Protocol of the Session on December 10, 2003

Deswegen ist unser Ansatz, das ist ein ganzheitlicher Prozess. Das ist für uns dann Wortklauberei, wenn das die Argumente sind, um unseren Gesetzentwurf hier abzulehnen.

(Siegfried Friese, SPD: Aber das, was Sie jetzt kritisieren, war genau der Ansatz der CDU zu Beginn der 90er Jahre.)

Ich bin wirklich schon gespannt auf den Verlauf der Anhörung. Ich stehe Ihnen als Diskussionspartner jederzeit zur Verfügung. Ich bin jetzt in der CDU-Fraktion mit zuständig für Bildungs- und Sozialpolitik und da können Sie in den inhaltlichen Debatten auf mich gerne zurückgreifen. Ich sage es Ihnen abschließend heute noch mal an dieser Stelle:

(Siegfried Friese, SPD: Ich gebe Ihnen ja Recht, die CDU hat diese Position vertreten.)

Das, was hier im Lande konkret bei diesem Gesetzgebungsverfahren abläuft, wird dazu führen, dass wir uns in ein, zwei Jahren wieder an dieser Stelle treffen und feststellen werden, dass die Leidtragenden die Eltern sind, dass die die steigenden Kosten in Kauf nehmen müssen, und am Ende sind die Leidtragenden die Kinder. – Schönen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Regine Lück, PDS: Nun malen Sie das mal nicht so schwarz!)

Danke schön, Herr Renz.

Es hat jetzt ums Wort gebeten die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Renz, sofern Sie Kinder im Vorschulalter haben, wenn es dann im nächsten Jahr losgeht, heben Sie den Gutschein auf, am 1. September soll es starten. Dann können wir uns in der Kita wiedersprechen, wie es läuft.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Sie haben einen konkreten Entwurf eingebracht und zu dem wollten wir heute auch sprechen. Ich denke, über das Kindertagesstättengesetz, so, wie es von der Landesregierung vorgelegt wurde, wird dann auch zu gegebener Zeit hier in diesem Gremium debattiert werden können. Der vorliegende Entwurf, zu dem Sie gesprochen haben, wurde ja in diesem Hause bereits vor zwei Monaten debattiert. Schon zu diesem Zeitpunkt habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass diese einfache Formel, man nehme 7 Millionen Euro, gebe sie in das noch geltende Kindertagesstättengesetz und schon gibt es einen ganz enormen Qualitätssprung, so leider nicht funktioniert.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD)

Dem damaligen Einwurf der Antragsteller, es seien eben die einfachen Rezepte, die so gut schmecken würden – und darauf haben Sie auch heute wieder abgestellt, Herr Renz –, kann ich so bedingungslos nicht folgen. Die Zutaten müssen schon stimmen im Einzelnen und hier fehlt es genau an dem konkreten Vorschlag. Kurz und gut, das Kostentragungssystem des alten Gesetzes kann und wird dem wohl einvernehmlichen Ziel des Landtages, nämlich das Bildungsangebot in den Kindertageseinrichtungen zu verbessern, nicht gerecht werden. Den Beweis hierfür hat die Praxis in den vergangenen Jahren geliefert. Bekanntlich folgt ja in der Praxis die Ermittlung der Kosten der Kindertagesbetreuung gemäß Paragraph 16 des geltenden Gesetzes den tatsächlichen Ausgaben. Ich wiederhole noch einmal: Die Ermittlung der Kosten folgt den tatsächlichen Ausgaben. Über 300.000 Einzeldaten sind in diesem Sinne jährlich aufbereitet worden, um die einzelnen Kostenpositionen zu ermitteln.

Zuletzt wurde die Ermittlung und Bewertung der Einzeldaten den strengen Kriterien des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald entsprechend seiner Urteilsbegründung unterworfen. Mit großer Akribie sind damit in meinem Hause die Grundlagen für die geltende Betriebskostenlandesverordnung festgestellt worden. Ich denke, die letztmalige Verhandlung einer Betriebskostenlandesverordnung vor dem Oberverwaltungsgericht stützt diese Bewertung. Wir wissen, der Träger hat angelegentlich dieser Verhandlung seine Klage zurückgezogen und die Kosten des Verfahrens sind ihm in Gänze übertragen worden. Es gibt nunmehr Rechtssicherheit, denn die Kritik am Finanzierungssystem und das damit verbundene Unbehangen bleibt bei allen Beteiligten.

