Protocol of the Session on June 26, 2003

Vom 11. bis 13. November 2002 fand in Potsdam ein wissenschaftliches Seminar der Europäischen Union zur

kontinentalen biogeographischen Region statt. Während dieses Seminars wurde die Meldung der Länder der kontinentalen Region, zu der auch Mecklenburg-Vorpommern gehört, bewertet.

Im Dezember 2002 hat die Europäische Kommission der Bundesrepublik Deutschland offiziell die Ergebnisse des Seminars übermittelt. Für unser Bundesland ergab die Bewertung der Meldung vom Dezember 1999 ein zum Teil erhebliches Meldedefizit für 38 Lebensraumtypen und 22 Arten. Die meisten Mitglieder des Landtages wissen wohl noch sehr gut, dass diese Meldung im Ergebnis von zum Teil heftigen Diskussionen des Fachvorschlages in der Landesregierung und nach einer äußerst intensiven Öffentlichkeitsarbeit durch einen Kabinettsbeschluss vorgenommen wurde. Dass es dabei zu erheblichen Reduzierungen des Fachvorschlages gekommen ist, wissen auch alle Beteiligten.

Bemängelt wurde seitens der Europäischen Union die unzureichende Meldung der im Land tatsächlich vorhandenen Vorkommen von Lebensraumtypen und Populationen verschiedener Arten, eine unvollkommene Meldung von großen Gebieten sowie von Gebieten mit besonders gut ausgeprägten Erhaltungszuständen, von Lebensraumtypen und Artenvorkommen, die unvollständige Berücksichtigung der geographischen Verteilung im Land sowie die Kohärenz im Land und zu angrenzenden Bundesländern, eine nicht ausreichende Benennung aller – ich betone, aller – in den gemeldeten Gebieten vorkommenden Lebensraumtypen und -arten sowie die unzureichende Berücksichtigung von Komplexgebieten.

In der wissenschaftlichen Bewertung unserer Gebietsmeldung durch die EU-Kommission wurden für mich überraschend Kriterien zugrunde gelegt, die uns bei der Auswahl der Gebiete 1999 nicht bekannt waren. Danach sind zum Beispiel für prioritäre Lebensraumtypen und -arten mindestens 80 Prozent der vorhandenen Grundgesamtheit durch die Gebietsmeldung zu erfassen, für seltene Arten und Lebensräume mindestens 60 Prozent der Vorkommen in Mecklenburg-Vorpommern und für Arten und Lebensräume, die in Mecklenburg-Vorpommern und in der kontinentalen Region häufig vorkommen, zwischen 20 und 60 Prozent, im Regelfall zwischen 30 und 40 Prozent dieser Vorkommen.

Diese Messlatte war 1999 nicht bekannt. Sie war für uns nicht Hintergrund für die Auswahl, die wir vorgenommen haben. Mit anderen Worten, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir haben seitens der EU-Kommission eine ganz klare Ansage, was unseren Handlungsbedarf betrifft und wie wir diesen auszufüllen haben, lebensraumkonkret, artenkonkret, anteilkonkret. Eine solche Ansage hatten wir 1999 nicht. Daraus ergeben sich unterschiedliche Wahrnehmungen von Handlungsspielräumen. Ich kann mich übrigens auch nicht erinnern, dass ich 1999 heftig darauf hingewiesen worden bin in den Diskussionen, wo wir Erweiterungen vorzunehmen haben.

Am 18. Dezember 2002 beauftragte daraufhin das Kabinett den Umweltminister mit der Vorlage eines Fachvorschlages, der geeignet sein muss, die von der Kommission beanstandeten Defizite zu beheben. Die Europäische Kommission hat am 3. April diesen Jahres auf der Basis des Urteils des Europäischen Gerichtshofes das Zwangsgeldverfahren nach Artikel 228 Absatz 2 des EGVertrages gegen Deutschland eröffnet. Greifbare und erhebliche finanzielle Forderungen in Form von Zwangs

