Und, meine Damen und Herren, die Ermächtigung an den Innenminister, im Benehmen mit dem zuständigen Fachressort zu entscheiden, die ist wohl dringend nötig. Denn, das wissen wir alle, die Fachbruderschaften in den höheren Ebenen unserer Landesverwaltung sind nach wie vor groß und natürlich gibt es auch einen Ressortegoismus. Und das haben wir nun sehr deutlich in unseren Beratungen erfahren. Gerade die Einmischung von Frau Ministerin Bunge und Herrn Minister Holter hat uns das in den Beratungen des Innenausschusses sehr deutlich gezeigt.
(Heike Lorenz, PDS: Sie empfinden es als Ein- mischung, wenn andere Abgeordnete Vorschlä- ge unterbreiten? Das finde ich ja interessant. Tolles Demokratieverständnis, Herr Jäger!)
Ich habe deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, durchaus Grund, mich bei den Mitgliedern und Kollegen im Innenausschuss zu bedanken. Die Landesregierung war in diesem Verfahren über weite Strecken eher ein Bremsklotz. Der Innenminister hat in der Sitzung am 21.01.1999 an dem Entwurf, den wir eingebracht hatten, eigentlich kein gutes Haar gelassen. Er hatte uns dann auch noch deutlich erklärt, wie es weitergeht. Wir – damit meine ich die Landesregierung – arbeiten zügig und gründlich an einem Gesetzentwurf, der den Anspruch erfüllt, ein tatsächliches Modernisierungsgesetz für die kommunale Ebene zu sein. Diesen Gesetzentwurf hat es dann nie gegeben.
Aber immerhin haben die Koalitionsfraktionen zehn Monate danach einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem
man sagen konnte, dass man für die marginalen Änderungen – es war ja in der Sache Gott sei Dank keine wesentliche Änderung – Tage oder vielleicht gut gerechnet Wochen gebraucht hätte. Aber wir verdanken diesem Entwurf eine neue Überschrift – Standardöffnungsgesetz – und eine schon etwas zungenbrecherische Abkürzung, nämlich StöffG M-V. Das ist ein bisschen von einigen ins Lächerliche gezogen worden, ist aber ungerecht, denn der Begriff Standardöffnungsgesetz ist sicher besser als unser ursprüngliches Standardanpassungsgesetz.
Aber, meine Damen und Herren, die Rolle des Justizministeriums war für mich enttäuschend. Ich war nicht überrascht, dass man rechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit vortrug, aber ich war enttäuscht. Meine Frage in der gemeinsamen Anhörung im Rechts- und Innenausschuss „Wenn das so nicht geht, wie wir das vorhaben, was schlagen Sie uns denn vor?“ ist nicht beantwortet worden.
Herr Körner, Sie waren in der gleichen Sitzung. Sie haben dann vielleicht ein anderes Gehörorgan als ich. Diese Frage ist nie beantwortet worden.
(Reinhardt Thomas, CDU: Der macht doch immer ein Nickerchen. – Zuruf von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD)
Meine Damen und Herren, die nächste Stufe der Verhinderungstaktik war dann der Auftritt von Frau Ministerin Bunge. Zugegeben, es war eben ein Zwischenruf. Sie trat dort als Kollegin, nämlich als Abgeordnete auf. Das war in Ordnung. Sie brachte einen gemeinsamen Vorschlag von Herrn Minister Holter – auch als Abgeordneter – mit und sie legten dort einen Text vor, der dem Innenminister eigentlich die Kompetenz für Ausnahmeentscheidungen genommen hätte. Das haben wir auch erkannt.
Einen richtigen Zuschlag in der Steigerungsstufe setzte dann der Staatssekretär von Frau Dr. Bunge, nämlich Herr Professor Dr. Azzola, in der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit, Soziales, Familie, Frauen, Jugend und Sport. Er wedelte da schon mit einem angeblichen Kabinettsbeschluss, nämlich gegen das, was wir wollten.
Diesen kannte auch offenbar noch kein Abgeordneter. Er war genauso wie ursprünglich der Vorstoß seiner Ministerin, dem Innenminister bloß nicht diese uneingeschränkte Kompetenz als Kommunalaufsicht zu geben, Ausnahmen nun endgültig zuzulassen.
Wir hatten es sehr schwer, herauszubringen, was denn nun eigentlich los ist. Gibt es einen Kabinettsbeschluss? Gibt es ihn nicht? Das Nachlesen des Protokolls des Innenausschusses erheitert da, glaube ich, etwas. Aber der Herr Innenminister hat uns dann gesagt, jawohl, es gebe einen Kabinettsbeschluss, dieser habe aber für das laufende Gesetzesverfahren keine Bedeutung. Das haben wir nicht so ganz verstanden, aber der Kollege Böttger hat
uns dann aufgeklärt. Er hat nämlich gesagt, wir brauchen uns da keine Gedanken zu machen, auch die die Landesregierung tragenden Koalitionsfraktionen nehmen den Beschluss des Kabinetts nicht ernst. Das haben wir damit verstanden.
