Protocol of the Session on April 10, 2003

(Erwin Sellering, SPD: Das stimmt ja zum Glück alles gar nicht. Das stimmt zum Glück alles gar nicht.)

Das ist leider so. Sie wissen, dass ich davon ein bisschen Ahnung habe und darunter sehr leide wie mancher von uns. Wenn das so leicht wäre, wie Sie das jetzt als Land machen, würde ich das jedem Handwerker empfehlen. Aber Sie kriegen doch am freien Markt nicht das volle Geld der Forderung. Das heißt, Sie verschleudern Forderungen des Landes, nur damit Sie den Haushalt so hinfriemeln können. Wir dürfen das als Kommunen nicht. Da würde die Rechtsaufsichtsbehörde, nämlich die Landräte und bei uns Großen, also bei den kreisfreien Städten der Minister, uns in die Suppe spucken.

(Angelika Gramkow, PDS: Komischerweise waren wir mit Ihren Kollegen einig im Finanzausschuss, Herr Jäger. Ich weiß gar nicht, was Sie reden.)

Ja, jeder von uns wohnt in einer Kommune, das ist richtig. Ich würde mir aber wünschen, wenn es um kommunale Themen geht, dass es auch dann mal endlich eine Phalanx der Kommunalpolitiker gibt, die unsere Interessen als Kommunen vertreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber wir haben ja die Abstimmung erlebt. Wir haben doch erlebt, wie Sie ganz locker 6,9 Millionen Euro weggegeben haben und wie der Innenminister –

(Ute Schildt, SPD: Was, der Antrag wurde doch abgelehnt. Der war doch nicht gedeckt.)

da habe ich keinen Protest von Ihnen gehört – hier gesagt hat, na, das ist doch ganz einfach. Die Infrastrukturpauschale, die wir jetzt so krampfhaft kürzen – das werden Sie ja in 2004, das haben Sie ja beschlossen –, da machen wir mal ein bisschen so etwas und dann bleiben 18 Millionen Euro über. Keiner von Ihnen hat sich zu Wort gemeldet und dem Innenminister erklärt, dass das so, wie er es gesagt hat, gar nicht geht.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Wenn Sie ein bisschen Ahnung von EFRE-Mitteln haben,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja.)

dann wissen Sie, dass die Finanzierung eben nicht als Kofinanzierung geht. Also ist das doch ein Windei und es wird uns Kommunen wieder etwas vorgelogen! Und das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich bedanke mich bei Ihnen für den Zwischenruf, ich wollte darauf gar nicht mehr kommen, weil ich dachte, Sie wissen das längst. Aber das darf man auch, wenn man ehrenamtlich als Kommunalpolitiker tätig ist. Das ist keine Interessenkollision für mich. Das sind die gleichen Bürger, die uns als Landtagsabgeordnete gewählt haben, die haben uns auch als kommunale Vertreter gewählt. Wir sind für die mindestens genauso verantwortlich in den Kommunen, wie wir hier im Landtag für das gesamte Land verantwortlich sind.

Meine Damen und Herren, man könnte eine ganze Menge zu dem sagen, was heute in der Debatte gesagt wurde. Das Schlimmste, was ich eigentlich feststellen muss, ist, dass es so wenig Anwälte für kommunale Selbstverwaltung in diesem Hause offenbar gibt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Wir hätten es in der Hand, Herr Kollege Müller, wenn ich nur so in den Raum gucke, Herr Friese, die wir alle irgendwo in den Kommunen, das ist ja richtig, tätig sind, auch ein Amt haben.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Wir hätten es in der Hand, mal Kommunalfreundlichkeit zu demonstrieren. Sie haben die Chance im Haushalt versäumt und wie ich Ihren Äußerungen, insbesondere des Innenministers, entnommen habe, werden Sie auch diesen Antrag einfach deswegen ablehnen, weil Ihnen der Mut dazu fehlt, sich zu den Kommunen zu bekennen, am eigenen Tisch erst einmal anzufangen, den Gürtel selber enger zu schnallen und den Kommunen etwas abzugeben.

