Protocol of the Session on June 27, 2001

Das wollen wir nicht machen. Wir haben dieses Gesetz reformiert. Das Gesetz wird zeitnäher dadurch, es wird moderner. Sie können mit diesem Gesetz klarer auch in der Öffentlichkeit auf akute Problemfälle reagieren. Ihre Tendenz, wie gesagt, ist nicht zukunftsweisend, Ihre Tendenz ist eine Verweigerung, den Schutz des Grundgesetzes zukünftig stärker herauszustellen, und Ihre Tendenz beinhaltet auch eine Verweigerung gegenüber der Stärkung demokratischer Strukturen. Aber auch ohne diese von Ihnen vorgetragenen Ablehnungen werden wir dieses Gesetz passieren lassen hier im Parlament. Ich bin sicher, dass es Mehrheiten findet. Aus meiner Sicht gibt es keine ernst zu nehmenden Ablehnungsgründe Ihrerseits, die wir noch besprechen müssten. Aus meiner Sicht ist das Gesetz zukunftsweisend und deshalb wird es auch die Arbeit des Verfassungsschutzes in Zukunft besser gestalten und besser kontrollieren. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, Siegfried Friese, SPD, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Körner, Sie haben sich mehr mit den Bedenken der Opposition und mit den Vorschlägen der Opposition befasst als mit dem Gesetzestext und mit dem Inhalt des Gesetzes. Ich habe hier nicht die Zeit, Ihnen das im Einzelnen zu erklären. Ich verweise auf die Beschlussempfehlung und die Motivation. Dafür steht zum Beispiel, dass wir meinen, dass nicht nur gewalttätige Bestrebungen gegen unsere Verfassung vom Verfassungsschutz beobachtet werden müssen, sondern auch solche, die sich sehr hübsch und sehr fein in Nadelstreifen kleiden, die aber genauso gefährlich sind, für ein demokratisches System vielleicht noch gefährlicher. Dies nur zu dem einen Punkt.

Der bisherige Gesetzestext hält sich im Textzusammenhang mit dem entsprechenden Gesetz des Bundes und der anderen Bundesländer und ich würde sagen, dieses Gesetz hat sich bewährt. Novellierung ist immer dann angesagt, das ist richtig, wenn sich Dinge verändert haben. Ich habe, als ich hier eingangs bei der Ersten Lesung sprach, gesagt, nach dem, was wir vorher in der Zeitung gelesen hatten und den Entwurf dann betrachtet haben, haben wir sagen können, habe ich persönlich gesagt angesichts der früheren Äußerung, es hätte noch schlimmer kommen können. Wenn ich heute dazu spreche, kann ich Ihnen sagen, es ist, was die drohende Schwächung des Verfassungsschutzes angeht, in der Tat schlimmer gekommen. Wenn dieser Gesetzentwurf so beschlossen wird – und Sie haben ja schon vorsorglich für alle Mitglieder Ihrer beiden, nein, Ihrer und einer zweiten

Fraktion gesprochen –, dann ist das ein erheblicher Schlag gegen die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes in unserem Lande und ein erheblicher Schlag gegen seine Aufgabe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Er wird danach nur ein zahnloser Tiger sein.

Mir ist klar, dass Sie das hier auch im Ausschuss so behandelt haben, weil ich weiß, dass die Änderungen, die noch in letzter Minute, nämlich am 15. Juni, von Ihnen vorgebracht und dann auch mit Ihrer Mehrheit beschlossen worden sind, auf Druck der PDS-Fraktion kamen.

Das ist die Änderung des Paragraphen 28, wo es um den Beschluss geht, dass die Parlamentarische Kommission beschließen kann, Dinge, die vertraulich eingebracht worden sind, öffentlich zu behandeln. Wir haben dagegen überhaupt nichts. Wir haben etwas dagegen, dass es nunmehr eine so erhebliche Schwächung der Verfassungsschutzbehörde und des Ressortchefs gibt, dass dieser praktisch nicht mehr widersprechen kann. Ihre Formulierung, wie sie jetzt auch in der Beschlussempfehlung steht, wird die Zusammenarbeit unserer Verfassungsschutzbehörde mit den Behörden des Bundes und der anderen Länder nahezu ausschließen. Es dürfte auch jedem einleuchten, dass diese Behörden keine Informationen, die des Quellenschutzes bedürfen, in Zukunft mehr an unsere Verfassungsschützer geben, und zwar deshalb, weil sie befürchten müssen, dass sich die Parlamentarische Kontrollkommission über den erforderlichen Quellenschutz – und so ist der Gesetzestext – mit einfachem Beschluss hinwegsetzen kann, ohne dass der Innenminister die Möglichkeit hat, dem zu widersprechen.

