Protocol of the Session on November 15, 2000

(Reinhard Dankert, SPD: Noch nicht! – Heike Lorenz, PDS: Das hat überhaupt keiner getan. Wir wollen das nur nicht mit so einem Entwurf.)

Nicht einmal haben Sie sich mit der Frage auseinander gesetzt, wie es denn eigentlich gehen könnte.

(Andreas Bluhm, PDS: Da haben Sie wieder nicht zugehört. – Sylvia Bretschneider, SPD: Das ist doch unglaublich! Die wollen nicht zu- hören. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und, auch das sei hier erwähnt, Sie haben auf die Realschüler abgehoben,

(Reinhard Dankert, SPD: Die CDU muss in die 1. Klasse rein und Zuhören lernen.)

auf die Frage der Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen. Die Durchlässigkeit muss gewahrt werden, das ist völlig richtig. Aber die Einführung des 13. Schuljahres war eine nicht zu übertreffende Ungerechtigkeit gegenüber den Haupt- und Realschülern in diesem Land.

(Heike Lorenz, PDS: Die in der Sek I angebahnt wurde.)

Aus welchem Grund hat ein Gymnasiast einen erhöhten Anspruch auf Unterricht? Mit welchem Recht werden den Gymnasiasten nun 23 Wochenstunden mehr Unterricht zugebilligt, während Haupt- und Realschüler weiter auf dem niedrigen Niveau sind?

(Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: Das ist ja ‘ne ganz neue Argumentation, ne?! Das haben wir noch gar nicht gehört. – Heike Lorenz, PDS: Na warum haben Sie es denn nicht so angebahnt. Das ist unglaublich!)

Und da sagen Sie, Herr Bluhm, dass Sie dagegen sind, dass die Gymnasiasten in diesem Land bevorteilt werden. Aber genau das haben Sie erreicht.

(Andreas Bluhm, PDS: Wir? Das ist doch ein Witz! – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, Sie ganz persönlich!)

Ja, und schon 1996 hätten wir in beiden Schulformen kompensieren müssen. Das Kultusministerium hatte 1996 beide Möglichkeiten, die sich nach dem KMK-Beschluss auftaten, im Ansatz geschildert.

Und übrigens zu dem KMK-Beschluss noch eine An

merkung: Frau Marquardt hat damals nicht nur für 13 Jahre gestimmt, nein, sie hat sogar versucht, ihre Kollegen, die für 12 Jahre waren, davon zu überzeugen,

(Harry Glawe, CDU: Richtig. – Gesine Skrzepski, CDU: Umzustimmen, ja!)

das 13. Schuljahr flächendeckend in ganz Deutschland einzuführen.

(Beifall und Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Hört, hört! – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Eine Bemerkung ist im Protokoll nachzulesen, sie hat erklärt: „Es kostet mich in Mecklenburg-Vorpommern nur einen Federstrich, um das 13. Schuljahr einzuführen.“ Dies zu dem KMK-Beschluss.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Fragen Sie mal Frau Marquardt!)

Aber die eine Möglichkeit bei dem Beschluss war bei der Beibehaltung der 5-Tage-Woche die Einführung von Nachmittagsunterricht an ein bis zwei Tagen in der Woche in der Realschule. Im Gymnasium sehe ich da durchaus die Möglichkeit, den Nachmittagsunterricht auf einen Tag in der Woche zu beschränken. Aufgrund der Anforderungsunterschiede zwischen Realschule und Gymnasium sehe ich da keine gravierenden Probleme. Lehnt man allerdings den Nachmittagsunterricht ab, dann gab es die Variante des 14-tägigen Samstagsunterrichts, übrigens eine Variante, die auch im Saarland bei der Einführung des 8-jährigen Bildungsganges so durchgeführt wird, oder aber auch die einer reinen 6-Tage-Woche.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Na, da werden sich aber alle freuen, wenn wir das so machen.)

