Ich möchte zu einem anderen Punkt etwas sagen. Es wurde die so genannte Beratungslücke angesprochen. Das heißt, die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung wirbt und sucht Investoren, Unternehmen, die bereit sind und die sich hier in Mecklenburg-Vorpommern niederlassen wollen. Dem Landesförderinstitut obliegt dann später die Aufgabe, diese Förderungsanträge tatsächlich zu entwickeln, zu diskutieren, die Unterlagen einzufordern und, und, und. Hier hat es das LFI momentan mit 720 Betreuungsfällen zu tun. Wenn wir also wollen, dass bei diesen 720 Betreuungsfällen der Personalaufwand und das Personal so weit aufgestockt wird, dass das LFI effektiv in der Lage wäre, tatsächlich im Wege der Antragsbetreuung all diese Betreuungsfälle zu begleiten, dann können wir uns die personellen Konsequenzen einer solchen Forderung ausrechnen.
Für mich ist es interessant zu beobachten, dass es für diesen Bereich der Begleitung von Unternehmen in der Beantragung von Fördermitteln in Brüssel einen sehr umfangreichen Dienstleistungssektor gibt, nämlich privatwirtschaftlich organisiert, hier in Mecklenburg-Vorpommern offensichtlich nicht. Ich glaube, das wäre neben der schon angesprochenen Zusammenarbeit zwischen GfW und LFI ein möglicher Lösungsweg für die Schließung dieser Beratungslücke.
Ihr Finanzierungsvorschlag, den Herr Seidel hier auch in seiner Rede nicht explizit aufgeführt hat, ist die Streichung der ÖBS-Mittel.
Nur nebenbei, auch aus Ihrem Antrag zitiert: Einen so genannten „3. Arbeitsmarkt“ gibt es nicht. Sondern, wenn wir vom ÖBS sprechen, dann sprechen wir vom dritten Sektor als Bestandteil des Dienstleistungssektors im ersten Arbeitsmarkt,
(Angelika Gramkow, PDS: Ja, und Schulsozialarbeiter wollen die Landräte doppelt so viel haben, wie sie haben können.)
Der Dienstleistungsbereich umfasst Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Dienstleistung, Organisationen ohne Erwerbscharakter und private Haushalte. Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor beschreibt die Deckung des Gemeinwohlbedarfes aus Werten der Gesellschaft in Verbindung mit Ehrenamt aus Freiwilligkeit bei einer Wertschöpfung ohne Renditeerwartung. Und das ist der wesentliche Unterschied! Dabei entstehen vielfältige fließende Übergänge zwischen eher marktbestimmten Dienstleistungen, wie Verkehr, und eher personennahen Dienstleistungen, wie Gesundheitswesen, Kultur, Sozialund Erziehungswesen, ökologische und kulturelle Tätigkeiten. Hierfür möchte ich Ihnen nur einige wenige Beispiele aufführen: Haushaltshilfen, familienentlastende Dienste, Streetworker, Breitensportagenturen, Seniorenfreizeitangebote, multikulturelle Initiativen, Stadtbegrünung, Denkmalpflege, Verbraucher- und Schuldnerberatung, Gesundheitsaufklärung und, und, und.
Im Kern mag sich das kompliziert anhören, ist aber ganz einfach. Es geht um die Anregung und Erschließung neuer Arbeitsmärkte durch Verwertung vorhandener Nachfragebereiche. Und dass Nachfrage in diesen Bereichen besteht, beweisen gerade die Antragszahlen bei ABM, SAM und anderen Maßnahmen.
Zu den Vorteilen dieser öffentlich geförderten Beschäftigung gehört die Vermittlung sinnvoller und dauerhafter Beschäftigungen für Arbeitslose, Milderung von regionalen und sektoralen Beschäftigungsproblemen, Nutzung des Humankapitals erfahrener Arbeitnehmer, Erhaltung der Qualifikation und Motivation der Arbeitskräfte unter Tarifbedingungen, Minderausgaben bei der Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Also im Kern: Der gesellschaftliche Wohlstand wird zur Finanzierung sinnvoller Arbeit statt sinnloser Arbeitslosigkeit genutzt.