Und, meine Damen und Herren, wenn man berücksichtigt, dass Verfassungsfeinde sowohl aus dem linksextremistischen wie aus dem rechtsextremistischen Lager eine bundesweite Vernetzung aufgebaut haben, dann ist das das Ende eines wirksamen Verfassungsschutzes. Es wird sicherlich auch Ihr Geheimnis bleiben müssen, wie bei einer solchen Schwächung des Geheimschutzes unserer Verfassungsschutzbehörde noch Informanten in der links- oder rechtsextremistischen Szene gefunden werden sollen. Schließlich müssen sie im Falle ihrer Aufdeckung konkrete Gefahren für Leib und Leben fürchten. Wenn man jetzt bedenkt, dass der Ausgangspunkt dieser Überlegungen – und das war in der Landtagsdebatte seinerzeit sehr deutlich – die Aufhebung dieses Geheimschutzes ganz schlicht war, weil nämlich deutlich wurde – und das kam auch aus den Fraktionen der Koalition –, dass der Innenminister Dr. Timm erhebliche Unsicherheiten dabei gezeigt hat, wann und in welchem Umfang er verpflichtet ist, die Parlamentarische Kontrollkommission über wichtige Vorkommnisse beim Verfassungsschutz zu informieren. Herr Körner hat das ja leicht gestreift. Er hat gesagt, damit man da auch sagen kann, dass Vorwürfe nicht berechtigt sind. Es war so. Die Unsicherheit des Innenministers hat zu dieser Diskussion geführt. Dann kann ich nur sagen, Herr Innenminister, für den Schaden, den Sie dem Verfassungsschutz jetzt mit der Mehrheit der Koalition zufügen wollen, sind Sie persönlich durchaus verantwortlich. Wir sind, um das auch hier deutlich zu sagen, der Auffassung, dass die bisher geltende Geheimhaltung der Beratung der Parlamentarischen Kontrollkommission zum Schutz der Arbeitsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist.

Von den schon in der Ersten Lesung angesprochenen gravierenden Fehlern des Regierungsentwurfs – und Herr Körner ist darauf stolz, das hat er uns eben gesagt – ist

keiner behoben worden. In Zukunft soll es zum Beispiel entgegen unserem Antrag keine Beobachtung fortwirkender Strukturen des MfS oder anderer Geheimdienste des früheren Warschauer Paktes mehr geben. Wir wissen, dass diese Bedrohungen nach wie vor bestehen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Woher wissen Sie das eigentlich? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ja, ja, ja!)

Darüber darf ich nicht sprechen, Herr Schoenenburg. Sie haben das hier mal sehr deutlich gesagt. Aber fragen Sie mal den Innenminister. Sie werden ja möglicherweise in Kürze in der PKK vertreten sein.

