Protocol of the Session on December 13, 2001

In der Literatur wird dann Mut gemacht, aber dieses Mutmachen kann nicht über Jahre gehen, man muss auch mal ehrlich dabei sein. Wenn man aber keine Erfolge hat und man nimmt dann Dinge, von denen man erzählt, wie beim Tourismus, dass es nur gut läuft, das wird natürlich nicht mehr anerkannt.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich glaube, wir sind es dem Land und den Menschen schuldig, dass wir endlich mit der Schönrederei aufhören. Ich will Ihnen hierzu einige Zahlen sagen, was ich unter Schönrederei verstehe.

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Wahr ist, dass in den letzten fünf Jahren ein Bettenzuwachs da war von 9.000 bis 14.000 Betten jährlich. Das ist zum Teil in der CDU/SPD-Regierung geplant und entwickelt worden. Aufgrund dieses Bettenzuwachses – ganz logisch, denn Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat solchen Bettenzuwachs nicht, der fast um hundert Prozent erhöht worden ist – ist natürlich auch die hohe Steigerungsrate in der Übernachtungszahl zu sehen. Und die Auslastung ist in dem Zeitraum ja kaum gestiegen, so dass es wesentlich auf diese Bettenerhöhung zurückzuführen ist.

Und jetzt kommt die Zahl, auf die sich alle berufen, auch der damalige Schönfärber Prachtl. Als Schlüsselzahl für die Fremdenverkehrsintensität nehmen wir nämlich immer die Zahl der Übernachtungen je 1.000 Einwohner. Die Einwohnerzahl sinkt, die Bettenzahl steigt und wir sagen, hurra, wir sind die Größten. Ich will nicht makaber sein und die Verkehrstoten noch mit anführen, dann würden wir vielleicht noch besser werden.

Ich will Ihnen ehrlich sagen, mit solchen Zahlen, Herr Minister, werden wir der Situation nicht gerecht. Und jetzt müssen wir ehrlich sein und sagen, wo wir eigentlich stehen. Ich will das den Kollegen auch ruhig mal deutlich machen. Wir stehen auf Platz 8. Und der Kollege Schlotmann hat es ja auch mal gemacht, der hat gesagt, oh, den Bayern klopfen wir bald auf die Schultern. Liebe Freunde, zwischen Bayern und uns sind etliche Berge, etliche Seen und noch einige Misthaufen, denn zwischen Bayern mit 600.000 Betten und uns mit 160.000 ist ein riesiger Unterschied. Die Bayern haben 74 Millionen Übernachtungen und wir wollen uns langsam bemühen, 20 Millionen zu haben. Baden-Württemberg hat 40 Millionen. Sie kennen die Werbung, wo es heißt: „Paul, wer ist Paul?“ Ich sage mal, wer ist Hessen? Hessen hat 25 Millionen Übernachtungen. Ist Ihnen Hessen als das große touristische Land bekannt? Wir lassen uns von solchen Ländern etwas vormachen. Wir dürfen uns doch von Hessen nichts vormachen lassen mit 25 Millionen Übernachtungen!

Und jetzt wollen wir mal die Bayern aus dem Spiel lassen. Nehmen wir mal nur die norddeutschen Länder. Da glauben wir auch, wir sind weit vorne. Nein, die Niedersachsen haben 35 Millionen Übernachtungen. Dann sollten wir doch erst mal versuchen, in Norddeutschland die Nummer 1 zu werden und auch die Schleswig-Holsteiner, das werden wir wohl bald schaffen, mit 21 Millionen Einwohnern zu überholen.

(Minister Till Backhaus: Nee, Gäste. Gäste!)

Wer hat das bessere Land? Wer hat die Ostsee und nicht so eine komische Nordsee, wo die Flut mal hin und her geht, wo man nicht baden kann? Wir in MecklenburgVorpommern und nicht die in Niedersachsen! Und insofern sollten wir hier unsere Chancen suchen. Und dann bitte ich auch die Landesregierung darum, die Zahl zu beantworten. Wir sagen deutlich, lieber Herr Minister, acht bis zehn Betten bedeuten einen Arbeitsplatz. Bayern, sagte ich schon, hat 600.000 Betten, Baden-Württemberg 300.000, Niedersachsen 280.000. Es gibt bisher keine

schlüssige Antwort, weder von der CDU-Regierung noch jetzt von Ihrer. Wie viel Betten verträgt dieses Land tatsächlich? Bei 100.000 haben im Land schon die Unternehmer gestöhnt, um Himmels willen kein Bett dazu. Wir haben 160.000 und trotzdem zum Teil gute Auslastungen. Das ist natürlich sehr unterschiedlich, es gibt auch schlechtere Auslastungen, wenn dort gebaut wurde, wo die Infrastruktur zum Beispiel nicht stimmt.

