Protocol of the Session on July 12, 2000

In dem Werbeprospekt der Rüttelfirma heißt es:...

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ja, es wird immer doller, keine Sorge.

... „Solange die Durchführungsanweisung aber nicht dahin gehend erweitert wird, dass mit einem amtlich abgenommenen und dokumentierten Prüfgerät geprüft werden muss, wird die nicht mehr zeitgemäße Rüttelprobe ohne Maßgerät nicht auszurotten sein.“

Meine Damen und Herren, wir freuen uns also auf die Verordnung zur Prüfung von Rüttelgeräten zum korrekten Rütteln an kommunalen Grabsteinen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Das mag hier Heiterkeit hervorrufen, aber das, was ich hier an einem zugegeben sehr blumigen Beispiel illustriere, ist für unsere Kommunen, für unsere Städte, für unsere Gemeinden und Kreise eine verdammt bittere Wahrheit und ein verdammt bitteres Faktum, mit dem Sie leben müssen, dass nämlich solche Normen und solche Standards ihr Handeln einschränken, dass solche Normen und solche Standards zu teilweise extremen Kosten und zu unverantwortlichen Situationen führen. Herr Dr. Jäger hat freundlicherweise bereits einige Beispiele dazu genannt.

Und hier setzt unser Gesetz an. Dieses Gesetz hat die eine und einzige Aufgabe – ich sage es mal ganz deutlich –, die gröbsten Idiotien, die sich aus diesem System von Normen und Standards ergeben, zu verhindern. Deshalb sind viele der Kritiken und viele der Ängste unberechtigt. Dieses Gesetz hat nicht die Aufgabe, Normen und Standards in der Breite in Frage zu stellen oder zu verändern. Keine Norm wird geändert, kein Standard wird abgesenkt, sondern es werden nur die Fälle betrachtet, bei denen die Einhaltung der Normen, die Einhaltung des Standards zu einer unverantwortlichen Härte führen würde, zu einer Situation, die nicht akzeptabel ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Ich glaube, mit einem solchen Gesetz schaffen wir nicht Wildwest, sondern mit einem solchen Gesetz schaffen wir vielmehr eine vernünftige Basis dafür, dass man sich über Normen und Standards, die ja im Grundsatz nichts Falsches sind, unterhalten kann. Und wenn Sie bitte, meine Damen und Herren, so fair sind, dieses Gesetz tatsächlich von seinem Wortlaut her zu nehmen und sich das Verfahren anzugucken, dann setzt eine Abweichung von einer Norm oder einem Standard immer erst einen Antrag der kommunalen Gebietskörperschaft voraus. Und dieser Antrag muss begründet werden. Dieser Antrag liegt dann zur Genehmigung beim Innenministerium. Der Innenminister darf nicht genehmigen. Auch dieses ist Teil des Gesetzes. Er darf nicht genehmigen, wenn der Sinn der Norm, wenn der Sinn der Vorschrift nicht erfüllt wäre. Der Innenminister muss über das, was er genehmigt, uns – diesem Landtag – halbjährlich einen Bericht erstatten. Sollte also, was ich nicht erwarte, das Innenministerium leichtfertig mit einer solchen Regelung umgehen, dann haben wir als Landtag immer noch die Möglichkeit, die Bremse anzuziehen. Und dieses Gesetz – Herr Dr. Jäger hat darauf verwiesen – ist zeitlich befristet bis zum Ende des Jahres 2004. Wir haben also die Aufgabe, im Jahre 2004 auszuwerten: Hat sich das bewährt? Müssen wir es ändern? Können wir es beibehalten? Auch dieses ist meines Erachtens eine Bremse, die Ängste vor Missbrauch eigentlich nicht aufkommen lassen sollte.

