Protocol of the Session on November 16, 2000

(Lutz Brauer, CDU: Wo haben Sie denn das gelesen?)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, der vermutete Hintergrund – Einsparmaßnahmen oder Rotstiftaktionen – erwies sich bei Nachfrage als gegenstandslos. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Brauer vom 4. Oktober dieses Jahres heißt es sinngemäß: Gerade weil die Landesregierung sich der Konsequenzen bewusst ist, leitete sie ein Anhörungsverfahren ein.

(Lutz Brauer, CDU: Gott sei Dank auch!)

Gleichzeitig wurde die Fortführung der Dünenunterhaltung eventuell mit einem neuen Träger nochmals als Möglichkeit betont.

Unter dem Strich rechnen Fachleute für die Dünensicherung – übrigens alle sieben Jahre im langjährigen Durchschnitt – mit einem finanziellen Aufwand in Höhe von 3 bis 4 Millionen DM. Und um eins entschieden klarzustellen, es gibt keinen Beschluss der Landesregierung, Hiddensee oder den Küstenschutz als solchen aufzugeben. Aber es gibt das verantwortliche Handeln des Fachministeriums, die betroffenen Hiddenseer anzuhören und ebenso alle betroffenen Institutionen, Behörden, Organisationen. Was ist daran verwerflich? Mit unserem Antrag respektieren wir den gestellten Endtermin für die Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung, nämlich den 4. Dezember 2000, und wir fordern die Regierung zur Unterrichtung bis zum 15. Januar 2001 auf.

Die Vorbereitung der Entscheidungsfindung, vielleicht auch das Finden eines neuen Trägers anstelle der Bestimmung durch Paragraph 83 Landeswassergesetz auf Anhörungsbasis ist in gewisser Hinsicht Neuland. Es ist daher für alle Beteiligten eigentlich wichtig, sachliche Argumentationen zu benutzen. Es mag ja auch sein, dass einige betroffene Bürger oder auch Volksvertreter voreilig, vielleicht sogar heißblütig reagierten. Das Angebot der Fachbehörde darauf zur Diskussion ist in seiner Art einmalig. Eine Verpflichtung dazu ist nicht vorgeschrieben. Wenn die Öffentlichkeit eingebunden ist, meine ich, meinen wir, darf der Landtag dann auch nicht außen vor bleiben.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ein weiteres wichtiges Argument für unseren Antrag ist die laut gewordene Aufforderung, das Wassergesetz zu ändern oder, besser gesagt, zu öffnen,

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

um nicht nur den Schutz von Wohnflächen, sondern auch den Schutz bedeutungsvoller Kulturlandschaften zur Pflichtaufgabe Sicherung der Küste zu zählen. Diese Forderung ergeht übrigens aus dem Beschluss des Kreistages Rügen und zahlreichen weiteren Äußerungen. Wenn man diese Zielstellung allgemeingültig in das Gesetz erhebt, wäre das grob geschätzt der Etat des Umweltressorts insgesamt alleinig für die Küstensicherung. Und dieses zu veranschlagen, glaube ich, das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Wenn ich alle bedeutungsvollen Kulturlandschaften, übrigens durch eine Bewertung aus örtlicher Kenntnis heraus, unter Schutz stellen will – denn das würde das nämlich bedeuten –, das ist also Illusion.

(Gesine Skrzepski, CDU: Das haben wir aber beim FFH von Ihnen schon mal ganz anders gehört.)

