Protocol of the Session on June 27, 2001

Ich habe schon mal auf das Beispiel der kleinen und der großen Packungsgrößen hingewiesen. Eins ist doch ganz klar und deutlich, meine Damen und Herren: Dort, wo Eigenverantwortung einsetzt, und wenn es über das eigene Portemonnaie ist, führt es auch dazu, dass im Interesse aller weniger verbraucht wird. Was hatten Sie denn an den Regelungen auszusetzen? Chronisch Kranke waren außen vor, es gab die Sozialklausel. Dann führen wir doch diese Regelungen wieder ein, denn das sozial Ungerechteste, Herr Rißmann, – und das ist für mich nicht nur Diskussionsstoff – ist eine Beitragserhöhung für alle.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Das ist für mich das sozial Ungerechteste, was es im Augenblick gibt.

Ihr Parteikollege Herr Gerster, das ist der Sozialminister aus Rheinland-Pfalz, hat sich ja gestern in einer interessanten Art und Weise geäußert. Ich kann ihm nur zustimmen. Auch wir müssen eine Mischung anstreben zwischen medizinischer Grundversorgung und warum nicht

Bestandteilen, die jeder eigenverantwortlich tragen muss. Muss die Gesamtgesellschaft für alle alles tragen? Das ist doch hier die Frage. Wo sind wirklich die Kostentreiber im Gesundheitswesen? Und ist es heute wirklich so, dass der, der sich gesundheitlich vernünftig verhält, auch von den Kassen belohnt wird für sein Verhalten? Herr Rißmann, Sie wissen ganz genau, dass Diabetiker sämtliche Hilfsmittel zur Blutzuckerkontrolle selber bezahlen müssen. Mich bedrückt das nicht. Ich kann mir das leisten. Es sind für den Normalsterblichen 1.200 DM im Jahr dafür, dass er sich selber kontrolliert. Das hat doch nichts mit Prävention und Vorsorge zu tun. Das ist doch schlichtweg Dummheit, wenn man nicht dem Einzelnen die Möglichkeit gibt, an sich selber Maßstäbe anzulegen und sich zu kontrollieren.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Aber die Medikamente, um die Krankheit zu behandeln, die kriegen sie alle aus der Solidargemeinschaft. Hier müssen wir ansetzen

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

in der Debatte, dass sich gesundheitlich verantwortliches Leben, wenn man krank ist, auch wirklich lohnt.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Das ist nur ein Beispiel, das ich hier anführen kann, weil mich das unter anderem auch selber betroffen hat. Natürlich müssen wir auch über die Einnahmenseite nachdenken und hier sind wir offen in der Diskussion. Es muss sicher grundsätzlich bei der Lohnanbindung bleiben, aber warum nicht auch die Heranziehung sonstiger Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze? Es wird aber nicht so sein können, dass wir die Ausgabenseite ungebremst lassen – dieses System wird nicht funktionieren – und die Einnahmenseite ständig anpassen müssen. Dies, meine Damen und Herren, wird bei der Gesundheitspolitik nichts werden.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass gerade wir in Mecklenburg-Vorpommern sehr hohe Krankenkassenbeiträge haben, nicht nur bei der AOK. Und, Herr Kollege Rißmann, Herr Glawe hat darauf hingewiesen, uns fehlen 40.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, denn die Kaschierung der Statistik, dass jemand, der im Sport Übungsleiter ist, zweimal gezählt wird – auf seiner normalen Arbeitsstelle und im 630-DMVerhältnis –, führt uns in der Grundsumme bei den Krankenkassen nicht weiter. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Harry Glawe, CDU: Genau so ist das.)

Insoweit stimmen die Zahlen hinten und vorne nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

40.000 weniger Beschäftigungsverhältnisse im vollen sozialversicherungspflichtigen Bereich haben wir in Mecklenburg-Vorpommern.

Lassen Sie mich auch noch einen Satz zur Altersstruktur sagen. Ich bin sofort fertig. Uns gehen die jungen Leute weg und es kommen ältere dazu. Insoweit verschiebt sich schon insgesamt – auch wenn das in den Arzneimitteln nicht deutlich wird – die Struktur in den einzelnen Altersbereichen. Deswegen, meine Damen und Herren, zum Schluss: Das Ziel kann man nur durch mehr Wettbewerb, mehr Eigenverantwortung, mehr Transpa

renz erreichen, aber in der Grundlage durch Solidarität. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen.

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Wer seinem Land samstags ein paar Milliarden Mark mehr verschafft, der darf sonntags vergnügt sein“, schrieb eine große deutsche Tageszeitung am Montag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Da dürfen Sie auch ein bisschen lächeln.)