Es ist kein sehr weitreichendes Gesetz und es ist ein experimentelles Gesetz. Dennoch, meine Damen und Herren, weiß ich, dass es bei einigen Fachkolleginnen und Fachkollegen, darunter von mir sehr geschätzten Fachkollegen, Bedenken gegen dieses Gesetz gibt, weil sie befürchten, dass eine Ausnahmeregelung an der einen Ecke genehmigt sozusagen zu einem flächendeckenden Brechen der Deiche führen würde. Hier kann ich nur sagen: Bitte betrachten Sie dieses Gesetz in aller Ruhe mit kühlem Kopf und nicht mit heißem Herzen und sehen Sie, wie sehr dieses Gesetz auf den Einzelfall abstellt und nicht darauf, generell Regelungen zu verändern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zur Entstehung des Gesetzes sagen, weil ich glaube, diese Entstehungsgeschichte ist es wert, dass wir darauf eingehen. Es wurde bereits auf die enorm lange Beratungszeit verwiesen. Und ich glaube, es ist nicht gut, wenn es in diesem Landtag dazu kommt, dass ein solches Gesetz so lange in den Ausschüssen schmort, wenn wir uns so lange drehen, wenn wir so lange Probleme haben, zu Entscheidungen zu kommen. Ich denke, hier muss es etwas schneller gehen.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD)

Ich möchte aber auch auf die Tatsache verweisen – und dieses ist von meinen Vorrednern schon hervorgehoben worden –, dass dieser Text, so, wie er da steht, im Innenausschuss erarbeitet worden ist. Dieser Ausschuss hat also etwas gemacht, wie eigentlich Parlamentsarbeit stattfinden sollte. Er hat aus verschiedenen Richtungen – Koalition und Opposition – Vorlagen gehabt und aus diesen Vorlagen ein Papier gemacht, das dann von allen getragen werden kann und wo alle sagen, dieses ist ein vernünftiges Papier. Ich glaube, das ist vorbildliche Ausschussarbeit, und vielleicht sollten wir uns daran auch in der Zukunft häufiger orientieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, weil es auch so selten ist, den Eltern dieses Gesetzes – das waren eine Mutter und drei Väter – für ihre wirklich konstruktive Arbeit zu danken. Die eine Mutter ist die Kollegin Gabi Schulz von der PDS und die drei Väter waren unser Innenminister Gottfried Timm, der kommunalpolitische Sprecher der CDU Herr Dr. Jäger und ich selbst. Ich glaube, wir vier haben – und wir haben dann am Ende diese Formulierung ja zusammengebracht – hier etwas gemacht, was das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen braucht, was jeder Diskussion standhält und was den Kommunen tatsächlich eine Erleichterung bringt, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist richtungweisend, ganz wörtlich genommen bitte. Er geht in eine bestimmte Richtung und diese Richtung ist richtig. Und er geht, wie ich schon gesagt habe, nur einen kleinen Schritt, aber er geht den kleinen Schritt in die richtige Richtung. Und deshalb halte ich das für ein sehr zustimmungswertes Gesetz. Der Strom der Zeit sieht so aus, immer mehr Normen und immer mehr Standards zu produzieren. Ich habe das ausgeführt. Ich kann Sie nur alle bitten, ich kann Sie nur alle auffordern, hier nicht mit diesem Strom zu schwimmen. Denken Sie daran, wer immer mit dem Strom schwimmt, der ist bald in Verdacht, dass er ein toter Fisch ist. Schwimmen Sie an diesem Punkt gegen den Strom der Zeit und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der PDS und Dr. Armin Jäger, CDU)

Vielen Dank, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es scheint, dass schon viele Worte gewechselt sind, aber ich denke, es gibt doch noch eine Reihe Aspekte, auf die ich auch noch mal aufmerksam machen möchte.

Wir kommen heute also zum letzten Akt in der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfes eines Standardöffnungsgesetzes, das in der abschließenden Sitzung des federführenden Innenausschusses am 3. Juli einstimmig zur Zustimmung empfohlen wurde.