Allerdings sollten wir im Rahmen einer ohnehin fälligen Novellierung des Wassergesetzes im Vorfeld schon einmal diskutieren, welche Lösungen möglich sind, die auch gesetzeskonform, haushalts- und rechnungshoffest bleiben. Wir Mitglieder dieses Hohen Hauses sollten die Entscheidung mitschultern. Die letzte Entscheidung ist eine politische, weil sie nicht im Rahmen eines praxisgeübten Planfeststellungsverfahrens erfolgen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Koalitionsfraktionen haben den Antrag ohne Präjudizierung neutral formuliert. Wir sollten deshalb auch in Ruhe abwägen. Und dennoch möchte ich denjenigen, die hier versuchen, ihr Oppositionssüppchen mit zu kochen, einen Denkanstoß geben. Allen, die eine Öffnung des Paragraphen 83 Absatz 1 fordern, empfehle ich den Absatz 2 zum eingehenden Studium. Hier heißt es: „Die Durchführung des Küstenschutzes ist eine öffentliche Aufgabe von Küstenschutzverbänden, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift errichtet werden.“ Und sinngemäß heißt es weiter: Bis zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme dieser Verbände obliegt dem Land die Aufgabenerfüllung. Damit ist gesagt, dass Gemeinden und Eigentümer über die Beiträge an Verbände mit in die Pflicht und die Verantwortung und die Selbstbestimmung genommen werden. Schließlich wird doch die Mitsprache von Gemeinden und Landkreisen auf Gesetzesbasis immer herausgestrichen. Aber das muss auch die Mitbeteiligung in der Unterhaltungslast der Küstenschutzanlagen bedeuten, analog zu den Gewässerunterhaltungsverbänden.

Da fällt mir doch glatt ein: In welcher Weise haben denn die früheren Umweltminister – Herr Jelen, Herr Seidel, ich glaube anwesend, und Frau Kleedehn – einmal daran gedacht, diese Vorschrift umzusetzen. Meines Wissens gab es innerhalb von acht Jahren keine solche Diskussion. Noch immer gibt es keinen einzigen Küstenschutzverband. Der Landkreis Rügen könnte ja die Initiative ergreifen.

(Lutz Brauer, CDU: Wenn wir das Geld dafür bekommen, fangen wir sofort damit an.)

Das entsprechende Gesetz über die Bildung von Küstenschutzverbänden wäre dann Aufgabe dieses Hohen Hauses.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Ein gewisser Zuschuss seitens des Landes wäre analog abzuwägen. Die Gesamtdebatte müsste jedoch zunächst aus dem Bereich finanzpolitische Utopien in die Realität zurückgeholt werden. Man könnte sich auch folgendes Modell vorstellen: Paragraph 83 Absatz 1 Landeswassergesetz bliebe voll inhaltlich erhalten und für weitere bedeutende Küstenabschnitte würden die Gemeinden und Landkreise unter der oben beschriebenen Selbstbeteiligung entscheiden und sich dazu eben der bestehenden Unterhaltungsverbände bedienen.

(Lutz Brauer, CDU: Nachtigall, ick hör’ dir trapsen!)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass manche Anzuhörenden ihre Stellungnahmen sehr sorgfältig überlegen, vielleicht auch nachbessern. Nüchtern gesprochen ist jede Fortsetzung oder Nichtfortsetzung

der Dünenunterhaltung gegenüber allen Interessenlagen – von Schifffahrtswegen über Tourismus, Fischerei bis zum Naturschutz – gründlich abzuwägen. Übrigens ist auch die Empfehlung der HELCOM-Konvention zur Erhaltung der natürlichen Küstendynamik von 1995, festgeschrieben entsprechend in einem Grundsatz unseres Landesnaturschutzgesetzes, mit zu berücksichtigen.

(Lutz Brauer, CDU: Da haben wir jetzt ja viel Diskussionsstoff.)

Meine Damen und Herren, ich bin damit am Schluss meiner Ausführungen. Ich bin gespannt auf die Debattenbeiträge und wünsche uns auch im Anschluss an diese Tagung eine gute Diskussion. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Caterina Muth, PDS)

Danke schön, Herr Dr. Klostermann.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Umweltminister Herr Professor Methling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorschläge des Umweltministeriums zur Veränderung des Küstenschutzes für Hiddensee haben landesweit ein Interesse hervorgerufen, wie es vorher nur schwere Sturmfluten,

(Ministerin Sigrid Keler: Ja.)

letztmalig im November 1995, vermochten.

(Caterina Muth, PDS: Ja.)

Die Thematik Küstenschutz ist landesweit wieder Gegenstand des öffentlichen Meinungsaustausches. Darüber kann ich nur sehr glücklich sein.

