Protocol of the Session on April 5, 2001

(Beifall und Unruhe bei einzelnen Abge- ordneten der CDU – Heidemarie Beyer, SPD: Das hat aber auch Gründe, Herr Rehberg. Die sind hier nicht von Ihnen genannt worden. Reden Sie uns die Möglichkeit, Zulieferindustrie zu kriegen, nicht kaputt! – Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch das Ziel.)

Frau Beyer, Frau Beyer, ich habe doch eben gerade für den Standort Mecklenburg-Vorpommern geworben. Sie haben mir nicht zugehört.

(Heidemarie Beyer, SPD: Doch, habe ich. Ich kann’s nur nicht so sehen wie Sie. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Bundesland, in welchem im Vorjahresvergleich die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Bei Herrn Holter, dem dafür zuständigen Minister, zumindest steht das in seiner Ministeriumsbezeichnung,

(Barbara Borchardt, PDS: Da haben Sie schon einen großen Denkfehler drin.)

sagte am 22. März in der „Schweriner Volkszeitung“: „Ich bin für Arbeitsmarktpolitik verantwortlich, nicht für Beschäftigungspolitik.“ Herr Minister, werfen Sie einen Blick auf die Zahlen des Arbeitsmarktes und gestehen Sie ein, dass Sie ausweislich dieser mit Ihrer Politik von A bis Z gescheitert sind! Und weiter sagt Herr Holter: „Was wir brauchen, sind mehr Arbeitsplätze auf dem ersten, dem allgemeinen Arbeitsmarkt.“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das hat er doch wenigstens gelernt.)

Richtig, Herr Minister, nach zweieinhalb Jahren schienen auch Sie das endlich kapiert zu haben. Aber es schien eben nur so.

(Barbara Borchardt, PDS: Aber ÖBS ist auch allgemeiner Arbeitsmarkt. Das haben Sie bloß noch nicht begriffen. Er versteht’s nicht.)

Denn die Frage, was er denn damit meine, beantwortet er dann wie folgt: „Gemeinwohlorientierte Arbeitsförderprojekte wären so ein Weg. … insbesondere im soziokulturellen Bereich …“

(Barbara Borchardt, PDS: Ja. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist eine sozialistische Denkweise,

(Angelika Gramkow, PDS: Ha!)

schlimmer geht es nicht.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Barbara Borchardt, PDS: Die haben aber wohl Ihre Landräte auch. – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Und Herr Neumann hat es auch bewiesen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Herr Neumann, nicht Nachfrage ist entscheidend, sondern entscheidend ist, dass Sie Arbeitsplätze auch im Dienstleistungssektor schaffen, die Wertschöpfung bringen. Und wenn Sie diese mit Steuermitteln subventionieren wie im ÖBS, dann kommt letztendlich keine Wertschöpfung dabei heraus. Arbeitsplätze sind nur dann wettbewerbsfähig, wenn wirklich Wertschöpfung entsteht, man kann das auch als Gewinn bezeichnen. Das ist die Realität und nicht anders.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und dann: Wenn Sie das, was Sie jetzt hier mit dem so genannten dritten Sektor bezeichnen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Der dritte Weg.)

mit Amerika vergleichen, dann kann ich mich nur totlachen.

(Unruhe und Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der CDU – Dr. Berndt Seite, CDU: Der dritte Weg! Der dritte Weg!)

Also in Amerika gibt es keine Regierung, die Dienstleistungsberufe subventioniert. Dort hat sich jeder knallhart am Markt durchzusetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob als Kofferträger, ob als Kurier in New York oder im Callcenter im IT-Bereich.

(Barbara Borchardt, PDS: Aber Sie sehen immer nur die eine Seite. Die anderen Arbeitsplätze sehen Sie nicht. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Rehberg, ich empfehle Ihnen den Kofferträger.)

Es ist typisch, die Zwischenrufe sind ganz typisch. Sie sind überhaupt nicht in der sozialen Marktwirtschaft angekommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Christian Beckmann, CDU: Genau.)