Ich glaube, dass wir gemäß dem bekannten Dichterwort „Der Worte sind genug gewechselt, nun lasst uns endlich Taten sehen.“ heute eine Entscheidung zu treffen haben über ein Gesetzesprojekt, das eineinhalb Jahre in der parlamentarischen Debatte war. Es sei zunächst dahingestellt, ob die CDU-Fraktion, als sie es im Januar 1999 einbrachte, uns als Koalitionsfraktionen auffordern wollte, mit diesem Gesetz eine Stellungnahme abzugeben, wie wir unseren Koalitionsvertrag umsetzen wollen. Die Wahrheit gebietet nämlich auch festzustellen, dass die CDU-Fraktion – also auch Sie, Kollege Jäger, damals waren Sie ja noch Innenminister – in Regierungsverantwortung ein solches Gesetz ebenfalls nicht auf den Weg gebracht hatte,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, da bin ich ja an Herrn Timm gescheitert. – Minister Dr. Gottfried Timm: So stark ist der Herr Timm ja auch nicht.)

wobei ich aber nicht beurteilen will, ob Sie das nicht wollten oder nicht konnten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ich sollte. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na ja.)

Als Ausgangspunkt für die Überlegungen der Koalitionsfraktionen und damit auch meiner Fraktion für ein derartiges Gesetzeswerk stand der vereinbarte Anspruch im Koalitionsvertrag. Ich möchte dessen drei Kerngedanken noch einmal an dieser Stelle nennen:

Die Koalition hat sich für die weitere Reform der öffentlichen Verwaltung auf Landes- und Kommunalebene ausgesprochen mit den Zielen Transparenz, Bürgernähe, Entbürokratisierung und Leistungssteigerung. Bezogen auf die kommunale Ebene hat sie festgelegt, dass unter anderem eine Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der gegenwärtigen Standards angestrebt wird und die Kommunen unterstützt werden, neue Wege ihrer Aufgabenerfüllung zu erproben, um zeitlich befristete Ausnahmen von geltendem Landesrecht in Anspruch zu nehmen. Konkretisiert ist darüber hinaus der Auftrag vereinbart worden, zur Gewinnung von weiteren Finanzspielräumen Kommunen zu ermöglichen, Standards flexibler anzuwenden.

Ich habe diese vereinbarte Linie der Koalition noch mal hervorgehoben, weil ich zunächst feststellen will, dass der jetzt zur Entscheidung vorliegende Gesetzentwurf maximal, so, wie es auch schon mein Kollege Müller hier dargelegt hat, ein bescheidener Anfang sein kann, etwas in Richtung Entbürokratisierung und gegen die immer wieder beklagte Gesetzesflut und Vorschriftenregelung durch das Land – auf Bundesebene stellt es sich natürlich genauso dar – zu tun.

Festzustellen ist aber auch, dass eben unser vorliegender Gesetzentwurf lediglich ein bestimmtes Signal – und zwar ausschließlich an die Kommunen – ist, dass der Landesgesetzgeber den politischen Willen hat, etwas am Zustand der Bürokratie zu verändern. Ob dieses Signal angenommen wird, ob es uns im Sinne der Zielvorstellung der Koalition ein kleines Stück voranbringt, sollten wir der tatsächlichen Umsetzung des Gesetzes, also der Praxis, überlassen, die noch immer ein entscheidendes Kriterium der Wahrheit ist. Mich befremden etwas die besonders in letzter Zeit öffentlich geäußerten Auffassungen, um das an dieser Stelle auch bereits zu sagen, wie alle schon genau wissen wollen, was mit diesem Gesetz geschieht oder nicht. Ich halte es daher für nötig, zum Verständnis des vorliegenden Gesetzentwurfes auch noch ein paar Worte zur Geschichte mit anzufügen.

