Protocol of the Session on April 10, 2003

Schon die Kompensation stellt seine Umsetzung in Frage. Das hat selbst der Staatssekretär aus dem Ministerium in Berlin verkündet.

Meine Damen und Herren, die jahrzehntelange Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs und die dynamische Entwicklung des Schwerlastverkehrs auf unseren Autobahnen wird eben mit diesem Bundesverkehrswegeplan nicht korrigiert. Und dass wir mit unserem konsequenten Eintreten für eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene nur auf wenig politische Unterstützung in diesem Raum treffen, das haben die Diskussionen gestern gezeigt und sie zeigen es heute auch wieder.

Und trotzdem hat es den Anschein, dass meine Kollegen von der CDU den Antrag über den Sinn der Einführung einer Lkw-Maut nicht so ganz verstanden haben. Gestatten Sie mir, Ihnen zu erklären, dass es dabei eben nicht um die bloße Erschließung neuer Einnahmequellen des Staates zur Haushaltssanierung geht oder eigentlich gehen sollte. Vielmehr soll von dieser Maßnahme auch eine entsprechende verkehrspolitische Lenkungswirkung ausgehen. Das zeigt ein Zitat aus der Bundeskoalitionsvereinbarung zwischen den Grünen und der SPD. Dort heißt es nämlich kurz und bündig: „Die Lkw-Maut werden wir wie beschlossen bis 2003 einführen, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene und Wasserstraße zu verlagern, die Umwelt zu entlasten und Staus zu verhindern.“ Damit ist die Zielrichtung eindeutig beschrieben.

Ich will an dieser Stelle gar nicht darauf eingehen, dass es im Gegensatz zu Ihnen und auch zu einigen Kollegen bei der SPD-Fraktion eine Reihe von Meinungen gibt, dass die Lkw-Maut in der beabsichtigten Höhe nur eine geringe Lenkungswirkung entfalten wird. Ich sage an dieser Stelle, ein Anfang in Richtung Verkehrswende ist mit dieser Maut gemacht und sollte jetzt nicht kleingeredet werden.

Zu kritisieren ist hingegen die Aufteilung dieser Mittel. Sie dienen nämlich wieder nur teilweise dazu, die Bedingungen für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu verbessern. Aber dennoch, schon steht die Opposition in der Tür und beschränkt sich mangels eigener Konzepte wieder einmal auf die Sicherung von Besitzständen und kleidet diese in die Forderung nach einer Harmonisierung für das deutsche Verkehrsgewerbe. Und etwas anderes als Besitzstandssicherung kann ich auch nicht daraus erkennen, wenn man sich so gegen die Maut in dieser Form ausspricht.

Ich möchte Ihnen das vielleicht an einem Beispiel zeigen anhand der Verquickung von CDU-Politikern in die Autolobby, die so klar ist wie eine gerade geputzte Fensterscheibe. Ihnen allen ist der Herr Dr. Horst Telschik ein Begriff. Er ist unter anderem Beauftragter des Vorstandes der BMW-Group und er leitete die Bundesfachkommission Verkehrspolitik des Wirtschaftsrates der CDU. Und vielleicht kennen einige von Ihnen auch den Herrn Dr. Wolfgang Ziebarth, der diese Gruppe inzwischen leitet. Und diese beiden Politiker haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die Stellungnahme der CDU-Kommission über die Mauteinnahmen so lautet: „Die Mauteinnahmen dürfen weder für eine Quersubventionierung anderer Verkehrsträger noch für die Sanierung der allgemeinen Haushalte verwendet werden.“ So weit kann man ja noch mitgehen. Der Meinung sind wir auch, aber jetzt kommt es, wie ich sagte, Autolobby: „Sie müssen dem Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur zugute kommen, um die Wettbewerbsfähigkeit sowohl der verladenden als auch der im Transportsektor agierenden Unternehmen zu erhalten und zu stärken.“ Und da kann ich sagen, das finde

ich zumindest scheinheilig. Also die Maut wollen wir dann, wenn die Ergebnisse davon in den Straßenverkehr gehen, und ansonsten nicht.

(Lorenz Caffier, CDU: Das ist ein unpar- lamentarischer Ausdruck, scheinheilig!)

Damit setzen natürlich die Antragsteller das deutsche Verkehrsgewerbe auch großzügig mit dem Teil der Transporteure gleich, die von den Mautgebühren für schwere Nutzfahrzeuge betroffen sind.

(Harry Glawe, CDU: Sie wollen uns wohl verladen hier, oder was?! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch noch einen Hinweis darauf, dass es einen anderen Teil des deutschen Verkehrsgewerbes gibt, und dieser Teil verspricht sich nämlich von der Einführung der Maut eine erhebliche Verbesserung seiner Lage,

(Harry Glawe, CDU: Was sagt denn Herr Dr. Ebnet dazu?)

genau der Teil nämlich, der Schwerlasttransporte auf der Schiene oder auf dem Wasser bewegt. Und ich denke, wenn wir schon darüber reden, wie sich die Maut auf das Transportgewerbe auswirken wird, dann sollten wir doch differenzieren, von welchem Teil des Verkehrsgewerbes wir reden.

