Das fällt sozusagen aus dem Drogenraster der CDU heraus. Die Sicherheitspolitik der CDU beginnt mit dem neuen deutschen Reinheitsgebot „Du sollst nicht kiffen“ und endet, wie die Knastologen sagen, bei Vater Philipp, dem Wegsperren und Sicherheitsverwahren. Und da sind wir nun heute angelangt.
Nun geht es also um die Sicherheitsverwahrung, das hatten wir freilich noch nicht. Die Landesregierung soll sich, so der Antrag, schleunigst in die Spur begeben und einer Bundesratsinitiative des Landes Hessen, so hieß es bis gestern, heute Bayerns anschließen. Nach bayerischer Auffassung soll ein Einsitzender auch dann sicherheitsverwahrt werden können, wenn erst während der Strafverbüßung klar wird, dass er ein außerordentlich böses Individuum ist. Dieser Mensch soll dann, so möchte es die CDU, mit einem sicherheitspolitischen Nachschlag in Form von Sicherheitsverwahrung bedacht werden. Und vielleicht sehen Sie in diesem Antrag auch gleich vor – was in Bayern übrigens höchst offiziell in CSU-Kreisen, die verantwortlich sind, diskutiert wird –, Voyeure, Entblößer härter anzufassen und in Sicherheit zu bringen, und vielleicht dehnen Sie es gleich auch noch auf weitere Verdächtige aus, zum Beispiel auf Fingernägelknabberer, Bettnässer, Hyperaktive, Pyromanen, Kleptomanen, Fetischisten und, was ich dann allerdings ganz besonders bedenklich finde, auch auf Linkshänder.
Die Regierung wird allerdings, davon bin ich überzeugt, einen Teufel tun, dieser Bundesratsinitiative zu folgen. Allerdings – das sage ich auch – wäre es schon ein ernst zu nehmendes Thema, über Sicherheitsverwahrung sachliche Erörterungen anzustellen.
Vieles spricht für die Abschaffung dieser Sicherheitsverwahrung oder zumindest für eine grundlegende Revision. Sie ist ein Notbehelf, weil es einen zahlenmäßig ganz geringen Kreis von Tätern gibt, dessen Persönlichkeit so deformiert ist, dass diese Täter zum eigenen Schutz und zum Schutze anderer im Maßregelvollzug festgehalten, vor allem aber behandelt werden müssen.
Wir stellen das Konstrukt, das sage ich ausdrücklich, so, wie es ist, der Sicherheitsverwahrung in Frage. Und die wissenschaftliche Literatur und die verschiedensten Kommentare stellen diese Institution und den Zuschnitt
der Sicherheitsverwahrung außerordentlich in Frage, denn die Sicherheitsverwahrung, das muss man hier auch mal ganz klar sagen, stammt aus der NS-Zeit. Kritiker weisen mehr als berechtigt darauf hin, dass auch nach den verschiedensten Revisionen in der Bundesrepublik Bestimmungen der NS-Sicherheitsverwahrung nahezu unverbrüchlich zum Kernbestand der jetzigen Vorschriften gehören. Ich halte es 55 Jahre nach dem Ende des Faschismus für ganz und gar fatal. Das betrifft vor allem die obligatorische Anordnung der Sicherheitsverwahrung bis zu zehn Jahren nach der Strafverbüßung, ferner, dass die Sicherheitsverwahrung auch ohne Vorstrafe verhängt werden kann, und es wird nach zwei Jahren die Fortsetzung nur geprüft, nicht aber neu entschieden. Das kann wie gesagt zumindest zehn Jahre lang nach Strafverbüßung fortgesetzt werden. Und dann bleibt die Fraglichkeit, dass ein Hang zum Verbrecher festgestellt werden muss – eine Formel, die nur den von den Faschisten erfundenen Gewohnheitsverbrecher einfach umstanzt.
Wie aber soll man einen Hang zum Verbrechen mit einiger Sicherheit feststellen, meine Damen und Herren? Das Problem ist, welcher Richter im konkreten Fall bei der Urteilsfindung mit Sicherheit die Prognose stellen kann, wie gefährlich ein Täter für die Zukunft sein kann. Diesbezüglich ist die CDU-Initiative schon überhaupt nicht hilfreich. Wie soll sich denn im Strafvollzug nachträglich die Gefährlichkeit zeigen und festgestellt werden? Wie soll sich unter den besonderen Bedingungen der Haft die besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit plötzlich herausstellen, wenn das schon zur Zeit der Urteilsfindung nicht möglich war?
Und es kommen doch wohl auch, wenn man so etwas ernstlich will, rechtsstaatliche Gesichtspunkte zum Tragen. Herr Minister Sellering machte darauf aufmerksam. Es bringt die Grundpfeiler des Strafrechts sozusagen um die Ecke, wenn man einen Straftäter, selbst wenn er das schlimmste Verbrechen begangen hat, später einfach als Zuschlag noch zusätzlich zur Sicherheitsverwahrung verdonnern kann. Das ist doch wohl ein Unding.