Sie denken immer noch, wenn der Staat sagt, hier werden Arbeitsplätze geschaffen, wenn der Staat das Geld dafür gibt, dann sind die Arbeitsplätze auch wettbewerbsfähig.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch noch schlimmer als Linke-Tasche-rechte-Tasche-Wirtschaften. Und diese Begriffsmanipulation, die Sie hier miteinander veranstalten, die führt doch nur dazu, dass man zur Feststellung kommen muss, dass die Grenze zwischen Dreistigkeit und Dummheit offenbar mehr als fließend ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Ja, aber Dummheit, das trifft auf Sie auch wirklich zu.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Minister Eggert, ich freue mich, dass Sie als erstes Mitglied der Landesregierung die Initiative von Bernhard Vogel zu seinem Sonderprogramm „Aufbau Ost“ begrüßt haben,

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU, und Jürgen Seidel, CDU)

denn sowohl der Ministerpräsident als auch die Finanzministerin haben das ja als populistisch und als nicht machbar bezeichnet.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, die verstehen’s nicht. – Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wollen wir denn bis zum Abschluss des Solidarpaktes II, bis zum Länderfinanzausgleich tun? Wie wollen wir denn die Schere zwischen West und Ost wieder zusammenkriegen? Die Wahrheit ist doch folgende: Wenn gesamtdeutsch ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent erreicht wird, dann brauche ich im Osten ein Wachstum von sechs Prozent, damit die Schere nicht weiter auseinander geht. Das ist Realität. Und davon sind wir weit, weit entfernt.

(Barbara Borchardt, PDS: Das ist aber auch eine Illusion und das wissen Sie ganz genau. – Wolfgang Riemann, CDU: 0,6.)

Das heißt, im Augenblick steigt der Sockel des Bruttoinlandproduktes pro Kopf im Westen drastisch an, während wir im Osten die Basis weiter auf einem sehr niedrigen Niveau halten. Das heißt, der Angleichungsprozess der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, wenn wir nichts dagegen tun, wird immer länger dauern und immer weiter auseinander gehen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Finanzministerin, dieses Programm von Bernhard Vogel würde dem Landeshaushalt nicht eine müde Mark kosten. Kämpfen Sie doch dafür, setzen Sie sich für dieses Programm ein! Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, setzen Sie hier doch auch endlich mal einen Kontrapunkt gegen die Politik von Rot-Grün in Berlin, ich sage es bewusst, gegen den Aufbau Ost!

(Beifall Dr. Christian Beckmann, CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

Hören Sie mir mal bitte zu, welche Mittel im Bundeshaushalt 2001 zurückgefahren worden sind gegenüber dem Bundeshaushalt 2000! Ein paar Beispiele:

F und E in den neuen Ländern: minus 30 Millionen

Bundesstraßenbau: minus 48 Millionen

Nachholinvestitionen im Bereich der Deutschen Reichsbahn: minus 1,5 Milliarden

sozialer Wohnungsbau: minus 102 Millionen

Finanzhilfen für Pflegeeinrichtungen Ost: minus 58 Millionen

Ich könnte die Liste bis auf die Gesamtsumme von 12,5 Milliarden DM fortsetzen. Der Löwenanteil, das gebe ich zu, sind dabei über 7 Milliarden DM Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit.

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kann man sehr wohl geteilter Meinung sein. Aber wenn eine Beschäftigungsgesellschaft in Vorpommern sagt, sie hat heute 450 Maßnahmen und sie wird im Dezember nur noch 27 haben, dann ist hier von Rot-Grün, von Herrn Schröder eine Axt angelegt worden, schlimmer geht es nicht. Die Axt ist so scharf, dass sie wirklich mehr als Probleme bringen wird. Und ich sage Ihnen nur zwei Dinge: Ich habe ordnungspolitisch seit Jahren Probleme mit ABM, aber was machen wir mit nicht mehr oder nur schwer Vermittelbaren? Treiben wir die in die Altersarmut, weil sie die Rentenanwartschaften nicht mehr erwerben können? Und noch ein zweites Thema: Wie kommen die Leute klar – gestiegene Heizkosten, Ökosteuer und so weiter und so fort, gerade im ländlichen Raum? Und? Schweigen im Walde. Betretenes Schweigen bei SPD und PDS auch bei diesem Thema.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal, damit ich nicht missverstanden werde, bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist eine Menge falsch gelaufen in den letzten Jahren. Aber das, was im Augenblick von RotGrün in diesem Bereich gemacht wird, das wird desaströse Folgen noch in Jahren haben, gerade und auch für Mecklenburg-Vorpommern.