Protocol of the Session on December 10, 2003

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders begrüße ich die zahlreichen Sozial- und Bildungspolitiker aller Fraktionen hier im Saal.

(Reinhard Dankert, SPD: Danke.)

Wie der Präsident schon gesagt hat, kommt es heute zur erneuten Debatte des Gesetzentwurfes der CDU zum Kita-Gesetz. Es macht sicherlich wenig Sinn, den gesamten Inhalt dieser Debatte zu wiederholen.

(Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Ich begrüße, dass Sie mir zustimmen, aber es macht doch sicherlich Sinn, in kurzen prägnanten Punkten noch mal aufzeigen, an welchem Stand wir hier angekommen sind, und zwar ist es eine Erste Lesung des CDU-Gesetzentwurfes gewesen. Zu unserem Bedauern hat diese Debatte nicht dazu geführt, dass unser Gesetzentwurf auch überwiesen wurde. Aus unserer Sicht wäre das sehr sinnvoll gewesen, diesen Gesetzentwurf gemeinsam mit dem jetzigen Gesetzentwurf der Landesregierung in der Anhörung zu diskutieren.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Für uns stellt sich vom Verfahren her doch schon die Frage, warum man diesem nicht gefolgt ist. Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass es hier doch gewisse Ängste von Seiten der Koalitionäre gibt, hier auch unseren Gesetzentwurf in eine gemeinsame Anhörung zu geben, um dann wirklich die Meinung der Betroffenen und der Leute vor Ort in dieser Anhörung zu hören, und zwar zu beiden Gesetzentwürfen.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Dazu ist es, wie gesagt, leider nicht gekommen. Ich möchte aus diesem Grunde – ich gehe also davon aus, dass auch die Koalitionäre heute unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden –, aber ich möchte zumindest die Chance nutzen, hier noch einmal zwei, drei Kernpunkte klar zu formulieren, was in der letzten Debatte aus unserer Sicht fälschlicherweise auch inhaltlich hier rübergebracht wurde.

Es ist also so, dass unser vorliegender Gesetzentwurf zusätzlich 7 Millionen Euro in das bestehende System gebracht hätte. Man muss an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen, das bestehende Gesetz wurde nicht in Frage gestellt, sondern die Kritik richtete sich immer gegen die Finanzausstattung. Aus diesem Grunde haben wir es auch recht deutlich formuliert, dass diese zusätzlichen 7 Millionen Euro sehr wohl eine qualitative Verbesserung der Standards beim Bildungs- und Betreuungsangebot darstellen. Es wäre nämlich aus unserer Sicht das gesamte Geld den Kindern tatsächlich zur Verfügung gestellt worden. Das ist, denke ich, eine wichtige Sache, die ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen muss.

Eine zweite wesentlich andere Betrachtungsweise, die unsere Fraktion hat, ist die Tatsache, dass wir – auch wenn es jetzt eine Wiederholung an dieser Stelle sein sollte, möchte ich das an dieser Stelle noch einmal sagen – den gesamten Bildungs- und Erziehungsprozess in Kindereinrichtungen in der Gesamtheit betrachten, das heißt für uns eben vom 3. Lebensjahr bis zum 6. Lebensjahr.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Rudolf Borchert, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawohl!)

Die Bildung fängt nämlich sofort mit Menschwerdung an und nicht erst im 6. Lebensjahr, also ein Jahr vor der Schule.

(Reinhard Dankert, SPD: Das haben wir ja auch nie behauptet.)

Aus diesem Grund sind wir für eine Chancengleichheit und sehen bei den angedachten Konzepten der Koalition eine einseitige Förderung der Fünf- beziehungsweise Sechsjährigen, und zwar zu Lasten der Kinder in der Altersgruppe 3 beziehungsweise 4. Ich werde auch nicht müde, es zu wiederholen: Bei uns sollen alle Kinder gleichermaßen gefördert werden, und zwar durch zusätzliche finanzielle Bereitstellung von Mitteln. Deshalb sage ich heute auch noch einmal deutlich an dieser Stelle, es ist unser Gesetzentwurf, der eine höhere Qualität darstellt.

Ich möchte noch einmal deutlich an dieser Stelle sagen, weil auch immer versucht wird, uns das unterzuschieben, dass wir eventuell die Bildung in Frage stellen – lesen Sie das bitte auch im Protokoll der letzten Sitzung nach –, der Bildungsaspekt wird von unserer Fraktion in keiner Weise in Frage gestellt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawohl!)

