(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wohl wahr!)
Wer diese Zeitung regelmäßig kauft und liest, ist diesen Stil gewohnt. Und warum sollen sich Fraktionen nicht auch an diese Leser, die Bürger von Mecklenburg-Vorpommern sind, wenden? Denn es war eine Zeitung, die nur in unserem Verwaltungsgebiet verkauft wird.
Rechtliche Gründe sehe ich nicht, die dagegen sprechen. Über Stil und Inhalt der Anzeigen könnte man trotzdem kritische Anmerkungen machen. Aber es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, das zu tun. Das ist eine Sache, die wir untereinander diskutieren müssen.
Auf die Frage, ob die umstrittenen Anzeigen unter Parteiarbeit oder unter Fraktionsarbeit zu verbuchen sind, gilt für mich und meine Fraktion eine klare Antwort: Das ist eine zulässige Form der Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen unseres Landtages.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nichts Außergewöhnliches, dass ein Bereich der Exekutive und das Parlament unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wie sie ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und Befugnisse wahrzunehmen haben. Solche Differenzen werden dann in der Regel in Gesprächen geklärt. Wenn das nicht möglich ist, sieht unsere Verfassungsordnung bestimmte Verfahren vor, wie die Differenzen zwischen Exekutive und Parlament über deren Befugnisse aufgelöst werden. Man lässt nämlich das Verfassungsgericht entscheiden, was rechtens ist und was nicht. Mir ist nicht bekannt, dass die Staatsanwaltschaft das Gespräch gesucht hat, um die Frage zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen des Landtages auf diese Art und Weise zu klären.
Hier versucht die Staatsanwaltschaft mit dem Mittel des Strafrechts die Arbeit der Volksvertreter zu bewerten und würde somit faktisch die Möglichkeit erhalten, über die Kontrolle der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen die Arbeit des Parlamentes zu beeinflussen. Die Abgeordneten des Landtages sind frei und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das ist das Leitbild eines Volksvertreters, dem alle staatlichen Gewalten verpflichtet sind. Hier schwingt sich eine Exekutivbehörde auf und maßt sich an zu entscheiden, wie Abgeordnete in diesem Landtag in den Fraktionen abstimmen dürfen und wie nicht.
Mit der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft sagt dieser Landtag mit seiner Entschließung: Das ist unzulässig. Das ist nicht Sache der Staatsanwaltschaft.
Es geht nicht darum, dass das Verhalten von Abgeordneten und Fraktionen nicht kritisiert werden darf. Aber wir
als Landtag haben als Gesetzgeber einen Rahmen für die Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen gesetzt. Wenn es hier zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den staatlichen Gewalten bei der Grenzziehung zwischen Parteiarbeit und Fraktionsarbeit kommt, dann ist – ich wiederhole mich hier noch einmal – das Landesverfassungsgericht und nicht die Staatsanwaltschaft zuständig. Für eine parlamentarische Demokratie sind die Einhaltung der gesetzlich geregelten Spielregeln von Bedeutung. Kritik ist notwendig und erlaubt, auch zwischen den Gewalten. Sie ist aber zu klären auf dem Wege, den unsere Verfassung vorzeichnet und der die Autorität der Gewalten nicht beschädigt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde vieles, was der Vorredner gesagt hat, wiederholen. Aber in Situationen wie der jetzigen und vielleicht gegenüber fast Tauben kann man immer wieder dasselbe nicht oft genug wiederholen.
Unter dem letzten Tagesordnungspunkt haben wir in zwei Fällen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen 16 Mitglieder der SPD-Fraktion und die Anklageerhebung gegen zwei weitere Mitglieder der SPD-Fraktion nicht genehmigt. Der Landtag insgesamt hat sich damit zugunsten dieser Landtagsabgeordneten auf die Immunität gestützt. Dies kommt selten vor. In der Regel genehmigt der Landtag Ermittlungen und Anklageerhebungen. Die Immunität soll die Arbeit der Staatsanwaltschaften nicht behindern. Auch Abgeordnete können sich strafbar machen, wie jeder andere Bürger, und sie müssen dann auch, wie jeder andere Bürger, zur Verantwortung gezogen werden. Daran besteht kein Zweifel.