Kostenpositionen, die eindeutig der Beurteilung der Qualitätsentwicklung dienen, sind für alle sehr schnell ausgemacht. Sie haben auch einige genannt, Herr Abgeordneter. Lassen Sie mich hierzu aus dem geltenden Kindertagesstättengesetz einige Beispiele nennen: Nach dem geltenden Gesetz werden für die Fach- und Praxisberatung pro Platz und Monat lediglich 14 Cent aufgewandt, für Fort- und Weiterbildung die Minimalsumme von 56 Cent, für pädagogisches Material nicht einmal ganz 3 Euro und für die notwendige Fachliteratur gerade mal ein Betrag von 20 Cent. Was sollte es nützen, pauschal 7 Millionen Euro in das Finanzierungssystem zu geben, dann vielleicht noch so verwandt, Herr Renz, wie Sie es hier dargestellt haben, möglichst überall hin und nirgends richtig kontrollierbar? Wie soll unter dieser Prämisse eine Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen stattfinden? Wie wäre die zweckentsprechende Verwendung der Mittel zu sichern?

Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete, der von der Landesregierung bereits eingebrachte Gesetzentwurf gibt Antwort auf die Fragen, die ich eben gestellt habe, die mit dem Entwurf der Fraktion der CDU unbeantwortet bleiben. Das Thema ist ernst. Wir haben ihm in den vergangenen Monaten sehr viel Engagement und sehr viel Zeit gewidmet. Das Thema selbst entscheidet über die Bildungschancen der Jüngsten in unserem Land und für sie brauchen wir einen Systemwechsel, ein neues Gesetz. Lassen Sie uns ernsthaft auf der Grundlage des Ihnen vorliegenden Entwurfs der Landesregierung über diese Alternativen beraten! – Schönen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

(Torsten Renz, CDU: Wenn die Finanzpolitiker dazu sprechen, das ist schon kennzeichnend.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bei dem Redebeitrag von Herrn Renz feststellen können – das ist ja erst mal nicht schlecht –, dass er eigentlich zu 99 Prozent zum Gesetzentwurf von PDS und SPD gesprochen hat und fast nichts gesagt hat zum eigenen Gesetzentwurf. Das irritiert mich an dieser Stelle etwas. Ich möchte mich, Herr R enz, ausdrücklich auf Ihren Gesetzentwurf beziehen, denn der Gesetzentwurf der Regierungskoalition ist im Verfahren. Das wissen wir. Wir erwarten die Erste Lesung und am 14. Januar haben wir die Anhörung. Ich glaube, wir alle sind sehr interessiert an den Ergebnissen dieser Anhörung, die sicherlich auch noch für die Beratung im Sozialausschuss eine sehr große Bedeutung haben werden,

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

abschließend im Sozialausschuss am 18. Februar und am 3. März die Zweite Lesung hier im Landtag. Insofern würde ich schon meinen, dass Ihre Diskussionsbeiträge heute bezüglich unseres Gesetzentwurfes sicherlich im weiteren Verfahren an der richtigen Stelle auch noch mal zu diskutieren sind.

Was Ihren eigenen Gesetzentwurf betrifft, muss ich natürlich die Position von Frau Linke hier eindeutig unter

streichen. Man kann nicht in das jetzige Gesetz einfach, ich sage mal, 7 Millionen Euro reinkippen nach dem Gießkannenprinzip und dann wird die Welt in Ordnung. So funktioniert natürlich das reale Leben nicht.

(Kerstin Fiedler, CDU: Aber bei anderen Sachen schon.)

