Protocol of the Session on March 12, 2003

Vielen Dank, Herr Dankert.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU und PDS auf der Drucksache 4/253 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss und

zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und PDS – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 4/254.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und PDS: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landeshochschulgesetz – LHG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 4/254 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie allen Fraktionen bereits bekannt sein dürfte, hat eine verfassungsrechtliche Prüfung des LHG, insbesondere des Paragraphen 5 Absatz 5, ergeben, dass durch die Formulierung „Öffentlichkeit ihres Wirkens“ nicht klargestellt ist oder für die Betroffenen und in der Praxis bei der Rechtsauslegung nicht sichergestellt ist, dass diese Formulierung eindeutigen Interpretationen zugänglich ist. Die beiden Koalitionsfraktionen haben sich daher entschieden, im Vorgriff auf mögliche Probleme in der Praxis eine entsprechende Änderung des LHG an diesem Punkt vorzuschlagen. Alle Beteiligten bei der verfassungsrechtlichen Prüfung waren sich im Übrigen darüber einig, dass inhaltlich an diesem Paragraphen – insbesondere bei diesem Absatz – kein Dissens besteht in der Notwendigkeit einer solchen Regelung, sondern die einzige Streitfrage betraf formale Fragen. Es handelt sich hierbei um eine rein sprachliche Korrektur. Auch eine inhaltliche Debatte erübrigt sich aus unserer Sicht deshalb eigentlich. Da es sich ausschließlich um eine sprachliche Korrektur handelt, die für die Betroffenen Rechtssicherheit schafft bei der Auslegung dieses Gesetzes in der Praxis, bitten die beiden Koalitionsfraktionen um Überweisung dieses Gesetzentwurfes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Vielen Dank, Herr Brodkorb.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Abgeordnete der CDU-Fraktion Frau Lochner-Borst.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf der Koalitionsfraktionen täuscht über das Ausmaß der rechtlichen Problematik des LHG hinweg. Es geht nicht um eine bloße Heilung von handwerklichen Fehlern wie beim Schulgesetz, sondern es geht um nichts Geringeres als um die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, wie sie durch das Grundgesetz geschützt ist.

(Unruhe bei Heike Polzin, SPD)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wussten genauso wie die CDU-Fraktion schon während des Gesetzgebungsprozesses, dass das neue LHG nicht widerspruchslos hingenommen würde. Das beweist der heute vorliegende Antrag. Erstaunlich ist jedoch in meinen Augen, dass der Gesetzentwurf lediglich eine Änderung eines Passuses des Paragraphen 5 Absatz 5 beinhaltet. Sind damit wirklich alle Fehler behoben oder müssen die Hochschulen, die bereits jetzt unter Zeitdruck an der Umsetzung des neuen LHG arbeiten, in Kürze mit weiteren gesetzlichen Änderungen rechnen? Aus Greifswald hört man, dass eine Novellierung des LHG geplant sein soll.

(Karsten Neumann, PDS: Von wem?)

Ich glaube, gerade unter dem Eindruck der Anhörung der Hochschulen im Ausschuss führen Änderungen nur zu Unverständnis und Unruhe. In der momentanen Situation ist das das Letzte, was die Hochschulen brauchen. Anstatt mit Ruhe und Bedacht, mit externer fachlicher und rechtlicher Beratung

(Karsten Neumann, PDS: Ist doch alles passiert!)

alle sprachlichen und systematischen Fehler des Gesetzes zu beheben, wird hier lediglich auf einen einzigen Passus abgestellt.

(Karsten Neumann, PDS: Wir haben Gutachten gemacht, wir haben Ausschusssitzungen gemacht.)

Wir sollten uns die nötige Zeit nehmen und mehr Sorgfalt bei der Gesetzgebung walten lassen.

(Karsten Neumann, PDS: Ist das Arbeits- verweigerung? Ich bin ja schockiert!)

Meine Damen und Herren, in der Politik gibt es viele Anlässe, sich zu wundern. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist für mich ein solcher Anlass.

(Karsten Neumann, PDS: Ja, das war eben einer.)

Es wundert mich, dass die Stellungnahme der Landesregierung im absoluten Widerspruch zu der des Landtages stand. Und es wundert mich auch, dass sich die Koalitionsfraktionen nicht der Landesregierung angeschlossen

(Karsten Neumann, PDS: Ich fasse es nicht!)

und auf Grundlage der Stellungnahme des Justizministeriums eine Verhandlung vor dem Landesverfassungsgericht zugelassen haben.

(Karsten Neumann, PDS: Fragen Sie den Kollegen Born, der kennt das alles! Fragen Sie den Kollegen Born!)

Davon abgesehen, meine Damen und Herren, halten wir den von Ihnen eingeschlagenen Weg nur für bedingt richtig. Auch die nun gewählte Formulierung halten wir nicht für hinreichend. Wir werden deshalb im Bildungsausschuss einen Vorschlag vorlegen, der nicht von der Intention des Gesetzgebers abweicht, aber in der Formulierung auch nicht darüber hinausgeht. Das, was Sie, meine Damen und Herren, im Paragraphen 5 Absatz 5 LHG regeln wollen, ist bereits in unserer Landesverfassung geregelt, nicht mehr und nicht weniger. Diese Formulierung hat vor dem Landesverfassungsgericht Bestand und hier könnten wir uns treffen. Also nehmen Sie sich Zeit für eine gründliche Überarbeitung, machen Sie diese sorgfältig und beschränken wir uns auf das notwen

dige Maß des zu regelnden Gehalts! Wozu haben wir sonst eine Landesverfassung?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Lochner-Borst.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Dr. Bartels.

