben trotz der ganzen Situation immer noch einen ausgeglichenen Haushalt, weil in dieser Hansestadt Stralsund viele Anstrengungen unternommen worden sind, zugegebenermaßen nicht PDS-geführt, um den Haushalt zu konsolidieren, damit wir hier vernünftig dastehen. Das erkenne ich, und zwar auch als Oppositionspolitiker, dort in dieser Stadt an. Es ist eben gerade in Stralsund nicht die Notlage gewesen, die irgendein verantwortungsbewusstes Mitglied der Bürgerschaft dazu gebracht hat, auf eine solche Idee zu kommen, wie es gern vermittelt wird.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Entschuldigung, den Zwischenruf habe ich jetzt nicht verstanden.

(Heike Polzin, SPD: Besser ist es.)

Und genau das ist die Frage, die wir uns als Landesgesetzgeber stellen müssen und deren Antwort zugegebenermaßen erst einen Teil, Herr Kollege, der notwendigen Antworten bietet, die Ihnen heute mit dem Dritten Änderungsgesetz auf dem Tisch liegen.

Die PDS-Fraktion ist verhandlungsbereit, auch über die von Ihnen angesprochenen Punkte noch einmal nachzudenken. Im Gegensatz zur Annahme des Gesetzes im Jahre 1994 wird diesmal die PDS-Fraktion diesem Vorgehen aber grundsätzlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Herr Neumann.

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 4/971 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss sowie an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Überweisungsvorschlag von den Fraktionen der SPD, PDS und CDU mit einer Stimmenthaltung der Fraktion der CDU angenommen.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes, Drucksache 4/970.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes (Erste Lesung) – Drucksache 4/970 –

Das Wort zur Einbringung hat der Innenminister Herr Dr. Timm. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anschläge vom 1 1. September 2001 haben uns allen in erschreckender Weise gezeigt, welch eine Gefahr von dem international agierenden Terrorismus ausgeht. Die Bezüge zu Deutschland und auch zu Mecklenburg-Vorpommern wurden bei der Aufarbeitung deutlich. Drei der islamistischen Selbstmordattentäter haben in Deutschland gelebt, studiert und ihre menschenverachtende Tat von hier aus vorbereitet. Aber – und das ist die Gefahr, in der wir derzeit stehen – auch nach diesem Zeitpunkt gab es folgenschwere terroristische Anschläge, die mit folgenden Städte-, oder auch Ländernamen verbunden sind: Djerba, Bali, Riad, Marokko, Kabul, Moskau, Istanbul und viele weitere mehr. Viele Hunderte von Opfern sind zu beklagen. Der weltweit agierende Terrorismus führt uns überdeutlich vor Augen, dass wir in unseren Sicherheitsbemühungen nicht nachlassen dürfen und die wehrhafte Demokratie diesen Herausforderungen mit klarer Entschiedenheit begegnen muss. Weiße Flecken auf dem Globus gibt es nicht.

Ausdruck dieser Entschiedenheit ist das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes, das im Jahre 2002 in Kraft getreten ist. Mit diesem Gesetz wurden zahlreiche Sicherheitsgesetze, darunter auch das Bundesverfassungsschutzgesetz, modifiziert. Ursprünglich war beabsichtigt, den Landesbehörden für Verfassungsschutz durch das Bundesgesetz selbst den gleichen erweiterten Befugnisrahmen wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu eröffnen. Dieses war dann aber aus rechtlichen Gründen nicht weiter verfolgt worden. Deshalb ist es nun erforderlich, das Bundesrecht in Landesrecht direkt umzusetzen, um somit auch den Landesbehörden für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern zu ermöglichen, einen noch wirkungsvolleren Beitrag zur Bekämpfung des internationalen und auch nationalen Terrorismus zu leisten.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Änderungen von drei Einzelgesetzen vor und nimmt dieses im Rahmen

des Artikelgesetzes insgesamt vor. Es sind dies das Ausführungsgesetz zum G-10-Gesetz, das Sicherheitsüberprüfungsgesetz und das Verfassungsschutzgesetz.

Jetzt zu den einzelnen Regelungen: Im G-10-Gesetz geht es um eine Novellierung, die durch die Neufassung des Artikels 10 erforderlich geworden ist. Im Gesetz wird klargestellt, dass sich die Kontrollbefugnis der G-10Kommission nicht nur auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung nach G-10-Maßnahmen, sondern auch auf den gesamten Prozess der Verarbeitung von personenbezogenen Daten aus G-10-Maßnahmen erstreckt. Darüber hinaus erhält die Kommission das Recht, den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu ersuchen, die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren. Dadurch wird klargestellt, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz anders als im bislang geltenden Recht auch im G-10-Bereich für die Kommission tätig werden kann.

Die zweite Materie ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Die Änderungen im Sicherheitsüberprüfungsgesetz sind durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes veranlasst. Aufgenommen wurde der vorbeugende personelle Sabotageschutz. Dieser ermöglicht es Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen, Verwaltungen oder auch Unternehmen tätig sind beziehungsweise tätig werden sollen, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. Vorgesehen ist dabei die Überprüfungsart Ü 1, die am geringsten in die Rechte der Betroffenen eingreift. Sinn und Zweck des vorbeugenden Sabotageschutzes ist es, besonders sensible Teile von Einrichtungen zu schützen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen oder für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar notwendig sind, wie etwa Bahn, Post und Telekommunikationsdienstleistungen.

Das dritte Gesetz ist das Verfassungsschutzgesetz. Dieses soll der Verfassungsschutzbehörde in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit eröffnen, wie auf Bundesebene bei Finanzdienstleistern, Post-, Dienst- und Luftfahrtunternehmen sowie bei Telekommunikationsund Teledienstleistern Auskünfte einzuholen. Dadurch soll es möglich werden, Geldströme oder Reisewege von Terroristen sowie deren Kommunikationswege kurzfristig zu erkennen und zu überwachen. Wegen der Bedeutung dieser Befugnisse sind an sie hohe Voraussetzungen geknüpft, selbstverständlich, würde ich hinzufügen. So darf der Verfassungsschutz diese Mittel nur dann einsetzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren oder die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach dem Artikel-10-Gesetz vorliegen. Zudem dürfen die Auskünfte erst eingeholt werden, nachdem die G-10-Kommission die Anträge genehmigt hat. Wie bei der Brief- und Telefonüberwachung hat die Kommission auch in diesen Fällen die Kontrollbefugnis über die gesamte Erhebung der Daten, über ihre Verarbeitung und Nutzung und ist insofern sehr viel umfassender als bislang in diese Überwachungsmaßnahmen eingebunden.