Protocol of the Session on September 20, 2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Na richtig, so ist es. – Angelika Gramkow, PDS: Na, Frau Schnoor, ich frag’ mich mal, wer dafür verantwortlich ist.)

Meine Damen und Herren, in einer Diskussion um neue Technologien, sei es nun die Biotechnologie allgemein oder die Gentechnik im Speziellen, müssen auch immer solche Stimmen gehört werden, die sich mit den ethischmoralischen Fragen solcher Innovationen auseinander setzen. Gerade vor dem Hintergrund der tiefgreifenden und umwälzenden Bedeutung, die sich aus der Entschlüsselung des menschlichen Genoms für die Gesellschaft ergibt, ist eine intensive Diskussion unabdingbar. Die Konsequenzen der Manipulation menschlichen Erbmaterials können ohne Zweifel eine Segnung für die Bekämpfung von verschiedenen Krankheiten sein. Aber, meine Damen und Herren, Sie gehen auch an die Grundfesten der Menschheit. Im ersten Brief des Apostel Paulus an die Korinther heißt es: „Mir ist alles erlaubt, es frommt aber nicht alles.“ Übersetzt ins Moderne würde ich sagen: Nicht alles, was möglich ist, darf auch gemacht werden. Zuweilen entstand in den letzten Monaten der falsche Eindruck, die Mehrheit der Menschen habe zwar Angst vor gentechnisch manipulierten Lebensmitteln, stimme aber genetischen Eingriffen in unser Erbmaterial unbesehen zu.

Meine Damen und Herren, es sind da eine ganze Reihe von Fragen zu klären. Ist es zum Beispiel legitim, Embryonen zu züchten, um sie zu Medikamenten zu verarbeiten? Oder wie stellen sich aus ethisch-moralischer Sicht Eingriffe in die menschliche Keimbahn zur Bekämpfung von Erbkrankheiten dar? Schon heute werden durch die Präimplantationsdiagnostik und mit Hilfe der künstlichen Befruchtung Auswahlen vorgenommen, ohne dass die gesellschaftlichen Konsequenzen diskutiert werden.

Meine Damen und Herren, bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch, ich bin keinesfalls neuen innovativen Ideen abgeneigt und sehe auch und vor allem die Chancen, die sich hier nicht zuletzt für unser Land ergeben können. Aber gerade in der allgemeinen Glückseligkeit bezüglich der Bedeutung des BioCon Valley für Mecklenburg-Vorpommern, die sich hier scheinbar auf Seiten der Regierung mangels alternativer Erfolge im wirtschaftlichen Bereich breit macht, sollten kritische Stimmen nicht vergessen werden. Ich kann ja verstehen, dass Sie sich an jeden Lichtblick im wirtschaftlichen Dunkel klammern, aber bitte seien Sie dann auch so fair und hören sich die Sorgen der Menschen an.

Meine Damen und Herren, wenn sich Unternehmen in den USA bei Einstellungen und Beförderungen auf gentechnische Daten als Kriterium verlassen, dann ist dies keine Utopie, sondern bereits heute reale Wirklichkeit. Um zu verhindern, dass Menschen in Zukunft auch bei uns von vornherein nach ihren Genen beurteilt werden, sind mutige und geradlinige Regeln notwendig, die festlegen,

welche Eingriffe in das menschliche Erbgut akzeptabel sind und welche nicht.

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Meine Damen und Herren, gerade wir als Christen haben das Gebot der Ehrfurcht vor dem Leben und die christlich begründete Verantwortung gegenüber den Lebenden. Ich denke, das allein ist schon Grund genug, eine intensive Diskussion zu führen. Wir brauchen eine öffentliche Debatte über die Biotechnik, von allen Seiten ausgeleuchtet. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Muth von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Frau Muth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vieles wurde heute schon über die Bemühungen um BioCon Valley und die damit verbundenen Chancen und Entwicklungspotentiale gesagt. Da BioCon Valley auf der Entwicklung und Anwendung von Biotechnologie aufbaut, möchte ich an dieser Stelle auch über ein paar gesellschaftspolitische Fragen reden, die damit verbunden sind. Frau Schnoor hat es ja auch schon getan. Das heißt, bei diesem Thema müssen wir auch und gerade über gesellschaftliche Überlegungen zur Transparenz, demokratischen Mitbestimmung, Kontrollrechte und Aufklärung reden.