geld oder Ausbleiben der EU-Strukturfördermittel sowie rechtliche Konsequenzen können auf Mecklenburg-Vorpommern zukommen, falls sich die Nachmeldung weiter verzögert und auch im dritten Anlauf die bestehenden Defizite nicht behoben werden. Aus diesem Grunde ist es unerlässlich, einen geeigneten Fachvorschlag zur Nachmeldung von FFH-Gebieten rechtzeitig vor dem im Oktober von der Kommission geplanten bilateralen Gespräch zur Bewertung der Nachmeldekulisse vorzulegen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Um diesen Termin im Oktober – möglicherweise auch im November, der Termin ist nicht endgültig festgelegt – zu gewährleisten, hat das Kabinett am 20. Mai 2003 einen Zeitplan zur Vorbereitung der Nachmeldung beschlossen. Gegenwärtig befinden wir uns kurz vor dem Abschluss der Ressortbeteiligung und vor der Kabinettsbefassung. Während der Ressortbeteiligung sind unsere Fachvorschläge diskutiert worden. Es hat Veränderungen bei rund 50 Gebieten gegeben, sowohl Reduzierungen, Herausnahmen als auch Erweiterungen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das Prozedere werde ich auch gerne noch einmal erläutern.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Dieses Prozedere ist der Öffentlichkeit vielleicht nicht in jedem Falle bekannt, ich würde es an dieser Stelle aber noch einmal sagen. Die Landesregierung war der Auffassung, und das war unsere einheitliche Auffassung, dass wir erst dann in die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung gehen, wenn wir eine Ressortabstimmung vorgenommen haben. Diese wird jetzt vorgenommen. Sie wird in Bälde abgeschlossen. Das ist ein normales Vorgehen bei allen Vorhaben.

(Peter Ritter, PDS: Normales Vorgehen. – Zuruf von Dr. Martina Bunge, PDS)

Nach dieser Ressortbeteiligung, nach der Kabinettsbefassung gehen wir in die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung.

Aus meiner Sicht haben die Ressortabstimmungen einen guten Stand erreicht, wenngleich, und das ist auch normal, einige Probleme noch geklärt werden müssen. Streitfrei ist beispielsweise zwischen den Ressorts, dass die Meldung der FFH-Gebiete die geplante A14, bestandskräftige Bauleitpläne sowie bestandskräftige Flächennutzungspläne und die generellen Belange der Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft berücksichtigt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Udo Timm, CDU: Wo steht das geschrieben? – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Protest Tourismus ist doch erst morgen.)

Insofern sind Feindbilder, die Sie zwischendurch in der Presse verbreiten, völlig daneben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

Einer meiner Grundsätze für die Abstimmungen und für die Gebietsnachmeldungen besteht insgesamt darin,

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

die von der EU-Kommission aufgezeigten Defizite mit möglichst wenig – und hören Sie zu, mit möglichst wenig – neu auszuweisenden Flächen zu beheben.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Da kann ich nur lachen.)

In diesem Sinne ist vorgesehen, dass circa 75 Prozent der Flächen, die wir melden wollen, bereits einen nationalen Schutzstatus haben.

Lassen Sie mich abschließend auf die Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung eingehen. Die Richtlinie selbst sieht kein rechtsförmliches Verfahren für die Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Wie Sie sich erinnern, hatte ich trotzdem, und zwar aus Gründen der Transparenz und Akzeptanz, bereits im Jahre 1999 für eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit gesorgt. Und wenn Sie dieses hier heute in Zweifel ziehen, ist das wirklich der Hohn in Dosen, wenn ich das mal so sagen darf.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Gabriele Schulz, PDS: Da gibt es nichts zu lachen!)

Es gibt kein Bundesland, in dem eine so intensive Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat, und das ist auch im Jahre 2003 so.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Richtig! – Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Ich habe übrigens dazu gerade ein Gespräch mit meinem saarländischen Kollegen Herrn Mörsdorf gehabt, der sich in Mecklenburg-Vorpommern befindet.

(Rudolf Borchert, SPD: CDU-Umweltminister!)

Ich habe ihn gefragt, wie es bei ihm und in den anderen Bundesländern läuft, was die Öffentlichkeitsbeteiligung und auch was die öffentlichen Diskussionen betrifft, und da gibt es große Unterschiede.

(Gabriele Schulz, PDS: In CDU-geführten Ländern, ja?!)

Offensichtlich setzt man dort mehr auf Sachverstand als auf politische Polemik.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

Ich selbst habe am 14. Mai die Landrätekonferenz und am 22. Mai den Landesbauernverband informiert über den Stand unserer Arbeiten. Am 11. Juni hat mein Staatssekretär den Umweltausschuss des Landtages umfänglich über den Stand der Ausweisungen informiert.

