Protocol of the Session on March 12, 2003

bei dieser Demo teilzunehmen, wenn Sie keine anderen Themen haben, dann tun Sie mir echt Leid! Dann sollten wir doch mal beleuchten, was überhaupt Solidarität ist. Solidarität ist, wenn Sie ins Lexikon schauen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Gemeinsinn, und wenn Sie weiterlesen, ist es aber auch eine gegenseitige Unterstützung. Das muss man hier mal betonen,

(Regine Lück, PDS: Und das sagen Sie Ihren Parteifreunden!)

eine gegenseitige Unterstützung und keine einseitige. Und wenn hier jemand behauptet, ganz konkret Ihre Partei, dass es in diesem Parlament Parteien gibt, die das Solidarprinzip in Frage stellen wollen, dann kann ich nur sagen, das ist falsch. Das ist eine Falschaussage, anders möchte ich das jetzt nicht bezeichnen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Eine bodenlose Unverschämtheit ist das!)

Wir haben es beim letzten Mal gesagt und ich habe auch noch einmal den Satz aus meiner letzten Rede mitgebracht. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Wir sind auch in Zukunft für ein solidarisch organisiertes Gesundheitswesen, das heißt, sozial Schwache, chronisch Kranke und Schutzklauseln für Kinder müssen gewahrt bleiben. Davon werden wir auch nicht abrücken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und auch beim letzten Mal habe ich es gesagt, die Lage ist eigentlich schon viel zu ernst, um hier Schaukämpfe oder Populismus zu verbreiten. Deswegen ringen Sie lieber mit uns um Lösungen! Zum Thema Solidarität muss man auch auf alle Fälle sagen – das ist mir bei den Vorrednern nicht so deutlich zum Tragen gekommen –, dass es eine Verantwortung des Einzelnen in diesem System gibt.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Das sollte man nicht verkennen. Und da muss die Frage gestellt werden, sie darf nicht nur gestattet sein, sondern sie muss gestellt werden: Wer gibt jemandem das Recht, Solidarität ohne Eigenverantwortung einzufordern? Aus

meiner Sicht können das nur Ausnahmen sein. Das habe ich vorhin angesprochen und anders kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Solidarität beinhaltet nämlich die Pflicht jedes Einzelnen, seinen Beitrag zu leisten und nicht nur Forderungen zu stellen. Und da gilt für uns der Grundsatz, Solidarität darf keine Einbahnstraße sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ziel der Gesundheitspolitik muss eine hochwertige Versorgung aller Menschen sein, ohne Ansehen des Alters und der finanziellen Leistungsfähigkeit. Notwendige medizinische Leistungen und Spitzenmedizin, das ist der Unterschied vielleicht zu anderen, was wir jetzt formulieren, müssen auch über Selbstbeteiligung allen zugänglich sein. Und für uns, sage ich noch einmal ganz deutlich, gilt der Grundsatz: Was medizinisch notwendig ist, muss auch der Patient tatsächlich erhalten. Und dafür brauchen wir eben eine Kombination von Freiheit, Selbstbestimmung, mehr Vorsorge, Transparenz und Wettbewerb, um das Gesundheitswesen in eine bessere Wirtschaftlichkeit zu bringen und die finanziellen Probleme zu lösen.

(Reinhard Dankert, SPD: Also zurück zu 50/50 oder was?!)

Wir müssen hier in Mecklenburg-Vorpommern und in Deutschland aus diesem Teufelskreis endlich herauskommen, damit wir, Herr Heydorn hat das angesprochen, die steigenden Lohnnebenkosten bei wachsender Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Und da haben wir eindeutig die Zielstellung, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu drücken, um das System in Gang zu bekommen, nämlich über die Einnahmeseite. Man soll nicht verkennen, dass ein sozialer Staat an seine Grenzen stoßen wird, wenn wir die Wirtschaft schwach machen. Und deswegen kann ich nur vom letzten Mal wiederholen: Grundlage einer Sozialpolitik ist eine starke Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und da dürfen wir auch hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht einfach so tun, als wenn wir irgendwo auf einer Insel sind. Wir müssen den Prozess der Globalisierung zur Kenntnis nehmen und das wird nicht ausreichen, sondern wir müssen ihn als Chance begreifen. Ansonsten werden wir immer die Verlierer sein.

Lassen Sie mich zum Abschluss ein Zitat zum Thema beziehungsweise eine Stellungnahme von dem von mir geachteten Professor Dr. Norbert Klusen als Mitglied der Technikerkrankenkasse verlesen. Aus meiner Sicht trifft er hier genau den Punkt. Er führt aus: „Gerade wer den Wert der Solidarität erhalten will, muss bereit sein zur Veränderung. Wenn wir aus Angst vor dem Umdenken zurückweichen, werden alle Beteiligten im Gesundheitswesen zu den Verlierern zählen, allen voran die Patienten. Wer die Dinge noch länger treiben lässt, wer blockiert oder die Menschen in falscher Sicherheit wiegt, mag die Sicherung der Solidarität im Munde führen, in Wahrheit trägt er dazu bei, sie zu zerstören.“

Diese Aussage sollten alle – ich betone, alle – gut analysieren. Es hilft uns nicht, einen Sozialneid hier zu schüren und Grabenkämpfe aufzumachen, zum Beispiel zwischen Arm und Reich, denn es muss gehandelt werden. Aber ein Solidaritätsargument, um den Status quo hier zu erhalten, lehnen wir ab. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Renz.