Aber wenn man der inhaltlichen Debatte der Experten – und jetzt spreche ich nicht von den Finanzexperten, sondern auch von Bildungsexperten –, wenn man dieser inhaltlichen Debatte, dieser Auseinandersetzung folgt, ist es einfach so, dass man von vorschulischer Bildung spricht. Die Betonung liegt hier auf vorschulischer Bildung und nicht auf dem so genannten Vorschuljahr. Deswegen

glauben wir auch, dass es einfach so ist – da muss ich meine Worte an die SPD-Fraktion richten –, dass es hier ganz einfach nur um eine politische Entscheidung der Koalition geht, um die PDS nicht im Regen stehen zu lassen hinsichtlich ihres Wahlversprechens. Sie wissen es selbst, in Ihrer Koalitionsvereinbarung wird das kostenlose Vorschuljahr für 2004/2005 versprochen. Das Vorschuljahr umfasst täglich vier Stunden im Zeitraum von zehn Monaten. Ich denke mal, Sie als Fraktion, Sie wissen noch gar nicht, was auf Sie zukommt,

(Regine Lück, PDS: Doch, in vielerlei Hinsicht schon.)

Sie werden hier nämlich ganz einfach mit dieser Tatsache über den Tisch gezogen, meine Damen und Herren von der SPD.

(Reinhard Dankert, SPD: Jetzt hat er es verraten.)

Ich sage es Ihnen noch einmal, die Experten sehen den Ansatz bei der Vermittlung von Bildung im Kindesalter als ganzheitlichen Prozess, und zwar beginnend im frühesten Kindesalter.

(Rudolf Borchert, SPD: Große Übereinstimmung, Herr Renz. – Zuruf von Gerd Walther, PDS)

Ein weiterer Punkt, der in der letzten Debatte zum Tragen gekommen ist. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Heydorn zitieren, auch wenn er jetzt zufällig nicht anwesend ist,

(Reinhard Dankert, SPD: Er hat eine Besuchergruppe. Das wissen Sie doch.)

aber ich gehe davon aus, dass das Ganze hier Fraktionsmeinung ist. Es geht mir also in diesem Fall um die Inhalte,

(Reinhard Dankert, SPD: Ja.)

die er hier, ich denke mal, im Auftrag der Fraktion vermittelt hat. Und zwar hat Herr Heydorn Folgendes gesagt: „Wir sind dafür, dass es hier beim Thema Kita zu einer konsequenten Dezentralisierung von Aufgaben kommt, denn das stärkt die kommunale Ebene.... Das stärkt die kommunale Ebene und bringt die handelnden Akteure in die Situation, hier zu sachgerechten Vereinbarungen zu kommen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen ganz klar an dieser Stelle sagen, was die Verfahrensweise, die hier durch Sie auf den Weg gebracht wird, bedeutet, nämlich nicht das, was hier die SPD-Fraktion zu Protokoll gegeben hat, sondern für uns bedeutet das ganz klar, dass sich über Ihre Verfahrensweise, meine Damen und Herren, das Land aus der Verantwortung zurückzieht. Das ist der entscheidende Punkt und den werfe ich Ihnen auch hiermit kritisch vor.

(Angelika Gramkow, PDS: Mit Ihrem Gesetzentwurf?!)

Der geringe Protest von Ihrer Seite zeigt mir auch, dass ich da auf der sicheren Seite liege.

(Heike Polzin, SPD: Da wäre ich mir mal nicht so sicher. – Reinhard Dankert, SPD: Na, machen Sie sich mal nicht zum Kaffeesatzleser! Das können Sie wahrlich ein bisschen besser.)

Es ist einfach so, dass wir hier höhere Ansprüche formulieren, das Ganze haben wir beim letzten Mal aufge

zählt, aber diese höheren Ansprüche führen zu einer neuen Risikoverteilung. Und das ist der zweite Punkt, den ich hier doch etwas genauer noch einmal aufdröseln möchte in diesem Fall. Ich will mir nämlich nachher nicht vorwerfen lassen, das hätten wir nicht gesagt, oder Sie sagen vielleicht, das hätten wir nicht gewusst. Deswegen muss man es hier deutlich benennen. Sie haben vor, eine Berechenbarkeit für das Land einzuführen mit einer Deckelung einer festgeschriebenen Summe, sicherlich für das Land eine ganz angenehme Sache.

(Angelika Gramkow, PDS: Plus zwei Prozent Dynamisierung jährlich. Vergessen Sie das bitte nicht!)

Auch die Festschreibung der 40 Prozent für die Kreise wird sicherlich in der Zukunft zeigen, dass auch hier für die kreisliche Ebene Erhöhungen auf uns zukommen werden. Es war nämlich vorher so, dass das Land 30 Prozent getragen hat und die Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte 8,8 Prozent. Und wenn ich jetzt mit einer Festschreibung der Landeszuschüsse hantiere und dann 40 Prozent dieser Summe für die Landkreise ansetze, dann dürfte das mathematisch zumindest eine Erhöhung auf circa 12 Prozent sein.

