Protocol of the Session on March 12, 2003

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade am letzten Beispiel, der Krankenhauslandschaft, lässt sich gut veranschaulichen, warum sich Solidarität letztendlich rechnet. Solidarität rechnet sich, das kann man hin und her wenden,

(Harry Glawe, CDU: Genau.)

für den einen und für den anderen. Wer ist im Blick, ist die Frage. Im Blick sind die Versicherten und die Patien

tinnen und Patienten. Und für diese soll es sich doch rechnen. Es mag dem einen und anderen Krankenhaus, um im Bilde zu bleiben, ja betriebswirtschaftlich gut gehen, so ist damit aber noch gar nicht geklärt, ob es denn volkswirtschaftlich gut läuft. Und volkswirtschaftlich gesehen kann man es drehen und wenden, wie man will. Da bleibe ich bei dem, was Frau Gramkow gesagt hat: Nur Solidarität rechnet sich. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Koplin.

Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete der SPD-Fraktion Frau Dr. Margret Seemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesundheitspolitik in Mecklenburg-Vorpommern – „Solidarität rechnet sich“, das heißt auch, Solidarität zwischen den Geschlechtern im Gesundheitsbereich rechnet sich.

Schon vor fast zehn Jahren wurden alle Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation in der Europäischen Union aufgefordert, eine Kontaktperson für Frauen und Gesundheit zu benennen, denn der Gesundheit von Frauen muss ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Dringlichkeit zugemessen werden,

(Beifall Torsten Koplin, PDS: So ist es.)

erklärte die WHO-Versammlung 1992. Dabei geht die WHO von einem modernen Gesundheitsbegriff aus: Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Damit wird deutlich – und das zeigt auch der Frauengesundheitsbericht der Bundesregierung von 2001 –, dass die Förderung, der Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit nicht nur ein Thema der Gesundheitspolitik ist, sondern im Sinne des modernen WHO-Konzeptes zur Gesundheit

(Dr. Armin Jäger, CDU: Vorlesestunde.)

auch ein Thema der Gleichstellung und Sozialpolitik sein muss. Frau Ministerin, Gleichstellungspolitik hatten Sie vorhin vergessen in Ihrer Aufzählung.

Sie erinnern sich sicherlich, meine Damen und Herren, dass meine Vorgängerin Frau Staszak dieses oft angesprochen hat

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die hat aber frei gesprochen.)

und sich Fragen gefallen lassen musste wie: Was hat Gesundheit mit Geschlecht zu tun?

(Harry Glawe, CDU: Wir haben unsere Frauenministerin.)

Die Erste Frauengesundheitskonferenz in Mecklenburg-Vorpommern hat 1998 stattgefunden, und seitdem ist dieses Thema ein Schwerpunkt der Frauen- und Gleichstellungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern. Und nun auf einmal – unter dem Aspekt des Kostendruckes – wird dieses Thema stärker relevant, denn „Solidarität im Gesundheitsbereich rechnet sich“ heißt, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern müssen berücksichtigt werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Beate Mahr, SPD)

Die Kosten steigen, aber mehr Geld steht nicht zur Verfügung. Die Mittel müssen also effizienter eingesetzt werden, um dem einzelnen Menschen gerecht zu werden.

Die Unterschiede bei Männern und Frauen im Gesundheitsbereich sind inzwischen unbestritten. So zum Beispiel galt bis vor kurzem der Herzinfarkt als Männerkrankheit. Die Folge ist, dass Herzuntersuchungen bei Frauen zu spät durchgeführt werden. Frauen sterben häufiger nach einem Herzinfarkt als Männer.

Wichtige Kostenfaktoren sind zum Beispiel im Gesundheitsbereich die Verabreichung von Hormonpräparaten. Diese nahmen in den letzten 20 Jahren stark zu. Untersuchungen belegen, dass Hormone auch auf den Verlauf der Erkrankung von Patienten mit Multiple Sklerose positiven Einfluss nehmen. Grundsätzlich müssen dabei natürlich die unterschiedlichen Wirkungen von Hormonen auf Männer und Frauen berücksichtigt werden.