(Beifall Heike Lorenz, PDS)

Neben den Chancen dürfen gerade Politikerinnen und Politiker nicht vergessen, dass Risiken zu benennen sind. In der Biotechnologie erfolgt der Einsatz von lebenden oder toten Organismen oder biologisch aktiven Bestandteilen von Organismen in technologischen Prozessen. Naturgegebene Abläufe werden für Produktionsprozesse genutzt. Und die Biotechnologie ist schon Jahrtausende alt. Ich will mal daran erinnern, 3.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung wurden der Sauerteig und der Alkohol entwickelt,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, der Alkohol bestimmt.)

1915 die Bäckerhefe. 1879 erfolgten die Entdeckung der Essigbakterien, 1928 des Penizillins und 1980 des Humaninsulins, also alles Fortschritte, die wir heute ganz selbstverständlich nutzen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Die Palette der Themenbereiche ist heute breiter und ausgesprochen vielfältig. Sie reicht von der Messung von Atmungsprozessen im Boden, wie sie die Firma ZIROX in Greifswald betreibt, über die Veredlung von Seegras der Firma AQUAZOST bis hin zur Protein- und DNA-Analytik bei ChromaTec oder erfolgreiche Genforschung der DNA Diagnostik Nord. Die Entwicklung auf diesen Gebieten schreitet also rasant voran.

Ein Beispiel ist die Entschlüsselung des menschlichen Chromosoms 21, ohne Zweifel eine technologische Meisterleistung. Experten gehen sogar davon aus, dass bis zum Jahre 2003 alle 23 Chromosomen des Menschen entschlüsselt sind. Biotechnik, Biotechnologie ist also zukünftig nicht aus unserem Leben wegzudenken. Und gerade darum wird neben wirtschaftlichen Zukunftsvisionen auch für unser Land darüber nachzudenken und zu reden sein, wie diese Entwicklung mitbegleitet wird von

demokratischer Meinungsbildung, Mitbestimmung und Kontrolle.

Die Entwicklung der letzten Jahre ist da ein schlechtes Omen. Ich will einmal daran erinnern, dass nur durch Engagement und Zivilcourage einzelner Bürgerinnen und Bürger 1996 der bis dahin unter Verschluss gehaltene Entwurf der „Bioethik-Konvention“ des Europarates, der ansonsten der Öffentlichkeit zu der Zeit damals nicht bekannt geworden wäre, veröffentlicht wurde.

Dieses Beispiel führe ich an, weil ich meine, dass es unsere Aufgabe sein muss, vor allem für Öffentlichkeit und Transparenz der Erzeugnisse auf diesem Gebiet und deren Entwicklung sowie Anwendung zu sorgen. Die bisherige Entwicklung zeigt auch, dass Nützlichkeitserwägungen im Zusammenhang mit der Genforschung und wirtschaftlich motivierten Züchtungen Forderungen nach mehr Sicherheit und Langzeitmonitoring auf den Plan rufen. So ist die wissenschaftliche Risiko- und Technikfolgeabschätzung zu verstärken. Den existierenden relativ wenigen Untersuchungen kann man nicht entnehmen – da haben wir ein großes Defizit –, welche Wechselwirkungen beim komplexen Zusammenwirken von Genen und Umwelt und den Genen verschiedener Organismen zu erwarten sind.