Meine Damen und Herren, dass dies in MecklenburgVorpommern ein Tabuthema ist, das kann ich so weit akzeptieren, als dass ich zur Kenntnis nehme, dass der Samstagsunterricht noch vor der Wiedervereinigung hier abgeschafft wurde. Und damit, meine Damen und Herren, geht ein Teil der Stundentafelkürzung übrigens noch auf das Konto von Herrn Bluhm und seinen Kollegen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und Eckhardt Rehberg, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Ach, jetzt stellen Sie auch noch mein Abitur in Frage, ja?!)

Aber selbst die Modelle mit dem Samstagsunterricht beruhen auf der Schutzbehauptung, dass den Schülern durch die hohe Stundenfrequenz die Überforderung droht. Dazu sage ich dann später noch etwas.

(Reinhard Dankert, SPD: Dann war das wohl doch noch vor de Maizière, ne?!)

Aber jeder Lehrer wird mir zustimmen, dass das Fächerrepertoire jedes Bildungsganges mit Fächern hoher psychischer Anspannung und mit Fächern zur psychischen Entspannung ausgestattet ist. Es ist ja bei weitem nicht so, dass die Kinder jeden Tag drei Stunden mit Grammatik und drei Stunden mit mathematischen Formeln getriezt werden.

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Hören wir also an dieser Stelle mit der Schwarzweißmalerei endlich auf! Jeder Schulleiter baut den Stundenplan einer Klasse in der Regel so, dass sich Anspannung und Entspannung ablösen,

(Heike Lorenz, PDS: Ja, ja, heute baut der Computer den Stundenplan.)

jedenfalls dann, wenn entsprechende Lehrer auch vorhanden sind, was zugegebenermaßen ja zurzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht das Thema ist.

Was spricht denn nun dagegen, dass der Sportunterricht auf den Nachmittag verlegt wird – im Übrigen sogar häufig erforderlich, weil die Sporthallenplätze nicht ausreichen? Was spricht denn dagegen, bei einer Stundentafelerhöhung Fächer wie Geschichte, Sozialkunde und Religion mit mehr Stunden auszustatten und dabei vor allem in diesen Fächern und fachübergreifend offenen Unterricht zu praktizieren, der auch den Schülern das Gefühl gibt, am Unterricht teilzunehmen und durch die aktive Teilnahme am Unterricht, durch positiven Stress, zusätzlich motiviert zu werden? – Rein gar nichts.

Die Verfechter moderner Unterrichtsmethoden kapitulieren hier inzwischen, denn wenn diese modernen Unterrichtsmethoden, die ja ganz so modern eigentlich gar nicht mehr sind, bewusst eingesetzt und die Lehrer entsprechend aus- und fortgebildet werden, dann findet man auch Wege und Möglichkeiten, um der Gefahr einer Überforderung zu begegnen. Überforderung findet auch statt, wenn in weniger Stunden die gleichen Inhalte vermittelt werden, aber das vergessen Sie häufig bei Ihrer Diskussion. Diese Diskussion lässt sich nicht mit einem oder zwei Schlagworten führen, wie das bisher geschehen ist.

(Andreas Bluhm, PDS: Ja, wer führt die Diskussion denn so?)

Entwicklungspsychologie, Fachdidaktik und Pädagogik sind so facettenreich, dass eine Umsetzung des 8jährigen gymnasialen Bildungsganges in MecklenburgVorpommern von der schulischen Seite her ohne 6-TageWoche kein Problem wäre. Sie erklären Anforderungen für unzumutbar, verklären die Geschichte, indem Sie die Stundenkürzung in der Grundschule als Ursache für den rapiden Niveauabfall verantwortlich machen, aber drei Sätze zuvor beklagen Sie sich darüber, dass Kinder in der

6. Klasse Schwerstarbeit zu leisten hatten, so nachzulesen bei Frau Polzin.

Haben wir, meine Damen und Herren, damals eigentlich die Grundschüler entlastet oder haben wir ihnen Bildung vorenthalten? Sie müssen sich hier schon irgendwie für eins entscheiden. Denn nach der Schilderung von Frau Polzins persönlichen Erlebnissen müssten Sie eigentlich die Stundenkürzung in der Grundschule begrüßen oder, andersherum argumentiert, Sie müssten heute eigentlich gegen jede Erhöhung der Stundentafel in der Grundschule sein. Das wäre dann eine schlüssige Folge in Ihrer Argumentation. Sie sind es aber nicht. Sie sind dafür, dass die Grundschüler eine Stunde mehr Deutsch und Mathematik bekommen.