(Angelika Gramkow, PDS: Was zu beweisen wäre!)

Sie können auch gerne Ihre Fragen nachher noch stellen, Frau Gramkow. Vielleicht komme ich dann auch auf Ihr Angebot zurück und löse bei Ihnen heute noch den Gutschein aus,

(Angelika Gramkow, PDS: Bitte!)

den Sie im Wahlkampf versprochen haben, damit wir dann wieder richtig beim Thema wären.

Es kommt also durch die Festschreibung dieser Deckelung der Kosten zu einer Verschiebung des Kostenrisikos, und das muss man immer wieder deutlich sagen, zu den Kommunen und vor allem zu den Eltern. Gerade wenn wir die Kommunen betrachten, meine sehr geehrten Damen und Herren, alle, die in kommunalpolitischen Parlamenten tätig sind, oder auch die, die es nicht sind, die aber auch zumindest die Presse verfolgen, hören die Aufschreie der Bürgermeister, der Kämmerer, dass die Kommunen immer weniger Geld zur Verfügung haben und dass die Schlüsselzuweisungen zurückgefahren werden. Und was machen wir jetzt? Wir schieben den Schwarzen Peter über Ihr angedachtes Gesetz gerade zu diesen Kommunen hin. Die haben nämlich keine finanzielle Sicherheit mehr. Damit begeben wir diese Kindereinrichtung in die Abhängigkeit der örtlichen Kämmerer, und das kann eigentlich nicht gewollt sein.

Wenn wir uns zum anderen den neuen Gesetzentwurf vornehmen und sehen, was da an Bürokratie drinsteckt, wer sich das wirklich einmal auf der Zunge zergehen lässt, ich sage es noch einmal, denn ich glaube, Sie haben dort diese Bedenken, dass Sie nicht gewillt sind, in einer Anhörung auch über unsere Sache zu diskutieren, was da an Bürokratie drinsteckt, dass die Gemeinden wieder in die Situation versetzt werden, dort neue Verordnungen auf den Weg zu bringen und Ähnliches, das kann alles nicht im Sinne des Erfinders sein. Was ich besonders bedauerlich finde, ist, dass man sich das von Landesseite so einfach macht und diese Bürokratie auf diese kommunale Ebene runterschiebt. Das ist für mich gewissenlos, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich möchte zum Schluss auf einen weiteren Redebeitrag der SPD-Fraktion eingehen, und zwar von Frau Voland. Ich glaube, sie ist im Moment leider nicht da. Frau Voland hat unseren Gesetzentwurf, um den es geht, in zwei Punkten kritisiert: Der eine Punkt ist, dass wir keine konkreten Standards haben. Ich gehe davon aus, alle Anwesenden kennen das jetzt bestehende Gesetz und stellen doch wohl nicht ernsthaft in Abrede, dass dieses Gesetz Standards hat. Ich erspare es mir, dieses weiter zu bewerten.

(Angelika Gramkow, PDS: Das sind aber keine Mindeststandards.)

Ein zweiter und wesentlicher Grund, warum man unser Gesetz nicht in die Diskussion gelassen hat, ist die Tatsache, dass die Reihenfolge der Begriffe, die wohl Betreuung, Bildung und Erziehung lauten, plötzlich, das muss man sich vorstellen, als Ablehnungsgrund hier herhalten muss, da es Bildung, Erziehung und Betreuung sein muss. Das ist, denke ich, inhaltlich auch nicht besonders fundiert. Ich bin auch gerne bereit, im Rahmen der Anhörung solche Themen mal zu diskutieren. Wenn ich sehe, dass man hier diese Prioritäten so setzt, dann frage ich mich ernsthaft: Ist das so gemeint, zumindest ist die Formulierung so rübergekommen, dass wir zehn Minuten am Stück Bildung machen, anschließend zehn Minuten am Stück Erziehung und dann kommen zehn Minuten Betreuung?

(Hannelore Monegel, SPD: Quatsch!)

Das ist zumindest, das kann ich Ihnen sagen, nicht der Ansatz der CDU-Fraktion. Das ist nämlich ein ganzheitlicher Prozess, den man betrachten muss. Aufgrund der Erfahrungen der letzten zehn, zwölf Jahre werden Sie mir auch zustimmen, dass, wenn man den Ansatz der Erziehung aus dem Bildungsprozess ausblendet, was das für Folgen hat in unserer Gesellschaft mit dem Werteverfall, den wir haben.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Deswegen ist unser Ansatz, das ist ein ganzheitlicher Prozess. Das ist für uns dann Wortklauberei, wenn das die Argumente sind, um unseren Gesetzentwurf hier abzulehnen.