Darum besagt die gegenwärtige Rechtslage, an die wir uns auch halten sollten, ganz klipp und klar und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung kommt zu keinem anderen Schluss: Maßgeblich für die Sicherheitsverwahrung ist die Gesamtbeurteilung des Täters und der Tat zum Zeitpunkt der Verurteilung. Zum Zeitpunkt der Verurteilung! Und auch nur zu diesem Zeitpunkt und nicht später hat der Richter Erwägungen über die mögliche Prognose des Täters anzustellen und er hat seine Erwägungen anzustellen als Schlussfolgerungen aus den Tatsachen, die ermittelt wurden und die dem Gericht unterbreitet worden sind. Blauer Dunst und rein hypothetische zukünftige Erwägungen zählen nicht und ebenso können auch keine späteren Erkenntnisse zu einem Nachschlag mit Sicherheitsverwahrung führen. Wollte man das, wäre das eben abnorm rechtsstaatswidrig. Das heißt, meine Damen und Herren, sachlich-inhaltlich macht dieser Antrag der CDU, auch wenn er sozusagen gewürzt ist mit pikanten Details, keinen Sinn. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier gesagt worden ist zu unserem Antrag, das kann man oder konnte man früher vielfach so sehen. Dieser Antrag, der besagt, dass wir eine Lücke im Gesetz sehen, dass es Täter gibt, von denen der Richter zum Zeitpunkt der Beurteilung eine Prognose stellt und sagt, also das scheint ein sehr gefährlicher Täter zu sein, der müsste eigentlich nach seiner Verurteilung doch noch in die Sicherungsverwahrung, weil wir davon ausgehen können, dass er wahrscheinlich doch noch weitere Straftaten verübt.
Herr Dr. Schoenenburg, Sie haben völlig richtig gesagt, das Bundesverfassungsgericht sagt dazu, natürlich, selbstverständlich, nach jetziger Rechtslage muss die Feststellung im Urteil gemacht werden, wenn derjenige verurteilt wird, und zu diesem Zeitpunkt muss man auch die Prognose machen. Das alles hatte einen abschließenden Sinn zu einer Zeit, als wir noch wie vor 20 Jahren weitgehend nach dem alten Strafvollzugsrecht in den Anstalten gearbeitet haben, als nämlich noch der so genannte Verwahrvollzug vorherrschte. Aber seit der Veränderung des Strafvollzuges, seit dem Strafvollzugsgesetz Ende der 70er Jahre hat sich überall der Strafvollzug vom nur Wegschließvollzug, vom nur Verwahrvollzug …
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, ja, ja. Also Herr Thomas hat das hier schon öffentlich mehr- fach bedauert. – Götz Kreuzer, PDS: Ja, ja. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Doch.)
Der Behandlungsvollzug und die Veränderung des Strafvollzuges seit Ende der 70er Jahre sind ein Fortschritt und an diesem Fortschritt will niemand von uns vom Grundsatz her etwas ändern. Aber gerade bei diesem Behandlungsvollzug, diesem Vollzug, wo jemand psychiatrisch eventuell in einem Maßregelvollzug behandelt wird oder aber wo jemand pädagogisch, psychologisch behandelt wird und für die Resozialisierung unterstützt wird, lernt man einen Häftling natürlich ganz anders kennen als der Strafrichter, der die Ermittlungsakten hat von der Polizei, von der Kriminalpolizei, von der Staatsanwaltschaft, dann das Urteil spricht über die Tat, eventuell auch auf der Grundlage eines Gutachtens. Aber die Prognose für die Zeit, wenn er dann vier Jahre gesessen hat oder fünf Jahre gesessen hat, zu stellen, ist doch schwer. Dazu waren wir auch früher kaum in der Lage, als wir nur vom so genannten Verwahrvollzug ausgingen. Da aber heute, Herr Justizminister, der Vollzug ein ganz anderer ist, lernen wir die Psyche, die Fähigkeit, sich zu wandeln, die Fähigkeit, Resozialisierung wirklich auch aufzunehmen, lernen wir den Täter ganz anders kennen. Und wir haben – das allerdings in der Tat erst seit drei, vier Jahren, ich habe das auch schon früher behauptet – jetzt tatsächlich bei etlichen die Aussage der Ärzte, an den kommen wir nicht ran, der ist nicht therapierfähig. Das haben wir früher noch nie so gehört von den Ärzten und von den Medizinern.
Deswegen ist Ihre Einschätzung, Herr Justizminister, dass Sie gesagt haben, olle Kamellen von der CDU, das ist falsch. Da ist sozusagen die SPD-Fraktion, natürlich nicht der Justizminister, aber diese Auffassung ist etwas hinterm Monde.