In beiden vorliegenden Fällen handelt es sich jedoch nicht um Vorwürfe, die auch jeden anderen treffen könnten, wie etwa um Verkehrsdelikte, Unterhaltsdelikte oder Wirtschaftsdelikte. Hier handelt es sich vielmehr um Vorwürfe, die nur Abgeordnete treffen können, um Vorwürfe, die sich auf ihre Arbeit als Parlamentarier beziehen. Es geht um die Frage, ob öffentliche Gelder, die den Fraktionen zufließen, zweckwidrig verwandt worden sind. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Fraktionsgelder seien vorsätzlich veruntreut worden, indem damit Parteiarbeit gemacht worden sei.
Die Arbeitskosten der Parlamente, der Fraktionen und der Abgeordneten können nicht durch Mitgliedsbeiträge abgedeckt werden und es soll auch nicht durch zu hohen Einsatz von Spenden eine Abhängigkeit von Spendern entstehen. Deshalb erhalten die Parlamente und Fraktionen Mittel vom Staat für ihre Arbeit. Mit diesem Geld dürfen die Fraktionen die Öffentlichkeit informieren und gegebenenfalls auch mit den Fraktionen anderer Parlamente zusammenarbeiten. Die Fraktionen dürfen dieses Geld nicht benutzen, um damit Parteiaufgaben zu erledigen.
Die Grundfrage, die es zu klären gilt, besteht darin, wann Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen eine unzulässi
ge Verwendung für Parteiaufgaben darstellt. Dies richtet sich in erster Linie nach Parlamentsrecht. Der Vorwurf und die weiter zu untersuchenden Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gehen dahin, oben genannte Mitglieder der SPDFraktion hätten Fraktionsmittel unzulässig für Parteiarbeit eingesetzt. Dies sei durch eine Zeitungsanzeige geschehen, die von den oben erwähnten Fraktionsmitgliedern der SPD beschlossen worden sei.
Unsere beiden Beschlüsse, die wir im letzten Tagesordnungspunkt gefasst haben, hatten einen Vorlauf: Das Ansinnen der Staatsanwaltschaft wurde dem Landtag in zwei sehr knapp gehaltenen Schreiben übermittelt. Der Text reichte dem zuständigen Rechtsausschuss nicht aus. Die Staatsanwaltschaft soll derartige Anträge plausibel darlegen. Weil das nicht geschehen ist, hatte der Rechtsausschuss weiteren Klärungsbedarf. Für ein schriftliches Verfahren war die Zeit zu kurz, weil der Landtag unverzüglich entscheiden soll. Telefonische Erörterungen wären uns sicher als ein Versuch der Einflussnahme ausgelegt worden. Deswegen hat der Rechtsausschuss einen kurzen und offiziellen Weg gewählt und wollte die Staatsanwälte einladen. Da jedoch für diese vom Justizminister die erforderliche Aussagegenehmigung nicht in Aussicht gestellt wurde, ist dies unterblieben.
Zur Rechtsausschusssitzung konnten deshalb nur der Justizminister und der Generalstaatsanwalt eingeladen werden. Anderthalb Tage vor dieser Sitzung teilte der Justizminister jedoch mit, dass es auch ihnen versagt sei, „Einzelheiten aus den entsprechenden Verfahren darzulegen und zu erläutern“. In dieser Sitzung kam es dann auch nicht zu einem Gespräch, in dem die Anträge der Staatsanwaltschaft hätten nachgebessert werden können.
