Protocol of the Session on May 29, 2002

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bau, Arbeit und Landesentwicklung zu dem Beschluss des Landtages vom 15. November 2001 zum Antrag der Fraktionen von SPD und PDS – Drucksache 3/2396 – Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land – Drucksache 3/2921 –

Antrag der Fraktion der CDU: Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land – Drucksache 3/2908 –

Bevor der Abgeordnete Herr Baunach das Wort zur Berichterstattung erhält, appelliere ich an alle Abgeordneten, die zur Debatte sprechen oder auch nicht, bei diesem gewiss nicht leichten Thema die Würde des Hauses zu wahren. Ich werde Verletzungen der Geschäftsordnung sofort ahnden.

Jetzt hat das Wort zur Berichterstattung der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Bau und Landesentwicklung, der Abgeordnete Baunach. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In etwas ruhigerer Art, meine Damen und Herren, das wichtige und schwierige Thema der Bevölkerungsentwicklung wird zurzeit emotional und parteipolitisch kontrovers diskutiert. Klar ist wohl, in MecklenburgVorpommern werden in Zukunft weniger Menschen leben. Hierin stellt unser Bundesland keinesfalls einen Sonderfall dar. Wie in nahezu allen deutschen Bundesländern und übrigens auch weltweit in allen Industrieländern werden die niedrigen Geburtenraten in den nächsten Jahrzehnten zu einem Rückgang der Bevölkerungszahl führen. Hinzu kommt der Wegzug vieler junger, flexibler und leistungsfähiger Menschen. Dies verschärft den allgemeinen Bevölkerungsrückgang.

Der Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung hat gemeinsam mit dem Innenausschuss, Rechtsausschuss, Finanzausschuss, Wirtschaftsausschuss, Landwirtschaftsausschuss, Bildungsausschuss, Sozialausschuss sowie dem Tourismusausschuss die Problematik beraten. Hierzu haben die Ausschüsse Experten aus allen Fachbereichen angehört, deren wesentlichen Ergebnisse in der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung Berücksichtigung gefunden haben.

Ich möchte Sie nunmehr kurz über Einzelheiten des Beratungsverfahrens im federführenden Ausschuss für

Bau, Arbeit und Landesentwicklung informieren. Der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS „Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land“ auf Drucksache 3/2396 ist in der 72. Landtagssitzung am 15. November 2001 beraten und angenommen worden. Die Landtagsausschüsse waren nun gefordert, sich mit dem Gegenstand des Landtagsbeschlusses zur genannten Drucksache zu befassen und Empfehlungen zu geben.

Der Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung hat als Federführer das Thema in sechs, ich wiederhole, in sechs Ausschusssitzungen beraten. Zusätzlich hat der Ausschuss ein öffentliches Expertengespräch sowie eine öffentliche Anhörung durchgeführt. In die vielstündige öffentliche Anhörung, die am 18. April 2002 stattgefunden hat, sind Themen aus allen Ausschussbereichen eingeflossen. Die mitberatenden Ausschüsse hatten Vorschläge für den Sachverständigen- und Fragenkatalog unterbreitet. Aus der Schlussberatung im Ausschuss möchte ich Ihnen kurz Auffassungen darlegen:

Die Fraktion der CDU hat begrüßt, dass sich die parlamentarischen Gremien des Landes mit dem Problem der Abwanderung junger Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen. Jedoch sei dieses Thema mit den bislang erfolgten Beratungen nicht erledigt. Die Landesregierung, der Landtag und alle gesellschaftlich relevanten Kräfte blieben auch in den nächsten Jahren gefordert, gemeinsam nach Wegen zu suchen, den Trend zur Abwanderung nicht nur zu stoppen, sondern möglichst umzukehren. Es ist von den Kollegen der Opposition die gewählte Methode bemängelt worden. Sie kritisierten, dass in zahlreichen, annähernd parallel laufenden Gremiensitzungen das alle Politikbereiche betreffende Thema der Abwanderung aus MecklenburgVorpommern angegangen wurde. Zugleich sei die Einsetzung einer Enquetekommission des Landtages „Bevölkerungsentwicklung und Perspektiven zum Leben, Arbeiten und Wohnen in Mecklenburg-Vorpommern“ sofort nach Beginn der vierten Legislaturperiode einzufordern. Die Fraktion der CDU hat angeregt, die Landesregierung aufzufordern, sich bei den übrigen Bundesländern sowie beim Bund für einen gesamtdeutschen Abwanderungsgipfel einzusetzen, der sich der Abwanderungsproblematik annehme und Lösungsvorschläge erarbeite. Im Land und im Bund müsse eine durchgreifende Reform der arbeitsmarktpolitischen Regelwerke und Instrumentarien sowie der sozialen Sicherungssysteme erfolgen.