Wir sind heute in der Kenntnis der Häftlinge wesentlich weiter und wesentlich besser dran als der Richter, der das erste Urteil spricht. Und wenn ich, dort, wo ich früher gewohnt habe, in Buchholz in der Nordheide, da kam der so genannte Heidemörder her, der – das ist lange durch die Zeitungen gegangen vor ein paar Jahren – hatte eine Ergotherapeutin, die hat ihn dann allein in eine Turnhalle gelassen, da ist er oben durchs Dach gegangen
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Den hat Herr Thomas ja auch schon zitiert. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)
an den kommen wir nicht ran, der ist nicht therapierfähig. Und in solchen Fällen, wo dann Tatsachen aufgetreten sind während des Vollzuges, wo wir jemanden während des Vollzuges wesentlich besser kennen gelernt haben und wo wir solche Aussagen von Gutachtern bekommen, da, meinen wir, ist eine Lücke in unserem Strafgesetzbuch. Wir sagen dann, er soll nicht zurück zum ursprünglichen Richter,
sondern zur Vollstreckungskammer und die Vollstreckungskammer muss – allerdings dann mehr als nur einer – ihrerseits noch mal ein Gutachten machen lassen. Und dann sind wir in der Prognose, wie gefährlich er ist, besser gestellt als der verurteilende Richter und wir sind heute wesentlich besser gestellt als urteilende Richter in früherer Zeit, die sich nicht auf eine solche intensivere Kenntnis des Straftäters stützen konnten. Deshalb meinen wir, dass wir diese Lücke schließen sollten.
Und wir haben bedauerlicherweise Täter – insbesondere Gewalttäter, aber auch Sexualstraftäter, da spielt das immer wieder eine Rolle –, von denen wir sagen müssen, hier ist es gefährlich, ihn wieder unter die Leute zu lassen. Für solche Fälle gibt es das Institut der Sicherungsverwahrung und in solchen Fällen, glaube ich, ist der Antrag gerechtfertigt, den die SPD-Mehrheit im Bundesrat in ähnlicher Weise von Hessen circa vor drei Monaten abgelehnt hat. Ein vergleichbarer Antrag liegt jetzt noch von Bayern im Bundesrat. Wir werden mehrfach damit kommen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und ich hoffe, es wird uns gelingen, dass wir Sie überzeugen können. Sie sollten sich nicht dem Vorwurf aussetzen, wenn wir einen gefährlichen Sexualtäter nach sechs Jahren Haft entlassen und zwei Jahre später oder ein Jahr später oder gar drei Monate später haben wir dann wieder ein Opfer zu beklagen. Ich glaube, das will sich niemand vorwerfen lassen. Deshalb hoffen wir, …
Mein letzter Satz: Ich hoffe jedenfalls, das werden Ihre Fragen vielleicht schon zeigen, dass Sie in dieser Hinsicht lernfähig sind.
Ja, Herr Helmrich, das Problem ist ernst und man muss es auch ernst behandeln – das vorausgeschickt. Aber meinen Sie, dass es mit Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist, dass es auf der Grundlage von Meinungen von Ärzten alleine dazu, dass man an jemanden nicht herankomme, gerechtfertigt sei, ohne ein weiteres Urteil jemanden zwei, drei, vier, fünf Jahre, von mir aus ein Leben lang wegzusperren? Kann das im Sinne des Strafgesetzes sein? Kann das im Sinne der Verfassung sein? Kann man – das kommt noch dazu – überhaupt Einschätzungen, Prognosen von Psychologen und von Ärzten so verifizieren, dass man von diesen Einschätzungen zu einer relativ großen Sicherheit kommen kann?
Herr Dr. Schoenenburg, wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, da sind wir uns sicherlich einig, dass alles menschliche Urteil fehlsam sein kann. Wir müssen dies deshalb rechtsstaatlich verantworten können und wir müssen zweitens das größtmögliche Maß an Sicherheit erreichen. Solche Prognosen haben wir im Strafrecht alle naslang. Und wir wissen aus den Geschehnissen von Stralsund, über die wir uns hier sehr bitter unterhalten haben, wie schwierig es ist, solche Gutachten sicher zu erstellen und Fehlleistungen zu vermeiden. Wir haben eingebaut nicht die Meinung irgendeines, nicht irgendeines Arztes, sondern ein ärztliches Gutachten und wir haben vorgesehen im Verfahrensrecht nicht einen Richter, nicht einen Richter, sondern die Strafvollzugskammer, so dass also mehr als einer darüber sitzt, und eben zusätzlich ein Gutachten. Wir haben ferner die Beteiligung des Betroffenen, seines Anwalts und außerdem natürlich gegen diese Entscheidung auch noch die Beschwerdemöglichkeit. Das ist vorgesehen. Ich kann Ihnen jetzt die Drucksache nicht genau sagen, aber ich könnte Ihnen das hier vorlesen. Im Übrigen, die üblichen Voraussetzungen sind auch im Paragraphen 66 Strafgesetzbuch – wir können heute ja schon Sicherungsverwahrung anordnen – enthalten. Ich glaube, dass wir alle rechtsstaatlichen Sicherheiten eingebaut haben in diesen Antrag.
Der Antrag ist genau wie der Ihre zur Unterstützung im Insolvenzrecht. Da hätten wir dann natürlich noch den ganzen Antrag bringen sollen. Er hat fünf, sechs Paragraphen sowohl zum Verfahren, aber das würde wahrscheinlich zu weit führen, wenn ich das jetzt im Einzelnen ausführe. Ich gebe Ihnen gerne noch mal den Antrag, so, wie er dem Bundesrat vorliegt, mit Begründung. Ich habe ihn hier.