Protocol of the Session on December 12, 2001

(Annegrit Koburger, PDS: Die Struktur wurde aber schon 1990/91 gelegt.)

Sie sollten dann die ansprechen, die dort die politische Verantwortung tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Na, da kommen wir ja morgen noch zu. – Angelika Gramkow, PDS: Nee, da kommen wir heute noch zu.)

Also ich habe 1996 nicht die Versetzungsordnung abgeschafft. Das hat Frau Marquardt gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Nein, das stimmt.)

Oder der Orientierungsstufenerlass – das waren nicht wir, das waren andere.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber Sie haben den Kindern im Land ein ganzes Schuljahr gestrichen, ein ganzes Schuljahr! – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Frau Kollegin, Sie wissen ganz genau, wer 1997 und 1998 die Aufstockung der Stundentafel abgelehnt hat.

(Angelika Gramkow, PDS: Wer hat sie überhaupt erst durchgesetzt?!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Fakten, die Note 4,2 besagt ganz einfach, die Benotung im Ländervergleich Ost ist nicht ausreichend. Und wer eine 4 hat, braucht aus meiner Sicht dringend Nachhilfe. Ich denke, SPD und PDS sollten Nachhilfeunterricht ab dem September 2002

(Dr. Ulrich Born, CDU: Hilft aber bei ihnen nicht mehr.)

in der Opposition nehmen, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass wir um diesen Nachhilfeunterricht in den nächsten Wochen und Monaten kräftig ringen werden, aber, Herr Kollege Schlotmann, nicht in der Art und Weise, wie Sie es betrieben haben, sondern ich werde Ihnen noch ein paar mehr Fakten auf

den Tisch legen, wo wir wirklich etwas für dieses Land tun können.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Osten bleibt im fünften Jahr – und, Herr Schlotmann, darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen – im Wachstum hinter den alten Bundesländern zurück. Wie stellen Sie sich denn solche Tatsachen vor und was machen Sie dagegen, dass Herr Eichel beim Soli-Zuschlag im nächsten Jahr 11,4 Milliarden Euro einnimmt, der ja für den Aufbau Ost bestimmt sein soll, aber nur 10,4 Milliarden Euro, also 900 Millionen Euro nicht, direkt für die neuen Bundesländer eingestellt worden sind? Ich habe nicht einmal gehört, dass Sie das debattiert, dass Sie das thematisiert haben, als Herr Struck hier in Schwerin war.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Das heißt, hier wird über den Soli-Zuschlag im Westen der Eindruck erweckt, dieses Geld ist für den Osten, und klammheimlich wandert eine knappe Milliarde Euro in den großen Topf bei Herrn Eichel.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Oder was sagen Sie zu der Tatsache – Sie wollen ja die Wirtschaft ankurbeln, Sie wollen Wachstum –, wie stehen Sie zu der Tatsache, dass die GA-Förderung sinkt? Sie haben ja vorhin eine Aktuelle Stunde beantragt als Lobpreisung für den Wirtschaftsminister, warum haben Sie da nicht Stellung zu der Tatsache genommen, dass von 1999 bis zum nächsten Jahr die GA-Mittel für alle neuen Bundesländer um fast 900 Millionen Mark im Bundeshaushalt sinken?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Volker Schlotmann, SPD: Na, wo waren Sie denn bei diesem Thema, Herr Rehberg? Da waren Sie doch gar nicht hier.)

Und wir sind da mit 100 Millionen DM, Herr Kollege Schlotmann, dabei.

(Volker Schlotmann, SPD: Das hat Sie doch gar nicht interessiert, Herr Kollege Rehberg.)

Diese Tatsachen sprechen Sie einmal an! Mich interessiert schon die Tatsache,

(Volker Schlotmann, SPD: Ja, das haben wir gesehen. Sie waren nämlich nicht da.)

dass die rot-grüne Bundesregierung den Aufbau Ost nicht als Chefsache,

(Volker Schlotmann, SPD: Und Sie die Infra- struktur auch nicht, Herr CDU-Vorsitzender.)

nicht als Herzenssache betreibt, sondern gar nicht betreibt. Das ist eine Tatsache, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und was sagen Sie zu der Tatsache, dass neben der Kürzung der GA-Fördermittel um rund ein Viertel das Programm des Europäischen Rates zur Festigung ihrer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit für die Grenzregionen, das heißt für die Regionen an der EU-Außengrenze – das betrifft unsere Landkreise Ostvorpommern und UeckerRandow –, die wirtschaftliche Lage in diesen Regionen durch verschiedene wirtschafts- und infrastrukturpolitische Maßnahmen verbessern will? Ergänzend zu diesem

Programm können staatliche Regionalbeihilfen bis zur Höhe des maximalen Fördervolumens eines Ziel-1-Gebietes für die neuen Bundesländer bereitgestellt werden. Diese Regionalbeihilfen sind bei uns die so genannten GA-Ostmittel. Und ich frage Sie, Frau Finanzministerin, von dieser Stelle: Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung im Unterausschuss des Bundestages für die Fragen der Europäischen Union eingestehen musste, dass im Bundeshaushalt zusätzlich zu den Kürzungen im Jahr 2002 noch mal 250 Millionen Euro zu wenig eingestellt sind, um das maximal mögliche Fördervolumen für die Ziel-1-Gebiete vollständig auszuschöpfen? Ich frage Sie weiter: Welche Summe verliert dabei Mecklenburg-Vorpommern? Nach meiner Rechnung sind das 30 Millionen Euro, denn in der Regel sind wir mit 12 Prozent dabei.

