Protocol of the Session on November 12, 2003

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Krumbholz von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auch als Nichtjurist über das Juristenausbildungsgesetz zu sprechen.

(Beifall Heike Polzin, SPD)

Herr Dr. Born hat darauf hingewiesen in seiner Rede, welche große Auswirkung die Ausbildung der Juristen auf unser Staatsgebilde hat, gerade auch dahin gehend, dass die Juristen nach der Ausbildung einfließen in die dritte Gewalt. Ergänzend muss man natürlich dazusagen, dass auch in der ersten und zweiten Gewalt Juristen durchaus präsent sind.

Wir haben es hier mit einer typischen Rahmengesetzgebung zu tun. Der Bund hat eben das Gesetz zur Juristenausbildung erlassen. Wir als Land haben die Aufgabe, diesen Rahmen auszufüllen. Gegenstand ist immer das Erste Gesetz zur Änderung des Juristenausbildungsgesetzes.

Zu Ziel und Inhalt hat der Minister schon etwas gesagt. Hauptziel ist die Hebung der Ausbildungsqualität. Ob dieses Ziel seinen Zweck erfüllt, denke ich, haben wir dann im Ausschuss, in der Anhörung, die Dr. Born beantragen wird, zu prüfen. Es ist beantragt Überweisung in den Rechts- und Europaausschuss, in den Bildungsausschuss. Die Ausschüsse sollen ihre Arbeit machen. Wir als Fraktion stimmen dieser Überweisung zu. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der CDU und Karsten Neumann, PDS)

Danke schön, Herr Krumbholz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Neumann von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist mal so richtig „Wünsch dir was!“. Ich will anknüpfen an das, was unser Ausschussvorsitzender vorwegsagte. Eigentlich sollte es tatsächlich nicht zuvorderst die Aufgabe der Juristen sein, darüber nachzudenken, wie künftige Juristen auszubilden sind, sondern es sollte wirklich Aufgabe des gesamten Gesetzgebers sein, ganz klar und deutlich zu formulieren, was für Juristen wünschen wir uns denn in sechseinhalb Jahren zu haben,

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

denn darum geht es in diesem Gesetz. Das ist, denke ich, auch der Anspruch an die Diskussion und das Gute daran ist, nicht nur den Rechts- und Europaausschuss zu beteiligen, sondern eben auch den Bildungsausschuss,

(Reinhardt Thomas, CDU: Wir hören jetzt zu!)

auch aus anderen Gründen, dazu will ich noch kommen.

Ich will noch an einen Punkt anknüpfen, den der Kollege Krumbholz hier angesprochen hat. Juristen sind nicht nur in der ersten, zweiten und dritten Gewalt, Juristen sind einfach überall. Das spricht für die hohe Qualität der jetzigen Ausbildung, mag man meinen, oder für die mangelnde Entscheidungsgewalt junger Leute, die dann doch sagen, na gut, nehmen wir mal das Jurastudium. Das ist im Ergebnis vielleicht das erfolgreichste. Wenn man es so sieht, auch bei den großen Persönlichkeiten von Bismarck über Marx bis Goethe, die Juristenausbildung ist jedenfalls so schlecht nicht für viele gesellschaftliche Bereiche.

Der Begründung des Gesetzentwurfes entnehmen wir, wir setzen ein Bundesgesetz um, das – und das will ich aber auch betonen – am 11. Juli 2002 verabschiedet wurde und am 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist. Es hätte also schon eine ganze Reihe von Gelegenheiten gegeben, auch für den Landesgesetzgeber, für die Umsetzung hier zu debattieren.

Ferner lesen wir: „Durch die Reform“ – und als solche wird sie ja bezeichnet – „entstehen keine zusätzlichen Kosten.“ Wir werden demnach nicht zum ersten Mal Zeuge eines Wunders. Wir werden eine Reform, die keine neuen Kosten verursacht, eine kostenneutrale Reform also, erleben. Ich denke, diesen Punkt werden wir noch zu diskutieren haben.

(Heike Polzin, SPD: Schauen wir mal!)

Wie schreibt es der Fachschaftsrat Jura in einer ersten Stellungnahme so schön: „Es gibt schon ein krasses Missverhältnis zwischen den Aussagen der Qualitätsverbesserung der Ausbildung auf der einen Seite, der Erhöhung des Curricularnormwertes auf der anderen, der Einführung einer Zwischenprüfung in der Verantwortung der Hochschule sowie der Aussage, dass keine zusätzlichen Mittel benötigt werden.“ Darüber, denke ich, werden wir ernsthaft zu reden haben im Ausschuss.