Erwähnt worden ist bereits, dass gewissermaßen der Leidensweg dieses Entwurfes mit der Einbringung vor eineinhalb Jahren begann. Dass meine Fraktion und ich persönlich Probleme mit dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion hatten, aber später auch mit dem eigenen der Koalitionsfraktionen, der sich im Grunde ja nicht prinzipiell von dem Entwurf der CDU unterschied, können Sie nachlesen in den Parlamentsdokumenten von Januar und Oktober vergangenen Jahres. Nur so viel: Ich hatte in Umsetzung von Geist und Buchstaben des Koalitionsvertrages den Anspruch, dass es gemeinsam mit den kommunalen Verbänden und besonders auch mit der Regierungsebene gelingen sollte, beispielhaft tatsächlich unnötige Standards in der Landesgesetzgebung bis hin zu den Verwaltungsvorschriften zu verändern und darüber hinaus eine allgemeine Öffnungsklausel festzuschreiben. Deutlich zu sagen ist, dass Gegenstand des Gesetzentwurfes Lan

desgesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sind. Dabei war und ist meine Auffassung, dass es möglich sein muss, insbesondere Verwaltungsvorschriften auf ihren unabdingbaren Bestand zurückzuführen, überzogene Standards zu reduzieren und strengere Maßstäbe anzulegen bei Erlass neuer und bei Fortdauer vorhandener Vorschriften.

Es bleibt heute nüchtern festzustellen, dass es uns nicht gelungen ist, tatsächlich Standards in Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften abzuschaffen beziehungsweise in ihren Auswirkungen zu ändern. Es bleibt also der Fakt, dass zwar sehr viele darin übereinstimmen, dass es eine zu große Normenflut gibt, dass eine überflüssige Bürokratie und kleinliche Bevormundungen nicht nur dem einzelnen Bürger das Leben schwer machen, sondern auch den kommunalen Verantwortungs- und Entscheidungsträgern. Ich muss aber heute erneut konstatieren, dass der konkrete politische Wille aus dieser Erkenntnis, Konsequenzen für die Reduzierung von Normen und Vorschriften, einschließlich verbindlicher Standards zu ziehen, bisher nicht konsensfähig ist.

Nach umfänglicher und teilweise auch sehr emotionaler Diskussion muss man eingestehen, dass wir als Landesgesetzgeber heute nur die abschließende Entscheidung darüber treffen können, ob wir mit diesem Gesetz ein gewisses politisches Signal an die Kommunen senden wollen oder nicht. Dabei betone ich noch einmal, dass keiner von uns genau weiß, in welchem Maße selbst dieses Signal kommunale Selbstverwaltung tatsächlich stärkt. Insofern kann ich bezogen auf das Standardöffnungsgesetz zum Beispiel optimistische Überschriften wie in der SVZ, dass damit „Schneisen in das Dickicht der Bürokratie“ geschlagen sind, lediglich als Wunsch und als Aufforderung zu weiteren Anstrengungen auffassen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu den umfangreichen Kritikern, die es zu diesem Gesetz ja auch in meiner eigenen Fraktion gibt und die sich doch sehr deutlich immer wieder als Dissens zwischen Kommunalpolitikern und Fachpolitikern artikulieren. Aber insbesondere will ich auf die in letzter Zeit öffentlich geführten Kampagnen eingehen, insbesondere soweit sie von den Gewerkschaften geführt werden. Die kontroversen Diskussionen der verschiedenen Aspekte des Gesetzentwurfes in der Fraktion, in den Ausschüssen des Landtages und auch innerhalb der Landesregierung zeigen doch, wie außerordentlich kompliziert es ist, auf diesem Feld der Politik einen Konsens zwischen unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Auffassungen zu finden.

Ich möchte deshalb zunächst feststellen, dass es uns gelingen muss, jeden Einwand ernst zu nehmen und sachlich den Wesensgehalt einer Auffassung zu diskutieren. Was der Diskussion und den an der Diskussion Beteiligten allerdings Schaden zufügen kann, ist die Flucht in pauschale Unterstellungen und persönliche Diskreditierungen. Es sollte deshalb heute in der abschließenden Beratung jenseits von abträglichen Emotionen nochmals das Anliegen sein, über den Kern der verschiedenen Kritikpunkte zu reden und damit das Für und Wider abzuwägen.