(Lorenz Caffier, CDU: Was sagst du zu dem Redebeitrag?)

Wenn die CDU nun die betroffenen Lkw-Spediteure meint – und nur das macht Sinn –, dann sei auch hier wieder an die gewünschte und notwendige Lenkungswirkung der Maut erinnert.

Meine Damen und Herren, die dringend notwendige Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße weg ist eine strukturpolitische Entscheidung, die man vielfältig begründen kann. Beispielsweise kann man ganz allgemein mit den globalen Klimaveränderungen argumentieren, an denen der Straßenverkehr erheblichen Anteil hat, oder man argumentiert privat damit, dass die großen Trucks der freien Fahrt der freien Bürger durch ihre begrenzte Geschwindigkeit hinderlich sind, oder finanzpolitisch, weil die Folgekosten durch die übermäßige Nutzung der Straßen durch Schwertransporte wesentlich höher ist als durch die Nutzung durch Pkws. Sei es, wie es sei: Die PDS bekennt sich zur Maut als einer notwendigen verkehrs- und strukturpolitischen Entscheidung.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Strukturpolitische Veränderungen gehen natürlich meistens mit schmerzlichen Brüchen einher und die Einführung der Mautgebühr wird einen Teil der Spediteure zusätzlich belasten. Das wissen wir. Aber man darf auch davon ausgehen, dass diese Spediteure genötigt sein werden, diese Mehrbelastungen an ihre Kunden weiterzugeben, was die Preise für den Güterfernverkehr – und davon reden wir, über den Güterfernverkehr – auf der Straße erhöhen wird. Und genau dieser Effekt ist gewollt. Kunden sollen sich nach Beförderungsalternativen umsehen. Auf der Suche nach besseren Verwertungsbedingungen rücken Transporte mit Bahn oder Schiff wieder näher in den Blickpunkt. Was also können wir strukturpolitisch gewinnen, wenn wir den Lkw-Spediteuren über Kompensationsleistungen ermöglichen, die Preise für Dienstleis

tungen stabil zu halten? Ich erinnere dann an das Auto ohne Katalysator.

Meine Damen und Herren, die PDS ist der Auffassung, dass es nicht um eine Kompensation für die betroffenen Spediteure gehen kann, sondern vielmehr darum, dass für alle Betroffenen des deutschen Verkehrsgewerbes alternative Beschäftigungsfelder zu erschließen sind. Wenn die Lenkungswirkung in der Transportstruktur gewollt ist – und, wie gesagt, die PDS will diese Veränderung in der Transportstruktur –, dann gilt es angesichts steigender Verkehrsleistungen, die ja erwartet werden, neben der Einführung von Steuerungsinstrumenten verkehrspolitische Alternativen zu erschließen. So und nur so gesehen kann die Politik dabei behilflich sein, Belastungen, die dem Transportgewerbe entstehen, zu kompensieren. Und in diesem Zusammenhang kann ich es mir dann doch nicht verkneifen, mit dem Bundesverkehrswegeplan und unserer Kritik daran auch hier diesen Beitrag abzuschließen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Vierkant von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, die Deutsche Verkehrspolitik steht vor ihrem bisher größten Glaubwürdigkeitsproblem, so der BGL, der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, beziehungsweise der VSH Hamburg, der Verband Straßen- und Güterverkehr Hamburg.

Mein Kollege Dr. Born hat Ihnen die Intention unseres Antrages dargelegt. Und Frau Schwebs, wenn ich Sie jetzt so richtig verstanden habe,

(Lorenz Caffier, CDU: War schwierig.)

es war schwierig, zum Teil abenteuerlich,

(Beifall Lorenz Caffier, CDU)

das will ich gerne zugeben. Und ich hoffe, Sie kennen noch den Unterschied zwischen Pkw und Lkw und haben nicht nur noch den Blick für die Bahn,

(Regine Lück, PDS: Nun bleiben Sie mal sachlich! Nun bleiben Sie mal sachlich!)

denn das, was hier in einem Durcheinander über Pkwund Lkw-Maut geäußert wurde, war wirklich nahe am Zumutbaren. Es geht uns nicht um die grundsätzliche Verhinderung einer Lkw-Maut – übrigens im Gegensatz zum Konsens von gestern in der Aktuellen Stunde bei der Strelasundquerung, eine ganz andere Konstellation mit ganz anderen Voraussetzungen und Wirkungen –, aber Verordnungen dürfen nicht auf eine solch unverantwortliche wirtschaftsfeindliche Art und Weise gemacht werden, wie die Bundesregierung dies bis zum heutigen Tage versucht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Der Wettbewerbsfaktor Mobilität ist für deutsche Unternehmen jetzt schon sehr, sehr teuer, nicht zuletzt durch die permanente Erhöhung der so genannten Ökosteuer. Ein zusätzlicher Kostendruck in Form einer nicht kompensierten Maut würde unsere Unternehmen weiter schwächen, und das zu einer Zeit, wo uns alle Welt schon am Rande einer Rezession wähnt.

