Meine Damen und Herren, in der schriftlichen Stellungnahme der IHK zu Schwerin, ich möchte Ihnen noch mal vor Augen führen, wie das da gesehen wird: „Nach den Anhörungen des Wirtschaftsausschusses, des Innenausschusses, des Ausschusses für Gesundheit, Soziales, Familie, Frauen, Senioren, Jugend und Sport sowie der bereits erfolgten Anhörung des Ausschusses für Bau, Arbeit und Landesentwicklung ist dies mittlerweile bereits das fünfte Mal, dass sich ein Ausschuss des Landtages auf vergleichbare Weise mit dem Thema auseinanders e t z t – jeweils unter Hinzuziehung der teilweise gleichen Sachverständigen“
„Diese Methode des Landtags Mecklenburg-Vorpommerns, in zahlreichen parallel laufenden Gremiensitzungen von jeweils mehreren Stunden das alle Politikbereiche betreffende Thema der demographischen Entwicklung anzugehen, erscheint uns wenig erfolgversprechend. Sie
ähnelt dem Versuch, in mehreren Einführungsveranstaltungen für Philosophiestudenten gleichzeitig die Weltformel zu ergründen, statt sich hierzu auf einen intensiven und konzentrierten Gedankenaustausch in den Wandelhallen der Philosophenschulen einzulassen. Den geladenen Sachverständigen bleibt somit häufig nicht viel mehr übrig, als die Sache mit Theodor Fontane zu kommentieren: ,Ein weites Feld!’ Aus unserer Sicht wäre es zielführender, dieses ungeheuer wichtige Gesamtthema im Rahmen einer ,Enquete-Kommission’, die mit reputierten Experten besetzt sein sollte, zu erörtern.“ Meine Damen und Herren, Zitatende. Treffender, glaube ich, kann man es nicht ausdrücken. Dieses Zitat ist eine Ohrfeige für die Art und Weise Ihres Umganges mit dieser Thematik. Und ich stelle für unsere Fraktion fest, Sie haben dem Ansehen des Landtages schweren Schaden zugefügt,
Damit wir uns nicht missverstehen: Wir erheben im Gegensatz zu Ihnen mit unserem Antrag überhaupt nicht den Anspruch, fertige Antworten en détail parat zu haben. Das haben wir auch niemals behauptet. Worum es uns ging und geht, ist das ehrliche Bestreben, geeignete Verfahrensweisen und Institutionen zu schaffen, die die berechtigten Sorgen der Menschen über den Einwohnerschwund kanalisieren und ein Beratungsklima gewährleisten, welches dem Thema gerecht wird. Das kann nach Lage der Dinge auf Landesebene nur eine Enquetekommission des Landtages sein. Und, meine Damen und Herren, es ist aus unserer Sicht zwingend, die Menschen in ganz Deutschland hierfür zu sensibilisieren. Auch die alten Bundesländer werden sonst die Erfahrung machen müssen, dass sie langfristig vom Aderlass der neuen Bundesländer nicht profitieren werden.
Ein gesamtdeutscher Abwanderungsgipfel wäre da ein Weg, hierfür mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen. Darüber sollte sich die Bundesregierung Gedanken machen und nicht populistische so genannte Anti-Teuro-Gipfel ausrufen, die nicht der Lösung von Problemen, sondern der Inszenierung von einzelnen Kabinettsmitgliedern dienen.
Meine Damen und Herren, wie wollen Sie denn sonst das Thema „Abschaffung der Wegzugsprämien“ auf die politische Agenda der Bundesrepublik Deutschland setzen? Wie wollen Sie denn erreichen, dass dieser Unsinn der Subventionierung des Wegziehens der 23-, der 28-, der 35-Jährigen behandelt wird? Die Arbeitsverwaltung, Herr Seutemann verteidigt nach wie vor diese Wegzugsprämien. Ich halte es für katastrophal, dass man es noch alimentiert, wenn jemand außer Landes gehen will.
Meine Damen und Herren, im Falle der Zustimmung zu unserem Antrag machen Sie deutlich, dass das Thema Abwanderung nicht erledigt ist
(Angelika Gramkow, PDS: Das ist für uns auch nicht erledigt. Aber das machen wir nicht von Ihrem Antrag abhängig.)
und dass die Art und Weise der Befassung einer gründlichen Revision bedarf. Ich halte das für ein wichtiges, ja unverzichtbares Signal an die Menschen draußen im
Lande. Und, meine Damen und Herren, Sie haben sich im Jahr 2000, im Jahr 2001 geweigert, sich mit diesem Thema im Landtag zu befassen. Sie konnten im Wahljahr2002 nicht anders, Sie mussten sich dann mit diesem Thema befassen. Auf die Art und Weise bin ich eingegangen.
