Wenn jemand, wie in der Begründung des Gesetzentwurfes angegeben, eine Revision der Grenzen zu den östlichen Nachbarn fordert, dürfte dies immer eine Bestrebung gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes und der Länder oder die freiheitlich-demokratische Ordnung sein. Diese Fälle sind bereits im bisherigen Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes geregelt. Damit dürfte die Einfügung eines neuen Aufgabenbereiches überflüssig sein.
Meine Damen und Herren, aber nahezu stillschweigend wird allerdings eine bisherige Aufgabe des Verfassungsschutzes gestrichen. Nach Paragraph 5 Absatz 1 Nummer 2 des geltenden Gesetzes gehört zu den Tätigkeiten der Verfassungsschutzbehörde das Sammeln und Auswerten von Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für frühere und fortwirkende unbekannte Strukturen der ehemaligen DDR und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR. Die Begründung, dass diese Strukturen gut zehn Jahre nach der Wende weitestgehend nachrichtendienstlich aufgeklärt worden sind, überzeugt nicht. Diese Regelung ist wohl allein ein Zugeständnis an den Regierungspartner PDS, der die Stasi damit unter seinen Schutz stellt.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Schoenenburg freut sich. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na ja, bei solchen Lächerlichkeiten kann man ja kaum anders.)
Hier wird zu hinterfragen sein, ob fortwirkende Strukturen der ehemaligen DDR auch heute noch verfassungsfeindliche Tätigkeiten entfalten und damit auch weiterhin Bedarf für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes besteht.
Meine Damen und Herren, als weitere Errungenschaft des Gesetzes wird die Stärkung der Bürgerrechte gefeiert.
Ein Betroffener soll in Zukunft Auskunft über seine beim Verfassungsschutz gespeicherten Daten verlangen können. Aber dieser Rechtsanspruch bestand doch schon immer.
Bisher musste ein Bürger hierfür nach dem Gesetzeswortlaut zwar ein besonderes Interesse nachweisen, die Anforderung an diesen Nachweis war in der Praxis aber immer schon gering, so dass jeder betroffene Bürger bisher Auskunft erhalten hat.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt eigentlich nur bewährte Verfahrensweisen und soll wohl in erster Linie dazu dienen, das eigene schlechte Gewissen im Zusammenhang mit der V-Mann-Affäre und dem Koalitionspartner zu beruhigen.
Ob Letzteres gelungen ist, wird sich zeigen. Wir warten gespannt auf die Ausschussberatungen und die dortigen Anträge des Koalitionspartners PDS. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz vieler gegensätzlicher Positionen zum Wirken des Verfassungsschutzes gibt es, wie man sieht, die Möglichkeit, einen tragfähigen politischen Kompromiss zustande zu bringen, denn es besteht in der Koalition dahin gehend Übereinstimmung, dass der Verfassungsschutz parlamentarisch möglichst wirksam kontrolliert wird. Natürlich wissen beide Partner in der Koalition um die Grenzen, an die das Prinzip, der Verfassungsschutz ist zu kontrollieren, in der Realität eines Geheimdienstes logischer- und notwendigerweise stößt. Das politische Übereinkommen beider Koalitionspartner, der Kompromiss nämlich, ist beiden Seiten gewiss nicht leicht gefallen.
Natürlich haben verschiedene unappetitliche Skandale und rechtswidrige Aktivitäten im Rahmen des Verfassungsschutzes des Landes zu der Einsicht geführt, dass
das Gesetz zu ändern ist. Diese sind aber vor allem Ausdruck dessen, dass das jetzt noch geltende Verfassungsschutzgesetz, das die CDU 1992 in ihrer Sturm- und Drangzeit in die Welt gesetzt hat, nicht gerade ein Leuchtturm an Liberalität und Rechtsstaatlichkeit ist.
(Wolfgang Riemann, CDU: Ausgerechnet der will von Liberalität reden. – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Annegrit Koburger, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)
Es gibt kaum ein anderes Bundesland, in dem so viele Schranken für Kontrolle und Transparenz des Verfassungsschutzes errichtet worden sind wie in MecklenburgVorpommern – ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern. Allein schon darum ist ein neues Gesetz dringend.