Es bleibt das Geheimnis des Justizministers, warum er selbst schweigt und den Beamten der ihm nachgeordneten Behörde, genannt Staatsanwaltschaft, keine Aussagegenehmigung erteilt. Dabei wird offensichtlich übersehen, dass dem Landtag nicht nur ein Ja oder Nein zu den Anträgen zu Gebote steht, sondern, über eine reine Plausibilitätsprüfung hinaus, auch das Recht, die Vorwürfe auf ihre juristische Schlüssigkeit zu überprüfen. Man wird überlegen müssen, ob die Regierung – hier in Gestalt des Justizministers mit der ihm nachgeordneten Behörde – als Verfassungsorgan ihren Pflichten gegenüber dem Landtag als einem anderen Verfassungsorgan nachgekommen ist. Dem Landtag jedenfalls blieb also nichts anderes übrig, als den Immunitätsriegel vor die Anklageerhebung und weitere Ermittlungen zu schieben.
Der Landtag und die in ihm vertretenden Fraktionen wollen aber auch in der Sache selbst Stellung nehmen und haben deshalb den Beschluss auf Drucksache 3/2935 eingebracht. Nach Auffassung des Landtages und der in ihm vertretenden Fraktionen – wie wir das eben schon von der SPD-Fraktion gehört haben – wird nach den dem Landtag zugegangenen Schreiben besonders das Parlamentsrecht unzureichend berücksichtigt. Was bedeutet das?
Die Bürger in Europa haben im Laufe der Geschichte gegen den Obrigkeitsstaat den Parlamentarismus und das Parlamentsrecht erkämpft. Wir stehen in der Tradition dieser Entwicklung in Europa. Von England her, dem Mutterland des Parlamentarismus, haben die Parlamente fünf klassische Funktionen, wie etwa die Gesetzgebungsfunktion – die bekannteste – und die Kontrollfunktion gegen
über der Regierung. Die hier interessierende Funktion, die auch die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, nannten und nennen die Engländer „expressive function“, auf Deutsch übersetzt, die Artikulationsfunktion.
In den Parlamenten sollen die Landesprobleme, die Interessen der Bürger, die politischen Auffassungen der Abgeordneten, der Fraktionen und der Parteien zum Ausdruck gebracht werden. Ich sage bewusst, der Parteien, denn die Wählerinnen und Wähler entsenden in die Parlamente Abgeordnete selten ohne Parteizugehörigkeit, in aller Regel mit Parteizugehörigkeit. Die Bürger entscheiden darüber, in welcher Stärke die Parteien in den Parlamenten vertreten sind. Als Parlamentarier sind die Gewählten je nach Parteizugehörigkeit in Fraktionen organisiert. In den letzten 150 Jahren haben sich die Parlamente zu Fraktionsparlamenten entwickelt. Die klassischen Parlamentsfunktionen werden zum Teil von den Fraktionen wahrgenommen. Auch sie sind deshalb durch diese klassischen Funktionen definiert. Dementsprechend sind auch die Fraktionen mit ihren Rechten und Pflichten im Abgeordnetengesetz besonders geregelt. Dies gilt auch, wie oben und von meinem Herrn Vorredner schon erwähnt, für ihre Öffentlichkeitsarbeit.
Die Fraktionen haben jährlich einen Rechenschaftsbericht über die Herkunft und Verwendung ihrer Geld- und Sachleistungen aus dem Landeshaushalt vorzulegen. Darin ist auch der Ausgabenposten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit enthalten. An der Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit kann also überhaupt kein Zweifel bestehen. Die Frage kann also nur lauten: Wann werden dadurch Parteiaufgaben wahrgenommen? Es geht also um die Trennung der Öffentlichkeitsarbeit der Parteien von der Öffentlichkeitsarbeit der ihnen zuzuordnenden Fraktionen.