Wir haben eindeutig große Handlungsbedarfe im Bereich der Kindertagesstätten und ich möchte das an drei Punkten noch mal deutlich machen. Wir haben Handlungsbedarf, das hat nicht nur die OECD mit PISA bewiesen, sondern das beweisen auch die Einschulungsergebnisse, wir haben einen riesigen Handlungsbedarf im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung,

(Torsten Renz, CDU: Bitte zu unserem Gesetzentwurf sprechen. Bitte, bitte!)

das heißt praktisch in der Verstärkung der frühkindlichen Bildung und Erziehung, Herr Renz, da haben wir auch Übereinstimmung. Wir haben auch Übereinstimmung, das ist also gar nicht strittig, ganz klar und logisch, dass wir dazu ein ganzheitliches Angebot brauchen, einen ganzheitlichen Ansatz. Ich gehe noch einen Schritt weiter, Herr Renz, von der Geburt an bis hin zum Eintritt ins Grundschulalter brauchen wir diesen Ansatz.

Was natürlich an dieser Stelle noch mal gesagt werden muss, ich kann an diesem Punkt nicht so agieren, indem ich eben die leider nur zur Verfügung stehenden 7 Millionen Euro – ich glaube, wir hätten uns da mehr gewünscht – beginnend beim Einjährigen bis zum Sechsjährigen mit der Gießkanne einsetze. Von daher halte ich es durchaus für sachgerecht und auch fachpolitisch für richtig zu sagen, wir nutzen die Synergieeffekte dieser 7 Millionen Euro im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes, setzen aber gewisse Schwerpunkte natürlich bei den Fünf- beziehungsweise Sechsjährigen.

Ich möchte das mal an zwei Beispielen deutlich machen: Wir verstärken im entscheidenden Maße den Einsatz von Fachberatern. Wir werden zukünftig über 60 Fachberater haben und selbstverständlich wirken diese Fachberater, die ja aus diesen zusätzlichen 7 Millionen Euro bezahlt werden, nicht nur bei den Fünf- und Sechsjährigen, die wirken natürlich in der gesamten Einrichtung, zumal wenn wir – und das ist ja sehr oft der Fall – altersgemischte Gruppen haben. Oder wenn ich Geld einsetze, um das Spielmaterial zu verbessern, ist natürlich klar, dass sich damit nicht nur Fünf- und Sechsjährige beschäftigen werden, sondern natürlich auch andere Kinder. Von daher, glaube ich, bringt es nichts, an dieser Stelle immer wieder darauf rumzureiten und zu meinen, die 7 Millionen Euro, 500 Euro pro Kind, berechnet auf die Fünf- bis Sechsjährigen, hätten nur für diesen Bereich ihre Wirkung.

Lassen Sie uns doch bitte mal gemeinsam abwarten, ich bin selbst auch sehr gespannt, was der Rahmenplan dann vorsehen wird, der ja die entscheidenden Rahmenbedingungen setzen wird für die frühkindliche Bildung und Erziehung.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wir erwarten ihn in den nächsten Tagen nach meinen Informationen. Wenn dieser dann vorliegt, glaube ich, ist es wichtig, unter Einbeziehung von Praktikern, von Fachleuten und entsprechenden Fachpolitikern darüber zu reden und zu diskutieren, welchen Rahmen wir dann dort mit dem Rahmenplan wie gesagt setzen werden.

Den zweiten Punkt, den ich als wichtigen Handlungsbedarf sehe – und dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt, Herr Renz, überhaupt nichts, aber vielleicht kommt es ja noch –, wir haben eine zweite Schwerpunktsetzung im Gesetz eindeutig in der Stärkung der Position der Eltern hinsichtlich ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten und ihres Wahlrechtes bezüglich ihrer Einrichtung,

(Torsten Renz, CDU: Von welchem Gesetz- entwurf reden Sie denn jetzt? Von unserem?)

wobei sie dort frei entscheiden und wählen können. Ich würde mir wünschen, dass wir vielleicht auch in diesem Punkt etwas näher zueinander kommen, denn ich glaube, auch Sie können nicht in Abrede stellen, dass es zukünftig noch stärker als bisher notwendig sein muss, die Eltern mit einzubeziehen, ihre Verantwortung auch mit einzufordern, aber ihnen auch die Möglichkeiten zu geben, sich dann entsprechend einzubringen. Wir werden das im Paragraphen 8 entsprechend der Mitwirkungsmöglichkeiten ganz entscheidend erweitern.

