Protocol of the Session on December 14, 2000

Bereits seit 1974 sind Arbeitgeber mit mehr als 16 Beschäftigten verpflichtet, auf 6 Prozent ihrer Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen. Obwohl die Ausgleichsabgabe für jeden nicht besetzten Pflichtsatz zweimal erhöht wurde, ging die Zahl der Beschäftigten von 1982 bis 1998, Herr Glawe, um 21 Prozent zurück. Auch das sind Zahlen.

(Harry Glawe, CDU: Sie ging auf 25 Prozent zurück. Rechnen Sie mal nach!)

Zu Ihren Zahlen sage ich nachher noch was.

Die Beschäftigungsquote sank in diesem Zusammenhang – und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wer in dieser Zeit Regierungsverantwortung trug – von 5,8 auf 3,8 Prozent.

(Harry Glawe, CDU: Sie machen doch alles schlechter als besser. – Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

Die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten stieg dagegen von 93.800 im Jahr 1981 auf 188.500 im Oktober 1998 an.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Meine Damen und Herren, diese Zahlen belegen ganz deutlich: Die Vorgängerregierung auf Bundesebene hat nach 16 Jahren

(Harry Glawe, CDU: Nehmen Sie doch mal die Landeszahlen! Schmeißen Sie nicht immer mit Bundeszahlen herum!)

wie in vielen anderen Bereichen so auch in der Behindertenpolitik einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die, die 16 Jahre so vor sich hin gewirtschaftet haben, sollten sich eigentlich schämen, wenn sie nun Maßnahmen, die nach knapp 24 Monaten ergriffen worden sind, um aus der verfahrenen Situation herauszukommen, in Bausch und Bogen abqualifizieren.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Zahlen über die Beschäftigung Schwerbehinderter und die Erfüllungsquote bei der Beschäftigungspflicht in den vergangenen Jahren zeigen ganz klar: Wir brauchen ein deutliches Signal an die Arbeitgeber, viel mehr als bislang für die Integration von Schwerbehinderten zu tun. Die Absenkung des Pflichtsatzes von sechs auf fünf Prozent ist so ein Signal und ich hoffe, es wird von den Arbeitgebern auch verstanden. Die Bundesregierung ist den Arbeitgebern in diesem Punkt entgegengekommen und ich hoffe auf das entsprechende Entgegenkommen der Arbeitgeber.

Die Pflichtquote ist um einen Prozentpunkt gesenkt worden. Die moralische Messlatte, diese abgesenkte Quote nun auch wirklich zu erfüllen, ist meines Erachtens nun aber höher. Ich hoffe, die Wirtschaft ist sich dieser Verantwortung bewusst. Zudem wird es nach dem Motto „Wer nicht hören kann, muss fühlen“ in Abhängigkeit von der Erfüllung der Beschäftigungspflicht eine gestaffelte Ausgleichsabgabe geben, die von monatlich 200 DM bis 500 DM reicht. Die dauerhafte Senkung der Beschäftigungsquote ist unmissverständlich an die Bedingung geknüpft, dass die berufliche Eingliederung von 50.000 Schwerbehinderten bis Ende 2002 gelingt. Anderenfalls beträgt sie ab 1. Januar 2003 automatisch wieder sechs Prozent. Auch das sollte für alle, vor allem für die Arbeitgeber, ein Anreiz sein, sich zu bewegen. Und, meine Damen und Herren, es ist nach allen Informationen, die mir vorliegen, bei weitem nicht so, wie immer orakelt wird, dass die Behindertenwerkstätten darunter zu leiden haben. Das BMA wird auch in Zukunft den Bau oder die Erweiterung insbesondere von Werkstätten für Behinderte fördern

(Harry Glawe, CDU: Wird aber zurückge- fahren ab 2002. Ab 2002 gibt es weniger Geld dafür. Das wissen Sie ganz genau.)

und dafür Mittel aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung stellen.