Alle Wissenschaftler unseres Landes sagen uns, ihr könnt den Tourismus, wenn ihr ihn wirklich plant, infrastrukturmäßig, marketingmäßig auch mit ganz anderen Zahlen bewältigen. Und ich glaube, das Land hat es verdient. Und, lieber Herr Minister, Sie haben vor einigen Wochen etwas sehr Ehrliches gesagt, heute haben Sie es nicht gesagt. Ich glaube, die größte Schwindelei und die größte Schönrederei betreiben wir mit unserem Auslandstourismus. Die Glanzbroschüren von Maestro Fischer und anderen sind noch deutlicher oder noch übertriebener als das, was das Statistische Landesamt sagt. Beim Statistischen Landesamt heißt es: „Bei den Gästen aus dem Ausland setzte sich der positive Trend seit 1995 weiter fort, 16,4 Prozent mehr Auslandsgäste.“

Liebe Freunde, in Wirklichkeit ist es so, die rote Laterne haben wir mit dem Saarland und Sachsen-Anhalt. Wir reden also bei dem Zeitraum von 397.000 Übernachtungen. Ich nehme nur mal Bayern, da sind es 10 Millionen. Ein riesiger Unterschied! Wir haben die rote Laterne und, lieber Herr Minister, man kann nicht nur über die Infrastruktur reden, das wissen Sie ganz genau, da müssen ja auch Gäste kommen. Ich baue nur einen Golfplatz, ich baue nur eine Ferienanlage, wenn ich auch reichlich Gäste habe. Ich lasse das Fahrgastschiff nur fahren, wenn auch Gäste da sind, die einsteigen. Am Chiemsee hält es alle zehn Minuten und fährt los, also brauche ich auch Gäste. Also muss doch beantwortet werden, wo die ausländischen Gäste herkommen.

Und nun schauen Sie sich mal den neuen Katalog des Tourismusverbandes an, wo jetzt wieder geworben wird. Es wird viermal in Skandinavien geworben, nicht einmal in Osteuropa. Nun könnte man noch hinzufügen, liebe Freunde, ihr redet groß von Osteuropa. Dass wir uns am Anfang die Füße wundgelaufen oder die Räder abgefahren haben, um in den Westen zu kommen, das war ostdeutschtypisch und gesund und durfte auch sein. Aber, liebe Freunde, wir müssen doch langsam wieder mal nach dem Osten gucken und da ist die Frage, warum werden solche Dinge nicht gesehen.

Deshalb sage ich ganz deutlich, der Auslandstourismus ist eigentlich mit einer der schlimmsten Dinge, die wir hier bei uns erleben und die wir haben. Deshalb denke ich, es muss praktisch gehandelt werden. Und zum praktischen Handeln möchte ich erst mal als Grundsatz sagen: Wir haben hochmotivierte Leute in der Tourismusbranche, die wollen, aber jede Motivation hilft doch nichts, wenn die Gelder nicht mehr ausreichen. Ich weiß, dass das Referat von Herrn Mews hochmotiviert ist.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Hier sitzen wir, Herr Prachtl.)

Ich weiß, dass der Tourismusverband hochmotiviert ist, die Hoteliers, die Gasthöfe, alle sind hochmotiviert, aber wo nichts da ist, kann dann auch nichts mehr herauskommen, es wird ja alles gemacht. Deshalb schlage ich als Schwerpunkte der künftigen Arbeit folgende Dinge vor:

Erstens. Wir dürfen über diese Dinge nicht nur reden, denn wichtig ist, dass wir die Zahlen erhöhen, dass Geld ins Land kommt, Touristen ins Land kommen, das heißt, Marketing muss wesentlich verbessert werden. Es kann nicht angehen, dass die Sachsen ihren Etat verdoppelt haben und wir bei 3 bis 4 Millionen Mark zwar das Notwendigste schaffen, aber nicht das, was geschaffen werden muss, denn wenn der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband sagt, dass 33,8 Prozent der Hotels aktiv wirtschaftlich gefährdet sind und 31,8 Prozent der Gasthöfe und Pensionen, dann spricht das für sich.