Demnach gilt, wer seinem Land mehr als nur ein paar Milliarden mehr verschafft, der darf auch am heutigen Mittwoch noch vergnügt sein.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir alle gemeinsam haben Grund zur Freude. Die am Wochenende zwischen Bund und Ländern gefundene Einigung über den Finanzausgleich und den Solidarpakt II ist eine tragfähige Basis zur Schaffung gleichwertiger wirtschaftlicher und sozialer Lebensverhältnisse in West und Ost. Die Einigung ist eine gute Basis, um den Aufbau Ost langfristig auf eine verlässliche Grundlage zu stellen, und ganz besonders ist es ein Erfolg für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Solidarität zwischen West und Ost wird fortgeschrieben. Diese Solidarität war durch die Klage der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht und auch in den Bund-Länder-Verhandlungen in Frage gestellt worden. Bis 2020 ist nun das System des bundesstaatlichen Finanzausgleiches einschließlich des Solidarpaktes klargestellt und klar geregelt. Die aufgabengerechte Finanzausstattung unseres Landes ist mittelfristig gesichert, ein Grund für mich und, ich denke, auch für andere zu echter Freude.

An zentraler Stelle für Mecklenburg-Vorpommern bei den Verhandlungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich stand die Fortsetzung des Solidarpaktes als Rückgrat unserer Finanzausstattung. Es zeigt sich nun, es war richtig, den Finanzbedarf zur Schließung der Infrastrukturlücke durch renommierte unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitute errechnen zu lassen. Auf rund 300 Milliarden DM belief sich die geschätzte Größenordnung. Das erzielte Ergebnis zeigt, wir haben uns politisch durchgesetzt. Entgegen zunächst bestehender Befürchtungen einer deutlichen Leistungskürzung konnte insgesamt für den Osten für eine Laufzeit von 15 Jahren ein Gesamtvo

lumen von 306 Milliarden DM gesichert werden und das ist ein großer Erfolg für alle neuen Bundesländer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Von Bundeskanzler Schröder stammt die Feststellung: „Es gibt in Deutschland einen Experten, der hat den Länderfinanzausgleich verstanden, kann ihn aber nicht erklären. Es gibt einen anderen, der kann ihn erklären, hat ihn aber nicht verstanden. Nur Hans Eichel kann beides.“

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Nun, meine Damen und Herren, da ist wohl etwas Wahres dran, doch entscheidend ist meines Erachtens, was unter dem Strich steht. Und was für Mecklenburg-Vorpommern unter dem Strich steht, das kann ich Ihnen ganz genau erklären. Im Einzelnen wurde für den Solidarpakt Folgendes vereinbart:

Erstens. Zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten werden durch den Bund für weitere 15 Jahre insgesamt 206 Milliarden DM in Form von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zur Verfügung gestellt. Davon ist ein Betrag von 144,5 Milliarden DM für die Schließung der Infrastrukturlücke vorgesehen. Weiterhin stellt der Bund von dieser Gesamtsumme einen jährlichen Festbetrag von 3,7 Milliarden DM zur ergänzenden Deckung der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft zur Verfügung. Das sind insgesamt 55,5 Milliarden DM und das stärkt unsere Investitionskraft.

Zweitens. Zugleich fallen zukünftig bürokratische Regelungen der Zweckbindungen des IFG weg. Damit können die Länder – und das schon ab 2002 – eigenverantwortlich über Mittel in Höhe von 6,6 Milliarden DM jährlich entscheiden. Die genannten Mittel wurden in die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen eingegliedert. Sie können durch die Länder nunmehr voll in Eigenverantwortung eingesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Verfügbarkeit der Mittel für uns bedeutet, dass wir selbst entscheiden, ob wir eine Schule fördern, ob wir eine Straße sanieren oder die Wohnungssanierung weiter vorantreiben. Hier ist ein von uns allen gewünschter Beitrag zum Abbau von Bürokratie erfolgt und das ist ja nicht so häufig in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Drittens. Die vorgesehene jährliche Degression für diese Finanzmittel konnte in den ersten Jahren der Laufzeit bis einschließlich 2008 äußerst moderat vereinbart werden und steigt dann bis 2019 deutlich an. Und das heißt für uns ganz klar, der eingeschlagene Kurs der Haushaltskonsolidierung und der kontinuierlichen Rückführung der Neuverschuldung muss konsequent fortgesetzt werden. Es heißt gleichzeitig, die Schwerpunktsetzungen für die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung unseres Landes müssen jetzt erfolgen. Auch dies ist eine Botschaft vom Wochenende.

Viertens. Durch die besondere Initiative MecklenburgVorpommerns ist es gelungen, den Rahmen von 200 Milliarden DM auf 206 Milliarden DM zu erhöhen. Das bedeutet eine Entlastung Mecklenburg-Vorpommerns in Höhe von 35 Millionen DM jährlich.