(Angelika Gramkow, PDS: Na, da sind wir aber schon drin!)

Meine Damen und Herren, ich halte die Einführung einer streckenabhängigen Maut für Lkw für richtig. Und auch Überlegungen des Bundes zu einem Entwurf für die Mauthöhenverordnung durch lukrative Angebote für eine mögliche Kopplungsregelung Strecke/Belastungszeit eben zur Entlastung von tageszeit- beziehungsweise saisonbedingten Verstärkungen in staugefährdeten Abschnitten wären meiner Meinung nach sicherlich angeraten. Egal in welcher Modifizierung – die Bundesregierung bleibt in der Verpflichtung, die Maut nur über eine angemessene Harmonisierungslösung für das heimische Transportgewerbe einzuführen. Kommt die Maut nämlich wie vom Bundeskabinett derzeit gewollt, bedeutet das aus meiner Sicht dreierlei, und das sind noch mal die drei zentralen Punkte aus meiner Sicht:

1. Die Annahme des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, in der Preiswirkung könnten die Transportkosten mit circa 1 bis 3 Prozent der Produktionskosten angesetzt werden, ist falsch, da hierbei nur eine Produktionsstufe, also Rohstofftransport, betrachtet wird. Komplexe Produktions- und Lieferstrukturen führen aber zwangsläufig zu deutlich höheren Belastungen der Speditionen von geschätzten 12 bis 18 Prozent. Und diese, das wurde vorhin auch schon erwähnt, müssen, wenn sie nicht selbst getragen werden können, zumindest teilweise an andere weitergereicht werden, und zwar entweder an die Auftraggeber – das wohl kaum, da schlägt sicherlich der Konkurrenzkampf zu – oder – das bleibt dann nur noch – an den Endverbraucher. Und damit würde die Belastung dieser Endverbraucher zu einer Funktion der Arbeitsteiligkeit. Und an der Stelle hatte Frau Schwebs wirklich Recht.

2. Überproportional belastet werden entlegene Regionen abseits von den deutschen Wirtschaftsmetropolen, auch das ist gesagt worden. Benachteiligungen von strukturschwachen Zulieferunternehmen sind systemimmanent.

3. Ein Transportunternehmen mit 100 Lkw macht allein durch Mehraufwendungen für Maut und Verwaltungsmehraufwand circa 2 Millionen Euro Verlust pro Jahr. Das sind etwa 20 Milliarden Euro bei einer Million laufender Lkw in Deutschland.

Jedes aufgegebene Fahrzeug reißt ein Loch von mindestens 70.000 Euro in die Staatskasse durch Steuerausfälle und Sozialleistungen für arbeitslose Fahrer. Den Rest der Hochrechnung überlasse ich Ihnen. Die Dimension, denke ich, ist an dieser Stelle wohl dennoch klar geworden.

Meine Damen und Herren! Die CDU-geführten Länder werden im Bundesrat einer Lösung ohne entsprechenden Ausgleich für das deutsche Transportgewerbe nicht zustimmen und ich wünsche Ihnen, Herr Minister Ebnet, viel Erfolg bei den Verhandlungen mit den Ministerkollegen und dann anschließend mit der Bundesregierung. Ich kann meinerseits nur hoffen, dass sich die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern in gleicher Weise positioniert wie die CDU-geführten Länder im Bundesrat, und wünsche mir, dass Sie im Bundesrat nicht nur die erhobene Hand, sondern Flagge für unser Verkehrsgewerbe zeigen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Vielen Dank, Herr Vierkant.

Ums Wort hat jetzt noch einmal gebeten Herr Dr. Born von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die ganze Zeit gerätselt, warum ausgerechnet der Wirtschaftsminister seiner Fraktion empfohlen hatte, diesen Antrag, der seiner Tätigkeit im Bundesrat nur noch ein bisschen mehr Nachschub vom ganzen Haus verpassen sollte, abzulehnen. Nun, das Rätsel hat sich gelöst, als ich Frau Kollegin Schwebs hier reden hörte. Herr Minister, das kann ich verstehen, da hätte ich auch etwas Probleme nach diesen Äußerungen,

(Heinz Müller, SPD: Da haben wir keine Pro- bleme. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

wenn hier über diesen Antrag so abgestimmt werden müsste, dass eigentlich fast alle zustimmen.

(Angelika Gramkow, PDS: Herr Born, das ist eine glatte Unterstellung.)

Und da es uns nun wirklich um die Sache geht und da es darum geht, Herr Minister, dass Sie mit dem Votum eines ganzen Landtags ausgestattet auch den letzten Kollegen davon überzeugen können, dass die 300 Millionen ein bisschen knapp sind, denn 3,4 Milliarden werden die Einnahmen voraussichtlich betragen, haben wir uns kurz entschlossen überlegt, Ihrer Situation Rechnung zu tragen. Frau Präsidentin, ich betrage deshalb namens der CDU-Fraktion, den Antrag für erledigt zu erklären.

(Angelika Gramkow, PDS: Das geht nicht laut Geschäftsordnung!)

Selbstverständlich geht das.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)