(Volker Schlotmann, SPD: Der ist jetzt aus Greifswald und er wird uns sagen, ob das mit der Novellierung stimmt.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Kollegin Lochner-Borst, mich zu wundern in der Politik habe ich mir nach neun Jahren – oder im neunten Jahr –, die ich jetzt hier bin, auch noch nicht abgewöhnt. Es wird Ihnen also noch öfter passieren.

Dass die CDU gegen dieses Landeshochschulgesetz war, wissen wir aus der Debatte in der vergangenen Legislaturperiode. Und nun ist es allerdings tatsächlich so, dass sich die Meinungen der Koalitionsfraktionen zu den Grundanliegen und den Grundaussagen dieses Gesetzes nicht geändert haben, auch die der CDU nicht – das verwundert mich auch nicht.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Und Sie werden sich deshalb auch dann, denke ich, doch nicht wundern, dass wir uns jetzt nicht auf eine generelle Überprüfung aller Paragraphen einlassen und das Landeshochschulgesetz insgesamt in Frage stellen. Ich denke mal, das haben Sie auch nicht wirklich erwartet, dass wir das tun.

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Und was mensch so aus Greifswald hört, ist natürlich das, dass wir heute hier eine Novellierung des Landeshochschulgesetzes auf den Weg bringen. Das ist ja so. Und wenn mensch das aus Greifswald hört, dann sind diese Nachrichten ja richtig. Aber ich denke nicht, dass da mehr gemeint sein könnte als das, was wir hier tun.

Lassen Sie mich kurz etwas zur Sache sagen. Und zwar erlaube ich mir einmal wieder, auf meine eigentliche Profession als Sprachwissenschaftler zurückzukommen. Und wenn ein Sprachwissenschaftler die Verfassungsbeschwerde liest, kommt er ins Grübeln, weil in einem großen Teil dieser Verfassungsbeschwerde darüber philosophiert wird, welche Bedeutung sprachliche Einheiten wie die Natur, die Gesellschaft, der Mensch haben. Und wenn dann Juristen sowohl in der Verfassungsbeschwerde als auch in einer Podiumsdiskussion, die ich in einem total überfüllten Greifswalder Hörsaal mit einem der Beschwerdeführer durchgeführt habe – die Überfüllung kam daher, dass mindestens 90 Prozent Jurastudenten drin waren, es war also ein Sprachwissenschaftler und Politiker gegen ungefähr 120 Juristen, das war ganz spannend –, …

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Beifall Frank Ronald Lohse, SPD – Reinhard Dankert, SPD: Aber Sie leben ja noch!)

Ich lebe noch. Sie wissen doch, so leicht bin ich nicht unterzukriegen, Herr Dankert.

… wenn dann Juristen sowohl in einem Beschwerdetext als auch in einer solchen Diskussion behaupten, dass

Juristen Gesetze immer völlig eindeutig formulieren, dann bekomme ich das mittlere Grinsen, muss ich ehrlich sagen und das habe ich dort auch gesagt, weil ich mich dann frage, wozu sind mit so vielen wichtigen Gesetzen mehrere Bände zur Erläuterung notwendig. Die Juristen, die hier im Saal sind, mögen mir verzeihen, aber das halte ich auch als Sprachwissenschaftler für einfach nicht machbar und etwas realitätsfern.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Zur Intention des Absatzes 5 des Paragraphen 5 will ich hier nur eins sagen: Es war beabsichtigt und es ist beabsichtigt, im Gesetz eine Aufforderung an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu formulieren, dass sie über die Folgen ihrer Forschungen nachdenken und sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Es war nicht beabsichtigt, was die Verfassungsbeschwerde unterstellt, und zwar ein Einstieg in eine Reglementierung der Forschung und damit eine Verletzung der Freiheit von Forschung und Lehre. Das zeigt sich auch daran, dass an keiner Stelle im Gesetz eine Sanktion im Zusammenhang mit Paragraph 5 Absatz 5 vorgesehen ist. An keiner Stelle! Und das ist von der Intention her, denke ich, eindeutig.

Frau Lochner-Borst, Sie haben, glaube ich, an den Diskussionen, die der Rechtsausschuss geführt hat, an denen zum Teil auch die Bildungspolitiker der Fraktionen teilgenommen haben, nicht teilgenommen. Sie wissen aber, dass es da intensive Diskussionen gegeben hat und dass es eine, sage ich mal, Beratung durch Professor von Mutius gegeben hat. Es wurde in diesen wie auch in anderen Diskussionen für mich deutlich, dass die Formulierung des Absatzes 5 des Paragraphen 5 missverständlich ist. Und wir sind deshalb den Weg gegangen – Herr Brodkorb hat es gesagt – zu sagen, wenn wir einen solchen Fehler durch eine missverständliche Formulierung an einer Stelle entdecken, die ablenken kann von den wesentlichen Zielen des Landeshochschulgesetzes, dann sollten wir das auch korrigieren,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

und zwar ehe ein Urteil gesprochen wird,