Das Wort hat der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, geschürt wurde nicht. Wir haben eine hitzige Debatte, und das aus gutem Grunde. Die Aktualität wird bestätigt durch jeden einzelnen Redebeitrag. Lassen Sie mich vielleicht eins an den Beginn der Rede stellen, wo ich meine, da sind wir einer Meinung. Es wäre höchst unvernünftig, wenn man mit Salzsäure gurgeln würde, um eine lästige Mandelentzündung zu behandeln. Warum sage ich das? Das sage ich, weil ich meine, Heilmittel dürfen nicht verheerender sein als das auszumerzende Übel. Und ebenso widersinnig wäre es, wenn die anstehenden Veränderungen im Gesundheitswesen – und sie lösen ja die hitzige Debatte aus – den Leim auflösen, der die Gesellschaft auf diesem Gebiet zusammenhält. Und wenn ich vom Leim spreche, dann spreche ich eigentlich von der Solidarität.

Sie haben völlig Recht, Herr Renz, wenn Sie sagen, Solidarität ist gegenseitige Hilfe, Gesundheit und Solidarität. Also gegenseitige Hilfe sind zwei Seiten einer Medaille. Ich würde Ihnen so gern glauben, nur eins passt aus meiner Sicht nicht zusammen, nämlich wenn Herr Seehofer sagt, Zahnersatz, liebe Leute, bezahlt mal alle zukünftig selber. Und Sie sagen wiederum, wir stehen als CDU für Solidarität. Da stimmt etwas nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

Und auch zu Herrn Heydorn, den ich als Kollegen sehr, sehr schätze, meine ich, Herr Heydorn, Sie haben Frau Gramkow leider nicht vollständig zugehört. Letztendlich sage ich, wir haben gesundheitspolitisch weniger ein Problem. Wir haben ein Problem mit dem Menschenbild, mit der Frage: Einer trage des anderen Last oder ist sich jeder selbst der Nächste? Eine Antwort auf diese Frage erwarte ich schon am kommenden Freitag vom Bundeskanzler, aber ich möchte nicht immer nur mit dem Finger von Schwerin aus nach Berlin zum Bundeskanzler zeigen. Ich denke, wir sind hier gefordert – Frau Ministerin Linke hat sehr viel dazu gesagt –, auch Antworten zu geben, darüber, was wir selber machen können.

(Beifall Karsten Neumann, PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Da stehen wir vor Megaherausforderungen und beim Durchdenken dieser Herausforderungen bin ich auf zehn gekommen. Aufgrund der begrenzten Zeit, die mir leider nur zur Verfügung steht, möchte ich nur drei anreißen:

1. Die Herausforderung durch den demographischen Trend

Wir müssen einer rasanten Zunahme von geriatrischen Erkrankungen und pflegeintensiven Behandlungen entgegensehen. Und ich sehe uns mit Blick darauf noch ungenügend vorbereitet. Wir müssen zum Beispiel die Geriatrie und das gerontopsychiatrische Netzwerk im Land stärken, denn hier geht es um die Solidarität der Jüngeren mit den Älteren.

(Harry Glawe, CDU: Fragen Sie mal in Neubrandenburg nach!)

2. Die Herausforderung durch den Trend der Zunahme der sozialen Ungleichheit

Herr Renz, es gilt, die Augen nicht davor zu verschließen, dass es soziale Ungleichheit gibt. Und ein Punkt, um im Land die Krankenkassen stark zu machen, wäre das Vorziehen des Morbiditätsfaktors im Risikostrukturausgleich. Herr Dr. Nieszery hat darüber gesprochen. Ich möchte da mal einfügen, ich bin sehr dankbar und auch sehr stolz auf unseren Ministerpräsidenten, dass er bundesweit deutlich gemacht hat, wie wichtig der Risikostrukturausgleich für alle Länder ist, und sich dahin gehend Anerkennung verschafft hat.

(Harry Glawe, CDU: Da fragen Sie mal die Ersatzkassen, wie die das sehen!)

Was ich mir wünsche, ist, den für 2007 konzipierten Risikostrukturausgleich mit Morbiditätsfaktor, also den Faktor der Krankheitsentwicklung in den einzelnen Ländern vorzuziehen auf das Jahr 2004. Das ist möglich und kostet nicht mehr Geld. Es würden aber vor allen Dingen sozial schwache Länder, in denen eben entsprechende Morbidität zu erkennen ist, daran partizipieren.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

3. Die Herausforderung durch den ökonomischen Trend

Der Sozialausschuss, Herr Glawe, hat darauf Bezug genommen, hat eine Anhörungsreihe dazu durchgeführt und wird sie am 26. März fortsetzen. Und eins, Herr Glawe,

(Harry Glawe, CDU: Ja?)

ich kenne Sie sonst gar nicht so, heute haben Sie den Pfad der Seriosität etwas verlassen.

(Harry Glawe, CDU: Nanu!)

Wir haben im Sozialausschuss einhellig festgestellt, dass die Krankenhäuser Luft brauchen, dass sie Zeit brauchen, mit den veränderten Bedingungen klarzukommen.

(Harry Glawe, CDU: Sie brauchen einen optimalen Krankenhausplan.)

Und es war zumindest unwidersprochen gesagt worden …

(Harry Glawe, CDU: Der läuft am 31.12.2003 aus, Herr Koplin!)

Ist doch klar, dass er 2003 ausläuft! Dazu kann man sich aber politisch entscheiden, wenn man sagt, wir wollen die Krankenhauslandschaft erhalten und stärken und nicht durcheinander bringen.

(Harry Glawe, CDU: Wer bringt denn hier was durcheinander?!)

Dann sagen wir doch auch, wir machen nicht formale Termine, sondern wir machen politisch sinnvolle Termine.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade am letzten Beispiel, der Krankenhauslandschaft, lässt sich gut veranschaulichen, warum sich Solidarität letztendlich rechnet. Solidarität rechnet sich, das kann man hin und her wenden,