Protocol of the Session on November 12, 2003

Frau Abgeordnete, bitte.

Sie haben ja zugehört, ich habe Herrn Thomas diese Frage auch schon einmal beantwor

tet. Ich bin der Auffassung, wenn ein Bürger dazu genötigt wird, eine Arbeit unter seiner Qualifikation anzunehmen und unter dem, was seinen bisherigen Ansprüchen und Anforderungen entspricht, anzunehmen, dann hat das für mich etwas mit Zwang zu tun,

(Rainer Prachtl, CDU: Das geht doch gar nicht. Wie können Sie das so vergleichen? – Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

und nichts anderes habe ich geäußert. Ich habe es in keiner anderen Beziehung gebracht.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Beifall Karsten Neumann, PDS – Rainer Prachtl, CDU: Der Begriff ist belegt.)

Gestatten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Dr. Born?

Bitte, Dr. Born.

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Frau Kollegin Lück, sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass Sie mit einer solchen Formulierung die Gefahr heraufbeschwören, Zwangsarbeiter zu beleidigen?

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Jetzt ist es wirklich gut! – Zurufe von Torsten Koplin, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Also ich bin der Auffassung, von dem Standpunkt, davon möchte ich mich distanzieren. Sie wollen mir jetzt etwas in meine Worte legen, was niemals beabsichtigt war.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Danke schön, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDUFraktion Herr Rehberg.

(Rainer Prachtl, CDU: Das hätte einer von uns machen sollen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich hatte gehofft, dass wir zu dem Punkt „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ – auf der einen Seite läuft das unter Hartz IV auf der anderen Seite unter dem Hessen-Modell oder EGG –, dass wir wirklich eine ernsthafte Debatte führen zu diesem Punkt. Und wenn ich dort die Finanzministerin dieses Landes zitieren darf, die in Eggesin auf unserer Klausurtagung vor einigen Wochen – und ich stimme da hundertprozentig zu – gesagt hat, dieses ist ein Systemwechsel, ein Paradigmenwechsel, wir sind im Augenblick in der Situation, dass sich zehn wesentliche Gesetzesvorhaben im Deutschen Bundestag und im Bundesrat zusammenschieben, unter anderem zu diesem Thema 2, dann hätte ich mir wirklich erhofft, dass wir ernsthaft zumindest, Herr Kollege Mohr, über unseren Antrag diskutieren.

(Klaus Mohr, SPD: Ich komme gleich dazu. Ich komme gleich dazu.)

Ihr Antrag ist so dünn, dünner geht’s nicht.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Und wenn das der kleinste gemeinsame Nenner ist zwischen SPD und PDS, dann kann ich nur sagen, das ist weniger als ein Notantrag, was Sie hier vorgelegt haben. Und wenn Sie in den letzten Tagen eine Debatte führen zum Thema Ostkomponente, dann frage ich mich wirklich, mit welcher Ernsthaftigkeit. Ich lasse mal jetzt die Ausführungen von Frau Lück vollkommen beiseite. Das hat mich an eine Stamokapvorlesung aus längst vergangenen Zeiten erinnert. Nicht mehr, aber auch nicht weniger war das, Frau Lück.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Sie haben überhaupt nichts substantiell dazu beigetragen,

(Torsten Koplin, PDS: Komm, komm, komm!)

dass Mecklenburg-Vorpommern sich hier eine Position erarbeitet, wo unsere Interessen berücksichtigt werden. An keiner Stelle, in keiner Art und Weise!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und was sind denn im Augenblick die Gemeinsamkeiten, die die Union in Deutschland, als die eine große Volkspartei, und SPD und Grüne, als die im Bund in Verantwortung Stehenden, verbinden? Einmal ist es erstens, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbsfähige bei einheitlicher Trägerschaft auf dem Niveau der Sozialhilfe zusammengeführt werden. Punkt! Zweitens, die Arbeitsanreize bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und die Sanktion bei Arbeitsverweigerung werden verstärkt. Punkt!

Und weiter sind Gemeinsamkeiten in beiden Gesetzentwürfen die künftige Kostentragung durch den Bund für die neue Leistung, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise, eine einheitliche Trägerschaft, wenn auch bei unterschiedlichen Stellen, die Einführung einer Beweislastumkehr zu Lasten des Hilfesuchenden, der künftig triftige Gründe nachweisen muss, warum er eine Arbeit nicht annimmt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, und wer das mit Zwangsarbeit tituliert, entschuldigen Sie bitte, der ist fernab von jeder Realität.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die stärkere Betonung des Forderns gegenüber dem passiven Leistungsbezug, die Verpflichtung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, die verschärften Sanktionen, Kürzung bis auf null bei wiederholter Arbeitsverweigerung, die Zumutbarkeit jeder Arbeit unabhängig von der Ausbildung und der Vorbeschäftigung, die Vereinheitlichung der Arbeitsanreize für frühere Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebezieher, wenn auch in unterschiedlicher Weise, und die Gleichbehandlung beider Personengruppen in der Sozialversicherung, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, das haben Sie hier bei Ihrem Antrag mit der PDS völlig, völlig ausgeblendet.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Beim Punkt 1 gibt es bei Ihnen kein klares Bekenntnis zu den Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Gesetzentwürfen. Herr Mohr, Sie haben sich hier buchstäblich die Rosinen herausgepickt, aber wo es wirklich weh tut, wo wir eine Debatte führen müssen, auch um die Interessenlagen unseres Landes deutlich zu machen, da hüllen

