Protocol of the Session on November 15, 2001

(Volker Schlotmann, SPD: Aber daran sind wir ja nun nicht schuld.)

Und Sie hätten mal den Herrn Umweltminister hören müssen vor zwei, drei Tagen in Rostock, was er Positives zur Religion gesagt hat. Er könnte glatt Mitglied meiner Fraktion sein, wie positiv er Religion beschrieben hat.

Und noch eins, das muss ich auch sagen – das sage ich an uns genauso kritisch wie an Sie –, mit überstülpten Westmethoden und -modellen ist nicht immer eine politische Lösung in den neuen Bundesländern möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Spät kommt die Erkenntnis, spät.)

Ja, ja, ja, bei uns auch, bei Ihnen aber auch.

Als man in Schleswig-Holstein – und ich wusste, wie Therme geschrieben wird – eine Therme plante und die damaligen Truppen im Wirtschaftsministerium bei uns keine Therme geplant haben, habe ich 1994 angefragt, wie viele Thermen wir brauchen. Da wusste der Wirt

schaftsminister nicht einmal, wie viele Thermen wir brauchen. Wir hätten schon von 1990 bis 1994 vier, fünf Thermen bauen müssen.

(Ministerin Sigrid Keler: ‘94, ‘94!)

Und genauso unreell ist es, wenn sich der Bundeskanzler Schröder und Herr Ringstorff in Göhren-Lebbin hinstellen und die großen Heißmacher spielen. Das waren Jürgen Seidels Verdienste.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Und ich habe ja uns genauso kritisiert. Das haben Sie doch gehört. Hier muss man ehrlich miteinander umgehen.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Das Land hat es verdient, dass auch touristisch ehrlicher nachgedacht wird.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Und noch eins, ich habe das mit der Wirtschaft gesagt. Was haben wir mit unserer Jugend und den Kindern gemacht? Als die Wende kam und die Eltern malochen mussten, mehr malochen mussten als zu DDR-Zeiten, wir wissen, aus welchen Gründen, da standen die Jugendlichen und Kinder da und dann haben wir die Westmodelle genommen,

(Heidemarie Beyer, SPD: Wer war denn da an der Regierung? Wer hat denn dieses Schulsystem eingeführt?)

Bekämpfung von Drogen und anderen Dingen, was damals noch gar keine Mode war. Da haben wir Schiffsreisen und wer weiß was für ein Quackel veranstaltet. Wir hätten uns intensiver um Kinder und Jugendliche mit Modellen kümmern müssen, die für die neuen Bundesländer richtig wären.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Das heißt, in Mecklenburg-Vorpommern muss deutlicher und eigenständiger umgedacht werden.

Und, lieber Kollege Schlotmann, wenn Sie der CDU vorwerfen, die beantragte Kommission nur als Wahlkampfinstrument nutzen zu wollen, darauf muss ich ja jetzt eingehen, so sage ich Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Nutzen wir es alle als ehrliches Wahlkampfmittel, um endlich...

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Jaja, nutzen wir es bitte, das ist doch kein Problem. Wahlkampf beginnt doch schon gleich nach der Wahl. Nutzen wir es alle als ehrliches Wahlkampfmittel, um endlich unseren Menschen echte Alternativen aufzuzeigen!

(Volker Schlotmann, SPD: Okay.)

Wir rufen doch oft genug zum Wettbewerb auf. Haben Sie denn vor diesem Wettbewerb Angst? Stellen Sie sich doch diesem Wettbewerb!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Herbert Helmrich, CDU: Ja, richtig.)

Ich will es ja nicht polemisch machen. Ihr vorgehender Tagesordnungspunkt war ehrlich gemeint, das denke ich

ganz bestimmt, wird aber dem Ernst des Hilferufs im Momo’schen Sinn nicht gerecht. Keinem der hier Anwesenden wird ein Königsweg zur Lösung der Probleme bekannt sein.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Gerade deshalb ist es doch aber umso wichtiger, im Rahmen einer aus sechs Abgeordneten und sechs Sachverständigen bestehenden Enquetekommission nach Möglichkeiten der Politik zu suchen und dem Leben im Land Mecklenburg-Vorpommern in seiner Vielfalt besonders gerecht zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind, wie ich bereits sagte, eben nicht nur die Rahmenbedingungen für Arbeit und Ausbildung, die für die Entwicklung verantwortlich sind. Nach Untersuchungen des Leipziger Instituts für Marktforschung lockten 26 Prozent die attraktiven Lebensbedingungen in anderen Ländern und 13 Prozent die besseren Freizeitmöglichkeiten. Ein Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen greift entsprechend zu kurz. Wir brauchen zukunftstragende Konzepte und eine Belebung der Bürgergesellschaft.