Die Politik der Landesregierung entspricht also bereits der gemeinsamen Forderung. „Der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss dabei höchste Priorität beigemessen werden.“ So das Zitat aus Ihrem Antrag.
Darüber hinaus entsprechen die Bemühungen der Landesregierung nun einmal auch dem internationalen Trend. Der Dienstleistungssektor ist der einzige Bereich, in dem in den letzten 20 Jahren EU-weit Arbeitsplätze geschaffen wurden. In der Industrie und in der Landwirtschaft ist die Zahl der Beschäftigten beständig zurückgegangen. Ihnen dürfte doch auch klar sein, dass wir mit öffentlichen Investitionsförderungen nur die regionale Verteilung von immer weniger Arbeitsplätzen steuern können und dass wir genau in dieser Frage im Wettbewerb mit den anderen Bundesländern stehen.
Der einzige Wachstumsmarkt ist der Dienstleistungssektor. Die EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales führte zum dritten Sektor aus: „Verglichen mit den öffentlichen Verwaltungen scheinen die Organisationen des Dritten Systems sich besonders mit dem neu entstehenden Bedarf identifizieren zu können und sie wandeln die Nachfrage schnell in innovative Dienstleistungen und
Produkte um. Im Vergleich mit profitorientierten Unternehmen“ auf der anderen Seite „sind sie besser bereit, mit Dienstleistungen zu versorgen, sogar in solchen Bereichen, wo es um niedrigen Profit geht.“ Die Dienstleistungen sind der Wachstumsmarkt für Beschäftigung in den USA, in Europa und auch in Deutschland, mit 55 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Osten und 58 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb muss dieser Sektor gestärkt und ausgebaut werden. Mit der Anregung und Entwicklung des ÖBS greifen die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung den internationalen Trend auf und das ist gut so.
Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, können hier weiter dagegen diskutieren. Sie können weiterhin versuchen, die sieben Millionen, die wir dort effektiv ausgeben, für alle möglichen Vorhaben hier zur Deckung vorzuschlagen. Wir werden diese Deckungsvorschläge aus diesem Bereich ablehnen.
Zu Punkt 5 möchte ich so viel sagen, dass auch aus unserer Sicht die Landesförderung zum Bau von Eigenheimen vor allen Dingen in den Städten verbessert werden muss, um einer Verödung entgegenzuwirken. Da sind wir im Übrigen mit dem Deutschen Mieterbund einer Meinung. Dies heißt aber auch, um das von Ihnen benutzte Wort „Strohfeuer“ aufzugreifen, die Finanzströme in die Städte umzulenken. Wir wissen und der Arbeitsminister weiß, wie schwer dies ist. Ein Weg führt an dieser Maßnahme allerdings nicht vorbei.
Im Punkt 6 fordern Sie eine Trendwende der Arbeitsmarktpolitik – auch hier sind wir einer Meinung. Nur überrascht es mich doch, wenn Sie einerseits fordern, die ABM-Mittel zu kürzen und in Bereiche wie Bildung und Kultur umzusteuern. Wie, bitte schön, soll denn dann diese Arbeit organisiert werden? Durch Ausweitung des Personalbestandes im öffentlichen Dienst, den Sie aber auch senken wollen? Tut mir Leid, Sie sprachen es vorhin an, da reicht meine Phantasie tatsächlich nicht aus.