Die Koalitionsfraktionen von SPD und PDS hatten ausgeführt, dass der von Ihnen vorgelegte Beschlussvorschlag nicht nur auf Erkenntnissen aus den Ausschussanhörungen basiere. Erkenntnisse, Erfahrungen und Anregungen sowohl aus der parlamentarischen Debatte wie auch aus der außerparlamentarischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskussion seien Grundlage für ihre Meinungsbildung gewesen. Der Beschlussvorschlag würde Leitsätze für einen Rahmen enthalten, in dem sich das Land weiterentwickeln könne. Die Koalitionsfraktionen hatten moniert, dass bei der ernsthaften Suche nach Problemlösungen die sachlichen Debatten nicht in Verfahrensstreitigkeiten untergehen sollten.

Meine Damen und Herren, wie Sie der umfangreichen Beschlussempfehlung entnehmen können, haben die beauftragten Ausschüsse ihre Arbeit erfüllt. Es sind Ergebnisse, Schlussfolgerungen und Empfehlungen vor

gelegt worden, mit denen den Herausforderungen der Bevölkerungsentwicklung begegnet werden kann.

Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass nahezu alle Bundesländer unter diesem Problem leiden, natürlich insbesondere die neuen Bundesländer. Hierbei spielt die farbliche Strukturierung der Landesregierung keine Rolle. Ich hoffe, dass wir parteiübergreifend Lösungen aufzeigen und handeln werden, um unseren Bürgern und unserem Land, unserem schönen Land eine erfolgreiche Zukunft zu sichern. In der nun anschließenden Aussprache erwarte ich ähnlich wie der Herr Präsident von Ihnen, wenn es mir gestattet ist zu sagen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von SPD, CDU und PDS, keine Polemik, sondern eine gemeinsame Suche nach weiteren Möglichkeiten für die Entschärfung der Entwicklung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Bewahren wir einen klaren Blick für die Problemlage unseres Landes! Lassen Sie uns gemeinsam diesen klaren Blick nicht durch parteipolitische und ideologische Scheuklappen sowie bevorstehende Terminlagen – ich nenne sie mal so – verloren gehen!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Ausschussberatungen und Anhörungen wurde nach meiner Beobachtung sachlich und lösungsorientiert gearbeitet. Dafür danke ich ausdrücklich allen Kolleginnen und Kollegen. Meine Hoffnung ist, dass sich dies in der folgenden Aussprache fortsetzt. Aber es kann natürlich der Ausschussvorsitzende auch nicht darauf verzichten, Dank zu sagen. Und ich möchte Dank sagen besonders meinem, unserem federführenden Ausschuss, unserem Ausschusssekretariat, Frau Rust und Herrn Hohensee. Es war einiges an Papier zu gestalten und zu bewegen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich natürlich auch danken für Ihre Aufmerksamkeit und ich wäre sehr erfreut, wenn meine Appelle nicht ganz vergeblich waren. – Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Baunach.

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2908 erhält der Fraktionsvorsitzende der CDU Herr Rehberg. Bitte schön, Herr Rehberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es mag sich der eine oder andere fragen, warum wir es heute mit zwei verschiedenen Anträgen zur selben Problematik zu tun haben.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist doch ganz übersichtlich. Das braucht man sich doch nicht zu fragen.)

Es mag auch Leute gegeben haben, die davon ausgegangen sind, bei diesem Thema mit einer umfassenden Umarmungsstrategie quer über alle Parteien und Fraktionen quasi bis zum 22. September die Luft zu nehmen, es

also am besten aus der öffentlichen Debatte herauszuhalten. Ich kann Ihnen hier nur sagen, mit dieser Taktik werden Sie Schiffbruch erleiden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Haben Sie wie- der Pappkameraden aufgebaut, Herr Rehberg?)