Ein besonders markantes Beispiel ist die Mammographie. Unbestritten ist natürlich die Bedeutung der Früherkennung für Heilungs- und Überlebenschancen. Internationale Studien zeigen, dass mit Einführung der Mammographie als Reihenuntersuchung die Sterblichkeitsrate zwischen 20 und 30 Prozent von Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren gesenkt werden konnte. In Deutschland kommt es zunächst darauf an, die Qualität der Mammographien zu sichern, denn nicht die Quantität ist entscheidend, sondern die Qualität, um falsche Befunde zu minimieren. Deshalb ist insbesondere zu begrüßen, dass die Bundesregierung ab diesem Jahr ein flächendeckendes Mammographie-Screening nach den europäischen Leitlinien einführt. Damit soll das so genannte graue, nicht qualitätsgesicherte Screening beendet werden. Das graue Screening mit seinen vielen falsch-positiven Befunden verursacht erhebliche psychische Belastungen für etliche Frauen und auch unnötige Kosten.

Auch bei Essstörungen, insbesondere bei der Magersucht, sind 95 Prozent der Betroffenen Mädchen und Frauen. Diese Erkrankung hat seit den 70er Jahren stark zugenommen und steigt weiter. Hier ist es wichtig, diese Krankheit als Krankheit anzuerkennen. Notwendigerweise muss die Präventionsarbeit verstärkt werden, um unter anderem kostenintensive Folgeerscheinungen sowie Organschädigungen zu verhindern. Durch Aufklärung und Information könnten diese Symptome frühzeitig erkannt und gewaltige Kosten gespart werden. Niederschwellige Beratungs- und Therapieangebote sind dabei unentbehrlich.

Ähnliches wäre für die Medikamentenabhängigkeit insbesondere bei Frauen anzuführen. Medikamente, die Schmerzen, negative Stimmungen, Unruhe und Ängste beeinflussen, sind frauenspezifische Suchtmittel. Frauen greifen zu schnell zu Medikamenten. Insgesamt nehmen sie zweimal häufiger als Männer ärztlich verschriebene oder in Apotheken selbst erworbene Beruhigungs- und Schlafmittel, Antidepressiva und Schmerzmittel sowie Medikamente zur Gewichtsreduktion ein. Diese Medikamente helfen Frauen nur scheinbar bei vielerlei Belastungen und Beschwerden. Dabei ist die Dunkelziffer des Medikamentenmissbrauchs sehr groß. Schätzungen gehen davon aus, dass circa zwei Millionen Frauen und Männer medikamentensüchtig sind. Das führt häufig zu chronischen Beschwerden und wiederum zu mehr Kosten. Daher sind frauenspezifische Angebote zur

Prävention und Behandlung von Medikamentenabhängigkeit dringend erforderlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kosten im Gesundheitsbereich steigen, aber die verfügbaren finanziellen Mittel werden nicht mehr. Es kommt also darauf an, das vorhandene Geld so einzusetzen, dass es den Individuen gerechter wird. Das heißt auch, dass die zukünftige Gesundheitspolitik dem Verhalten von Männern gerechter wird. 80 Prozent der HIV-Infizierten und 90 Prozent der Aidskranken in Deutschland sind Männer. Männer begehen viermal so häufig Selbstmord wie Frauen. Männer tendieren bei gesundheitlichen Problemen zur Verdrängung und Vermeidung, sie nehmen die Warnsignale ihres Körpers nicht wahr und nur jeder zehnte Mann nutzt den von der Krankenkasse gezahlten freien Check-up ab 38. Die Gesundheitsversorgung und die Solidargemeinschaft können also nur gewinnen, wenn die Strategie des Gender-Mainstreaming auch im Gesundheitsbereich umgesetzt wird,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

wenn Männer und Frauen mit ihren unterschiedlichen Stärken und Schwächen wahrgenommen werden