Am Beispiel Hiddensee wird gegenwärtig die Bedeutung des Küstenschutzes für die Küstenregion ebenso anschaulich wie die Tatsache, dass sich der vom Land zu leistende Küstenschutz auf Schwerpunktaufgaben konzentrieren muss und nicht wie vielfach angenommen den Schutz des gesamten Küstengebietes in seinem momentanen Erscheinungsbild zum Ziel haben kann. Gemeindevertretungen, Kreistage, Planungsbehörden und heute auch dieses Hohe Haus beschäftigen sich, ausgelöst durch die Anhörung zum Küstenschutz von Hiddensee, mit der Thematik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit In-KraftTreten des Landeswassergesetzes im Jahre 1992 wurde die Aufgabe des Küstenschutzes dem Land übertragen. Die Verpflichtung zur Sicherung der Küste wurde im Paragraphen 83 Absatz 1 auf den Schutz im Zusammenhang bebauter Gebiete begrenzt und damit eine eindeutige Priorität bestimmt. In Anlehnung an die Praxis in anderen Küstenbundesländern wurden die Kriterien zur Dimensionierung von Küstenschutzanlagen für den Schutz im Zusammenhang bebauter Gebiete festgelegt. Geschützt wird danach gegen die höchste in der Vergangenheit bereits aufgetretene Sturmflut. In der Regel ist das für unser Land die Sturmflut des Jahres 1872.

Ausgehend von dieser Gesetzes- und Sachlage wurde der Generalplan Küstenschutz in den Jahren 1992 bis 1994 erstellt. Er beinhaltet nur Maßnahmen, die für den Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten erforderlich sind. Für die im Generalplan genannten Vorhaben wurde ein Finanzbedarf von 250 Millionen DM ausgewiesen. Bereits 1994 wurde in der entsprechenden Kabinettsvorlage darauf hingewiesen, dass über den im Generalplan dargestellten Handlungsbedarf – Genaues nach gutachterlicher Schätzung – weitere 300 Millionen DM erforderlich sein werden, um an der gesamten Küste unseres Landes alle im Zusammenhang bebauten Gebiete nach einheitlichen Sicherheitsstandards zu schützen. Der Generalplan bedarf daher einer Fortschreibung.

Seit Vorlage des Generalplanes im Jahre 1994 sind bereits circa 240 Millionen DM in den Küstenschutz investiert worden. Die Vorhaben des Generalplanes sind zu zwei Dritteln realisiert. Bereits heute ist an unserer Küste ein Sicherheitsniveau vorhanden, das es in der Vergangenheit niemals gegeben hat. Der ursprünglich geplante Finanzrahmen von 250 Millionen DM für die Umsetzung des Generalplanes wird bis zu seiner vollständigen Abarbeitung allerdings deutlich überschritten werden, denn wir haben ja bereits 240 Millionen DM ausgegeben. Ursachen sind die Sturmflut vom November 1995, der Buhnenbefall mit dem so genannten Schiffsbohrwurm und unvorhergesehene Kostensteigerungen.

Neben den bereits genannten 300 Millionen für eine Fortschreibung des Generalplanes sind daher weitere 100 Millionen DM zu veranschlagen. Unter der Voraussetzung, dass das Land weiterhin jährlich mindestens 30 Millionen DM für Küstenschutzmaßnahmen bereitstellt, wird es daher noch mindestens 20 Jahre dauern, bis an der gesamten Küste alle Ortschaften zuverlässig geschützt sind. In dieser Schätzung sind auch die jährlichen Aufwendungen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit der Sturmflutschutzdünen auf dem heutigen Niveau berücksichtigt.

Bedingt durch den an den meisten Küstenabschnitten unseres Landes vorherrschenden Küstenrückgang verlieren die Sturmflutschutzdünen beständig an Mächtigkeit. Der gegenwärtig in Diskussion stehende Dünenabschnitt südlich Neuendorf ist „nur“ einer von etwa 100 Kilometern Sturmflutschutzdünen, die durchbrechen können, wenn sie nicht in unterschiedlichen Abständen durch Sandaufspülungen verstärkt werden.

Diese Sandaufspülungen und der Neubau der nur eine begrenzte Funktionsdauer ausweisenden Holzpfahlbuhnen erfordern jährlich etwa 12 Millionen DM. Neben diesen vornehmlich aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz“ stammenden Investitionsmittel sind jährlich außerdem noch mindestens 5 Millionen DM an reinen Landesmitteln für die Unterhaltung der Küstenschutzanlagen wie die Pflege des Dünenbewuchses, des Dünenschutzwaldes, die Deichmahd und die Reparatur von Küstenschutzanlagen erforderlich.