Meine Damen und Herren, mir kann keiner erzählen, dass das ein Gleichmäßigkeitsgrundsatz ist, wenn 28 Prozent den Kommunen früher gehörten. Wenn ich richtig gerechnet habe, blieben dann 72 Prozent beim Land, und wenn jetzt der Topf kleiner wird, dann geben Sie auf einmal nicht mehr 28 Prozent von den wenigeren Mitteln an die Kommunen. Sie behalten mehr, nämlich über 72 Prozent. Und das halten Sie für gleichmäßig? Ich halte das für ungerecht. Ich halte das in hohem Maße für kommunalunfreundlich und Sie beschädigen damit das wirklich aktive Ehrenamt in unserem Lande. Geben Sie sich einfach einen Stoß! Stimmen Sie doch mal einem Antrag zu, von dem Sie eigentlich wissen müssten, dass er in die Richtung geht, dass kommunale Selbstverwaltung erst wieder möglich gemacht wird. Ich hoffe auf Ihre Vernunft. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heinz Müller von der SPD-Fraktion.

(Angelika Peters, SPD: Heinz, klär ihn doch mal auf!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzsituation der Kommunen in unserem Land, und damit meine ich nicht Mecklenburg-Vorpommern, damit meine ich die Bundesrepublik Deutschland, ist außerordentlich schwierig. Es gibt sicherlich Differenzierungen, den einen geht es schlecht, den anderen noch schlechter, aber insgesamt muss man sie als äußerst schwierig, ja, als dramatisch bezeichnen. Und wenn ich mich in Mecklenburg-Vorpommern umschaue, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich einen ungeheuren Respekt habe vor Leuten wie Sebastian Schröder, der als Finanzsenator in Rostock mit einem Haushaltsdefizit von 56 Millionen Euro kämpft, oder Wolfgang Schmülling, der in Schwerin mit einem Haushaltsdefizit von 26 Millionen Euro kämpft. Aber wir dürfen nicht nur an die Großen denken, wir müssen auch an die Mittleren und an die Kleinen denken. Da sind die Zahlen vielleicht nicht so dramatisch, aber die Lage ist es häufig, nicht immer, aber häufig auch.

Zahlen und Statistiken sind in diesem Zusammenhang oft sehr trocken, oft sehr dürftig. Ich will sie uns dennoch nennen. Ich darf zitieren mit Genehmigung der Präsidentin eine Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes vom 24. März 2003. Da haben wir auch etwas aktuellere Zahlen. Sie haben ja beklagt, Herr Rehberg, dass der Finanzbericht der Landesregierung so spät vorliegt. Hier beim Statistischen Landesamt haben wir die aktuelleren Zahlen, ich darf zitieren: „Nach Mitteilung des Statistischen Landesamtes sind die Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2002 gegenüber dem Vorjahr um 34,6 Millionen EUR gestiegen. Dies war vor allem durch höhere Aufwendungen für soziale Leistungen (+ 26,6 Millionen EUR bzw. + 4,4 Prozent) bedingt. Da die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr nur um 1,1 Millionen EUR angestiegen sind, hat sich ein Finanzierungsdefizit von 132,2 Millionen EUR ergeben.“ Ich lasse jetzt einiges aus und nenne nur die Zahl: Das Finanzierungsdefizit im Jahr davor betrug 98,7 Millionen Euro. Das Finanzierungsdefizit ist also um über 30 Millionen Euro gestiegen. So weit die Mitteilung des Statistischen Landesamtes vom 24.03.2003, auf die ich später in anderem Zusammenhang noch zurückkommen möchte.

Ich will es mir ersparen, hier im Detail die Folgen darzustellen, die dies für kommunale Investitionsfähigkeit, aber auch für kommunale Dienstleistungen in den Bereichen Soziales, Jugend, Kultur, Sport und anderswo hat. Ich glaube, das kennen wir und wir alle wissen, wie berechtigt es war, dass kommunale Vertreter gestern hier in Schwerin für ihre Interessen protestiert haben, auf ihre Situation aufmerksam gemacht haben. Und Sie haben ja schon zu Recht erwähnt, Herr Dr. Jäger, dass aus allen drei Fraktionen Mitglieder des Innenausschusses bei dieser Demonstration waren und damit ihre Solidarität mit der Kommunalpolitik bekundet haben.