(Beifall Gabriele Schulz, PDS – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Wenn Sie diese Terminwahl kritisieren, so muss ich sagen, ging es um Terminabstimmungen zwischen dem Umweltausschuss und uns. Wir mussten ja diesen Termin auch möglich machen können. Die Damen und Herren Abgeordneten haben nach meiner Information intensiv von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich umfassend informieren zu lassen. Falls dieses nicht ausreicht, bin ich gern bereit, das in den Fraktionen weiter zu untersetzen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Gestern hat mein Staatssekretär gemeinsam mit dem Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium die Geschäftsführer der IHK und der Handwerkskammern in Mecklenburg-Vorpommern über den Stand der Vorbereitung informiert. Ich habe inzwischen zahlreiche Einladungen aus Kreisen, Städten, von Verbänden und Unternehmen erhalten und auch angenommen, wenngleich manche Einladung in einem Stil geschrieben war, der eigentlich eher einer Ausladung gleicht. Aber wir wollen ja dazu diskutieren.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist immer so, wie man in den Wald hineinruft.)

Seit Anfang Mai liegen die kompletten Unterlagen meines landesweiten Fachvorschlages, die in der Ressortabteilung dann die Ausgangsbasis dargestellt haben, in den Landkreisen und den Staatlichen Ämtern für Umwelt und Natur vorab zur Einsichtnahme vor. Die Unterlagen enthalten jeweils einen kompletten Kartensatz mit Abgrenzungskarten im Maßstab 1:25.000 sowie die dazugehörigen Kurzcharakteristiken für jedes Gebiet. Diese Unterlagen wurden den Behörden auch in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Die Öffentlichkeit wurde von mir über die Presse über die Möglichkeiten der Einsichtnahme informiert. Die eigentliche formelle Öffentlichkeitsbeteiligung wird im Anschluss an die Ressortabstimmung und die entsprechende Kabinettsbefassung im Juli beginnen. Das ist ein verabredetes Prozedere. Ich sage es noch einmal. Ich denke auch, es gibt die Einsicht, dass eine Landesregierung sich zunächst einmal verständigt, bevor sie etwas in die öffentliche Anhörung gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Dass parallel Prozesse der Abstimmung zwischen Ressorts und anderen laufen, ist genauso selbstverständlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können gewiss sein, dass die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung durch mein Haus sorgfältig geprüft, bewertet und – soweit fachlich möglich – bei der bevorstehenden Nachmeldung berücksichtigt werden. Auch das war 1999 der Fall.

(Udo Timm, CDU: Das ist gelogen! – Angelika Gramkow, PDS: Das ist eine Frechheit!)

Ich weiß nicht, ob das ein parlamentarischer Begriff war, den Sie gewählt haben, Herr Timm, das muss das Präsidium bewerten.

Die EU-Kommission hat unter der Voraussetzung, dass Deutschland zu Beginn des Jahres 2004 eine vollständige Nachmeldung der FFH-Gebiete vornimmt, die Einstellung des Zwangsgeldverfahrens in Aussicht gestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Nachmeldung von FFH-Gebieten durch Mecklenburg-Vorpommern ist eine umfangreiche, arbeitsintensive, anspruchsvolle Aufgabe für die Mitarbeiter in der Umweltverwaltung, für mich als Umweltminister selbstverständlich auch. Sie verlangt von allen Beteiligten Verständnis für das ihr zugrunde liegende Konzept eines europaweiten kohärenten Schutzgebietsnetzes. Dieses Schutzgebietsnetz trägt auch bei zur Erhöhung der Attraktivität Mecklenburg-Vorpommerns für den Tourismus.

Für unser Land hängt viel davon ab, ob es gelingt, diese Aufgabe in vollem Umfang zu erfüllen. In diesem Sinne aufklärend und werbend zu wirken in Ihren Wahlkreisen, darum darf ich Sie sehr herzlich bitten.

Ich darf abschließend noch einmal sagen, dass ich gern bereit bin, Fraktionen, Kommunalvertretungen und andere, die es wünschen, ausführlich zu informieren über Hintergründe, über Vorgehensweise, über die Art der Auswahl. Dass wir fachlich inkompetent und willkürlich ausgewählt haben, ist wirklich eine Legende, die sollten Sie bitte nicht weiter bedienen.