Dies sagte der Umweltminister, nachdem sich die Landesregierung in einer interministeriellen Arbeitsgruppe über ein Jahr mit der beabsichtigten FFH-Gebietsmeldung befasste und Wirtschafts- und Kommunalverbände sowie Kommunen umfängliche Stellungnahmen zur beabsichtigten Gebietsmeldung abgegeben hatten.
Gleichzeitig betonte der Umweltminister seinerzeit, dass die seitens der Landesregierung abgegebene Meldung von den Naturschutzverbänden unseres Landes mitgetragen wird und deshalb als abschließende Meldung des Landes zu betrachten sei. Damals ging es um 182.000 Hektar, das sind circa 7,8 Prozent der Landesfläche, womit Mecklenburg-Vorpommern einen überdurchschnittlich hohen Anteil an der Bundesmeldung getragen hätte. Heute wissen wir, dass dem Umweltminister schon damals bekannt war, dass diese Meldung von den Naturschutzverbänden des Landes nicht mitgetragen wurde und somit keine abschließende Meldung sein würde.
Vielmehr war der Landesregierung schon damals bekannt, dass in Brüssel eine so genannte Schattenliste der Naturschutzverbände vorlag. Aus dieser Liste resultiert nun der neue Vorschlag des Umweltministers mit einer Erweiterung der Gebietskulisse um circa 250.000 Hektar, das heißt noch einmal 10,7 Prozent der Landesfläche.
Vorsorglich heißt es in der Koalitionsvereinbarung unter dem Punkt 118: „Nach Bestätigung der Meldung der FFHGebiete durch die Europäische Kommission werden die notwendigen Maßnahmepläne entwickelt, einstweilige gesicherte Naturschutzgebiete in reguläre Naturschutzgebiete überführt und bestehende Schutzgebietsverordnungen angepasst.“
Dat häv ick nägenunnägentig all eins hüürt, dunn hett de Minister secht: Täuwen’s man af, de Richtlinien kamen noch. Ik täuf ümmer noch.
„Falls die EU-Kommission unabweisbar nach Abschluss des Konzertierungsverfahrens Nachbesserungen fordert, wird eine dritte Tranche gemeldet, die die DefizitAnalyse der Umweltschutzverbände berücksichtigt.“ Das heißt, dass noch im September des vergangenen Jahres für Sie, meine Damen und Herren der Koalition, eine weitere Meldung von FFH-Gebieten erst nach einem Konzertierungsverfahren gemäß Artikel 5 der Richtlinie in Frage kommen sollte. Doch wieder einmal hat Sie der Zug der Zeit – wie beim Transrapid, beim A3XX und der BMWAnsiedlung – überrollt.
Schon Anfang des Jahres mussten wir Pressemeldungen entnehmen, dass der Umweltminister beabsichtigt, weitere Gebietsmeldungen vorzunehmen. Eine Information des zuständigen Landtagsausschusses hierüber erfolgte nicht. Vielmehr zog es der Umweltminister am 14. Mai dieses Jahres vor, zuerst die Landräte unseres Landes von seinen Plänen in Kenntnis zu setzen. Seine Gesinnungsgenossinnen auf Rügen und in Ostvorpommern sind nicht entzückt darüber.
Vor dem Hintergrund dieser Informationspolitik ist es nur logisch, dass die uns nunmehr vorliegende und seitens der Landesregierung beabsichtigte dritte Meldung fast identisch mit der von den Naturschutzverbänden nach Brüssel gemeldeten Liste ist.
Offensichtlich verfolgt das Umweltministerium wieder die aus dem Jahre 1999 bekannte Politik der Desinformation, der Verunsicherung und des Aufbaus von Drohkulissen.
Bevor betroffene Kommunen, die Wirtschaft und auch der Landtag erste Informationen erhalten, werden vollendete Tatsachen geschaffen.
Gleichzeitig reist der Umweltminister mit seinem Herrschaftswissen durch die Lande, obwohl dem Umweltausschuss des Landtages weder Kartenmaterial noch Gebietskulisse zur beabsichtigten Meldung vorliegen.
Aber gerade die Erfahrung mit der zweiten Gebietsmeldung und die Geheimniskrämerei der Landesregierung schaden der Akzeptanz des Naturschutzes.
Meine Damen und Herren, die vorliegende Liste der FFH-Gebietsvorschläge hat nicht nur schwerwiegende ökonomische und soziale Auswirkungen auf unser Land,
nein, sie weist zudem schwere naturschutzfachliche Mängel auf, insbesondere deshalb, weil bei der Auswahl von Gebieten nicht das Kriterium der Signifikanz beachtet wurde, vielmehr ging es vordergründig wohl nur um das Ziel, so viel Fläche wie möglich auszuweisen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und PDS – Rudolf Borchert, SPD: Herr Timm, Sie entwickeln sich zum Umweltprofi! – Zurufe von Dr. Martina Bunge, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)
Meine Damen und Herren, so treten in MecklenburgVorpommern laut einem vom Wirtschaftsminister in Auftrag gegebenen Gutachten lediglich zwei prioritäre Arten des Anhangs II – Juchtenkäfer und Sandsilberscharte – und 15 Lebensraumtypen entsprechend des Anhangs I der FFH-Richtlinie auf.