Jedenfalls soll die Juristenausbildung modernisiert und reformiert werden. So ist die frohe Botschaft, die auch wir gerne zur Kenntnis nehmen. Denn nötig und überfällig ist dieses Unternehmen schon seit langem und das sehen nicht zuerst, aber auch die Juristinnen und Juristen genauso. Diese Ausbildung ist weiterhin mit insgesamt

sechseinhalb Jahren im Schnitt, bis die Befähigung zum Richteramt erworben ist und den Absolventen der Zugang als so genannter Einheitsjurist zu allen juristischen Berufen ermöglicht wird, zu lang. Die echt deutsche Konstruktion, dass Richterschaft und Staatsanwaltschaft institutionell vom Beamtenrecht überlagert ist, bleibt weiterhin unaufgelöst, was beide – Richterschaft wie Staatsanwaltschaft – gewiss nicht unbedingt unabhängiger werden lässt. Bei der Ausbildung schlägt sich dieser Punkt darin nieder, dass auch der Dualismus zwischen Universitätsprüfung und Staatsprüfung bestehen bleibt. Überall, bei allen anderen Ausbildungen geht es anders. Überall bestimmen die Universitäten im Rahmen ihrer Universitätsautonomie über den Inhalt der Prüfungen und führen sie eigenverantwortlich durch. Nur der deutsche Jurist bedarf eben genau wie jeder Hengst in Redefin der besonderen staatlichen Krönung mittels eines Staatsexamens.

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Körung? Das ist eine Körung? Na, wieder etwas dazugelernt. So schnell müssen die Juristen eben manchmal lernen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Heinz Müller, SPD: Ich bin zwar kein Jurist, ich habe aber andere Qualitäten! – Glocke der Vizepräsidentin)

Meine Damen und Herren, wir halten dies wie auch manches andere in der Juristenausbildung für einen weiterhin nachwirkenden alten Zopf. Wobei ich zu diesem Punkt nur hoffen möchte, dass die EU-Entwicklung, also die Normativität des Faktischen, hier früher oder später Abhilfe schaffen wird, denn der in Deutschland ausgebildete Jurist mag so gut sein und so viel wissen, wie er will, er ist in Europa nicht kompatibel.

Zunächst ist es ganz und gar nicht zufrieden stellend, dass das Gesetz so spät in die Schienen kommt, denn die Bundesregelung war immerhin lange genug bekannt und hätte rechtzeitiges Tätigwerden ermöglicht. Es war genügend Zeit, eigene Hausaufgaben rechtzeitig anzufertigen. Da der Gesetzentwurf erst jetzt kommt, bewegen wir uns also doch als so aufgeschlossenes und reformfreudiges Land am Schluss des Konvois der Bundesländer,

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

was aber auch seinen Vorteil hat, denn wir haben beispielsweise schon ein Gesetz aus Berlin und Brandenburg, das wir, denke ich, sehr wohl in unsere Beratungen, jedenfalls gedanklich, einzubeziehen haben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Der Freistaat Bayern hat doch auch schon eins.)

Die Länder Berlin und Brandenburg haben gleich lautende Gesetze verabschiedet und einen Ausbildungsverbund zwischen beiden Ländern geschaffen. Ich frage mich, ob man nicht hier in einer konzertierten Aktion dieser Länder sich dieser hätte anschließen können oder ob dies beispielsweise ein Thema für eine norddeutsche Zusammenarbeit gewesen wäre.

Meine Damen und Herren, trotz dieser allgemein kritischen Bemerkungen zum weiter bestehenden Reformstau teilen wir die Grundrichtung der vorgesehenen Änderungen natürlich, und zwar egal, ob man sie als Reform

verstehen mag oder nicht. Das Problem ist nicht so sehr, was im Gesetz steht, sondern aus meiner Sicht vielmehr das, was nicht drinsteht. Ich denke schon, dass das Land den Spielraum möglichst vollständig ausschöpfen sollte, den der Rahmen des geänderten Richtergesetzes und der Bundesrechtsanwaltsordnung zulässt. Natürlich sind die beabsichtigte größere Praxisnähe, die größere Bezogenheit am internationalen Recht und auch die Orientierung an der anwaltschaftlichen, insbesondere der beratenden und Streit vermeidenden juristischen Praxis als Fixpunkte zu begrüßen. Insoweit kommt es aber dann tatsächlich auf die Umsetzung an. Der Kollege Born sprach es bereits an.