Aus meiner Sicht lassen sich die Kritikpunkte auf folgende Aussagen reduzieren:

Ein erster war und ist die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Dazu kann ich sachlich nur feststellen, dass eine gemeinsame Anhörung von Innen- und Rechts

ausschuss ausdrücklich zu dieser Frage stattgefunden hat. Im Ergebnis sind mehrheitlich verfassungsrechtliche Bedenken nicht gesehen worden. Der Landesgesetzgeber tritt keine grundsätzlichen Kompetenzen und Befugnisse mit diesem Gesetz, zum Beispiel an den Innenminister, ab. Dieses Gesetz ändert tatsächlich – Herr Müller hat das eben auch noch mal deutlich gemacht – kein Landesgesetz, es erlaubt lediglich, im Rahmen enger Grenzen Ausnahmen von bestimmten Standards im Einzelfall zuzulassen. Da der Landesgesetzgeber die heutige Entscheidung im Wissen um mögliche Konsequenzen selbst souverän treffen kann, kann also von Einschränkungen verfassungsrechtlicher Positionen des Landtages meines Erachtens nicht gesprochen werden.

Ein zweiter und zum Teil massiv vorgetragener Kritikpunkt ist, dass es generell fragwürdig sei, insbesondere an Standardöffnungen zu denken, soweit es besonders soziale, pädagogische oder Umweltstandards betrifft. Insofern wird die Forderung erhoben, alle Versuche und Standards in diesem Einzelfall zu ändern, nicht zuzulassen.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass man die in Paragraph 1 Absatz 3 bezeichneten Orientierungen für mögliche Änderungsanträge zu Standards durchaus kritisch sehen kann, zum Beispiel eben die Festlegungen zur Gruppengröße in Kindertagesstätten und in der Tagespflege. Ich kann aber auch da nur entgegenhalten, der Gesetzgeber musste im Sinne des Bestimmtheitsgebotes eines Gesetzes dem Anwender mindestens in allgemeiner Form eine Richtung vorgeben. In diesem Rahmen können Kommunen im Einzelfall entsprechend den konkreten Gegebenheiten in der Gemeinde Überlegungen anstellen und gegebenenfalls Anträge stellen. Um dieses Bestimmtheitsgebot zu beachten, sind sogar in einem längeren Diskussionsprozess die in Paragraph 1 Absatz 4 genannten zehn Landesgesetze und, ich betone, die daraus abgeleiteten Verordnungen und Verwaltungsvorschriften zusätzlich aufgenommen worden.

Besonders auch zu einigen dieser Gesetze, insbesondere soweit sie den Naturschutz betreffen, gab und gibt es kritische Stimmen. Ich kann dazu nur sagen, dass dieser Gesetzeskatalog entsprechend abgestimmt wurde und auch hier die Praxis zeigen muss, welche Ausnahmen von Kommunen überhaupt beantragt werden.

Erwähnen will ich darüber hinaus, dass im Rahmen der parlamentarischen Beratungen neben Personal- und Sachstandards auch die Aufnahme von Verfahrensstandards erwogen wurde. Das fand jedoch im Ergebnis keine Mehrheit.

Als ein Teilgebiet der kritischen Standpunkte zur Öffnung von Standards im Einzelfall überhaupt sind insbesondere Stimmen zur möglichen flexiblen Anwendung von Personalstandards – diese besonders von den Gewerkschaften ÖTV und GEW – laut geworden. Dazu nur so viel: Meine Fraktion bedauert es, dass es zu keiner ausdrücklichen Anhörung der Gewerkschaften im parlamentarischen Verfahren gekommen ist. Wie das Ergebnis jedoch zeigt, war es in der etwa eineinhalbjährigen Debatte am Ende wahrscheinlich auch nicht ausreichend, neben einer beachtlichen öffentlichen Diskussion in den Medien in vielen Gesprächsrunden allein darauf zu vertrauen, dass dieser Gesetzentwurf mit der Erörterung in allen Ausschüssen des Landtages, was ja nur bei ganz wenigen Gesetzen der Fall ist, die ganze Palette des Für