Im Punkt 7 nun fordern Sie das Aufgreifen von Erfahrungen des europäischen Auslandes. Dies will ich hier gerne mal tun: Im Hochlohnland Dänemark sind die Arbeitskosten elf Prozent niedriger als in Deutschland. Allerdings finden wir dort eine geringere Lohndifferenzierung bei solidarischer Lohnpolitik. So verzeichnen unqualifizierte Arbeitskräfte seit 1989 stärkere Reallohnzuwächse und der Mindestlohncharakter der Tarifverträge verhindert ein Ausbrechen der Löhne nach unten. Kombilohnmodelle und Lohnkostenzuschüsse, wie sie hier von der CDU oft gefordert werden, können kein adäquates Gewicht darstellen,
da sie zeitlich befristet sind und das Einstellungsverhalten in Unternehmen nicht dauerhaft beeinflussen können.
In einer 1993 in Dänemark begonnenen Reform wurden Qualifizierungsmaßnahmen und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen durch Dezentralisierung und eine stärkere Ausrichtung auf den Bedarf des Marktes gelenkt. Reduziert wurde das Arbeitskräfteangebot insgesamt durch eine Senkung des Renteneintrittsalters, Vorruhestandsregelungen für die über 60-Jährigen und ein Übergangspro
gramm in den Vorruhestand für die über 50-Jährigen. Hinzu kam die Einführung gesetzlicher Regelungen für Kindererziehungsurlaub, das Sabbatjahr und den Bildungsurlaub. Arbeitsangebote in subventionierte Arbeit sind nach zweijähriger Arbeitslosigkeit zwingend vorgeschrieben, für Jugendliche bereits nach sechs Monaten. Hinzu kommt die Erstellung individueller Handlungspläne. Diese werden gemeinsam von der Arbeitsverwaltung und dem Arbeitslosen erstellt und enthalten Angebote unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Arbeitsmarktes und der Wünsche und Bedürfnisse des Arbeitslosen. Sie sehen also, die entsprechenden Initiativen des Arbeitsministers greifen solche Erfahrungen bereits auf – auch hierzu bedarf es dieses Antrages nicht.
Ich sage hier auch gerne etwas über die europäischen Erfahrungen mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, die auch immer wieder ein beliebtes Thema sind, sich aber in der deutschen Diskussion jedenfalls bisher immer gegen diejenigen richten, die arbeiten wollen, aber darauf angewiesen sind, dies schwarz zu tun. Spanien schaffte jährlich die Hälfte aller neuen Arbeitsplätze in der Europäischen Union durch folgende Maßnahmen: Für jeden neu geschaffenen Dauerarbeitsplatz gibt es 60 Prozent Rabatt auf die Sozialversicherungsbeiträge. Über 800.000 Schwarzarbeiter wurden gezwungen, sich als Freischaffende anzumelden. Dazu erhielten Sie 6.000 DM zu den Sozialversicherungsbeiträgen des ersten Jahres. Für die Einstellung langzeitarbeitsloser Frauen wurden 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge erlassen, für Frauen zwischen 16 und 45 Jahren 25 Prozent der Beiträge, bei Menschen mit Behinderungen 80 Prozent. In Italien erhielten die Firmen Straffreiheit und 10.000 DM Prämie, wenn sie Schwarzarbeitsverhältnisse in Dauerarbeitsplätze umwandelten. Erfolg: 700.000 neue Arbeitsplätze im Jahr 2000.
Zu Punkt 8 – Bildungsfreistellungsgesetz – will ich mich nun heute nicht mehr äußern, die Debatte gestern war dazu ja wohl deutlich.
Zu Punkt 9, dem Vogel-Vorschlag. Die PDS unterstützt jedes Bemühen, dem Bund und auch den alten Bundesländern deutlich zu sagen, dass der Bund Träger der gesamtstaatlichen Verantwortung zur Beseitigung der teilungsbedingten Schäden ist und nicht die Geschädigten dafür die Lasten tragen, wie es Herr Vogel vor dem Thüringer Landtag sagte. Die PDS sagt aber auch, der Bund ist auch verantwortlich für die einigungsbedingten Schäden durch die Treuhandpolitik der Kohl-Regierung.