Wir wissen, dass diese Bedrohungen bestehen. Und wenn Sie den Einwand erheben – und das erwarte ich –, dass die Beobachtung geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht nach wie vor auch nach diesem Gesetz zum Aufgabenbereich gehört, dann sage ich im Voraus, dieser Einwand wäre sehr naiv. Angesichts der großen Anzahl ehemaliger Mitarbeiter dieser Geheimdienste hat sich ein Geflecht von staatlich initiierten oder ohne staatlichen Auftrag handelnden Geheimorganisationen entwickelt, die nach wie vor eine große Bedrohung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie auch des Schutzes der Wirtschaft vor der Ausspähung von Betriebsgeheimnissen darstellen. Der Preis, der hier für die Zustimmung der PDS-Fraktion zu dem Gesetzentwurf gezahlt werden soll, ist viel zu hoch.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Meine Damen und Herren! Herr Körner hat sich gewundert über unseren Antrag, dem Verfassungsschutz Aufgaben im Bereich der vorbeugenden Aufklärung organisierten Verbrechens geben zu wollen. Meine Damen und Herren, man kann sich da nur wundern, wenn man nicht auf der Höhe der Zeit ist. Ich empfehle, einmal die Protokolle der IMK nachzulesen. Ich verweise auf die Vorschläge, die zur Beschlussfassung des Arbeitskreises 2 und 4 der Innenministerkonferenz geführt haben. Der Hintergrund ist doch wohl klar. Gerade der Übergang zwischen geheimdienstlichen Tätigkeiten der eben genannten Art fortwirkender Strukturen zur organisierten Kriminalität ist absolut fließend. Wir müssen außerdem mehr und mehr beobachten, dass organisiertes Verbrechen in der Form von Verbrecherkartellen die innere Sicherheit unseres Staates bedrohen. Wir haben deshalb vorgeschlagen, den Verfassungsschutz auch – und das sage ich jetzt wörtlich – in die Vorfeldbeobachtung dieser Strukturen mit einzubeziehen. Die derzeitige Situation ist doch dadurch gekennzeichnet, dass beim Verfassungsschutz im Rahmen seiner Tätigkeit zwar Erkenntnisse anfallen, dass aber auf der Grundlage der Gesetzeslage der Verfassungsschutz an der weiteren Aufklärung nicht mitwirken kann. Das bedeutet, für unsere Polizei stehen diese Erkenntnisse dann zur Bekämpfung organisierten Verbrechens nicht zur Verfügung. Übrigens vom Trennungsgebot her, das auf einem Alliiertenbeschluss beruht, ist hier überhaupt nichts anderes zu beobachten als das, was zulässig wäre. Niemand will dem Verfassungsschutz exekutive Befugnisse bei der Verbrechensbekämpfung zumessen.

(Gerd Böttger, PDS: Aber das ist der erste Schritt! Aber das ist der erste Schritt!)

Nein. Sehen Sie, das ist das, da kommen Sie aus einem System, das diese Rechtsstaatlichkeit vielleicht doch nicht ganz ernst nimmt. Was in einem Gesetz steht, ist …

(Gerd Böttger, PDS: Jaja. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Also, wir sind immerhin schon zwölf Jahre fast hier.)

Ja, vielleicht dauert es doch noch ein bisschen.

Die Rechtsstaatlichkeit …

(Gerd Böttger, PDS: Ja, bis zum Tod, das ist klar.)

Nein, nein. Wenn Sie sich ein bisschen bemühen, geht’s besser, Herr Böttger.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wir legen aber gar nicht so großen Wert auf gute Zensuren von Ihnen!)

Aber nur noch mal zu Ihrer Frage. Die Rechtsstaatlichkeit …

(Gerd Böttger, PDS: Aber nicht, um Ihnen zu gefallen. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Bienchen von Dr. Jäger brauchen wir nicht.)

Die Rechtsstaatlichkeit ist der oberste Grundsatz bei der Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz. Und wenn wir als Gesetzgeber dieses genau in das Gesetz hineinschreiben, so, wie unser Antrag war, dann gibt es keine exekutiven Befugnisse. Aber der Unsinn hört auf, dass wir eine Grauzone da haben, dass der Verfassungsschutz etwas weiß, was organisiertes Verbrechen oder Einzelverbrechen angeht, und der Innenminister sich gehindert sieht, das, was er weiß, auch weiterzugeben. Und genau das wollen wir nicht, weil wir glauben, dass wir uns das nicht mehr leisten können.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das muss ja auch jetzt nicht sein.)

Und wenn Sie wirklich glauben, dass diese Bedrohung nicht ernst zu nehmen ist, dann sehen Sie mal in die Länder, in denen neben den legalen Strukturen mittlerweile eine Schattenwirtschaft organisierten Verbrechens wirklich die Regel geworden ist. Ich glaube, Sie verschließen bewusst hier die Augen vor einer Bedrohung.