Was, Frau Finanzministerin, haben Sie, hat diese Landesregierung unternommen, um dieser Streichorgie auf Kosten unserer Region zu widerstehen? War es mehr als Kenntnisnahme oder war es so, dass Sie in Wahrheit diese Entwicklung nicht sogar begrüßen, weil Sie dann nämlich nicht mehr kofinanzieren müssen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur als Gedächtnisstütze, ja als Gedächtnisstütze: Ostvorpommern mit einer Arbeitslosenquote von 20,6 Prozent, Uecker-Randow 24,7 Prozent.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was tun Sie, um im Land Mecklenburg-Vorpommern eine gleichmäßige Entwicklung zu erreichen?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Gucken Sie nur auf die strukturstarken Regionen oder tun Sie auch was für die strukturschwachen Regionen?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das reale Transfervolumen nach Ostdeutschland ist seit 1998, dem letzten Jahr der Kohl-Regierung, von 40 Milliarden Mark auf gut 30 Milliarden Mark abgesenkt worden. Um 10 Milliarden Mark! Mecklenburg-Vorpommern ist wieder mit 12 Prozent im Schnitt dabei, über den Daumen gezogen also 1,2 Milliarden Mark. Das sind die nackten Tatsachen. Das ist Chefsache Aufbau Ost. Und wissen Sie, was ich dann für politisch besonders schäbig halte, für mehr als schäbig? Der Bundesarbeitsminister – oder muss man sagen, Bundesarbeitslosenminister Riester? – antwortet auf die Frage eines Journalisten, warum Deutschland unter Rot-Grün vom wirtschaftlichen Zugpferd zum kranken Mann Europas mutiert sei, doch allen Ernstes: „Weil wir ein großes positives Problem haben, nämlich die deutsche Einigung, und jährlich zwischen 100 und 150 Milliarden DM in diesen Einigungsprozess stecken.“ Zitatende, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Unglaublich! Unerhört!)

Das heißt, das ist doch eine Ablenkung von den wahren Ursachen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik. Ostdeutschland zum Sündenbock zu machen für seine gescheiterte Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, das ist doch eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Herr Ministerpräsident, was sagen Sie zu solchen Statements? Aber Sündenböcke sind ja schon viele in den letzten Wochen gesucht worden. Der 11. September musste für das wirtschaftliche Elend in Deutschland herhalten. Mal ist es die Weltwirt

schaft, dann die USA. Und wenn es in den Kram passt, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind es die neuen Bundesländer.

Meine Damen und Herren, wie sagte schon Abraham Lincoln? Man kann einen Teil der Menschen dauerhaft belügen, man kann vielleicht alle Menschen eine Zeit lang belügen, aber man kann nicht alle Menschen dauerhaft belügen. Und, meine Damen und Herren, genau das tut diese Bundesregierung. Und wer dazu schweigt, der trägt politische und persönliche Verantwortung mit.

Meine Damen und Herren, Sie können sich drehen und wenden, wie Sie wollen, Sie können Schuldige suchen, wie Sie wollen. Eine Lüge ist zum Beispiel, dass die Haushalte im letzten Jahr eine Entlastung von 45 Milliarden Mark erfahren haben. Das mag durch die Steuerreform richtig sein. Nur Sie vergessen eins: Wie hoch sind die Belastungen? Wie hoch sind die Belastungen? Die sind nämlich höher als 45 Milliarden.

Ich werde Ihnen das nachher noch vortragen. Ich will das nur an einem Punkt mal deutlich machen: Eine Familie mit einem Kind und einem Monatsbruttoeinkommen von – ich mach’s mal in Mark – 5.000, hat einen Vorteil, so meinen Sie, durch die Steuerreform? Nein. Wenn Sie alles dagegenrechnen – und ich habe noch gar nicht den Anstieg der Krankenkassenbeiträge gerechnet –, dann hat diese Familie eine monatliche Mehrbelastung in den Jahren 2000 und 2001 von 70 Euro pro Monat. Das heißt, sämtliche Entlastungen, Kindergelderhöhung werden durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern deutlich aufgefressen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch mit die Ursache oder die entscheidende Ursache dafür, dass die Binnennachfrage hinkt und krankt ohne Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Und, meine Damen und Herren, wie stehen Sie zu der Tatsache, dass der Bundeshaushalt – und davon gehen Sie auch noch aus, so viel zur Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit! – für das nächste Jahr ein reales Wachstum von 1,25 Prozent annimmt? Hier sagt aber der Konjunkturabteilungsleiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung – also quasi, Herr Kollege Schlotmann, die sozialdemokratische Hausmarke, das ist nämlich kein Institut, das der CDU/CSU nahe steht – am 9. Dezember diesen Jahres gegenüber Reuter: „Es ist klar, dass das Wachstum im nächsten Jahr unter einem Prozent liegen wird.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind die Tatsachen. Oder was sagen Sie dazu, dass allein durch den Rückgang der Umsatzsteuer auf Bundesebene insgesamt für die neuen Bundesländer 250 Millionen Euro weniger an Regionalisierungsmitteln zur Verfügung stehen werden, wieder auf Mecklenburg-Vorpommern umgerechnet etwa 30 Millionen Euro? Alles Peanuts für Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren? Und warum spiegelt sich dies in keinster Weise wider bei der Einbringung und Verabschiedung des Haushaltes, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen? Sie haben die Summe für Mecklenburg-Vorpommern bei 236,5 Millionen Euro belassen, das heißt, Sie haben das gar nicht berücksichtigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sagen Sie, Herr Ministerpräsident, zu dem Umstand, dass Sie im

nächsten Jahr ganz offenbar im zweiten Jahr in Folge ein negatives Wirtschaftswachstum haben werden? Wissen Sie, wie man das nennt?