(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Die sind auch nicht gewählt worden. – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)
Herr Böttger, Sie können doch nachher noch reden. Wo sind die Spitzengewerkschafter – ich wiederhole das –,
(Gerd Böttger, PDS: Herr Deutsch- land ist nicht gewählt worden. – Sylvia Bretschneider, SPD: Herr Deutschland hat gar nicht kandidiert, Herr Böttger.)
Müssten sie sich nicht hier tummeln angesichts der Verantwortung des Landtages für die Landesgesetzgebung und die Kontrolle der Regierung? Sicher ist die Antwort auf die Frage, die ich gestellt habe, komplexer Natur und es geht hier nicht nur ums Geld, es geht um Ansehen, es geht natürlich um die Bereitschaft, sich hier einzubringen. Aber in Bezug auf die Diäten, und das sage ich ganz klar, geht es einfach darum, dass ein Spitzenmensch in diesem Land aus den genannten Berufen kaum bereit ist, sich auf diesen Schleudersitz im Landtag zu setzen.
Diese Wahrheit ist bitter. Diese Wahrheit ist bitter auch gerade wegen der Kritik des größeren Teils der Bevölkerung, der selbstverständlich mit weit weniger auskommen muss als ein Abgeordneter. Aber es ist einfach mal die Wahrheit. Auch wenn wir mit dem Vorschlag zur Änderung des Abgeordnetengesetzes das Problem nicht ein für alle Mal lösen können, so geht der Vorschlag aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Deshalb habe ich ihn mit unterschrieben und deshalb sehe ich es auch als meine Verantwortung an, trotz aller Bauchschmerzen den Weg zu
Der in meiner Fraktion diskutierten und mehrheitlich getragenen Variante, der Veränderung des Abgeordnetengesetzes zwar hinsichtlich des Indexes zuzustimmen, jedoch dies mit einem Stop der Anhebung der Diäten in dieser Wahlperiode zu verbinden, kann ich mich auch aus diesen Gründen nicht anschließen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Politik hat auch immer etwas mit Wettbewerb zu tun, aber den Wettbewerb mit meinen drei Vorrednern werde ich zumindest inhaltlich nicht mehr gewinnen können. Ich hätte eigentlich dem insgesamt nicht so viel hinzuzufügen bis auf die vielleicht historischen Ausflüge des Kollegen Schoenenburg. Aber eine kleine Bemerkung darf ich doch noch erwidern.
Gut, wir haben hier keine Spitzengewerkschafter, das mag man so sehen. Aber Gewerkschafter können durchaus in der Spitze sein und sind auch geeignet in diesem Parlament.
Aber Sie haben es ja schon öfter gehört, die einzige Berufsgruppe, die öffentlich über ihre Einkünfte reden muss aufgrund des Transparenzgebotes, sind wir, die Abgeordneten. Und es gibt auch keine Tarifpartner, die für uns irgendetwas aushandeln, hinter denen sich dann vielleicht einige Trittbrettfahrer verstecken können. Aber unser Arbeitgeber ist nun mal der Wähler, überwiegend ein Steuerzahler. Und insofern müssen sie es wissen und wir müssen es öffentlich diskutieren.
Ich denke auch, es ist hier schon verschiedentlich gesagt worden, wir gehen ja eine Reihe von Qualifikationen durch. Und dass gerade die Parteiendemokratie die jeweils ihrigen Besten ins Rennen um die Wählergunst schickt, ist klar. Dass sich der Wähler bei der Wahl dann vielleicht über diese und jene Person mal mehr oder mal weniger ein Bild macht, dafür kann ich nichts. Ich biete ja immer nur an und auch in jeder Veranstaltung mit Sozialhilfeempfängern sage ich ganz genau, weil die Frage immer wieder kommt, was ich für diese Arbeit bekomme oder bekommen werde.
