Protocol of the Session on September 21, 2001

Die im Antrag der CDU genannten Ansätze für konkrete Aktivitäten der Regierung, die im zweiten Teil des Punktes 2 des Antrages genannt sind, hinken den Ereignissen und Aktivitäten der Landesregierung meistens hinterher und sind deshalb genauso wenig hilfreich. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch völlig unerheblich, ob Sie den Antrag ablehnen.)

Ja, bei Ihnen ist das ja auch nicht Chefsache, sonst wäre Ihr Chef ja da. Wenn es wirklich Chefsache wäre, wäre Ihr Chef ja da.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Ja, natürlich. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Wenn wir Ihre Maßstäbe aufstellen, dann haben wir die Erklärung.

In der Forderung sind wir uns allerdings einig: Die Kapazitätsbeschränkungen sollten so bald wie möglich fallen!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist aber toll.)

Festzustellen ist aber auch, dass die CDU mit ihrem Antrag offensichtlich zugeben will, 1992 über die Folgen ihrer eigenen Aktivitäten nicht nachgedacht zu haben.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Das ist nicht so.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ich frage Sie ja nicht, wo Sie gelebt haben.)

Bitte tun wir doch nicht so, als hätte sich niemand die Folgen schon 1992 ausgerechnet. Und tun wir bitte nicht so, als wären auch diese Kapazitätsbeschränkungen nicht politisch gewollt gewesen, und zwar von allen Fraktionen in diesem Landtag.

Sie wissen, ich war damals noch nicht da,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, ja.)

ich muss also ab und zu mal nachlesen in Protokollen, zum Beispiel der 64. Sitzung am 12. November 1992.

(Peter Ritter, PDS: 1992, hatte da Herr Born schon Verantwortung im Land? Aber da war er schon.)

Ich möchte ganz bewusst auch in dieser Diskussion an den Ablauf der Ereignisse erinnern, um nicht länger den Eindruck im öffentlichen Raum stehen zu lassen, die Kapazitätsbeschränkungen seien ein übergeschnappter Willkürakt Brüsseler Bürokratie. Nein, sie waren politischer Wille der Mitgliedsstaaten, nicht einer anonymen Masse, und wirtschaftspolitisch sinnvoll.

Während der Werftenkrise 1990 bis 1992 wurde unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Werften durch den damaligen Wirtschaftsminister Möllemann mit der EU über Investitionsbeihilfen in beträchtlicher Höhe verhandelt. 1992 wurden diese Beihilfen in Höhe von 4 Milliarden Mark unter einer Bedingung gewährt. Diese Bedingung lautete: Abbau der Produktionskapazitäten um 40 Prozent. Dieser Abbau sollte bis zum Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit – geschätzt wurde damals 1995 – erreicht werden und für zehn Jahre gelten. 1992 wurden also Vereinbarungen getroffen, die bis zum Jahr 2005 verbindlich sind. Die Folgen aus diesen Vereinbarungen sind seit 1992 in vielen Punkten ausrechenbar gewesen.

In Übereinstimmung mit der siebenten EU-Richtlinie von Schiffbauhilfen war es der Bundesrepublik möglich, nach fünf Jahren der Kapazitätsbegrenzungen einen Antrag auf Aufhebung der Lockerung der Kapazitätsbegrenzungen zu stellen. Diesen Antrag hat die Bundesregierung in Abstimmung mit der Regierung unseres Landes gestellt. Das sollte die CDU eigentlich noch wissen, denn im Frühjahr 1998 wurden die ersten Gespräche über die Formulierung eines solchen Antrages geführt. Damals

stellte die CDU mit Herrn Seidel den Wirtschaftsminister und mit Herrn Dr. Seite den Ministerpräsidenten.

Im Oktober 2000 konnte dieser Antrag dann eingereicht werden, aber unter Beachtung der Weltmarktsituation im Schiffbau, der benötigten Schiffsbaukapazität und unter dem Eindruck der Fördermittelpraxis in den neuen Bundesländern. Ich sage nur die Stichpunkte, die in der Diskussion eine Rolle spielen. Die zweite, dritte, vierte Privatisierung mit wiederholter Fördermittelvergabe, das Verschwinden von Fördermitteln im Cash-Management des Bremer Vulkan und auch die Schmiergeldaffäre um ELFAquitain spielten in der Diskussion eine wichtige Rolle.

Der Eindruck der Handhabung der Förderpraxis unter den CDU-Regierungen im Bund und im Land hat also in den anderen EU-Mitgliedsstaaten zur Ablehnung eines Antrages auf Aufhebung der Lockerung der Kapazitätsbegrenzungen geführt. Richtig ist, dass diese Kapazitätsbegrenzungen Hemmnisse in der weiteren Entwicklung unserer Werften aufbauen.

Die unmittelbare Auswirkung auf einen Abbau der Beschäftigtenzahlen ist aber nicht zwingend, sondern Folge der Verlagerung eines wirtschaftlichen Risikos auf die Beschäftigten. Die cgt-Begrenzung erstreckt sich nicht auf alle Tätigkeitsbereiche der Werften, sondern auf ein bestimmtes Sortiment. Wer sich rechtzeitig in der Produktion umgestellt hat, kann seine Werft auch auslasten.

Der Wettbewerbskommissar hat auf eine entsprechende Anfrage des Europaabgeordneten Dr. André Brie deutlich gesagt, dass aus seiner Sicht die Probleme des ostdeutschen Schiffbaus nicht ausschließlich in den cgt-Begrenzungen liegen, sondern in der fehlenden Anpassung an die weltwirtschaftlichen Konkurrenzbedingungen. Einer solchen Kritik sollten wir uns und auch die Werften ernsthaft stellen. Die Ursachen dafür wurden, wie gesagt, bereits 1992 geschaffen. Mit diesem Erbe müssen wir bei allem Blick in die Zukunft und auf die heutigen Probleme aber ehrlich umgehen und uns auch trauen, dies den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Werft in Wismar zu sagen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Gehen Sie mal hin da!)