(Heike Lorenz, PDS: Ja, richtig, damit sie lesen können, wenn sie in die Klasse 5 kommen.)

Sie sind dafür, dass im kommenden Jahr die 4. Klassen noch eine Stunde mehr bekommen. Das ist richtig. Und ich freue mich sehr, dass wir hier übereinstimmen in der Zustimmung.

Aber nicht allein die Stundenkürzung hat bewirkt, dass aus der Grundschule die nahtlose Fortsetzung der Kuschelbetreuung aus dem Kindergarten folgt. Da können Sie die Gründe dafür suchen, dass Sie heute den Eindruck haben, dass Kinder in der 6. Klasse Schwerstarbeit zu leisten haben. Sie haben doch das Gefühl dafür verloren, den Kindern auch einmal etwas zuzumuten,

(Heike Lorenz, PDS: Ach!)

sie zu fordern. Die Kinder wollen Leistung bringen. Sie wollen gefordert werden, sie wollen Erfolg haben. Und das ist keine Sicht der CDU, meine Damen und Herren, das sagen belastbare Erkenntnisse von Schulpsychologen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Zum Beispiel Professor Heller aus München hatte über viele Jahre den Modellversuch zum 8-jährigen Bildungsgang in Baden-Württemberg verfolgt.

(Heike Lorenz, PDS: Den hatten wir flächendeckend, aber keiner wollte daraus lernen. Von Bayern wollten wir lernen.)

Das daraus resultierende Versuchsgutachten ist wohl ohne Diskussion die anerkannteste wissenschaftliche Grundlage für die Verkürzung des gymnasialen Bildungsganges, auf dessen Grundlage nicht zuletzt Baden-Württemberg den Modellversuch ausgedehnt hat. Gerade die langjährige Begleitung des Modellversuches liefert Ergebnisse, die über die eigentliche Bedeutung des Modellversuches hinausgehen, um damit auf die Befürchtung vor der Überforderung zu reagieren. Die Erfassung nicht kognitiver Schülermerkmale hat ergeben, dass die jüngeren Schüler eine schwach ausgeprägte Prüfungsangst haben, dass Misserfolge primär auf fehlende Anstrengungen oder Pech zurückzuführen sind und Erfolge bevorzugt auf die eigene Tüchtigkeit zurückgeführt werden.

Einen Kernsatz von Professor Heller möchte ich wortwörtlich zitieren: „Negative emotionale Auswirkung der hohen schulischen Anforderung in G 8“ – das ist der Modellversuch in Baden-Württemberg – „sind nicht feststellbar. Ähnlich wie bei den Fähigkeiten haben sich in der 5. Kohorte sehr positive Veränderungen im Vergleich zur 5. und 6. Klasse ergeben. Die Schüler sind weniger ängstlich, führen Erfolge eher auf eigene Begabung und Miss

erfolge auf fehlende Anstrengung zurück. Sie sind in der 7. Klasse deutlich günstiger motiviert und selbstsicherer.“ So weit das Zitat von Herrn Professor Heller.

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erkenntnisse eines der renommiertesten Begabungsforscher zeigt, dass diejenigen, die von einer Überforderung der Schüler ausgehen, dies nicht mit belastbarem Material untersetzen können. Sie mutmaßen lediglich, aber Sie haben keine stichhaltigen Beweise.

Am Rande sei dabei noch ein weiteres Problem vermerkt: Es wäre für die Lehrerausbildung durchaus wünschenswert, wenn die Erziehungswissenschaftler, die die Lehrer von morgen ja ausbilden, selber zur Unterrichtstätigkeit verpflichtet werden.

(Andreas Bluhm, PDS: Ja, genau.)