In Paragraph 41 der Schwerbehindertenausgleichsabgabenverordnung ist eine entsprechende Regelung ausdrücklich enthalten. Außerdem soll die Neuordnung des Systems von Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe zu Mehreinnahmen führen. Diese sollen zu 45 Prozent in den Ausgleichsfonds des BMA fließen und damit neben der Förderung der Eingliederung Schwerbehinderter in den allgemeinen Arbeitsmarkt...

(Harry Glawe, CDU: Was hat das Land davon?)

Herr Glawe, das sollte unser Ziel sein,

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

dass wir Schwerbehinderte in den ersten Arbeitsmarkt integriert bekommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Das ist richtig. Bloß was hat das Land Mecklenburg-Vorpommern davon, von dieser Regelung?)

... im Rahmen der verfügbaren Mittel auch für die Projektförderung von Behinderteneinrichtungen zur Verfügung stehen. Die bisherigen gemeinsamen Projekte mit den Ländern sollen – so das BMA – ungeändert fortgesetzt werden, genauso wie die Förderung insbesondere von Werkstätten für Behinderte im Rahmen des erforderlichen aufgrund einer Erhebung festzustellenden Bedarfs und der verfügbaren Mittel unberührt bleiben soll.

Von den Mehreinnahmen sollen auch Arbeitsassistenz und Integrationsdienste finanziert werden und es soll versucht werden, eine Dauerfinanzierung für Integrationsfirmen zu leisten. Wenn wir den Anspruch auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt wollen, müssen auch Brücken von den Werkstätten in Integrationsfirmen gebaut werden.

Um die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern, enthält die Angebotsstruktur auch einen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz. Das heißt, Schwerbehinderte haben mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Ich weiß, dass es gerade in den Behindertenverbänden heftige Diskussionen gibt, wer wann entscheidet, was für wen „notwendig“ ist, ob die Hauptfürsorgestelle, die auch für begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben zuständig ist, die richtige Stelle für diese Entscheidung ist. Unabhängig hiervon halte ich den Ansatz des Rechtsanspruchs für äußerst wichtig, da hiermit schwerbehinderten Menschen die Möglichkeit eröffnet wird, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden.

Des Weiteren beinhaltet das Gesetz, die Rechte der Schwerbehinderten und deren Vertretung zu stärken und durch besondere Verpflichtungen der Arbeitgeber auszubauen. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber künftig verpflichtet sind, mit der Schwerbehindertenvertretung eine umfassende Integrationsvereinbarung abzuschließen. Dabei müssen sie auch Regelungen zur Beschäftigung von schwerbehinderten Frauen treffen.

Meine Damen und Herren, das Gesetz stärkt auch die betriebliche Prävention durch die Stärkung der Behindertenvertretungen in den Betrieben. Die Dienstleistungen der Bundesanstalt für Arbeit und der Hauptfürsorgestellen werden intensiviert und besser genutzt. In allen Ar

beitsämtern werden dafür besondere Stellen eingerichtet, die Arbeitgebern schnell und kompetent helfen. Durch Einbeziehung von Integrationsfachdiensten sollen Arbeitsämter bei der Vermittlung Schwerbehinderter entlastet werden. Die Bundesanstalt für Arbeit hat darauf hinzuwirken, dass solche Integrationsfachdienste in ausreichender Zahl eingerichtet werden. Sie soll grundsätzlich in jedem Arbeitsamtsbezirk einen Integrationsfachdienst eines Trägers oder eines Verbundes verschiedener Träger beauftragen, der berufsbegleitende und psychosoziale Dienste umfasst, trägerübergreifend tätig wird und auch von der regional zuständigen Hauptfürsorgestelle beauftragt ist. Das Gesetz stellt dabei sicher, dass die vorhandene Trägervielfalt erhalten und zugleich ein Verbundsystem mit einem einheitlichen Ansprechpartner für Hilfesuchende aufgebaut wird.