Meine Damen und Herren, „Weiter-so!“-Parolen, „Kurs halten!“, das mögen Sie auf Ihren Parteitagen Ihren Delegierten erzählen.
Glauben Sie mir eins: Wenn Sie so weitermachen, mit „Weiter so!“, mit „Kurs halten!“, dann werden Sie die Menschen und gerade die jungen Menschen nicht in unserem Land halten. Und wir werden uns vielleicht – und das ist meine allergrößte Sorge und ich bezeichne eben wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema nicht als blanken Unsinn – in 15, 20 oder 30 Jahren damit befassen, dass die Existenz des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Frage gestellt ist. Meine Damen und Herren, hier sollte es einen gesellschaftlichen Konsens geben, dass dies nicht in die politische Agenda gehört. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erstes erhält das Wort der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Herr Dr. Ringstorff, bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema, das wir heute beraten, ist ein Thema, das eine sachliche Diskussion verlangt,
keine Wahlkampfdiskussion, wie sie von der Union in den vergangenen Monaten angezettelt wurde. Das schadet dem Land und seinen Menschen.
(Unruhe und Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ich kann’s nicht mehr hören! So was von einfallslos! – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)
Leider, meine Damen und Herren von der Union, habe ich in Ihrem Antrag keinen einzigen konkreten Vorschlag lesen können und ich war nun gespannt auf die Einbringungsrede Ihres Fraktionsvorsitzenden.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Diskussion um die demographische Entwicklung, aber wir wollen sie auf verantwortungsvolle Weise führen. Sensibilisierung für ein wichtiges Thema und gemeinsames Handeln müssen das Ziel sein, nicht zusätzliche Dramatisierung und Angstmache,
denn ich denke, das ist ein Ergebnis, das man nicht wollen kann, wenn man politisch verantwortlich handelt. Aber darum, meine Damen und Herren von der Opposition, darum geht es.
Was sind nun die Fakten? Fakt ist, dass seit 1991 rund 361.000 Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern weggezogen sind. Die höchsten Wanderungsverluste hatten wir dabei bis 1993. Und ich weise auch noch einmal darauf hin, diese Entwicklung gibt es nicht nur bei uns, sondern in ganz Ostdeutschland, mit Ausnahme Brandenburgs, weil viele Berliner es bevorzugen, in das Umland zu ziehen.
Sachsen hat ungefähr den gleichen Anteil verloren, im letzten Jahr sogar mehr als wir. Thüringen liegt leicht darunter, Sachsen-Anhalt darüber.
Aber ein Punkt, auf den ich auch hinweisen will, ist, gleichzeitig sind in diesem Zeitraum 305.000 Menschen zu uns gekommen. Das heißt, 305.000 Menschen fanden Mecklenburg-Vorpommern so attraktiv, dass sie gerade hier leben wollen. Und darunter sind auch sehr viele junge Menschen. Wer sich einmal in den Gründerzentren unseres Landes umschaut, der findet da viele junge Leute, die die günstigen Bedingungen für Existenzgründer genutzt haben, die ein Unternehmen aufbauen und neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist eine Entwicklung, über die wir uns freuen können, und diese Entwicklung wollen wir fortsetzen.
Meine Damen und Herren, es gibt zwei Möglichkeiten, mit der Bevölkerungsentwicklung im Land umzugehen. Und ich will nicht über die auch von Lothar Spät diskutierten Fehler in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung diskutieren, denn man kann jammern und klagen und einen Abwanderungsgipfel für den Osten fordern, auf dem man das Land weiter schlechtreden will, so, wie es die CDU tut, meine Damen und Herren, oder man kann handeln.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Jaja. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Wir handeln und machen das Land attraktiver. Und damit, meine Damen und Herren, schaffen wir Chancen für die Zukunft und dabei sind wir auf einem guten Weg.
Erstmals seit 1996 sind in den Jahren 2000 und 2001 in Mecklenburg-Vorpommern die Investitionen der Unternehmen wieder deutlich gestiegen. Und auch das Wachstum des verarbeitenden Gewerbes kann sich sehen lassen:
5,6 Prozent bei uns im vergangenen Jahr, 0,1 Prozent im Bundesdurchschnitt. Und auch beim Export haben die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern kräftig zugelegt. Seit 1999 gab es jeweils hohe zweistellige Zuwachs
Meine Damen und Herren, wir müssen die Attraktivität Mecklenburg-Vorpommerns weiter steigern für Unternehmer, für Arbeitnehmer und ihre Familien, für junge Menschen und Touristen.