Dazu komme ich noch.

Gleich nach der Regierungsübernahme 1998 hat die SPD-geführte Bundesregierung einen Koordinator für die maritime Wirtschaft eingesetzt, der die Prozesse um Häfen, Schiffbau und Seewirtschaft koordiniert und die Verhandlungen mit der EU intensiv unterstützt. Nach der Ablehnung des Antrages wurden die Verhandlungen weitergeführt. Das wurde hier umfänglich durch den Wirtschaftsminister deutlich gemacht. Ich sage ganz deutlich, dass wir die Vorschläge, die hier ausgearbeitet wurden, auch als PDS in diesem Landtag unterstützen,

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

denn es sind Vorschläge erarbeitet worden, die zur Stabilität im gesamten Schiffbaubereich führen können. Die im Land zu schaffenden Voraussetzungen für die Verbesserung der Situation der Werften unter Einhaltung der durch die Verhandlungsergebnisse erzielten Kapazitätsbegrenzungen wurden mit der Vereinbarung der Werften zur Übertragung zeitweilig nicht genutzter Kapazitäten geschaffen. Wir hoffen, dass die EU-Kommission diesem Verfahren zustimmt, und wir nutzen auch als PDS unsere Möglichkeiten, dies zu unterstützen.

In der kommenden Woche wird die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken in Schwerin tagen. Wir haben es geschafft, dass die Abgeordneten aus zehn europäischen Ländern die Möglichkeit haben werden, direkt auf der Werft in Wismar mit dem Betriebsrat und der Geschäftsführung der Werft in Wismar in Gesprächen über die Situation zu diskutieren, um auch den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes aus anderen europäischen Ländern mal deutlich zu zeigen, wo unsere Probleme hier liegen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und wenn wir alle unsere Möglichkeiten nutzen und unser Mögliches tun, werden wir auch gemeinsam Lösungen für den wichtigsten Industriezweig in MecklenburgVorpommern finden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Riemann von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Riemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Analyse der Vorredner angucke,

(Andreas Bluhm, PDS: Der Reden oder der Redner? – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

so habe ich wenig Hoffnung für unsere Werften. Da ist kein Feuer,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Oh, Herr Riemann! – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

da ist keine Leidenschaft, da ist keine Durchsetzungsfähigkeit im Interesse unserer Werften. Da werden die Probleme mit Telefonen und Briefen behandelt, anstatt direkt vor Ort auch mal auf den Tisch zu hauen in Brüssel und Berlin.

(Heiterkeit und Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Peter Ritter, PDS: Herr Riemann, wir haben erst gestern über Hörschäden debattiert! – Karsten Neumann, PDS: Show löst es auch nicht.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kurzarbeit in Wismar. Und wenn Sie sagen, ich habe keine Ahnung – ich habe die Peene-Werft in Wolgast seit 1992 begleitet.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ja, ja, der Erfolg ist Ihr Verdienst, ja, ja!)

Wir waren in Berlin bei der Treuhand, wir waren beim Ministerpräsidenten – Betriebsrat und Werftleitung gemeinsam –, damit wir diese Werft erhalten, denn niemand hat die Peene-Werft in diesem Land beim Bund und in der EU gebraucht,

(Gerd Böttger, PDS: Aber Sie!)

außer wir in Wolgast. Und das will ich so deutlich sagen, wenn Sie mir vorwerfen, ich hätte keine Ahnung. Da standen Ihre Genossen vor dem Werfttor. Da war ich in der Werft und habe mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat geredet.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS – Angelika Gramkow, PDS: Wir waren genauso in der Werft wie Sie, Herr Riemann!)

Kurzarbeit in Wismar, die Alarmglocken läuten wieder einmal über den Werften des Landes. Der Landeswirtschaftsminister Ebnet begrüßt die schon lange bestehende Kooperation der Werften. Beim Besuch vor dreieinhalb Wochen auf der Peene-Werft gemeinsam mit dem CDUFraktionsvorsitzenden Rehberg wurde deutlich, die Werften im Land erwarten von der Politik Hilfe und Unterstützung statt vollmundiger Versprechungen seit Jahren aus Berlin und Schwerin. Statt vollmundiger Versprechungen, meine Damen und Herren!

(Gerd Böttger, PDS: Erst seit drei Jahren?)

Es ist doch nicht normal, und das sage ich hier so deutlich, es ist kostentreibend, wenn 60 Mitarbeiter der Werft in Wolgast Woche für Woche in Bremen Schiffbauaufträge abarbeiten, die Wolgast akquiriert hat. Und ich habe mir einmal die Mühe gemacht, meine Damen und Herren, alle Presseerklärungen, alle öffentlichen Versprechungen dieser Landesregierung seit 1999 zu den Lockerungen der Kapazitätsbeschränkungen anhand der „Pressespiegel“ und Pressemitteilungen durchzusehen. Und, meine Damen und Herren, es sind mehr als 130 Mitteilungen über die letzten drei Jahre, Mitteilungen, wenn man sie heute einmal an dem tatsächlich Erreichten misst, die vom Versagen der Bundes- und Landesregierung künden

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und die sich in dem Zitat des Rostocker IG-Metallvertreters Rüdiger Klein zusammenfassen lassen: „Wenn Südkorea die deutschen Autohersteller ebenso schocken würde wie die Schiffbauer, dann würde sich der Bundeskanzler Schröder die Hacken ablaufen.“ – OZ vom 06.11.1999.