Der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Herr Fischer hat im letzten oder im vorletzten Tourismusausschuss gesagt, es ist nur noch punktuell möglich, Marketing zu betreiben. Und er sagte deutlich, wir können für die Jugendlichen kein Marketing betreiben. Die Gelder haben wir dieses Mal nicht. Es kann doch nicht angehen im Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern, dass wir nur noch punktuell Marketing machen, gerade in wichtigen Bereichen, wie Jugendmarketing im Tourismusbereich, dass wir das nicht machen. Andererseits sagen Herr Fischer und alle Experten ganz deutlich, Marketing lohnt. Wer Werbemittel einsetzt, da kommen die Leute und wir brauchen Leute im Land. In Neubrandenburg – und Neubrandenburg ist ja 50, 60 Kilometer von Göhren-Lebbin entfernt – freuen sich die Besitzer der Boutiquen und Verkaufsstellen, dass die Touristen bis nach Neubrandenburg kommen und da einkaufen. Aber, lieber Herr Minister, liebe Abgeordnete, da muss etwas gemacht werden. Marketing für Kapazitätsauslastung, Werben für die Saisonverlängerung – das sind natürlich wichtige Dinge. Sie können nicht nur Infrastrukturen schaffen für die Saisonverlängerung, das ist zwar lobenswert, aber es muss das Marketing genauso da sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die Österreicher haben es bewiesen, sie haben Projekte gemacht und das saisonverlängernde Marketing um 30 Prozent gesteigert. Die Österreicher haben gezeigt, man kann es. Warum macht es das Land MecklenburgVorpommern nicht?

Zweitens, Herr Minister und liebe Abgeordnete, fordere ich, wir können doch nicht so eine Geschäftsstelle haben. Die Geschäftsstelle muss personell verbessert werden und in diesem komischen Hochhaus, wo sie ihren Sitz hat, muss es auch bessere Räume geben. Das wagen sich zwar die Mitarbeiter nur hinter der Hand zu sagen, aber das muss auf jeden Fall verbessert werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Und ich persönlich, Herr Minister, habe auch nichts dagegen, wenn Herr Mews Abteilungsleiter wird oder Sie einen anderen einsetzen, Hauptsache, es ist eine ordentliche Abteilung, die etwas schafft, wo was bewegt wird, denn dass unsere Leute etwas können, auch Herr Mews, steht außer Frage.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Rudolf Borchert, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Es sind außerordentlich engagierte Leute. Bloß, Herr Minister, setzten Sie die Leute in die Spur. Sie kommen ja aus Bayern, Sie wissen, wie dort Tourismus gemacht wird. Das ist auf jeden Fall fördernd für uns

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

und das Gleiche sage ich auch für den Tourismusausschuss.

Liebe Kollegen, wenn wir noch weiter die Abnicker des Landtages sein wollen, dann nicken wir weiter ab. Im Augenblick holen wir uns alle Verbände heran und in der nächsten Legislaturperiode die kleinen Gaststätten und machen die Abnicker des Landtages. Liebe Freunde, mit Prachtl nicht mehr lange.

(Beifall Dr. Christian Beckmann, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Entweder wir haben Befugnisse und können etwas verändern, egal von welcher Partei wir sind, aber der Abnickerverein möchte ich nicht mehr lange sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Wenn Sie Lust haben zum Abnicken, machen Sie es, ich nicht.

(Barbara Borchardt, PDS: Aber Sie drohen hier.)

Das muss auch mal sein.

(Barbara Borchardt, PDS: Das macht man aber nicht. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD – Barbara Borchardt, PDS: Dat geht so nicht.)

Nein, wissen Sie, die Wahrheit ist ein selten Kraut, noch seltener, wer es verdaut. Und auch das muss mal wieder verdaut werden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Barbara Borchardt, PDS: Gut.)

Drittens, es geht um die Analyse der touristischen Regionen. Es werden Analysen der touristischen Regionen erstellt. Wo werden wie die Betten ausgelastet? Herr Minister, kann man nicht noch Betten irgendwo dazubauen? Wer analysiert das?

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Wo es den Michelinstern gibt in Krakow am See, sagen mir die Leute selber, Herr Prachtl, da können sibirische Panzer, die T 34, langfahren. So sieht die Straße aus und da wird die beste Gastronomie unseres Landes gebaut. Hier muss also überlegt werden: Wo kann dazugebaut werden?

(Peter Ritter, PDS: Und wo können wir noch Panzer fahren lassen? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Wo kann was verbessert werden? Oder denken Sie an die Professoren, die vom so genannten Gummistiefeltourismus sprechen. Ich spreche davon nicht, aber diesen Gummistiefeltourismus gibt es in einigen Regionen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das Hotel ist schön, aber das Ringsherum ist eben nicht in Ordnung. Wir brauchen deshalb touristische Musterregionen.

Jetzt kommt die rote Lampe.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ach nein! – Barbara Borchardt, PDS: Das ist aber sehr traurig. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Das ist wirklich sehr traurig,

(Peter Ritter, PDS: Dann müssen Sie mehr Redezeit beantragen.)

aber unterschätzen Sie Prachtl nicht!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)