Meine Damen und Herren, ein Thema in diesem Zusammenhang ist die Patentierung von genomischem Material, genomischen Informationen und lebensfähigen Systemen. Ich sage hier für die PDS nein zur Patentierung, denn sie schließt aus, dass eine breite wissenschaftliche Öffentlichkeit an den Ergebnissen teilhaben kann. Sie stärkt wirtschaftliche Ungleichgewichte und Abhängigkeiten von einzelnen Konzernen auf diesem Gebiet. Gerade die grüne Gentechnik zeigte in der Vergangenheit – das ist ja auch ein Teilgebiet der Biotechnologie –, die Genforschung ist kostenintensiv. Sie liegt in den Händen weniger Konzerne. Sie ist konzentriert und damit mit Monopolstellung behaftet.

Kritische Stimmen weisen über diese Fragen hinaus auf Gentests hin. Gentests im Arbeitsleben und im Versicherungswesen, die auf eine Analyse der Gesundheit abzielen, erfordern dringend gesetzliche Beschränkungen und Regelungen. Die Gefahr des gläsernen Arbeitnehmers und der sozialen Benachteiligung aufgrund gentechnischer Daten dürfen wir nicht vom Tisch wischen und müssen wir immer wieder thematisieren.

Nicht zuletzt sei gesagt, es muss unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger über gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht an den Anspruch erhöhter Verbraucherakzeptanz gebunden ist, sondern daran, dass der Bürger befähigt wird, aufgeklärt wird, um selbst zu entscheiden, wie er oder sie mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln umgeht. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, denke ich, ist diese Nachdenklichkeit bei dem Thema Biotechnologie angebracht und wir werden wohl nicht das letzte Mal über unsere Aufgabe in diesem Rahmen sprechen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Dr. Manfred Rißmann, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bräunig von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Bräunig.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren haben sich die

Umfeldbedingungen für Wirtschaftsdynamik erheblich verändert. Zwei Trends sind zu verzeichnen, nämlich der Übergang von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zur Wissensgesellschaft und der Prozess der Globalisierung. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist diese Entwicklung zu verzeichnen. Es findet ein Strukturwandel statt. Aus den traditionellen Branchen wie Schiffbau, Bauwirtschaft oder Land- und Nahrungsgüterwirtschaft sind immer weniger nachhaltige Impulse für die Arbeitsmarktentwicklung zu erwarten. Stattdessen verlagern sich die Wachstumschancen hin zu Produkten und Dienstleistungen, die eine hohe technologische Kompetenz beinhalten.

Der Anteil der Produkte am Welthandel, deren Wert durch das intensivere Know-how bestimmt wird und nicht durch Material- und Herstellungskosten, wächst rasch. Damit werden Wissen und die Vermarktung von Wissen zum entscheidenden Standortfaktor. Eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation kann daher nur durch eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen erreicht werden, die sich mit innovativen Produkten und Dienstleistungen den Anforderungen des nationalen und internationalen Marktes stellen. Unternehmen, die im Bereich der Zukunftstechnologie Spitzenprodukte oder Dienstleistungen anbieten, werden langfristig die größten Zuwächse erreichen können.

Neben den Informations- und Kommunikationstechnologien und den Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien ist die Bio- und Medizintechnologie eine Zukunftstechnologie, die für die weitere Entwicklung des Landes von eminenter Bedeutung ist. Die Entwicklungen in diesem Bereich nehmen Einfluss auf zahlreiche Branchen. Dazu zählen insbesondere die Landwirtschaft, die Medizin, die Pharmazie, aber auch die Umwelttechnik und die Lebensmittelindustrie. Der Boom der biotechnischen Unternehmen ist hierfür das beste Zeichen. In den letzten fünf Jahren stieg europaweit deren Anzahl von 530 auf 1.350 und ebenso die Zahl der Beschäftigten von 17.000 auf 53.000.

