Protocol of the Session on June 27, 2002

Das löst nicht die Probleme, das ist Geldvernichtung.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

Im dritten Punkt Ihres Forderungskatalogs, meine Damen und Herren, hören Sie bitte zu, beschreiben Sie sehr treffend die weiteren Defizite der Bundesanstalt. „Die Reform muss die örtlichen Arbeitsämter stärken, für mehr Effizienz und Transparenz sorgen sowie Mitarbeiter und Kunden von unnötiger Bürokratie befreien.“ Das ist wohl wahr! Frau Borchardt sagte, wer davon schon mal betroffen war,

(Barbara Borchardt, PDS: Waren Sie schon mal betroffen?)

der wird mitbekommen haben, wie viel Bürokratie dahinter steckt. Ich will nur ein Beispiel nennen, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass Betroffene, obwohl sie eine vertragliche Regelung haben mit ihrem Arbeitgeber und dem Arbeitsamt, dass sie in den Rentenvorruhestand gehen werden, trotzdem aufgefordert werden, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, in der sie vermittelt bekommen, wie man sich bewirbt. Das sind Dinge, die rein bürokratisch ablaufen. Das hat nichts mit Kundenfreundlichkeit zu tun.

(Barbara Borchardt, PDS: Das hat einfach was mit Überlastung zu tun. Das können Sie sich nicht vorstellen.)

Das sind Beispiele, die deutlich machen, wo hier die Defizite liegen.

Meine Damen und Herren, an der Stelle möchte ich auch noch das unterstreichen, was Frau Borchardt gesagt hat in Bezug auf die Mitarbeiter. Es sind nicht die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, die hier versagt haben, es sind die Strukturen, es sind die Rahmenbedin

gungen, unter denen diese Mitarbeiter arbeiten müssen. Natürlich können die Mitarbeiter nur so flexibel sein, wie das die Rahmenbedingungen zulassen. Und insofern geht es um eine Veränderung der Strukturen innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit und nicht um die Kritik an den Mitarbeitern. Die ist da völlig fehl am Platze, da gebe ich Ihnen völlig Recht, liebe Kollegin Borchardt.

Meine Damen und Herren, die Menschen wollen raus aus der Arbeitslosigkeit und nicht Dauerkunde beim Arbeitsamt bleiben. Das ist vielleicht der Unterschied, wenn man von Kundenbeziehungen in der Wirtschaft und vom Arbeitsamt spricht. Aber hier müssen die Arbeitsämter wirklich noch neue Kundenbeziehungen erlernen, denn wir hoffen mal, dass mit dem Profiling und anderen Maßnahmen

(Barbara Borchardt, PDS: Waren Sie schon mal in so einem Profiling-Center?)

hier wirklich auch individuell auf die Betroffenen zugegangen und nicht mit pauschalen Rezepten gearbeitet wird.

Meine Damen und Herren, in Punkt 4 Ihrer Forderungen beziehen Sie sich auf die Stärken der Interessen der Bundesländer. Diese Forderung ist getragen von der Sorge, dass die anstehende Reform auch die Organisationsstruktur der Bundesanstalt für Arbeit verändern wird. Ich gebe Ihnen Recht, liebe Kollegin Borchardt, dass die Länder hier natürlich nach wie vor ein wichtiges Mitspracherecht bekommen müssen. Es ist auch eine Frage der regionalen Arbeitsmarktpolitik vor Ort und im Zusammenhang mit dem Punkt 5, Stärkung der Selbstverwaltung, müssen wir Formen finden, die es ermöglichen, dass auch die Landesregierung hier ein Wort mitreden kann.

Die Selbstverwaltung in der Form, wie wir sie kennen, hat allerdings komplett versagt.

(Barbara Borchardt, PDS: Die Selbstverwaltung hat nicht versagt.)

Und damit komme ich noch mal zurück auf den Anfang meiner Ausführungen. Meine Damen und Herren, die Selbstverwaltung hat die Defizite schon lange erkannt und nie wirklich etwas dazu gesagt und diese Probleme aufgedeckt.

(Barbara Borchardt, PDS: Der Ansatz, der Markt wird alles regeln, der hat versagt.)

Deshalb, sage ich, muss es neue Formen geben. Die Selbstverwaltung, so, wie wir sie kennen gelernt haben, hat ihre Berechtigung verloren und hat gezeigt, dass sie die Bundesanstalt für Arbeit nicht von innen heraus reformieren konnte, nicht modernisieren konnte. Ich sage Ihnen, wir müssen die Stärkung der Akteure fördern, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und der öffentlichen Hand in diesen Gremien, die dann zu finden sind. Und wir müssen das Kartell des Schweigens und Wegsehens brechen.