Sie sich in Schweigen. Das ist für mich keine verantwortungsvolle Politik. Ich habe den Eindruck, wenn das der kleinste gemeinsame Nenner ist, dann kann der Antrag nur unter dem Motto zustande gekommen sein: Augen zu und durch, durch durch diese Landtagssitzung. Sie haben sich ja nicht einmal auf eine gemeinsame Antragsbegründung verständigen können.

Diese Lethargie zieht sich auch beim Punkt 2 Ihres Antrages durch. Natürlich begrüßen wir die geplante Entlastung der Kommunen. Nur, dann sagen Sie doch bitte, wie das bei Hartz IV laufen soll. Ich habe das heute Morgen schon in der Aktuellen Stunde gesagt, Verteilung der Umsatzsteuerpunkte zu Lasten der Länder, übrigens, das sieht im Hessen-Modell völlig anders aus, darauf gehe ich nachher noch ein. Schreiben Sie das bitte auch in Ihren Antrag rein! Ich bin nicht dafür, dass die Entlastung der Kommunen zu Lasten der Länder stattfindet. Der Bund entlastet sich in hohem Maße und die Kommunen auch, dann möge das bitte so verteilt werden, auf die, die bisher die Lasten auch tragen, und nicht Politik zu Lasten Dritter.

Aber, meine Damen und Herren, gucken Sie sich doch noch einmal ganz genau Ihren Punkt 69 im Koalitionsvertrag an. Hier kann ich nur eines sagen: Den können Sie sowieso wegpacken, ist überholt.

(Angelika Gramkow, PDS: Nee, der hat sich nicht überholt.)

Und dann soll die Finanzministerin auch vortreten und sagen, wenn sie zu Hartz IV Ja sagt, wie sie denn die Kürzungen im Bereich der Umsatzsteuerpunkte nach den Plänen der rot-grünen Bundesregierung im Landeshaushalt kompensieren will. Das ist ein Punkt, den ich auch heute Morgen gesagt habe, und zwar auf der Einnahmeseite. Wie wollen Sie diesen Punkt kompensieren, Frau Finanzministerin, wenn – und davon gehe ich ja aus und das hat Herr Mohr gesagt – das EGG, das Hessen-Modell keine brauchbare Alternative ist?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das darf ich erwähnen, denn ich habe mir vorher das Einverständnis geholt, die Frau Finanzministerin hat uns in Eggesin gesagt, dass die Finanzierungsregelungen des HessenModells durchaus Charme besitzen. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Weil es dort einen 90-prozentigen Finanzausgleich für das Land Mecklenburg-Vorpommern geben wird und geben soll. Ich gehe nachher noch auf die Gründe ein, die sehr wichtig sind – nicht nur für das Heute, sondern auch für das Morgen und für das Übermorgen – bei der Berechnung nach Fallzahlen und Quoten. Und das ist ganz entscheidend. Das ist ein ganz wesentlicher und entscheidender Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo ist denn Ihr Vorschlag zur Refinanzierung, zur Verteilung? Wo ist Ihr Vorschlag, Herr Mohr, als SPD-Fraktion, als Regierungsfraktion in diesem Land? Wie nehmen Sie hier die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern wahr?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Über Punkt 3 und 4 in Ihrem Antrag, entschuldigen Sie bitte, darüber lohnt es sich gar nicht zu reden. Wir reden von einem geförderten Niedriglohnsektor. Hier geht es darum, dass der Sozialhilfeempfänger nicht so wie heute höchstens 145,80 Euro dazuverdienen kann, sondern mehr, damit er einen Anreiz bekommt zu arbeiten und er

davon etwas übrig behält. Gucken Sie sich das HessenModell an!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Das Hessen-Modell.)

Der Anreiz fängt beim Hessen-Modell ab einer Grenze von 400 Euro an, interessant zu werden.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Da wird ihnen das nicht so in dieser Art und Weise weggenommen wie bei Hartz IV oder wie es heute im Sozialhilfeempfängerbereich ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Es geht nicht darum, einen Niedriglohnsektor zu fördern, sondern Menschen in einen geförderten Niedriglohnsektor hineinzubringen. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, es ist doch viel wichtiger, dass man Menschen anreizt, nicht einfach für ein passives Nichtstun Geld zu beziehen, sondern dass sie sagen: Ich bemühe mich auch um Arbeit.