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Letzter Punkt schon: Hier geht es um die Begründung des umfangreichen Gesetzesvorhabens. Wir brauchen ein neues Finanzierungssystem. Ich habe das in der Einbringungsrede ausführlich begründet, warum ich diese Notwendigkeit sehe, und ich habe auch von Ihnen bisher kaum Argumente, für mich zumindest nicht, ernsthaft zur Kenntnis nehmen können, daran etwas zu ändern an dieser Position. Allein schon Ihr Argument, wir hätten jetzt demnächst riesig größeren Verwaltungsaufwand, kann ich so nicht gelten lassen. Wir haben beim jetzigen Finanzierungssystem folgendes Problem, wir müssen circa 300.000 Daten, nicht bloß einmal, sondern jedes Jahr neu erheben, um die durchschnittlichen Betriebskosten zu ermitteln, um dann festzustellen, dass wir möglicherweise 3, 4 oder 5 Euro höhere oder geringere Betriebskosten haben. Also das kann’s ja nun auch nicht sein, was das Thema Verwaltungsaufwand betrifft.

Herr Renz, an einem Punkt möchte ich Ihnen deutlich sagen, da möchte ich energisch widersprechen. Wenn Sie hier behaupten, das Land zieht sich aus der Verantwortung zurück, dann möchte ich Ihnen hier deutlich sagen, dass das einfach den Tatsachen nicht entspricht. Das wissen Sie auch ganz genau. Wenn ein Land in der jetzigen Haushaltssituation...

(Torsten Renz, CDU: Ich habe von der Risikoverschiebung gesprochen.)

Herr Renz, lassen Sie mich bitte ausreden.

Herr Renz, wenn ein Land in der jetzigen dramatischen Haushaltssituation nicht nur das finanziell sichert, was sowieso schon gezahlt wird zurzeit, nämlich 77,7 Millionen Euro ab 2004, sondern dann dazu auch noch per Gesetz, per Gesetz festlegt – und das sieht der Gesetzentwurf vor –, in den darauf folgenden Jahren zwei Prozent Dynamisierung festzuschreiben, und dann darüber hinaus zusätzlich auch noch weitere 7 Millionen Euro eingesetzt werden für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung und Erziehung, Herr Renz, dann ist das in dieser Form in der Bundesrepublik einmalig und das lassen wir uns von Ihnen auch nicht schlechtreden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Gerd Walther, PDS)

Damit Sie auch den Zahlenvergleich noch mal richtig verinnerlichen: Unser Land hat 2002 72 Millionen Euro eingesetzt für die Kindertagesstätten. Wir werden im Jahre 2008 insgesamt 93 Millionen Euro einsetzen. Das ist innerhalb von sechs Jahren ein Zuwachs von über 20 Millionen Euro. Gucken Sie sich an, was in anderen Bundesländern momentan abläuft, und dann können Sie sich Ihre Frage selbst beantworten, wie weit sich unser Land hier aus der Verantwortung zieht!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Gerd Walther, PDS – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Warten wir mal ab! – Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Aber zum Schluss meiner Ausführungen, Herr Renz, ich werde auch schon wieder ganz ruhig und ganz sachlich, wie es meine Art ist,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Kerstin Fiedler, CDU: Ach, waren Sie eben unsachlich, ja?!)

möchte ich Sie ausdrücklich, ich möchte Sie ausdrücklich einladen, Herr Renz, natürlich bezogen auf unseren Gesetzentwurf, im weiteren Verfahren, bei der Anhörung und natürlich auch bei den Beratungen im Sozialausschuss, mitberatend im Innen- und Finanzausschuss, gemeinsam dann zu arbeiten, dass das neue Kindertagesstättengesetz für Mecklenburg-Vorpommern ein wirklich gutes wird, ein richtig gutes, modernes, zukunftsfähiges wird. Herr Renz, Sie sind recht herzlich eingeladen, Ihre Kollegen wie Herr Glawe und andere natürlich auch, weil ich weiß, Sie haben durchaus Kompetenz einzubringen in die Diskussion. Allerdings ist Ihr Gesetzentwurf, über den wir eigentlich heute reden wollten, überhaupt nicht geeignet, eine sachdienliche Diskussion zu diesem Thema zu führen. Von daher wird unsere Fraktion ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Regine Lück, PDS)