Nun eine Wiederholung dessen, was mein Vorredner schon gesagt hat, noch mal mit meinen Worten: Nachdem oben schon angesprochen wurde, dass die Wählerinnen und Wähler bei Wahlen Abgeordnete fast ausschließlich mit Parteizugehörigkeit und auch nach Parteizugehörigkeit in den Landtag entsenden, sind diese auch in den Parlamenten in den Fraktionszusammenschlüssen deutlich wiederzuerkennen. Ein Blick auf die einzelnen Abgeordneten mag dies noch konkretisieren. Dort sitzen selbstverständlich die jeweiligen Parteivorsitzenden, hier im Landtag Herr Ringstorff als SPD-Vorsitzender, Herr Rehberg CDU und Herr Ritter als PDS-Vorsitzender. In anderen Landtagen ist es nicht anders. Im Bundestag sind und waren es zum Beispiel Herr Westerwelle, Herr Gysi, Frau Roth, Frau Dr. Merkel, Herr Lafontaine und jetzt an seiner Stelle der Bundeskanzler Schröder. Hier im Landtag sitzen, wie überall, weitere Mitglieder der Landesvorstände der hier vertretenen Parteien, Kreisvorsitzende und Ortsvorsitzende sowie weitere Mitglieder aus den Gliederungen der Parteien. Sie sind in den Landtag gewählt worden, um dort als Einzelne und gemeinsam in ihren jeweiligen Fraktionen die Politik zu betreiben, für die sie gewählt worden sind.
Diese Personenidentität in den Parteien und Fraktionen macht deutlich, dass nach unserer Verfassung beide, die Parteien und die nach Parteizugehörigkeit organisierten Fraktionen, aufs Engste miteinander verbunden sind. Dies ist nach den Verfassungen von Bund und Ländern und nach den Wahlgesetzen so gewollt. Dem steht nicht entgegen, dass Parteien und Fraktionen zum Teil unterschiedliche Aufgaben haben, nur zum Teil, und dass sie
gesonderte Kassen führen und führen sollen. Sie erhalten beide öffentliche Mittel – die Parteien besonders für Wahlen und Wahlkämpfe in Form von Wahlkampfkostenerstattung und die Parlamente und Fraktionen für ihre Parlamentsarbeit. Diese Mittel müssen jeweils nach den speziellen Aufgaben der Empfänger zweckgebunden verwandt werden. Die Trennung der Mittelverwendung ist nicht schwierig beim Erwerb von Sachmitteln wie Computern, Fotokopiergeräten oder bei der Anmietung von Räumen und so weiter. Ebenso lässt sich die Trennung bei den Angestellten und der Herkunft ihrer Entgelte transparent machen.
Eine derartig klare Trennung wie bei Sach- und Personalausgaben ist jedoch bei politischen Äußerungen in der Öffentlichkeit kaum möglich. Wer sich als Abgeordneter in einer Versammlung in seinem Wahlkreis äußert, tut dies als Abgeordneter, als Fraktionsmitglied und auch als Parteimitglied. Das lässt sich nicht trennen. Sie können von unserem Fraktionsvorsitzenden Herrn Rehberg ebenso wie von den anderen Parteivorsitzenden nicht erwarten, dass er je nach Funktion mal eine Fraktionskappe, mal eine Parteikappe und mal die Kappe eines einfachen Fraktionsmitgliedes trägt. Es lässt sich nicht vermeiden, dass er bei seinen Äußerungen manchmal alle drei Kappen übereinander tragen müsste. Nicht zu Unrecht sagt man, dass Gesetze und Landtagsbeschlüsse geronnene Politik seien, und zwar geronnene Politik, die im Wahlkampf von den Parteien zugesagt worden ist.
Diese Fakten, die sich aus den Vorschriften der Verfassung und der Wahlgesetze zwingend so ergeben, machen schlagartig deutlich, dass sich daraus wahnsinnige Schwierigkeiten ergeben müssen, die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und die Öffentlichkeitsarbeit der dazugehörigen Fraktionen voneinander zu trennen und unterscheidbar zu machen. Für die Wählerinnen und Wähler muss die Kontinuität einer Politik, die sie mit einer Partei und ihren Abgeordneten gewählt hat, auch in der Parlamentsarbeit sichtbar werden. Dazu gehört die Öffentlichkeitsarbeit sowohl der Parteien als auch der Fraktionen. Deshalb hat auch das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, in dem es um die Abgrenzung der Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen und den sie tragenden Parteien ging, erklärt, dass nicht auszuschließen ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung auch den jeweils mit ihr verbundenen Parteien zugute kommt. Das Öffentlichkeitsgebot und das Transparenzgebot, die für jede Politik gelten und ganz besonders für die Parlamente und ihre Fraktionen, lassen sich nur durch Öffentlichkeitsarbeit erfüllen. Deshalb ist auch die expressive function, also die Artikulationsfunktion, eine Aufgabe der Parlamente, die schon frühzeitig in der Parlamentsgeschichte betont worden ist.