Und ich gehe davon aus, dass die jeweiligen Parteien und im Einzelfall auch Wählergruppierungen ihre Fähigsten in diese Wahlen und diese Wahlauseinandersetzungen schicken. Der Wähler hat ganz genau, und das ist auch mehrfach betont worden, einen deutlichen Anspruch, dass gute Arbeit hier geleistet wird. Und nach dem guten Spruch in Deutschland gibt es für gute Arbeit auch gutes Geld. Ich sage es ganz deutlich: Es ist ein gutes Geld, was wir hier bekommen, und das ist auch in Ordnung so.
Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, also auch steuerfinanziert, werden im Allgemeinen akzeptiert, sind auch ein sicherer Faktor für die Binnennachfrage. Diätenerhöhungen werden vordergründig zumindest sehr negativ diskutiert. Das haben wir auszuhalten, wir 71 von über 500.000 abhängig Beschäftigten. Zieht man die Selbständigen hinzu, sind es noch ein paar mehr.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Abgeordneter die 6.880 DM brutto wert ist und wir uns auch selbstbewusst genug darstellen sollten, nicht arrogant, aber selbstbewusst, und dass wir uns von dieser allgemeinen Einkommensentwicklung nicht abkoppeln sollten. Ansonsten haben meine Vorredner so ziemlich alles gesagt. Ich bitte also um Zustimmung zur Überweisung. Ich gehe auch, glaube ich, im Namen meiner mitunterzeichnenden Kollegen davon aus, dass Sie den Änderungsantrag mit überweisen können.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Über das Ungewöhnliche an dieser Debatte ist jetzt von allen Vorrednern gesprochen worden. Man kann es auch so illustrieren, wie ich das jetzt tue: Können Sie sich vorstellen, dass ein Lagerist um Anstellung in einem Großhandelsunternehmen ersucht und den Vertrag aushandelt, in dem am Ende steht, er könne sich seinen Monatslohn selbst festlegen? Schwer vorstellbar, nicht wahr?
(Sylvia Bretschneider, SPD: Peinlich! Also wirklich wahr! – Zurufe von Erhard Bräunig, SPD, und Reinhard Dankert, SPD)
Die Besonderheit dieser Debatte besteht darin, dass wir uns selbst und anderen erklären müssen, in welcher Höhe unsere Tätigkeit zu vergüten ist. Die Vergütung und Aufwandsentschädigung für die Abgeordnetentätigkeit bedürfen nachvollziehbarer, eindeutiger und gerechtfertigter Regelungen insbesondere deshalb, weil uns kein Tarifpartner Grenzen setzend gegenübersteht. Unsere besondere Verantwortung besteht darin, die Vergütung für unsere Tätigkeit selbst zu bemessen.
Es gibt dabei zumindest zwei Betrachtungsebenen. Die eine Ebene ist rein juristischer Natur, die andere Ebene jedoch bezieht sich auf die Rechtfertigung unseres Herangehens. Zuerst einmal zur juristischen Seite des Sachverhalts: Unbestreitbar bedarf das vorliegende Abgeordnetengesetz einer Heilung. Zum einen ist die Frist verstrichen, in der es die Kollegen der vergangenen Legislatur aufgegeben hatten, uns über die Form der Anpassung der Diäten zu entscheiden. Zum anderen wird die ursprünglich angedachte Berechnungsgrundlage nicht mehr erhoben und steht somit nicht mehr zur Verfügung. Wie immer im Leben gibt es an den Punkten, an denen Entscheidungen getroffen werden müssen, mindestens zwei Alternativen. Eine ist durch die Antragsteller vorgetragen worden. Sie besteht in einer Regelung, die gegenwärtig sowohl zur Erhöhung der Grundentschädigung als auch der Aufwandsentschädigung führen würde. Die sich ergebende Erhöhung soll auch umgehend in Anspruch genommen
werden. Eine andere Alternative besteht darin, eine praktikable Rechtsgrundlage zu schaffen und gleichzeitig auf ihre Anwendung, die zu unserem Vorteil führen würde, bewusst zu verzichten. Auf Letztere zielt der vorliegende Änderungsantrag von 15 Abgeordneten.