Inzwischen ist schließlich aber auch insoweit Handlungsbedarf entstanden, als die EU-Datenschutzrichtlinie, obwohl sie formell für den Verfassungsschutz nicht gilt, dennoch auch für spezialrechtliche Datenschutzregelungen insgesamt neue Anforderungen stellt. Ferner ist zu sehen, dass das Landesverfassungsschutzgericht Lauschangriffen rechtliche Schranken setzte und schließlich auch im Bundesverfassungsschutzgesetz sowie in einer Reihe von Ländergesetzen beachtliche rechtsstaatliche Weiterentwicklungen insbesondere in der Kontrolle des Verfassungsschutzes gegeben sind. Letzteren, nämlich diesen Weiterentwicklungen, haben wir es vor allem zu verdanken, dass schnell durchaus pragmatische gesetzgeberische Lösungen gefunden wurden. Es gibt für die PDS durchaus schönere, wichtigere und lohnendere Gesetzgebungsaufgaben als die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes. Aber es gibt Arbeiten und Verantwortungen, denen man sich eben stellen muss.
Der Verfassungsschutz ist, das will ich hier auch unumwunden sagen, ein Kind des kalten Krieges. Er bleibt stigmatisiert. Er steckt wenigstens seit 1989 in einer Legitimationskrise.
Er ist real verzichtbar, wie es das Beispiel der Niederlande zeigt, wo der entsprechende Dienst bereits seit Jahren abgeschafft ist, ohne dass in den Niederlanden die dortige Verfassungsordnung irgendwie Nachteile erlitten hat oder gar zu Bruch gegangen wäre.
(Minister Dr. Gottfried Timm: Dann fragen Sie auch nach den polizeilichen Aufgaben in den Niederlanden, Herr Schoenenburg! – Wolfgang Riemann, CDU: Davon hat er keine Ahnung. Auch wenn er von da oben nicht dazwischenrufen darf. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)
Wir jedenfalls waren und sind, was den Verfassungsschutz betrifft, langfristig weiterhin für eine Nulllösung.
Diese Auffassung zum Verfassungsschutz ist natürlich, mögen Sie es bitte zur Kenntnis nehmen, meine Herren konservative Demokraten, verfassungskonform,
(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir sind wenigstens Demokraten. Das muss man hier feststellen. – Angelika Gramkow, PDS: Oh, oh, oh! …)
denn wie heißt es in dem einschlägigen Artikel 87 des Grundgesetzes: Zentrale Stellen, sprich Bundesbehörden für den Verfassungsschutz, können, das heißt, sie müssen nicht eingerichtet werden. Die Bundesbehörden sind geschaffen und die Rechtslage in Bezug auf die Länder ist nun allerdings, dass diese zur Unterstützung des Bundes eigene Länderbehörden unterhalten müssen.
Daher sagen wir mit dieser Novelle ganz schlicht und einfach, überprüfen wir die Kompetenzen, tun wir alles für die strikte rechtsstaatliche Bindung des Landesverfassungsschutzes und sorgen wir für ein Maximum an Kontrolle und Transparenz!
Nun hat Herr Jäger erklärt, die SPD hätte der PDS bei der Novellierung Geschenke gemacht. Nun, meine Damen und Herren, mit Geschenken ist das so eine Sache. Ich frage mal: Wer möchte heute beispielsweise ein Geschenk von der CDU?
Und wir haben ja, was den Verfassungsschutz betrifft, von der CDU beispielsweise ausreichend Geschenke bekommen, an denen wir auch heute durchaus keine Freude haben. Das betrifft übrigens auch den hoffentlich letzten Skandal 1999, denn dass ein Verbrecher als V-Mann angeworben, eingesetzt und gedeckt wurde, ist eine CDU-Altlast.
(Annegrit Koburger, PDS: Ja. – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist wohl nicht richtig. Sie sagen notorisch die Unwahrheit.)
Geschenke im Übrigen, meine Damen und Herren, sind Herzenssache und Sie wissen doch, dass es so etwas in der Politik ganz einfach nicht gibt.
Dort gibt es allerdings Geben und Nehmen nach Interessenlagen, gibt es den Kompromiss, in dem wechselseitig Kröten geschluckt werden, und müssen wir andererseits auch wohltuende Zugeständnisse erfahren.