Die internationale Wettbewerbsposition Deutschlands in der Biotechnologieforschung, aber auch in der wirtschaftlichen Umsetzung durch Unternehmensgründungen, hat sich innerhalb weniger Jahre wesentlich verbessert. So lag im Jahre 1998 die Zuwachsrate bei den Unternehmensgründungen in Deutschland doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt und Mecklenburg-Vorpommern kann und muss dabei partizipieren. Bei der Zahl der Biotechnologieunternehmen liegen wir im Verhältnis zur Einwohnerzahl gerechnet bundesweit an zweiter Stelle hinter Berlin. Einige dieser jungen Firmen haben bereits mit zahlreichen Erfindungen international auf sich aufmerksam gemacht. Zu nennen sind hier – das ist heute schon ein paar Mal gesagt worden – die Teraklin AG Rostock sowie PlasmaSelect. Mecklenburg-Vorpommern ist ein kleines Land mit begrenzten Kapazitäten und Möglichkeiten. Diese müssen optimal genutzt werden. Daher sind Anstrengungen der Landesregierung zu befürworten, sich auf wenige erfolgversprechende Schwerpunkte zu konzentrieren.

Meine Damen und Herren, das Ziel einer modernen Technologiepolitik in diesem Sinne beinhaltet:

1. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Land

Dazu gehört die Entwicklung neuer und verbesserter Produkte, Verfahren und Dienstleistungen.

2. Erhalt und Ausbau der wissenschaftlichen Potentiale des Landes

3. Förderung von technologieorientierten Unternehmensgründungen und -ansiedlungen

Die Bereitstellung von Wagniskapital nimmt hier eine zunehmend bedeutende Rolle ein.

4. Förderung wirtschaftsnaher Forschung an den Hochschulen und Universitäten unseres Landes

Auch das ist schon gesagt worden. Dazu gehören ebenfalls der Ausbau von wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen und die Ansiedlung von Forschungsinstituten ebenso wie die Förderung von Ausgründungen.

5. Schaffung von effizienten Formen des Technologietransfers zwischen Wirtschaft und Wissenschaft

Es müssen Plattformen geschaffen werden, die den Wissenstransfer erleichtern und die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft unterstützen. Der neu gegründete BioCon-Valley-Verbund ist dafür ein herausragendes Beispiel.

6. Einwerbung von nationalen und internationalen Partnern

Dazu gehören nicht nur Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, sondern gerade auch zwischen Regionen und Verbünden. Besonders der Ostseeraum bis nach Skandinavien und den baltischen Staaten bietet Möglichkeiten, die ausgebaut werden müssen.

Die Zusammenarbeit mit MediCon Valley als Partner aus der Øresund-Region mit 30.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Bio- und Medizintechnologie öffnet Pforten in diesem Raum. Erste sehr gute Schritte zu einem internationalen wettbewerbsfähigen Biotechnologiestandort Mecklenburg-Vorpommern wurden gegangen. Wir unterstützen und befördern diesen Prozess. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Vierkant von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Vierkant.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines muss ich vorwegstellen: Ich frage mich wirklich, ob es für das BioCon-Valley-Dreieck nicht hilfreicher wäre, im Rahmen der Haushaltsdebatte wirtschaftspolitische Antragstellungen zu Fördermöglichkeiten, Infrastrukturentwicklungen, Management und ähnliche konkrete Hilfen des Landes anzubieten, anstatt hier Kurzreferate im 5-Minuten-Takt abzuliefern.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Machen Sie doch mal einen Vorschlag, dass wir die Aktuelle Stunde abschaffen, wenn sie Ihnen nicht gefällt!)

Wo die Zielstellung dieser Debatte hier und heute liegen soll, kann ich einfach nicht erkennen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was soll der Quatsch?)

Hier drängt sich mir, wie schon meinem Kollegen Jürgen Seidel, eher die Vermutung auf, dass sich die Koalitionsparteien einmal mehr ob ihrer vermeintlichen Verdienste gegenseitig auf die Schultern klopfen möchten.