Ja, meine Damen und Herren, die Kommunalpolitik braucht Hilfe und sie braucht diese Hilfe durchaus in verschiedenen Richtungen. Es wäre also auch aus meiner Sicht völlig verkehrt, wenn man beispielsweise nur an die Einnahmeseite denken würde oder nur an die Ausgabenseite.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und auch die Einnahmeseite ist differenziert, die Ausgabenseite ist es ebenfalls, wenn sich auch auf der Ausgabenseite ein besonderer Schwerpunkt im Sozialbereich abzeichnet.

Die Kommunen brauchen Hilfe. Die CDU legt uns einen Antrag vor und wir stellen uns natürlich die Frage, hilft dieser Antrag den Kommunen oder würde es helfen, diesen Antrag anzunehmen. Nun, Herr Dr. Jäger und Herr Rehberg, meine Damen und Herren von der CDU, manches in Ihrem Antrag, das will ich überhaupt nicht bestreiten, klingt zunächst einmal sehr gut, klingt zunächst einmal sehr vernünftig und, ich mache hier keinen Hehl daraus, manche Ihrer Aussagen und Ihrer Forderungen halte ich für richtig. Aber auf der anderen Seite muss man sehen, dieser Antrag ist absolut plakativ, er ist absolut oberflächlich. Und wir alle haben gesehen, dass man aus diesem Antrag ein Flugblatt gemacht hat, das man auf der Demonstration verteilt hat. Und das, meine Damen und Herren, war ja wohl der Sinn und Zweck der Übung,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee!)

auf dieser Demonstration klar zu machen, wir, die CDU, wir sind die guten Menschen, wir stehen auf eurer Seite und, wartet mal ab, die Roten werden das schon ablehnen, das sind nämlich die Bösen, die haben für Kommunalpolitik nichts übrig.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das wissen die doch längst.)

Das scheint mir doch der Sinn und Zweck dieser Übung gewesen zu sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Und deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns mal ein bisschen genauer hingucken, was in dem Antrag steht. Also „A. Bundesebene“. Ich will nicht auf alle Punkte eingehen. Ich glaube, wenn ich einzelne herausgreife, macht es deutlich, was ich meine. Nehmen wir mal A.2.: „Die nicht abgerufenen Gelder aus dem Fluthilfefonds, rund 2 Mrd. Euro, müssen den Gemeinden unmittelbar für Investitionszwecke zur Verfügung gestellt werden.“

(Karin Strenz, CDU: Ja.)

Klasse! Auf einer Demo von gebeutelten Kommunalpolitikern wird jeder sagen: Das ist Klasse,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist es auch.)

die sind gut die Jungens und Mädels! Jo! Nur, einen entsprechenden Antrag, die gesamten 2 Milliarden Mark den Kommunen zur Verfügung zu stellen,...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Euro!)

... Euro zur Verfügung zu stellen, hat der Innenausschuss des Bundesrates, wo bekanntlich die CDU über eine Mehrheit verfügt, bereits abgelehnt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Guck an!)

Und da frage ich die CDU: Wie ehrlich ist es eigentlich gemeint, dass Sie hier die Landesregierung auffordern, für eine solche Forderung einzutreten?! Dann reden Sie doch bitte schön mal mit Ihren eigenen Parteifreunden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Das können wir gerne tun. Das tun wir auch.)

die als Vertreter der Länder im Innenausschuss des Bundesrates sitzen! Warum haben die das wohl abgelehnt?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Lassen Sie uns das beschließen!)

Sie haben das abgelehnt – und das erwähnen Sie natürlich nicht –, weil diese 2 Milliarden Euro nur zu einem Teil von den Kommunen aufgebracht worden sind und zum Teil von den Ländern. Und die Länder möchten dieses Geld, das sie selbst aufgebracht haben, gern wieder zurückhaben.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)