Nach Aussage des Berliner Sozialwissenschaftlers Offe wirkt sich das geringe Engagement, was ich auch bemerkenswert finde, in den neuen Ländern nachteilig auf die Entwicklung der Wirtschaft und auf die Bindung der Jugend im Lande aus. So sind in den alten Ländern dreimal mehr Menschen in Vereinen verankert als in Ostdeutschland. Die Kooperation mit Gleichgesinnten sei im Osten nicht sonderlich ausgeprägt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Bürgergesellschaft, die Wirtschaft und die Politik sich dieser Ziele annimmt, kann Mecklenburg-Vorpommern ein Zukunftsland werden. Deshalb mein ehrlicher Aufruf an alle Abgeordneten, Sie haben den Hilferuf vernommen: Stimmen Sie nun mit Elan und Mut der Enquetekommission zu! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion Herr Schlotmann. Bitte sehr, Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Lieber Kollege Prachtl, ich möchte noch einmal auf Ihren Vortrag, der auch literarisch sehr anspruchsvoll war, auf zwei Stellen eingehen, nämlich auf die Tatsache, dass Sie in Ihrem Vortrag gesagt haben, die Enquetekommission, das wäre Ihre Vision, soll die Sonnenstrahlen für Mecklenburg-Vorpommern produzieren. Ich halte die Enquetekommission nicht für geeignet, eine solche Vision umzusetzen. Wofür ich Ihnen aber danken will, ist die Ehrlichkeit, die Sie hier zum Schluss bewiesen haben, als Sie zugegeben haben – wobei ich nicht glaube, dass das für die gesamte Fraktion und vor allen Dingen nicht für den Vorsitzenden gilt –, dass diese Enquetekommission natürlich dem Wahlkampf dienen sollte und soll. Das respektiere ich, das finde ich anständig und in Ordnung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als Landtagsabgeordnete beschäftigen uns hier und heute zum

wiederholten Male mit einem Thema, das weite Teile der Bevölkerung mit Besorgnis sehen. Allein dies ist Grund genug, sich damit erneut und ernsthaft zu beschäftigen. Natürlich fällt es nicht nur den Betroffenen schwer, in andere Bundesländer fortzuziehen, wenn es zum Beispiel der neue Job erforderlich macht. Auch den Daheimgebliebenen geht es doch so. Da spreche ich aus Erfahrungen. Auch meine Tochter ist in den Westen gegangen, ist aber nach anderthalb Jahren zurückgekommen, weil sie im Gegensatz zu dem, Herr Prachtl, was Sie gesagt haben, über sehr starke Beziehungen und Bindungen in dieses Land verfügen, die jugendlichen Leute in diesem Land. Aber es geht jedem so, den Eltern, den Großeltern und den Freunden. Und ich glaube, nein, ich bin davon überzeugt, dass diese Gefühle keinem hier im Saal, auf der Tribüne oder im Land fremd sind.

Aber trotz dieser Bedeutung – eben nicht nur der rationalen Bedeutung wegen, sondern gerade auch wegen der emotionalen Bedeutung dieses Themas – fällt es mir schwer, sachlich und ruhig auf die CDU und ihr Vorgehen in diesem Zusammenhang zu reagieren. Nein, das war nicht richtig, es war nicht das Verhalten der CDU, sondern das Verhalten von Herrn Rehberg. Und das muss hier unbedingt auch so an- und ausgesprochen werden,

(Wolfgang Riemann, CDU: Na, na, na!)

denn neben Herrn Rehberg gibt es etliche vernünftige Abgeordnete in der CDU, zu denen wir auch persönliche Kontakte pflegen.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Beifall Karsten Neumann, PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das habe ich mir auch schon sagen lassen, Kollege Riemann.

Meine Damen und Herren, es ist abenteuerlich, nein, geradezu beschämend, in was für einer Art und Weise Herr Rehberg in den vergangenen Wochen und Monaten versucht hat, dieses Thema durch Spielchen, Tricksereien und taktische Manöver zu entwerten – also genau das Gegenteil von dem zu machen, was Sie gerade versucht haben, Herr Prachtl – und für sich wahltaktisch dann auch noch auszuschlachten. Hätten wir der Einrichtung einer Enquetekommission zugestimmt, hätte der Spitzenkandidat der CDU, wie wir ja gerade aus seiner eigenen Fraktion vernommen haben, eine „Aktuelle Schaubude“ erhalten, mit ihm als Programmdirektor, als Moderator und letztendlich als Laiendarsteller.

(Gesine Skrzepski, CDU: Eine Unverschämtheit!)

Jetzt machen wir als Koalition einen praktikablen Vorschlag und schon behauptet dieser Tausendsassa, weil wir die Enquetekommission ablehnen, wird das Thema Bevölkerungsentwicklung das absolute Schwerpunktthema im CDU-Wahlkampf. Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine Lachnummer, wenn das Thema leider nicht so ernst wäre!

Nachdem Herr Rehberg in seiner Haushaltsrede am 19. September diesen Jahres einen Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission öffentlich angekündigt hatte, dauerte es dann tatsächlich „nur“ schlappe sechs Wochen, bis dieser Antrag vorlag, zumindest auch anderen vorlag, intern sicherlich schon viel früher. Meine Damen und Herren, sechs Wochen, um einen zweiseitigen Antrag

zu formulieren! Während dieser sechs Wochen die üblichen Tricksereien des Herrn Rehberg!

Der Versuch, die Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsfraktionen zu einem grundsätzlichen Ja zu dieser Enquetekommission zu bewegen, ohne den beiden Gesprächspartnern auch nur ein ausformuliertes Wort eines Einsetzungsantrages überhaupt mal vorzulegen, musste einfach zurückgewiesen werden. Es kann doch wirklich kein Mensch glauben, dass wir die Katze im Sack kaufen, vor allem nicht bei den Erfahrungen, die wir mit dem Staatsmann Rehberg bisher je machen durften!