und Wider zum Ausdruck bringen würde. Die möglichst breite Beteiligung aller betroffenen Verbände und Gewerkschaften wäre vielleicht auch notwendig gewesen, weil es in den einzelnen Landtagsausschüssen ebenfalls unterschiedliche Aussagen gab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Gleichwohl will ich feststellen, dass meines Erachtens in den Fraktionen, im federführenden Innenausschuss und in den anderen Ausschüssen sowie in der Landesregierung eine breite Diskussion zur Notwendigkeit dieses Gesetzes und auch zu den möglichen Vorbehalten stattgefunden hat. Jeder Abgeordnete und der Landtag insgesamt kann heute in Abwägung dieser Positionen sein Votum abgeben. Es ist meine feste Überzeugung, dass nicht diese oder jene Nachbesserung das Gesetz verbessert hätte. Der Landtag muss eine Entscheidung treffen, ob er den Kommunen dieses Angebot im Kampf gegen Bürokratie unterbreitet.

Ein weiterer Kritikpunkt war die im Gesetzentwurf enthaltene Verfahrensweise bei der Befreiung von Standards und, ich betone auch immer wieder, bei der Befreiung von Standards im Einzelfall. Hier wurden mehrere Modelle diskutiert – von der Einvernehmensregelung zwischen Innenminister und den jeweils obersten Landesbehörden bis zu einem Abstimmungsverfahren in der Landesregierung. Den Ausschlag hat letztlich die jetzt vorgeschlagene Regelung mit der Hervorhebung der Verantwortung des Innenministers als dem im Land zuständigen Kommunalminister ergeben. Ausschlaggebend für den Innenausschuss war, ein Verfahren zu wählen, das praktisch handhabbar ist. Eine Reihe vorgetragener anderer Abstimmungsverfahren hätte selbst einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand erfordert und damit hätten wir dem Gesetz, glaube ich, keine Rechnung getragen.

In diesem Zusammenhang will ich auch einige Bemerkungen machen zu der Unterstellung, wonach dieses Gesetz angeblich einem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Herr Müller hat das auf andere Weise ja eben auch getan. Hier werden aus meiner Sicht teilweise Szenarien an die Wand gemalt, wonach zum Beispiel in Kitas oder beim Öffentlichen Personennahverkehr insbesondere aus Kostengründen durch dieses Gesetz Personalreduzierungen bevorstehen würden. Als gewählte Kommunalvertreterin bin ich doch etwas befremdet über diesen pauschalen Vorwurf, dass den hauptamtlichen und vielen ehrenamtlichen Kommunalpolitikern de facto unterstellt wird, dass sie nicht mit dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein mit diesem Gesetz umgehen würden. Ich darf darauf verweisen, dass die Kommunen, also die Städte und Dörfer sowie die Landkreise, nicht irgendeine Interessengruppe darstellen, sondern sie sind eine Gebietskörperschaft, die in freier Selbstverwaltung das Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner fördert. Artikel 3 unserer Landesverfassung bestimmt zudem, dass die kommunale Selbstverwaltung dem Aufbau der Demokratie von unten dient. Alle Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes leben also in Kommunen, die ihr tägliches Leben und ihr Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen.

Es ist eine Tatsache, dass etwa 80 Prozent aller Gesetze in den Kommunen realisiert werden. Ich denke, dass der Landtag eine große Verantwortung dafür hat, nicht nur das finanzielle, personelle und sachliche Funktionieren der Kommunen zu sichern, sondern auch alle unnötigen Reglementierungen, die bei den sehr unterschiedlichen

Bedingungen in den einzelnen Kommunen noch verstärkt werden können, weitgehend zu unterlassen beziehungsweise auf das erforderliche Maß zu reduzieren. Ich gehe davon aus, dass jeder einzelne Antrag einer Kommune, der an uns im Falle der Beschlussfassung unseres Gesetzes gerichtet wird zu diesem Gesetz, kein Alleingang eines Bürgermeisters oder der Verwaltung ist, sondern in den Ausschüssen der entsprechenden Vertretungen beraten wird.