Ja, Herr Körner, was die Parlamentarische Kontrollkommission angeht, Sie haben da, glaube ich, etwas übersehen. Es war bisher schon möglich, dass alle Fraktionen in dieser Parlamentarischen Kontrollkommission vertreten sein konnten. Dazu braucht man das Gesetz nicht zu ändern. Sie verwechseln hier Wirkung und Ursache. Die PDS hat gesagt, wenn ihr das Gesetz in bestimmten Punkten, die wir so haben wollen, ändert, dann gehen wir in die Parlamentarische Kontrollkommission. Habe ich verstanden aus Ihrer Sicht. Sie sehen da bestimmte Dinge aus Ihrer Sicht änderungsbedürftig und dann wirken Sie mit. Aber zu sagen, dass das Gesetz das bisher nicht zuließ, das wäre falsch. Das möchte ich hier klarstellen. Aber Sie haben diese Mitwirkung an bestimmte Bedingungen geknüpft. Der Regierungsentwurf, zumindest in der Fassung der Beschlussempfehlung, erfüllt sie brav. Und nachdem sich der Innenminister und die SPD diesen Forderungen gebeugt haben, nachdem der Leiter der Verfassungsschutzbehörde trotz seiner gegenüber drei Innenministern, und zwar unterschiedlicher Parteicouleur, bewiesenen Loyalität und Fachkunde als politischer Beamter in den Ruhestand versetzt worden ist,

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Das ist ja infam, Herr Jäger, in diesem Zusammenhang!)

wollen nun Mitglieder,

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Sie wissen genau, dass das nicht stimmt, was Sie sagen!)

wollen nun Mitglieder der PDS-Fraktion auch im Kontrollgremium mitwirken.

Meine Damen und Herren, wenn Sie das wollen, warum gehen Sie nicht den einfachen Weg? Dieser Landtag kann ohne weiteres die Erhöhung der Anzahl der Mitglieder der Kontrollkommission beschließen und dann die Mitglieder nachwählen. Aber mir ist deutlich geworden, in den Ausschussberatungen haben Sie gesagt, wir sind uns über die endgültige Zahl noch nicht einig. Meine Damen und Herren, ich kann hier nur den mahnenden Finger heben. Wir halten das für äußerst bedenklich, dass Sie in der laufenden Legislaturperiode in die Rechte der gewählten Mitglieder eingreifen und den Ihnen aufgezeigten verfassungskonformen Weg, den wollen Sie offenbar nicht gehen.

Hier liegt – und das sage ich auch mit vollem Ernst – die Vermutung nahe, dass Sie wieder so einen parteitaktisch motivierten Trick vorhaben. Sie sollten aus der jüngsten Entscheidung des Landesverfassungsgerichts jetzt endlich die Lehren ziehen.

Herr Dr. Jäger, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Körner?

Gern, am Schluss meiner Ausführungen.

Meine Damen und Herren, ich bin ohnehin bald am Schluss.

(Reinhardt Thomas, CDU: Er kann stehen bleiben.)

Ich möchte deutlich sagen, es besteht zu Recht eine lange parlamentarische Tradition, dass politisch empfindsame Gesetze – und dazu gehört die Regelung über die Kontrolle und die Befugnisse des Verfassungsschutzes sicher – nicht einfach so mit Mehrheit beschlossen werden. Wir haben – und das werden Sie mir bestätigen – bereits in der Ersten Lesung sowie in den Ausschussberatungen durchaus deutliche Signale gesetzt, dass wir hier mitwirken würden und könnten. Sie haben dies nicht aufgenommen. In der letzten Beschlussfassung des Innenausschusses und damit in der Beschlussempfehlung ist der Gesetzentwurf hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes sogar noch erheblich verschlechtert worden. Daran wollen wir nicht mitwirken. Wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich bin jetzt zu der Frage bereit.

Bitte sehr, Herr Dr. Körner, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Dr. Jäger, Sie haben gerade den Wechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes in den Zusammenhang mit der Novelle des Gesetzes gestellt. Wir hatten darüber ein ausführliches Gespräch mit dem Innenminister. Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit dieser Aussage lügen?

(Reinhardt Thomas, CDU: Oh!)

Also, Herr Kollege Körner, ich warne Sie, das sage ich von hier aus, Ihre Wortwahl ein bisschen besser zu überlegen. Ich habe gesagt, dass,

nachdem das Gesetz im Sinne der PDS verändert worden ist, zwischenzeitlich der Leiter der Verfassungsschutzbehörde – Sie können das dann nachlesen im Protokoll –,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)