Um Irritationen auszuräumen, den Antragstellern des Gesetzentwurfs wie den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Änderungsantrages ist klar, dass wir nur für uns Regelungen treffen können, so, wie die Abgeordneten der kommenden Legislaturperiode in Souveränität ihre Entscheidungen treffen können. Die Formulierung des Paragraphen 28 a Absatz 4 des Abgeordnetengesetzes gibt uns den Auftrag, über die Anpassung der Entschädigung zu beschließen. Dieser Passus sagt nichts über die Höhe oder Zeiträume beziehungsweise Berechnungsformen aus. Im Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.“ Angemessenheit ist ein moralischer Begriff.
Ich höre da die Warnung, lass das mit dem Thema Moralisieren, es schürt nur Zwietracht. Jetzt mal Hand aufs Herz – wenn wir aufrichtig zu uns selbst sind, gibt es mindestens drei Gründe, warum Politik und Moral untrennbar sind:
Erstens. Wir streben unter anderem nach Bekanntheit, Bedeutung, bis hin zur Macht. An solche Menschen wie uns darf und muss man ganz einfach höhere moralische Anforderungen stellen als an andere. Wer Macht und Einfluss hat, unterliegt auch einer höheren Verantwortung.
Frau Bretschneider, wissen Sie, ich muss damit leben, dass Sie mich abgrundtief verabscheuen, wie das viele hier sicherlich tun.
Aber ich möchte gern – unter dem Antrag stehen 15 Namen –, dass Sie wenigstens meinen 14 Kollegen Respekt zollen.
Um nicht immerzu das Grundgesetz zu bemühen, sei auf die Bibel Matthäus 20 verwiesen. Dort steht geschrieben: „Wer Erster sein will, hat besondere Pflichten.“
Zweitens. Im Zuge des Wahlkampfes argumentieren wir häufig mit hohen moralischen Ansprüchen, um gewählt zu werden. Dann aber müssen wir uns auch daran messen lassen.
Drittens. Politikerinnen und Politiker aller Parteien neigen dazu, wie wir es auch gestern in der Debatte hautnah miterleben konnten, positive gesellschaftliche Entwicklungen auch dann als ihr Verdienst hinzustellen, wenn sie nichts damit zu tun haben. Allein aus diesem Grund verwirken wir unsere Beschwerderechte für den entgegengesetzten Fall, also wenn wir in Haftung genommen werden für Dinge, mit denen wir nichts zu tun haben.
Gysi beschreibt es mit folgendem Bild: „Wer jeden blühenden Baum als eigene Leistung deklariert, haftet
dann eben auch für jeden verwelkten.“ Ich behaupte, aus einer solchen Betrachtung heraus können wir Angemessenheit nur aus der Lebenssituation der Menschen herleiten, für deren Schicksal wir verfassungsrechtlich Mitverantwortung tragen.
So vielschichtig diese Lebenssituation auch sein mag, unbestreitbar ist Mecklenburg-Vorpommern ein wirtschaftlich schwaches Land. Eine Veröffentlichung der Vereinigung der Unternehmensverbände, die uns Abgeordneten vor zwei Tagen an die Hand gegeben wurde, belegt, dass wichtige wirtschaftliche Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt, Produktivität und Lohnstückkosten in unserem Land wesentlich geringer ausfallen als im Durchschnitt der alten Länder. Ich rede dabei unser Land nicht schlecht. Das ist eher Ansporn und Herausforderung für uns, hier entgegenzusteuern und hier Politik gestaltend zu praktizieren.
In Mecklenburg-Vorpommern, und das ist auch eine Wahrheit, gibt es vielfältige soziale Spannungen, ob das die höhere Sozialhilfequote ist, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, hoher Verschuldungsgrad privater Haushalte oder niedrigere Einkommen als in anderen Bundesländern. Ich komme gleich zum Schluss.
Nun frage ich in die Runde: Können wir angesichts solcher wirtschaftlichen und sozialen Defizite guten Gewissens ein Gesetz zu unseren Gunsten verabschieden? Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Änderungsantrages verneinen dieses und entsagen einer Entschädigungserhöhung für den Zeitraum dieser Legislaturperiode. Sollten wir nicht unserem Verantwortungsbewusstsein, in erster Linie für dieses Land zu entscheiden und nicht für uns selbst, durch Verzicht Ausdruck verleihen? – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.