Der zweite wesentliche Gesichtspunkt des Reformansatzes scheint mir aber auf der Ebene der Hochschulautonomie zu liegen, dass nämlich auch die juristischen Fakultäten unseres Landes sich zügig im Klaren werden müssen, wie sie die neuen Ausbildungsmöglichkeiten in den Studien- und Prüfungsordnungen und in den eigenen Schwerpunktbildungen umsetzen. Wir sind dafür, den Fakultäten die weitestgehenden Gestaltungsspielräume für die Juristenausbildung zu ermöglichen, so dass die juristischen Fachbereiche ihre Lehrangebote selbständig erarbeiten und die Studierenden ihre persönlichen juristischen Interessen verfolgen können. Ich denke auch, dass alle Möglichkeiten, die die Rahmenregelung des Bundes gibt, zum Auslandsstudium, zur Fremdsprachenaneignung und zur sozialwissenschaftlichen, psychologischen und rethorischen Fundierung der Ausbildung, aufgegriffen werden sollten.

Es leuchtet mir zugegebenermaßen nicht ein, warum nicht die inhaltlichen Vorgaben des Richtergesetzes zum Inhalt des Studiums und zu den Schwerpunktbildungen vollständig übernommen worden sind. Vergleicht man unseren neuen Paragraphen 2 a beispielsweise mit den Paragraphen 4 und 5 des Berlin-Brandenburg-Gesetzes, so schlägt einem doch eine ganz andere Musik entgegen, was die Autonomie der Universitäten betrifft. Ich hoffe hier auf ein starkes mitberatendes Votum des Bildungsausschusses. Warum zieren wir uns denn beispielsweise so hinsichtlich der Anerkennung von Studienleistungen, die außerhalb des Landes erbracht werden, darunter auch im Ausland?

(Beifall Michael Ankermann, CDU)

In Berlin und Brandenburg entscheidet, so steht es dort im Gesetz, die Universität darüber eigenverantwortlich. Es geht doch nicht nur um den Nachweis der Fremdsprachenkompetenz, die unser Entwurf freilich erfasst. Ich frage mich in dem Zusammenhang auch, warum das Justizministerium sich für die Prüfungsordnung der Universitäten noch eine besondere Zustimmung vorbehält mit der Möglichkeit der Versagung, falls die Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit der Prüfungen nicht gewährleistet ist. Ich denke, in einem Bundesland mit 35 Universitäten ist es durchaus angebracht, mit zweien halte ich persönlich eine solche Notleine für überflüssig.

Für wenig überzeugend halte ich gegenwärtig auch, dass der Entwurf im Paragraphen 25 beibehält, dass die Verantwortung bei der Ausbildungsstation Verwaltung das Innenministerium trägt. Was tut das Innenministerium denn bisher mit dieser Verantwortung? Warum wird nicht wie in den meisten Ländern von einer einheitlichen Leitung in der Hand des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ausgegangen?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist wohl richtig.)

Dies und anderes wird mit Studenten, Anwälten, Richtern zu beraten sein. Ein Richter hat es eingebracht, ein Anwalt hat seinen Beitrag hier in der Debatte geleistet, ich quasi als Referendar. Meine Sicht: Sie sind unterschiedlich, treffen sich aber dann vielleicht oder hoffentlich nicht in der melancholisch-trübseligen Bemerkung des Juristen Dr. Heinrich Heine, der einmal sagte: „Schier 300 Jahre hat der liebe Gott darüber nachgedacht, wie man Dr. Juris und die vielen kleinen Flöhe macht.“ Ich hoffe, wir sind schneller im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Martina Bunge, PDS: Sehr gut.)

Danke schön, Herr Neunmann.

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 4/849 zur federführenden Beratung an den Rechts- und Europaausschuss und zur Mitberatung an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall, damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung für die Mittagspause bis um 13.20 Uhr.

Unterbrechung: 12.19 Uhr

Wiederbeginn: 13.24 Uhr

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich eröffne die unterbrochene Sitzung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege, Drucksache 4/864.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (Kindertageseinrichtungs- und -pflegeförderungsgesetz – KiföG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 4/864 –

Das Wort zur Einbringung hat die Sozialministerin Frau Dr. Linke.