Sie haben nun die einzelnen Teile des Vogel-Vorschlages aufgelistet. Da wir und die Landesregierung die Unterlagen von Herrn Vogel aber auch haben, bedarf es auch für diese Diskussion Ihres Antrages nicht.
Im Ergebnis lässt sich also feststellen, der CDU-Antrag fordert den Rücktritt der Regierung und im übrigen Neuwahlen, kritisiert die Systemfehler der CDU-Politik, lehnt die Förderung des einzigen Wachstumsmarktes zur Schaffung von Arbeitsplätzen ab und fordert ansonsten die Fortsetzung der Regierungspolitik, allerdings mit einem Nachtragshaushalt.
(Martin Brick, CDU: Sie haben eine eigenartige Art, das zu interpretieren. Das ist ja eulenspiegel- reif. – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)
Dann gibt sie uns eine Kurzfassung der Initiative des thüringischen Ministerpräsidenten an die Hand. Vielen
Dank dafür! Zum Schluss beantwortet sich die eingangs gestellte Frage des Autors des Antrages von selbst: viele Köche aus Thüringen, der PDS, der SPD in einem Topf aus CDU-Politik und Lernunwilligkeit, Reformunfähigkeit und Widersprüchen. Da wir alle wissen, was viele Köche mit dem Brei anstellen, werden die Koalitionsfraktionen den Antrag der CDU-Fraktion ablehnen. – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ein Philosoph sagte einmal: „Alle Mängel im menschlichen Leben sind keine Veranlassung zur weinerlichen Klage, sondern eine Aufgabe.“ Meine Damen und Herren, die Bewältigung des Aufbau Ost und damit die Sicherung einer guten wirtschaftlichen und sozialen Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns sind eine nationale Aufgabe allerersten Ranges. Um es ganz klar und deutlich zu sagen: Der Behauptung Wolfgang Thierses, der Osten stehe gleichsam auf der Kippe, widerspreche ich ganz entschieden und ich weise sie an dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck zurück. Diese Behauptung demotiviert Menschen im Osten, macht sie mut- und perspektivlos und verschärft eher mögliche Vorurteile und Stimmungen im Westen, außer der ewigen Jammerei bringe der Osten nichts zuwege. Außerdem zeigt Herr Thierse wie auch Sie, Herr Minister Eggert, und Sie, Herr Neumann, keinen Weg auf, wie die problematische Situation – ich komme noch darauf zurück –, in der sich die neuen Bundesländer insgesamt und Mecklenburg-Vorpommern im Besonderen befinden, gelöst werden kann. Symptomatisch für die Situation in der deutschen Sozialdemokratie ist, dass der nominelle dritte Mann im Staate, der Bundestagspräsident, seine eigene Partei aufrütteln musste.
Meine Damen und Herren, Herr Eggert, ich freue mich, dass Sie gesagt haben, dass wir stolz sein können und sollten auf die Erfolge seit 1990. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie persönlich und Ihre Partei dieses auch bis 1998 deutlich gemacht hätten. Lesen Sie sich Ihre eigenen Reden, Reden Ihrer Kolleginnen und Kollegen gerade und auch bis 1998 hier im Landtag durch! An der Tatsache, dass seit 1997 die Schere zwischen Ost und West immer weiter auseinander geht, Herr Eggert, sind Sie wohlweislich vorbeigegangen. Und wenn Sie sich hier hinstellen, in einer Situation, wo wir ein Wirtschaftswachstums von 0,6 Prozent haben, in einer Situation, wo wir die höchste Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern haben, die höchste Jugendarbeitslosigkeit, dann sagen Sie, die Landesregierung praktiziert selbstverständlich langfristige Konzepte. Herr Eggert, ist das nicht eine traurige Darstellung, die Sie hier gegeben haben?
Wissen Sie, was realistisch ist, Herr Eggert? Es ist für mich ganz realistisch, dass Sie seit zweieinhalb Jahren mit Ihrer Politik gescheitert sind.