Ich komme zu Punkt 6 Ihrer Forderungen an die Landesregierung und damit an die Bundesregierung, meine Damen und Herren, Qualitätssicherung der privaten Arbeitsvermittler. Der Run auf die Gutscheine für die privaten Arbeitsvermittler ist im Großen und Ganzen ausgeblieben –

(Barbara Borchardt, PDS: Und warum? – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Frag ihn doch nicht solche Sachen!)

das wissen Sie – und die eingelösten Gutscheine in Mecklenburg-Vorpommern können Sie an einer Hand abzählen. Es fehlen also tatsächlich Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber der Rahmen, der mir heute zur Verfügung steht, würde nicht reichen, um auf die Wirtschaftspolitik dieses Landes einzugehen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Dann könnte man vielleicht auch einige Gründe erkennen.

Natürlich – jetzt komme ich zurück auf Ihre Forderungen – muss es irgendeine Messlatte geben für die privaten Jobvermittler. Das ist ein sensibles Thema, denn es geht hier nicht um Maschinen, die vermittelt werden sollen, sondern um Menschen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach nee!)

Zu dem unabdingbaren Qualitätsstandard gehört für mich zum Beispiel ein ordentlicher finanzieller Leumund. Das schließt zum Beispiel jeden mit einer eidesstattlichen Versicherung, einem Insolvenzverfahren oder mit Konkursstraftaten aus dem Gewerbe aus. Das ist selbstverständlich und das muss geregelt werden. Zudem sollte der private Vermittler eine berufliche Qualifikation nachweisen oder zumindest, ich sage mal, Lehrgänge absolvieren. Hier wird es sicherlich in absehbarer Zeit Regelungen durch die Verbände geben, aber auch von der Regierung.

(Barbara Borchardt, PDS: Aber auch das hätten Sie alles vor 1998 regeln können.)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und ziehe ein Fazit: Eine Reform der Arbeitsverwaltung zielt auf die organisatorische Verschlankung der Bundesanstalt für Arbeit und eine Konzentration der Arbeitsverwaltung auf die Vermittlung von Jobs als Kernaufgabe. Eine umgestaltete Bundesanstalt wird dann nur noch die Aufgabe haben, wesentliche geschäftspolitische Ziele zu formulieren und eine bundesweite Kontrolle sicherzustellen. Effiziente und verkleinerte Strukturen müssen auch künftig in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen die Koordination der regionalen Arbeitsmarktpolitik übernehmen. Die örtlichen Arbeitsämter sollen über den Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und des Personals entscheiden. Der Gesetzgeber ist für den gesetzlichen Rahmen allein zuständig. Daneben darf es keine Richtlinien, Weisungen und Durchführungserlasse mehr geben dürfen. Kernaufgabe der Bundesanstalt muss also sein, Menschen, die ihren Job verlieren, möglichst rasch in eine neue Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Albrecht, gestatten Sie eine Anfrage der Fraktionsvorsitzenden Frau Gramkow?

Bitte sehr.

Bitte, Frau Gramkow.

Herr Albrecht, Sie nannten das Engagement der Landesregierung und der Fraktionen von SPD und PDS für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor eine Geldverschwendungsmaschine.

(Wolfgang Riemann, CDU: 5.000 haben Sie versprochen, nicht mal 1.000 sind es geworden.)

Ich frage Sie: Sind Sie für die tarifgerechte Ausgestaltung und mit Qualifizierungsmaßnahmen verbundenen 1.000 Stellen Jugend- und Schulsozialarbeiter, die die Landesregierung aufgelegt hat?

Liebe Frau Gramkow, ich bin dafür, dass Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und ich bin natürlich auch dafür, dass Schulsozialarbeit geleistet wird. Aber wenn ich mir die Zahlen bei diesem Thema angucke, was die Qualität der geleisteten Arbeit betrifft –

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

das sind Ihre eigenen Zahlen, dass Sie stolz darauf sind, dass Sie bislang ganze 70 Prozent umgeschult haben –,

(Peter Ritter, PDS: Nun beleidigen Sie mal nicht die Jugend- und Schulsozialarbeiter!)

dann wissen Sie, wo die Defizite liegen, meine Damen und Herren.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Was wissen Sie von Jugend- und Schulsozialarbeitern?!)

Ja, fragen Sie einfach mal in den Jugendämtern nach,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Peter Ritter, PDS: Fragen Sie mal in Demmin nach, wie es da läuft!)

was die teilweise – teilweise, betone ich – von Schulsozialarbeit halten!

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist eine Unverschämtheit, Herr Albrecht!)

Das ist wichtig, wenn es richtig gemacht wird – keine Frage!

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Margret Seemann, SPD: Was Sie hier erzählen, entbehrt jeder Sachkenntnis. – Glocke der Vizepräsidentin)

Frau Präsidentin, ich hätte gerne eine Nachfrage.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zusatzfrage?