Diese klassische Artikulationsfunktion wird mit verschiedenen Mitteln erfüllt. Die über unmittelbare politische Äußerungen – worüber ich bisher gesprochen habe – hinausgehende Öffentlichkeitsarbeit umfasst Pressegespräche, Druckschriften, Flugblätter, Versammlungen, öffentliche Aufrufe und auch Zeitungsannoncen und so weiter. Auch für diese Mittel der Öffentlichkeitsarbeit gilt die Schwierigkeit der oben dargestellten Abgrenzung.
Obwohl sich also die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und die der ihnen zugeordneten Fraktionen vielfach überschneiden müssen, gibt es auch Bereiche, in denen sich aus der zum Teil auch unterschiedlichen Aufgabenstellung Abgrenzungsmöglichkeiten ergeben. Den Parteien
steht es in erster Linie zu, über Legislaturperioden hinaus die Parteiorganisation zu entwickeln, die Parteistrukturen zu organisieren und zu finanzieren und längerfristige Parteiprogramme zu erarbeiten. Diese Aufgaben haben die Fraktionen nicht.
Außerdem treten die Parteien mit ihren Kandidaten zu den jeweiligen Wahlen an und organisieren und betreiben den Wahlkampf. Hierfür werden ihnen auch Kosten erstattet. Das bedeutet, dass auch die Wahlkampffinanzierung nicht Aufgabe der Fraktionen ist. Sie sollen sich also in dieser Zeit mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht aktiv in die Parteiarbeit einschalten und deshalb auch ihre Etats für Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfzeiten nicht besonders ausweiten, um Wahlwerbung zu betreiben. Dabei darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass natürlich auch in dieser Zeit die Fraktionen noch bestehen, bis nach der Wahl ein neuer Landtag zusammentritt. Sie dürfen sich also mit ihrer Arbeit auch in dieser Zeit zu Wort melden. Klar ist jedoch, dass in der Vorwahlzeit und im eigentlichen Wahlkampf die Landtags- und Fraktionsarbeit stark in den Hintergrund tritt.
Das bedeutet, dass es also einerseits typische Aufgabenstellungen für die Parteien und typische Aufgabenstellungen für die Fraktionen gibt und dass es andererseits besonders in der Öffentlichkeitsarbeit Bereiche gibt, in denen sie sich zwingend überschneiden. Nach diesem Grobmuster ist dann detaillierter von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die für diese Öffentlichkeitsarbeit ausgegebenen Mittel zweckentsprechend oder zweckwidrig ausgegeben worden sind. Wo sich die Öffentlichkeitsarbeit zwingend überschneidet, wird in erster Linie der Absender, das heißt die Urheberschaft entscheiden. In zweiter Linie wird es bei der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen darauf ankommen, dass sie einen Bezug zur Arbeit in den Landtagen und in den Fraktionen hat. Dabei sind die Aufgaben der Fraktionen – je nachdem, ob sie zu den so genannten Regierungsfraktionen oder zu den Oppositionsfraktionen zählen – unterschiedlich, wie es auch im Abgeordnetengesetz ausdrücklich hervorgehoben wird. Die Arbeit in den Oppositionsfraktionen ist auch darauf gerichtet, Alternativen zur Regierungspolitik zu entwerfen, wie es im Abgeordnetengesetz steht, also auch programmatisch zu arbeiten, und dies natürlich auch in der Öffentlichkeit publik zu machen. Überschneidungen liegen auf der Hand. Außerdem ist im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland in Bund und Ländern den Oppositionsfraktionen in erster Linie die Regierungskontrolle zugewachsen. Wegen ihrer besonderen Situation erhalten sie an öffentlichen Mitteln auch einen extra Oppositionsbonus.