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und diese auch bei der Gesundheitsversorgung sowie bei der Prävention beachtet werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Ihre Bemerkungen machen deutlich, dass Sie wahrscheinlich mit dem Begriff „Gender-Mainstreaming“ noch nichts anfangen können.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Lesen Sie nicht vor, sondern sprechen Sie frei! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Gesundheitsfürsorge und Vorsorgeuntersuchungen müssen so angeboten werden, dass Männer und Frauen diese annehmen können und bereit sind, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Gleichzeitig müssen effiziente niedrigschwellige Beratungs- und Betreuungsangebote, die Ursachen für Krankheiten abbauen helfen, angeboten werden. Solidarität rechnet sich, heißt also auch, dass Gesundheit zu einem Thema in der Gleichstellungs- und Sozialpolitik werden muss.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Beate Mahr, SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Moderne Gesundheitspolitik braucht eine solide Gesundheitsberichterstattung und solide Informationen als Basis für strategische Entscheidungen. Der Geschlechtervergleich muss deshalb systematisch verfolgt werden, dann rechnet sich Solidarität. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Ich schließe die Aussprache. Die beschlossene Redezeit ist beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesbelegungsbindungsgesetzes und des Gesetzes über die Funktionalreform, auf Drucksache 4/252.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesbelegungsbindungsgesetzes und des Gesetzes über die Funktionalreform (Erste Lesung) – Drucksache 4/252 –

Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Bau, Arbeit und Landesentwicklung Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leisten jetzt eine Arbeit, die mit der Änderung des Wohnungsbaurechtes durch den Bundestag zu tun hat. Das Wohnungsbaurecht wurde novelliert und logischerweise muss das Landesgesetz diesem Bundesrecht angepasst werden. Aus diesem Grunde hat die Landesregierung Ihnen einen Entwurf zur Änderung eines Gesetzes vorgelegt mit der Bitte, dieser Änderung zuzustimmen. Das Gesetz ist gut und hilfreich, sein Name schwierig, vielleicht auch unaussprechbar: Es heißt Landesbelegungsbindungsgesetz.

Ich will Ihnen die Änderungen trotzdem kurz begründen. Es geht im Kern darum, bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Haushalte zu sichern, und zwar langfristig. Folgende Zahlen, um die Dimension zu verdeutlichen: 120.000 Wohnungen in Mecklenburg-Vorpommern sind belegungsgebunden. Im Gesetz wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen belegungsgebundene Wohnungen vermietet werden können. Dreh- und Angelpunkt ist der allseits bekannte Wohnberechtigungsschein. Der wird von den Kommunen ausgestellt – das ist bekannt –, wenn das Einkommen des Antragstellers eine bestimmte Einkommensgrenze nicht übersteigt. Das Gesetz regelt

erstens, wann nicht vermietet werden darf oder muss,

zweitens, welche Zweckentfremdung und baulichen Veränderungen erlaubt und verboten sind,

drittens, welche Mitteilungs- und Unterrichtspflichten der Vermieter hat,

und viertens, wie sich das Vorkaufsrecht des Mieters bei der Umwandlung von Mietwohnungen und Eigentumswohnungen gestaltet.

Das bleibt alles, wie es war.

Änderungen gibt es bei den Vorschriften zur Ermittlung des Einkommens und die freien und Abzugsbeträge werden angehoben. Außerdem wurden die Einkommensgrenzen erhöht, und zwar wie folgt: Für einen 1-PersonenHaushalt liegt sie statt bei bisher 15.288 Euro jetzt bei 15.600 Euro und für Ehepaare oder Lebensgemeinschaften anstatt bei 22.200 nun bei 23.400 Euro. Für jede weitere Person kommen noch einmal 5.330 Euro hinzu. Das sind 13 Euro mehr als in der bisher gültigen Regelung. Auf die Kommunen kommen dadurch keine neuen Aufgaben hinzu. Lediglich das Verfahren zur Erteilung des Wohnberechtigungsscheines wird etwas anders ablaufen als bisher. Neue öffentliche Standards oder Verpflichtungen im Sinne des Konnexitätsprinzips gibt es nicht. Für die zuständigen Stellen gilt es ganz einfach, die neuen Einkommensgrenzen zu berücksichtigen und die Einkommen anhand der novellierten Ermittlungsvorschriften zu berechnen.

Abschließend eine kurze Bemerkung zum Funktionalreformgesetz. Auch hier ist eine Änderung notwendig. Dieses Gesetz ist aber von der Novelle nur marginal betrof