Das Kriterium der Signifikanz eines Vorkommens von Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten des Anhangs II – ich hoffe, Sie verstehen das – der FFH-Richtlinie wurde bei der bisherigen Erarbeitung der Gebietskulisse offensichtlich völlig außer Acht gelassen. Vielmehr machten erste Analysen der Gebietskulisse deutlich, dass Lebensräume oder auch Arten vor Ort gar nicht vorhanden oder lediglich als Nebenvorkommen mit geringer Ausprägung vorhanden sind.
Weitere Fehler liegen bei der Abgrenzung der Gebiete. Meine Damen und Herren, auf Antrag des Landkreises Ostvorpommern soll die 39. Sitzung des Vorstandes des regionalen Planungsverbandes Vorpommern am 2. Juli 2003 deshalb darüber befinden, ob Zusicherung der Interessen des Landkreises und darüber hinaus der Planungsregion Vorpommern sowie fachlicher und juristischer Beistand zur Prüfung der Begründung und Notwendigkeit der FFHGebietskulissenerweiterung beigezogen werden soll.
Das ist auch damit zu begründen, dass eine Vielzahl von strittigen Fragen zu fachlich-inhaltlichen Aspekten der durch das Umweltministerium vorgeschlagenen Gebiete sowie bei der rechtlichen Bewertung des Meldevorganges zu stellen sind.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass aus naturschutzfachlicher Sicht die Erarbeitung der vorliegenden Gebietskulisse schwerwiegende Mängel aufweist. Aus diesem Grunde ist eine umfassende Beteiligung aller von einer eventuellen Gebietsausweisung Betroffenen notwendig.
Ich wünsche uns dabei viel umweltliches Verständnis und ich hoffe, dass den Minister seine Hand besser leiten wird als bisher. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Als Erster hat das Wort der Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Professor Dr. Methling.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal ist die Meldung von FFH-Gebieten in Mecklenburg-Vorpommern Gegenstand der öffentlichen und auch der politischen Diskussion. Ich will an dieser Stelle verzichten auf Reaktionen zu politischer Polemik, zu Unterstellungen, zur Sachkompetenz des Ministers und seiner Fachleute, sondern ich will mich beschränken auf die Darstellung der Sachzusammenhänge und auch der Sachlage. Angesichts des Publikums, was wir hier haben bei unserer Landtagssitzung, ist das vielleicht ganz dienlich, denn auch plattdeutsches Argumentieren ersetzt keine Fakten, wenn ich das mal so sagen darf.
Am 21. Mai 1992 wurde die Richtlinie 92/43 EWG des Rates, die so genannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, beschlossen, die Abkürzung FFH, ein Synonym, was in der Diskussion immer wieder benutzt wird. Wie Sie wissen, ist das Ziel dieser Richtlinie die Errichtung eines europäischen kohärenten, eines zusammenhängenden Schutzgebietsnetzes Natura 2000 zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen.
Nach Artikel 5 Absatz 1 waren die Länder verpflichtet, der Europäischen Kommission bis 1995 eine Liste zu übergeben, die die Gebiete enthält, in denen die Lebensraumtypen des Anhangs I und die Arten des Anhangs II vorkommen.
Artikel 4 Absatz 1 beschreibt, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, die Auswahl der FFH-Gebiete anhand der in Anhang I der Richtlinie festgelegten Kriterien vorzunehmen. Bei diesen Kriterien handelt es sich ausschließlich um rein naturschutzfachliche Kriterien. Sie können sich erinnern, dass diese Ausschließlichkeit von naturschutzfachlichen Kriterien auch die politische Diskussion bestimmt hat, aber es ist geltendes europäisches Recht. Nur diese Kriterien dürfen somit die Auswahl der zu meldenden Gebietskulisse zur Errichtung des kohärenten ökologischen Netzes Natura 2000 bestimmen. Für die Berücksichtigung wirtschaftlicher, verkehrlicher, raumordnerischer und anderer Gründe ist streng genommen in der Auswahl und Meldung der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung grundsätzlich kein Spielraum vorhanden.
Mit dem Urteil vom 11. September 2001 stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass Deutschland dieser Verpflichtung weder fristgemäß noch inhaltlich hinreichend nachgekommen ist. Da in Deutschland der Naturschutz in der Zuständigkeit der Länder liegt, waren die Meldungen der Länder die Grundlage für die Bewertung und für das Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
Lassen Sie mich die gegenwärtige Situation erläutern. Ich will auch gerne noch etwas sagen zur Situation 1999 und wie wir damals zu diesen Einschätzungen gekommen sind:
Vom 11. bis 13. November 2002 fand in Potsdam ein wissenschaftliches Seminar der Europäischen Union zur