Auch nach Herstellung eines einheitlichen Schutzniveaus für alle im Zusammenhang bebauten Gebiete werden daher jährlich mindestens 17 Millionen DM erforderlich bleiben, um die erreichte Sicherheit zu erhalten. Tendenziell wird diese Summe sogar steigen, denn die aus dem Erosionsmaterial der Steilufer abgebauten Haken und Nehrungen unserer Flachküsten durchlaufen einen biologischen Entwicklungsprozess, an dessen Ende die Rückbildung steht. Diesen Rückbildungsprozess aufzuhalten erfordert mit der Zeit immer intensivere Maßnah

men, auch wegen des real ansteigenden Meeres an unserer Ostseeküste.

(Lutz Brauer, CDU: An der Küste insgesamt.)

Nein, nicht insgesamt an der Küste.

(Lutz Brauer, CDU: Genauso ist das.)

In Skandinavien beispielsweise ist die Wirkung andersrum,

(Lutz Brauer, CDU: Wir sprechen ja von Hiddensee.)

weil es verschiedene Prozesse sind, Herr Brauer, wie Sie wissen.

Der Küstenschutz in Mecklenburg-Vorpommern ist eine Daueraufgabe mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad. Die hohen Aufwendungen zur Gewährleistung des Küstenschutzes erfordern eine ständige Aufgabenkritik. Das ist übrigens keine neue Idee des PDS-Umweltministers, sondern einer der im Generalplan Küstenschutz 1994 formulierten Grundsätze, den ich für äußerst vernünftig halte und der auch weiterhin Beachtung finden wird. Dort steht, ich zitiere: „Dort, wo Deiche neben dem Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten auch andere Flächen sichern, muß geprüft werden, ob durch Deichverkürzung, Deichverlegung oder Riegeldeichbau die Aufwendungen für die Unterhaltung der Deiche senkbar sind und/oder sich die Schutzfunktion und die Sicherheit der Deiche durch die Schaffung größerer Vorlandflächen verbessern lassen. Dies könnte zur Folge haben, dass die bebauten Gebiete ein eigenständiges Hochwasserschutzsystem erhalten und sich die Möglichkeit ergibt, vorhandene Deiche I. Ordnung in die II. Ordnung zurückzustufen oder im Interesse der Schaffung von episodisch überfluteten Niederungsflächen gänzlich zu beseitigen.“ So weit der Generalplan Küstenschutz.

Dies gilt natürlich analog auch für Dünen. In SchleswigHolstein werden gleichartige Ansätze verfolgt, wie eine Aussage des zuständigen Staatssekretärs deutlich macht: „Aus Kostengründen muss erwogen werden, im Bereich unbesiedelter Gebiete die erste Deichlinie aufzugeben: Wo Menschen nicht bedroht sind, müssen höhere Risiken eingegangen werden als bisher.“ So weit das Zitat aus Schleswig-Holstein.

Nachdem in den vergangenen Jahren in zahlreichen Aktionen und Maßnahmen Vorarbeiten geleistet wurden, beginnt nun die Umsetzungsphase des eben zitierten Grundsatzes. Neben Hiddensee gibt es noch einige ähnlich gelagerte Vorhaben. Ich nenne als Beispiele nur Ummanz, den Ostzingst, Markgrafenheide oder Groß Zicker. Alle diese Vorschläge haben eins gemeinsam: Sie werden in den betroffenen Regionen sehr kritisch bewertet.

Die Einhaltung dieses Grundsatzes, die Umsetzung von Küstenschutzmaßnahmen möglichst nur im Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen zu realisieren, gestaltet sich dabei nicht immer einfach. Ich möchte deshalb den vor Ort agierenden Staatlichen Ämtern für Umwelt und Natur bescheinigen, dass sie auch auf diesem Gebiet eine gute Arbeit leisten, indem sie sich stets um einvernehmliche, aber auch finanzierbare Lösungen bemühen.