Meine Damen und Herren, positiv zu vermerken ist, dass der Anteil der Schwerbehinderten an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Bund mit 6,4 Prozent über der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestquote von 6 Prozent liegt. Das sind 20.224 Arbeitsplätze auf Bundesebene. Weiterhin zeigen auch die neuesten Arbeitsmarktzahlen bundesweit erste positive Wirkung. So beträgt die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten im November bundesweit 175.735, während sie im Vorjahresmonat des vergangenen Jahres noch bei 188.650 lag. Zwar ist im Vergleich zu Hamburg und Schleswig-Holstein der Anteil von Schwerbehinderten an den Arbeitslosen in MecklenburgVorpommern mit 2,7 Prozent noch vergleichsweise gering, jedoch, Herr Glawe, kann der Anstieg der Arbeitslosigkeit in diesem Bereich gegenüber den Vorjahresdaten zumindest statistisch nicht ignoriert werden.

(Harry Glawe, CDU: Aha.)

Ich sage gleich was dazu.

So hat sich in den letzten Monaten zwar tendenziell die Situation verbessert – von September 2000 zum Oktober 2000 um 137 –, dennoch liegen wir im November gegenüber dem Vorjahr statistisch gesehen höher, Herr Glawe.

(Harry Glawe, CDU: Das ist richtig, nicht nur statistisch gesehen.)

Das ist richtig. Herr Glawe, das hatte ich so auch in meinem Redemanuskript, weil ich davon ausgegangen war, dass Sie wissen, dass das vor allem auch eine statistische Sicht ist. Das hat Frau Müller ja vorhin schon versucht deutlich zu machen.

(Harry Glawe, CDU: Hinter einer Statistik stecken Menschen und diese Menschen brauchen Hoffnung und Arbeit.)

Jeder – ich betone noch mal –, jeder einzelne Schwerbehinderte, der arbeitslos ist, ist einer zu viel. Das vorausgesetzt. Aber Sie müssten eigentlich wissen, dass bis zum 31.12.1996 das Rentenüberleitungsgesetz in Kraft gewesen ist.

(Harry Glawe, CDU: Ja, war doch nicht schlecht.)

Dadurch hatten Schwerbehinderte zum großen Teil nur Anspruch auf Arbeitslosengeld und dann waren sie aus der Statistik heraus.

(Beifall Irene Müller, PDS)

Das heißt, Herr Glawe, sie sind jetzt in der Statistik drin, obwohl der Anteil gar nicht größer geworden ist. Das hätten Sie eigentlich als Sozialexperte wissen müssen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU – Irene Müller, PDS: Das habe ich Ihnen schon x-mal erklärt.)

Ja, Frau Müller hatte Ihnen das ja x-mal gesagt.

Um die in den letzten Monaten erkennbare...

(Zuruf von Harry Glawe, CDU – Annegrit Koburger, PDS: Nee, Tatsachen, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen.)

Herr Glawe, wollen Sie behaupten, das Rentenüberleitungsgesetz ist nicht ausgelaufen. Das ist doch absurd!

Um die in den letzten Monaten erkennbare leichte Verringerung der Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten zu verstärken, ist allerdings noch einiges an den Rahmenbedingungen und bei der Öffentlichkeitsarbeit zu tun. Und wenn die Kampagne „50.000 neue Jobs für Schwerbehinderte“ Erfolg haben soll, muss auch die Landesregierung tätig werden. Darauf bezieht sich der Ihnen vorliegende Antrag. Frau Müller ist darauf ja auch schon intensiv eingegangen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit nachdrücklich alle Arbeitgeber – öffentliche wie private – aufrufen, die Intention des Gesetzes durch praktisches Handeln zu unterstützen. Das im April 2000 vom zuständigen Ausschuss des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit beschlossene Aktionsprogramm „Berufliche Integration Schwerbehinderter“, das von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Träger der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, den Behindertenverbänden, den Ländern und Hauptfürsorgestellen mitgetragen wird, ist eine wesentliche Grundlage. Alle Genannten tragen Mitverantwortung, dass die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung, vor allem Schwerbehinderten, gelingt.

(Beifall Irene Müller, PDS)

Deshalb sollten wir uns im Frühjahr 2001 zu den konzeptionellen Überlegungen der Landesregierung verständigen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Frau Dr. Seemann.

Das Wort hat jetzt Frau Borchardt von der Fraktion der PDS.