Meine Damen und Herren, es ist an sich eine Binsenweisheit, die im privaten Leben im Allgemeinen und in der Politik im Besonderen gilt, ob es einem nun passt oder nicht: Probleme werden nicht dadurch aus der Welt geschafft, indem man sie nicht zur Kenntnis nimmt, sondern indem man sie erkennt, analysiert und am Ende sachgerechte Maßnahmen konzipiert und dann auch durchführt. Wenn ich mir dann Ihren Antrag anschaue beziehungsweise die Beschlussempfehlung, versuche ich einen roten Faden zu finden, und dann stelle ich fest, und es gibt sogar einen Namen dafür, und der lautet Selbstgefälligkeit, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Nicht ein Wort der Selbstkritik! Nicht ein einziges Wort zu der Tatsache, dass sich die Politik in unserem Lande bislang nicht in ausreichendem Maße mit der demographischen Entwicklung beschäftigt hat.

(Barbara Borchardt, PDS: Da gibt es so viele Analysen.)

Da wird dann gesagt, dass diese Entwicklung ja mit Ausnahme von Brandenburg typisch sei für ganz Ostdeutschland und das Hauptproblem sei ja eher die positive Differenz aus Mortalitäts- und Fertilitätsrate.

Und, meine Damen und Herren, das Herunterspielen von Problemen, die realitätsfremde Selbstbeweihräucherung erreicht ja vor allem im zweiten Teil Ihres Antrages den Gipfel. Da wird die Lage ja nahezu verklärt, dass sich die Balken biegen. Man könnte eigentlich auf jeden Passus gesondert eingehen, aber im Prinzip lohnt es sich nicht. Es sind alles sattsam bekannte Phrasen, die man schon x-mal irgendwo sehen und hören konnte. Was glauben Sie eigentlich, welchen Eindruck Sie bei den Anzuhörenden und Experten hinterlassen, wenn diese, nachdem sie zum Teil bis zu fünfmal vor die entsprechenden Fachausschüsse zitiert wurden, dann Ihr Exposé lesen?!

Meine Damen und Herren, ich will nur eine Stelle herausgreifen. Sie haben die Überschrift gewählt beim Teil II „Wesentliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern haben sich seit 1998 verbessert.“

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Das hören Sie nicht gerne, ne?)

Und beim Thema Soziales – ich greife nur diesen Punkt heraus – sind Sie nicht mal ansatzweise in der Lage, zunehmende Probleme beim Hausarzt und im Facharztbereich nur aufzuschreiben. Es ist eine Tatsache, dass uns weit über 200 Fachärzte fehlen und zunehmend mehr Hausärzte.

(Torsten Koplin, PDS: Darüber reden wir morgen. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die sind auch abgewandert.)

Die Lage hat sich, meine Damen und Herren, verbessert. In den nächsten sechs Jahren werden weitere

5 0 0 niedergelassene Hausärzte ausscheiden. Das rührt Sie offenkundig überhaupt nicht.

(Torsten Koplin, PDS: Das ist doch gar nicht wahr! Das ist nicht wahr!)

Ich belasse es bei diesem einen kleinen Punkt.

Und ich frage Sie: Wäre es denn nicht einfacher und ehrlicher, zudem kostengünstiger gewesen, Sie hätten von vornherein all Ihre parteiinternen Blättchen und regierungsamtlichen Broschüren verschickt zum Teil II? Dann hätten alle Sachverständigen sofort gemerkt, dass diese Koalition, dass diese Landesregierung überhaupt keine Ratschläge in dieser Frage mehr braucht,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na von Ihnen allerdings wirklich nicht.)

dass alles auf einem guten Wege ist, die Probleme entweder nicht vorhanden sind oder kurz vor ihrer Lösung stehen. Wo ist in Ihrem Antrag, in dieser Beschlussempfehlung der Passus, den man als Ihren Erkenntnisgewinn aus den zahlreichen Anhörungen herauslesen könnte?

(Barbara Borchardt, PDS: Aber den finden Sie bei sich, was?)

Wo ist Ihre Form der Selbstkritik, des Eingestehens, nicht alles richtig gemacht zu haben?

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ach so?)

Wo ist der Punkt, wo ist erkennbar, dass Sie Ratschläge und Empfehlungen der externen Experten überhaupt nur zur Kenntnis genommen haben? Oder anders gefragt: Welcher Satz wäre von Ihnen nicht oder anders formuliert worden, wenn die Anhörungen nicht in der bekannten Form durchgeführt worden wären?

Nein, meine Damen und Herren, die Art und Weise, wie SPD und PDS mit dieser Thematik umgegangen sind, die für Sie bis heute offensichtlich keine ist, zeugt von Arroganz und Respektlosigkeit gegenüber Dritten in einer überaus beschämenden Weise.

(Barbara Borchardt, PDS: Indem so viele Abge- ordnete Ihrer Fraktion nicht da waren, oder wie?)