Protocol of the Session on November 15, 2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Und, was noch schlimmer ist, Sie erwecken den Anschein, es geht alles sofort, nur diese Regierung will es nicht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig. – Jürgen Seidel, CDU: Endlich erkannt.)

Ich sage es noch mal: Sie haben die Entwicklung zu verantworten. Sie haben die miserablen Rahmenbedingungen zugrunde gelegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben die Gelegenheit versäumt, damit die Fehlentscheidungen zu korrigieren. Und auch die Übergabe des Fachministeriums an die SPD entbindet Sie überhaupt nicht von Ihrer Verantwortung.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Gesine Skrzepski, CDU: So gelacht habe ich schon lange nicht mehr.)

Nebenbei, das von Ihnen in der Begründung für den CDU-Antrag vereinnahmte Erfolgsmodell des 12-JahresAbiturs ist doch wohl eigentlich ein Erfolgsmodell der

DDR-Schule. So etwas nennt man in der Literatur ein Plagiat.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Sie werden fragen und Herr Rehberg hat es ja schon getan: Was nun? Richtig! Wie wäre es zu lösen?

(Jürgen Seidel, CDU: Na los! Na los!)

Es ist der CDU zuzustimmen, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens zur Verkürzung der Schulzeit gibt.

(Jürgen Seidel, CDU: Aha!)

Es geht nur nicht so einfach und so schnell,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Jürgen Seidel, CDU: Nöö!)

wie es die CDU behauptet.

Ich sehe drei Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen:

1. die vernünftige und langsame Möglichkeit

Mindestens die Differenz von 23 Stunden ist auf die Klassen 5 bis 12 zu verteilen. Es beginnt mit Klasse 5 und wächst dann jährlich bis zur Klasse 10 auf. Im darauf folgenden Jahr wird die Abiturausbildung auf 12 Jahre verkürzt. Diese Verkürzung könnte also frühestens zum Schuljahr 2007/08 erfolgen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: 2007? 2007? – Harry Glawe, CDU: Glückwunsch! – Jörg Vierkant, CDU: Sehr schön!)

Für den Absolventen! Für den Absolventen! Man muss das mal nachvollziehen!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Jaja.)

Trotzdem wäre mit einer Erhöhung des Stundenvolumens auf 30 Stunden zu rechnen. Das bedeutet im Durchschnitt etwa sechs Stunden täglich für Schüler auch im Alter von zehn und elf Jahren.

2. die Kombinationsmöglichkeit

Die Stundentafel wird in der Klasse 5 beginnend jährlich aufwachsend umgesetzt. Gleichzeitig wird in den Klassen 11 und 12 die Differenz von 23 Stunden auf die vorhandenen Unterrichtsstunden aufgeschlagen. Was das allerdings kräftemäßig bedeutet, habe ich bereits in meiner Rede dargestellt.

3. die Brachialmöglichkeit

Die 23 Stunden werden ausschließlich in Klasse 11 und 12 umgesetzt,

(Jürgen Seidel, CDU: Wie denn?)

und das ist ja wohl überhaupt nicht zu verantworten.

(Jürgen Seidel, CDU: Wieso denn nicht?)

Betrachtet man also die genannten Möglichkeiten unter pädagogischen Gesichtspunkten – unter pädagogischen! –, so kommen eigentlich nur die erste und die zweite Möglichkeit in Betracht. Neben den kleineren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Schülerinnen und Schüler sichert sie einen Zuwachs an Stunden und damit an Bildungsmöglichkeiten auch für Real- und Hauptschüler. Damit, meine Damen und Herren, sind wir dann sehr ein

verstanden, weil das die Chancengleichheit von Bildung erheblich erhöht.

Es wird trotzdem darüber zu diskutieren sein, welche die zweckmäßigste Lösung ist. Und wenn ich von zweckmäßig rede, dann meine ich wirklich die pädagogisch zweckmäßigste. Das sollte auf keinen Fall die finanziell billigste sein.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Das ist ein gesondertes Thema, denn jede dieser Varianten erfordert mehr Lehrerstellen als bis jetzt vorgesehen. Und offensichtlich wird manchmal ignoriert, vorsätzlich vielleicht, dass die jährlichen Einsparungen im Haushalt des Bildungsministeriums und des Sozialministeriums erstmals 2001 gestoppt worden sind.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie sollten wirklich noch mal den Rechenschieber bemühen. – Angelika Gramkow, PDS: Ach, Herr Rehberg, ich erkläre Ihnen das gerne mal.)

Trotzdem bleibt damit der Etat an der Grenze seiner Gestaltungsmöglichkeiten. Und eine solche politische Prioritätensetzung haben Sie ja nie vollbracht.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie sollten wirk- lich mal den Rechenschieber bemühen.)

Zusätzliche Mittel auch für diesen Bereich müssen also in den anderen Ministerien eingespart werden, um diese Dinge auf den Weg zu bringen. Ich meine auch, dass man den Solidargedanken nicht endlos überziehen kann. Die freie Verteilungsmasse geht ja gegen Null. Aber wenn es denn so wäre, dann höre ich schon Ihre Tatarenmeldung: Die Investitionsmittel werden zurückgefahren, die Regierung ruiniert die Wirtschaft. Die Bauinvestitionen werden gekürzt, die Regierung stranguliert die Bauwirtschaft. Das Land spart auf Kosten der Kommunen. Und so weiter.

(Jürgen Seidel, CDU: Jaja. – Zurufe von Wolfgang Riemann, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie mir hier und heute: Woher wollen Sie die jährliche Summe von rund 100 Millionen DM nehmen? Wie war es früher, wenn wir solche Forderungen formuliert haben?

(Jürgen Seidel, CDU: Ja lesen Sie mal Ihren Zukunftsplan!)

Ich kann mich gut an Ihre Antworten entsinnen: Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann lesen Sie mal Ihren Zukunftsplan! Zwei Ministerien weniger!)

Sie erheben nur populistische Forderungen, die nicht finanzierbar sind. Wo haben Sie denn Ihre Deckungsvorschläge? Ja, meine Damen und Herren, so ändern sich die Zeiten. Aber das ist wahrscheinlich wesensimmanent für Opposition.

Ich komme zum Schluss. Die Landesregierung hat – auch das vergaß die CDU zu erwähnen – den Auftrag, sich in der KMK für ein 12-Jahres-Abitur einzusetzen. Grundlage war dafür ein CDU-Antrag, der im April 1999 hier behandelt wurde. Der Ministerpräsident, der Bildungsminister, die Fraktionen haben erklärt, zum 12-Jahres-Abitur zurückkehren zu wollen. Die PDS-Fraktion wird diese Bestrebungen mit aller Kraft unterstützen,

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

wenn, und das betone ich nochmals ausdrücklich, die Rahmenbedingungen stimmen und die nötigen Finanzmittel dafür bereitgestellt werden können. Für uns bleibt es bei dem Grundsatz: Reformen im Bildungswesen müssen unter pädagogischen Prämissen ausgestaltet werden, sie müssen einem Gesamtkonzept folgen und nicht neue Brüche produzieren.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Ganzheitliche und nachhaltige Bildung setzt ein einheitliches, geschlossenes Bildungssystem voraus. Das zu gestalten wird weder in einer Legislaturperiode noch mit einer einzigen Hauruckaktion möglich sein.