Meine Damen und Herren! Der Aufbau Ost ist für diese Bundesregierung Chefsache, denn zu dem guten Ergebnis hat letzten Endes nicht zuletzt der Bundeskanzler selbst durch seine konstruktive Verhandlungsführung beigetragen. Ich danke aber auch den alten Bundesländern, die diesen Solidarpakt II mittragen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung in ihrer Haushaltspolitik weiterhin überproportionale Investitionen und Leistungen zur Überwindung des teilungsbedingten Infrastrukturrückstandes und zur Wirtschaftsförderung für die ostdeutschen Länder gewährleisten. Vereinbart ist für die Laufzeit des Solidarpaktes II insgesamt ein Betrag von 100 Milliarden DM.

Meine Damen und Herren! Mit dem Solidarpakt II haben wir endlich Planungssicherheit. Wir haben einen Generationenvertrag für die Vollendung der Deutschen Einheit geschlossen und die damit verbundenen großen Chancen, aber auch die Aufgabe der endgültigen Überwindung der Folgen der deutschen Teilung nach einer Generation liegen nun bei uns. Die Regierungschefs der ostdeutschen Länder haben erklärt, dass ab 2020 ein teilungsbedingter infrastruktureller Nachholbedarf nicht mehr geltend gemacht werden wird. In 20 Jahren muss ein aus eigener Kraft getragener Aufschwung und ein Entwicklungsstand der Wirtschaft erreicht sein, der ohne überproportionale Hilfen vom Bund die eigenen Einnahmen sichern kann. Nach 20 Jahren wird dann der gesamte Länderfinanzausgleich völlig neu verhandelt. Es gilt nichts mehr, was bis dahin gegolten hat. Dann gibt es keine Sonderregelung mehr für die neuen Länder, dann ist Mecklenburg-Vorpommern ein erfolgreiches Land unter anderen, davon gehe ich aus.

Meine Damen und Herren! Mit ihren Klagen gegen das Finanzausgleichsgesetz und die Infragestellung der Angemessenheit des Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder, die durch das Grundgesetz garantiert wird, hatten die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen das solidarisch gestaltete bundesstaatliche Finanzausgleichssystem in Frage gestellt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Oktober 1999 enthielt den Auftrag an den Gesetzgeber, in einem zweistufigen Verfahren bis zum 01.01.2003 zunächst ein Maßstäbegesetz zur Konkretisierung der Steuerverteilungs- und Ausgleichsgrundsätze und darauf aufbauend bis zum 01.01.2005 ein neues Finanzausgleichsgesetz zu verabschieden. Dabei forderte das Bundesverfassungsgericht eine verfassungsgerechte Ausformung der Maßstäbe. Das Urteil enthielt aber keine konkreten Änderungsaufträge für die materielle Neuregelung. Das ist oft gerade von den Südländern falsch der Öffentlichkeit dargestellt worden.

Bei den Verhandlungen stand für das Vorsitzland Mecklenburg-Vorpommern der Grundsatz im Vordergrund, dass es bei der Reform der Finanzbeziehungen keine großen Gewinner und keine großen Verlierer geben darf. Eine Schlechterstellung der ostdeutschen Länder musste verhindert werden. Dies ist gelungen. In dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten neuen Finanzausgleichssystem ist eine Lösung gefunden worden, mit der, glaube ich, alle Länder leben können. Die Interessen unseres Landes konnten erfolgreich umgesetzt werden, und der Versuch der Geberländer, den finanzschwachen Ländern die Zuweisungen zu ihren Gunsten zu kürzen und sich aus der Solidarität zu verabschieden, ist gescheitert. Wettbewerb ja, aber reiner Wettbewerbsföderalismus nein.

Ich glaube, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber als Wortführer der Südstaaten hat sich mit seinem

Vorstoß, die Solidarität aufkündigen zu wollen, als potentieller Kanzlerkandidat keinen besonders guten Gefallen getan. Als Kanzlerkandidat muss man die Interessen aller Deutschen vertreten.

Dass es dennoch letztlich zu einer Einigung zwischen Bund und Ländern kam, dafür gebührt der Bundesregierung Dank. Ermöglicht wurde sie, weil der Bund 1,5 Milliarden DM zusätzlich ins System einspeist und mit einer weiteren Milliarde über die Tilgungsstreckung des Fonds Deutsche Einheit für die alten Bundesländer zusätzliche Liquidität geschaffen hat.

Meine Damen und Herren, folgende Verhandlungsergebnisse sind für den Finanzausgleich nach zähen Verhandlungen erreicht worden und besonders hervorzuheben: