Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion in den letzten Wochen hat uns aus meiner Sicht eines bestätigt: Wir kommen an der Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors nicht vorbei.
Wenn Vereine und Verbände, Landräte und Bürgermeister, ja, auch Landtagsabgeordnete aller Fraktionen darauf hinweisen, dass durch den angeblich geplanten Wegfall der Sachkosten für ABM die soziale und kulturelle Infrastruktur zu zerbrechen droht, wird unsere Auffassung noch bestärkt. Ja, insbesondere in den neuen Bundesländern wurden diese notwendigen Arbeiten durch die fehlenden finanziellen Mittel in den Kommunen, der Träger und auch des Landes über arbeitsmarktpolitische Instrumente aufgebaut. Dass diese Situation nicht auf Dauer so bleiben kann, ist uns doch wohl allen klar.
Und ich denke, das Programm „1.000 Jugend- und Schulsozialarbeiter“ beweist, wie dringend der Einstieg in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor ist. Dieses Programm wird positiv durch die Kommunen angenommen. Das beweist auch die Bereitschaft der Kommunen, sich an diesem Programm zu beteiligen. Gleiches gilt für die gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekte in unserem Land, in denen über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine sinnvolle und aus meiner Sicht notwendige Arbeit gefunden haben. Bei der Gestaltung dieses Prozesses ist deutlich geworden, dass öffentlich geförderte Beschäftigung an Akzeptanz zunimmt, wenn alle Partner in diesen Prozess mit einbezogen werden.
Aber, und das ist auch allen Akteuren bewusst, das Land wird allein nicht in der Lage sein, den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor für weitere Bereiche aufzubauen.
Dazu bedarf es der Schaffung von Rahmenbedingungen auf Bundesebene. Mit dem Regierungswechsel in Berlin haben viele gehofft, dass diese Rahmenbedingungen auch geschaffen werden, hatte doch die SPD auf Bundesebene 1995 einen Gesetzentwurf mit dem schönen Namen „Arbeits- und Strukturförderungsgesetz“ in den Bundestag eingebracht. In diesem Gesetzentwurf waren neue Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik verankert, die einen Einstieg ermöglichen würden. Mit
dem Regierungsantritt hatte sich auch die Koalition darauf verständigt, das Arbeitsförderrecht in dieser Wahlperiode zu verändern. Dieses Vorhaben haben sie leider beerdigt und damit auch die Hoffnung vieler Betroffener. Ich habe angesichts der Entwicklung auf Bundesebene in Bezug auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kaum noch Hoffnung, dass hier neue Wege gegangen werden. Im Gegenteil, die Missbrauchsdebatte hat wieder Fuß gefasst, leider auch in unserem Land. Modellversuche für den staatlich subventionierten Niedriglohnsektor werden gefördert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik zu gehen ist notwendiger denn je. Dazu gehören aus unserer Sicht die Verstärkung der Regionalisierung, der zielgerichtete Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wie zum Beispiel in der Fortbildung und Umschulung entsprechend des Bedarfes in der Region, die Verknüpfung der Wirtschafts-, Struktur- und Beschäftigungspolitik, um nur einiges zu nennen. Mit dem neuen AQMV wurden erste Schritte gegangen, die weiter ausgebaut werden und genutzt werden müssen. Der Antrag der CDU hilft uns dabei nicht weiter. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie das immer so ist, wenn man als inzwischen fünfter Redner zu der ganzen Sache spricht, dann ist alles schon gesagt. Ich will es auch kurz machen. Der beantragte Bericht – da können Sie, glaube ich, die Rede von Herrn Holter im Protokoll nachlesen, dann haben Sie alle Antworten. Und die speziellen Dinge können Sie ja nach Riemann’scher Manier mit einer Kleinen Anfrage klären.
(Götz Kreuzer, PDS: Na bloß nicht! Fordern Sie nicht den Deiwel heraus! – Zuruf von Lutz Brauer, CDU)
Also insofern ist das ganz praktisch erledigt. Und ich kündige an, dass wir diesen Antrag auch ablehnen werden.
Aber in der Diskussion sind natürlich einige Dinge aufgeworfen worden, die gar nicht mal zur Gegenrede reizen, sondern zur Diskussion. Herr Seidel sagt, wir sollen nicht mit Statistiken hin und her werfen und so weiter und so fort. Da gebe ich Ihnen unumwunden Recht. Aber sagen Sie es doch mal Herrn Glawe,
die Zahlen verwendet. Die kann man so und so auswerten. Was mich allerdings ein bisschen stört bei dem Kollegen Glawe, ist, dass er uns bescheinigt, dass wir die Arbeitslosigkeit hochgefahren haben, als wenn wir es absichtlich machen würden, weil es unser Politikinhalt wäre. Ich glaube, das können Sie uns nicht unterstellen.
Ich habe ja bei der letzten Gelegenheit zur Arbeitsmarktpolitik auch gesagt, wir haben hier mit Problemen der sozialen Marktwirtschaft zu tun und das Wort „sozial“ kann man ja hier und da auch schon mal hinterfragen. Der Kapitalismus erzeugt eben auch eine hohe Arbeitslosigkeit. Und wenn Sie sagen, wir sind nicht groß weitergekommen in der Entwicklung, dann ist das ein großer Standortnachteil für Mecklenburg-Vorpommern. Und einem Strukturwandel entgegen zu subventionieren, das hat noch keine Regierung so richtig geschafft.
Ihre Aussage, dass Sachkosten auf null gefahren werden, das hat der Minister, glaube ich, auch gut erläutert.
Sie haben noch einen Satz geäußert, Herr Glawe, GAP entzieht ABM- und SAM-Mittel. Ich kann das nicht nachvollziehen. Soviel ich weiß, sind es vorwiegend ABM- und SAM-Stellen, die im Bereich des gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojektfeldes bewilligt werden, und nur ganz wenige rein landesfinanzierte Maßnahmen. Außerdem zählt es zu dem Maßnahmefeld A entsprechend der EUKategorien, also es nimmt dort kein Geld weg, es beweist nur, dass wir in dem Bereich eigentlich sehr viel mehr gemacht haben, als die EU uns vielleicht zugesteht.
Langfristigkeit ist, glaube ich, durch das Orientieren auf die EU-Programme gewährleistet. Diese gehen immer über sechs Jahre. Ich weiß auch nicht, was das soll. Und im Übrigen teile ich die Meinung von Herrn Holter zum Paragraphen 266. Ich denke, da werden wir auch in unserer Bundestagsfraktion ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Die einzelnen Felder des Operationellen Programms sind zum einen die aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik und zum anderen die berufliche und allgemeine Bildung. Auf diesen beiden Feldern haben wir in Mecklenburg-Vorpommern sehr viel Gutes gemacht,
auch in den letzten zehn Jahren, und ich nehme da überhaupt keine Landesregierung aus. Das Problem ist nur, dass in der EU die Philosophie offensichtlich auf etwa 10 Prozent Arbeitslosigkeit ausgerichtet ist und nicht auf 20 und mehr, wie sie hier im Osten Deutschlands überall herrscht. Insofern ist das Zurückfahren von einem hohen Level in bestimmten Dingen – weil wir über sechs Jahre, Sie wissen das alles, die Durchschnittswerte erreichen müssen, sonst kriegen wir kein Geld von der EU – natürlich schmerzhaft und führt dann auch zu Irritationen.
Die Anpassungsfähigkeit und der Unternehmergeist, das ist ein Feld, das wir ausbauen müssen, das sind Existenzgründungen. Und die Chancengleichheit von Männern und Frauen, das sind auch Felder, die wir ausbauen können. Ich denke, in diesem Bereich gibt es sehr viel Chancen, noch etwas zu machen. Allerdings muss auch das Umfeld stimmen. Und da haben wir gesagt, in Mecklenburg-Vorpommern ist noch eine ganze Menge zu tun.
Ich denke auch, denn der Anlass war ja diese Sache mit der Sachkostenförderung, und ich will hier noch mal eindeutig sagen, es ist nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit im Arbeitsmarktbereich zu einer Panne gekommen. Die ist allerdings behoben worden, zwar nicht schmerzlos, aber letztendlich schnell. Richtig ist aber, dass wir über die konkreten Auswirkungen des Umsteuerns, wie es immer guter Brauch war, ist und bleibt, eher mit den Betroffenen hätten reden müssen. Das ist richtig, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass wir grundsätzlich auf diese EU-Richtlinien umsteuern müssen. Wir sind an sie gebunden. Und wir haben das bereits mit dem Haushalt 2001 getan.
Aber vielleicht darf ich diese Stelle auch einmal nutzen, um mal zu sagen, wie viele Förderstränge, welches, sage ich mal, „Dickicht“ wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik haben, was es auch so schwierig macht, das Ganze EUkompatibel zu machen.
Wir haben erstens die Bundesanstalt für Arbeit. Dort haben wir einen beitrags- und steuerfinanzierten Haushalt, er wird also aus zwei verschiedenen Strängen gespeist. Dann haben wir die verschiedensten Landesprogramme, steuerfinanziert, teilweise an Bundesmittel gekoppelt, gesetzlich oder freiwillig, teilweise an EU-Mittel gekoppelt, teilweise reine Landesmittel, was wiederum Bund oder EU „nichts angeht“. Wir haben dann wiederum die EU-Mittel, die gehen in die Landesprogramme ein, sie werden aber über den Bund bei der EU beantragt, sind steuerfinanziert, werden aber nach Gesamt-EU-Kriterien vergeben. Diese haben allerdings den Vorteil, dass man sich länger darauf verlassen kann und, um auf den aktuellen Tatbestand einzugehen, dass man sich länger danach richten muss, egal wie Sie es wollen. Wir haben dann noch viertens kommunale Mittel, freiwillige Aufgaben in der Regel. Meist werden hier die Eigenanteile von Trägern ausgeglichen, die selber nicht in der Lage sind, diese Mittel aufzubringen. Darüber hinaus haben wir den Bereich Arbeitslosen- und Sozialhilfe in den vielfältigsten Formen, also die Bereiche, die in das BSHG reichen. Das sind auch mindestens zwei Förderstränge auf kommunaler Ebene. Und wir haben den ganz kleinen Teil, aber ich will ihn der Vollständigkeit halber erwähnen, das sind die Eigenmittel der Träger, die über Sponsoring und sonstige Einnahmen kommen können. Aber ich gebe zu, das ist ein sehr kleiner Teil.
Rein theoretisch haben wir hier schon fünf Felder, die miteinander koordiniert werden müssen, miteinander zusammengebastelt werden müssen. Und ich bin mir wirklich nicht ganz sicher, ob ich alles aufgezählt habe. Aber es reicht aus, um zu dokumentieren, dass die EUKriterien nicht komplett auf die Ostsituation in Deutschland passen, und das – ich hatte es vorhin schon gesagt – führt natürlich auch zu einem kleinen Dilemma. Und das ist unabhängig von politischen Konstellationen. Ich könnte jetzt anfangen: Wann sind die Operationellen Programme von der EU vorbereitet worden? 2000 sind sie in Kraft gesetzt worden. Wann sind sie denn von der Bundesre
gierung und von welcher Bundesregierung vorbereitet worden? Wie sind denn die Mehrheitsverhältnisse in Europa? Zurzeit regieren ja die Konservativen im Parlament. Bei der Kommission bin ich mir nicht so ganz sicher. Also lassen wir das, das bringt uns auch nicht weiter.
Aber was eigentlich viel schlimmer bei der ganzen Sache ist: Jeder dieser der von mir angedeuteten fünf Zweige denkt für sich „betriebswirtschaftlich“, keiner denkt volkswirtschaftlich. Und das ist das Problem. Deswegen würde ich schon mal gern zu einem Regionalmodell kommen, in dem einmal alle Fördertöpfe zusammengefasst werden können. Ich weiß, wie schwierig das ist, ich weiß auch, wie intensiv da einige schon dran arbeiten. Aber, ich denke, wir sollten weiterhin über dieses Thema nachdenken. Und im Übrigen, wenn wir es nämlich volkswirtschaftlich betrachten würden, haben ABM und zum Beispiel auch die marktorientierten Arbeitsförderbetriebe die höchste Refinanzierungsquote, allerdings volkswirtschaftlich gerechnet. Und auch das sollten wir in unsere Betrachtungen mit eingehen lassen.
Ich will noch mal auf die Punkte von Herrn Seidel eingehen, wenn ich einen kleinen Schluck genommen habe.
Es ist richtig, die Stärkung des ersten Arbeitsmarkts ist ständige Aufgabe aller. Über die Grenzen von Politik habe ich allerdings schon etwas gesagt und Sie konztatieren selber, dass eine Entwicklung nicht so richtig stattfindet. Es ist also auch die betriebsnahe und die unternehmensnahe Förderung, die dieses Politikfeld 1 ausmacht, schon eine Schwierigkeit. An welche Unternehmen will ich das dann andocken, wenn sie schon selber Schwierigkeiten haben. Das ist ein objektives Problem auf das wir uns einstellen müssen und längst schon in vielen Dingen eingestellt haben.
Arbeitsplätze, einfache Tätigkeiten, das machen wir mit den Call-Centern. Das Thema ist berühmt und berüchtigt. Es sind einfache Tätigkeiten. Es ist aber gut, dass Sie wenigstens sagen, dass sie lebenserhaltungssichernd sind, und an dieser Stelle möchte ich mal erinnern, dass sich viele von uns vielleicht auch schon gar nicht mehr vorstellen können, wie eine Familie mit 2.000 DM im Monat netto auskommen soll. Ich denke, das ist ganz wichtig, dass wir das bei allen Maßnahmen berücksichtigen, wenn man über die ganze Frage von Lohnabstandsgebot und so weiter redet.
Zur Professionalität bei Unternehmensansiedlungen: Also ich habe bisher gehört, dass wir uns bei Airbus nicht bescheuert angestellt haben. Ich komme auch im Lande herum und konnte hören, dass viele sagen, bei der AirbusInitiative habt ihr euch gut und ordentlich angestellt. Ihr habt eben Pech gehabt, dass die Unternehmensentscheidung anders ist. Aber von Mängeln bei der Professionalität von Bewerbungssachen habe ich nichts gehört. Transrapid, Herr Seidel, das wissen Sie noch viel besser als ich, ist ein Mangel der deutschen Wirtschaft gewesen, dass das Ding nicht schon längst fertig gewesen ist.