Dies sind nur einige, wenn auch besonders wichtige Gesichtspunkte, nach denen sich die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien und Fraktionen trennen lässt und nach denen sich die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen richten muss.
Grundsätzlich muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass die Fraktionen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit sich in der Informations- und Mediengesellschaft mit ihren Äußerungen zu Wort melden und auch behaupten müssen. Das gilt nicht nur etwa für Darstellungen im Internet, sondern auch für die Darstellung in allen anderen Medien. Die Öffentlichkeitsarbeit darf auch nicht nur langweiligen und buchhalterischen Charakter haben. Sie muss in der Massenmediengesellschaft auch ansprechend sein und so dargeboten werden, dass sie auch Aufmerksamkeit
erregt. Der politische Diskurs und der Dialog mit den Wählerinnen und Wählern kann nur gelingen, wenn er sich aller Medien angemessen bedient. Vor diesem Hintergrund sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu beurteilen.
Wie sieht es nun mit dem Antrag aus gegen die Herren Dankert und Schlotmann, um wegen der vorsätzlichen Veruntreuung von Fraktionsgeldern die Immunität aufzuheben? Wie ich oben bereits erläutert habe, ist die Artikulationsfunktion und damit die Öffentlichkeitsarbeit eine Grundfunktion von Parlamenten und Fraktionen. Über die Personenidentität und die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten habe ich schon gesprochen.
Neben der Personenidentität ist – wie auch schon erörtert – die gleichgerichtete politische Zielsetzung von großer Bedeutung. Sie kommt mit der Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck und die Arbeit der Fraktionen kommt damit auch meist der entsprechenden Partei zugute. Andererseits kann die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion der Partei auch schaden. Wir haben alle genügend Beispiele dafür. Da die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme auch im Hinblick auf Parteien abgeben, erwarten sie auch, dass die entsprechende Parteiauffassung im Parlament zu Gesetzen und Beschlüssen gerinnt.
Sieht man zunächst vom Inhalt ab, ist das Hauptkriterium, wonach Partei- und Fraktionsarbeit in einer Broschüre, einem Faltblatt oder einer Zeitungsanzeige zu unterscheiden sind, der jeweilige Absender. Das heißt, eine Anzeige, die den Parteivorsitzenden oder den Parteivorstand als Absender ausweist, darf nicht aus Fraktionsmitteln bezahlt werden. Im vorliegenden Fall war jedoch die Anzeige, entsprechend dem Beschluss der Fraktion, deutlich als Anzeige der SPD-Fraktion gekennzeichnet. Der Bezug zur Landtags- und Fraktionsarbeit war auch gegeben, weil diese Anzeige eine Antwort auf eine CDUAnzeige war, die sich aus einem Streit über einen Landtagsbeschluss ergab. Bei Anzeigen der CDU, bei denen ich mich etwas besser auskenne, waren die deutlichen Bezüge Landtagsdebatten und -beschlüsse, etwa zum Transrapid, zu Bundeswehrstandorten, zur Abwanderung und so weiter.
Wenn also diese Kriterien der Urheberschaft und des Bezuges zur Fraktionsarbeit erfüllt sind und dennoch von der Staatsanwaltschaft angenommen wird, es habe sich dabei um Parteiarbeit gehandelt, muss sie sich mit dem Inhalt auseinander setzen. Wie oben dargelegt, ist die inhaltliche Trennung der Öffentlichkeitsarbeit am ehesten dort möglich, wo unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Abgrenzungsproblematik ist von der Staatsanwaltschaft nicht einmal gesehen, geschweige denn behandelt worden.