An den nicht anwesenden Ministerpräsidenten habe ich an dieser Stelle eine herzliche Bitte, nämlich dass dem Landtag bei Gelegenheit einmal erläutert wird, woran wir es denn erkennen sollen, welche Kabinettsbeschlüsse gültig sind und welche nicht.
Es wäre da ein Verfahrensvorschlag zu machen: Vielleicht sollte man bei den Beschlüssen, die dem Landtag zu übermitteln sind, einen Hinweis dazu vermerken „gewollt/nicht gewollt“,
Und wir sollten dann, wenn das jetzt so Praxis werden sollte, auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Es wäre sehr sinnvoll, wenn man diese Unterteilung auch in unserer Landesverfassung festhalten würde, weil das dann auch auf die Wirksamkeit von bestimmten Beschlüssen Einfluss hätte – mit ein bisschen Grimm, aber als lustige Episode im Verhalten der Landesregierung, die sich offenbar bis zum letzten Punkt nie schlüssig geworden ist. Aber, und da schließe ich an das an, was hier eingangs gesagt worden ist, nach 18 Monaten – Herr Müller, Sie gucken mich erwartungsvoll an, ich gucke Sie erwartungsvoll an – ist es wirklich Zeit.
Mir ist nur eines exemplarisch deutlich geworden, es ist fast zu greifen, woran es liegt, dass in diesem Land wichtige Entscheidungen über Monate verschleppt werden: Man kann sich auf der Regierungsbank nicht entscheiden. Und so richtig ich es finde, dass Herr Kollege Friese als unser Ausschussvorsitzender gesagt hat, das war modellhaft – stimmt! –, aber modellhaft war es nur insoweit, als wir uns im Ergebnis als diejenigen, die in der kommunalen Ebene einen wichtigen Partner sehen, für ein Vorhaben stark gemacht und geeinigt haben. Ich würde mir wünschen, dass diese Aufbruchsstimmung für die Landesregierung auch irgendwann mal beginnt
Heute haben wir über diesen Gesetzentwurf zu entscheiden. Er wird mehr Entscheidungsspielraum und mehr Verantwortung auf die kommunale Ebene bringen. Ich wünsche mir sehr, dass er wie die bisher schon existierende Experimentierklausel, die wir im Haushaltsrecht schon ausprobiert haben, Wirkung zeigt. Und ich meine, alle, die daran mitgewirkt haben, wären sehr stolz, wenn wir sagen könnten, Mecklenburg-Vorpommern betritt hier Neuland. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie ganz herzlich um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz, das uns hier heute vorliegt, wird weitgehend überschätzt. Es wird überschätzt von Freunden, die meinen, mit diesem Gesetz hätten wir den großen Durchbruch geschaffen und würden jetzt dem Problem „Normen und Standards“ in breiter Front zu Leibe rücken können. Diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen.
Und dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wird überschätzt von den Kritikern, die meinen, wir hätten jetzt hier Dämme geöffnet und es würde die große Flut des Wildwests – jeder darf machen, was er will – über uns hereinbrechen. Auch diese Befürchtungen, meine Damen und Herren, entbehren jeder Grundlage. Dieses Gesetz greift nur einen kleinen Teilaspekt des großen Problemkomplexes „Normen und Standards“ an und dieser Problemkomplex „Normen und Standards“ wird von Tag zu Tag größer. Keine Ebene von Verwaltung, von Regierung und Gesetzgebung ist hier ohne Schuld. Wir können bei der Europäischen Union anfangen. Und es sind nicht nur Normen über den Krümmungsgrad von Bananen, sondern es ist die Bundesebene, egal, wer dort regiert, es sind die Länder, es sind – das sage ich jetzt ganz leise – gelegentlich sogar die Kommunen selbst, es sind Versicherungen, es sind Gerichte, die durch Richterrecht Normen und Standards setzen.
Keiner weiß, wie viele es sind, aber die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet am 23.10.1998 über die Zuversicht – man höre und staune! – des Generalsekretärs des Europäischen Normenverbandes (CEN),
das – ich darf zitieren – „selbstgesteckte Ziel einer Dauerleistung von jährlich 1.000 europäischen Normen zu erreichen“.
Und, meine Damen und Herren, leider müssen wir auch berichten, der Mann erreicht sein Ziel. Allein die europäische Ebene beglückt uns mit mehr als 1.000 Normen pro Jahr. Kurz nach diesem Artikel trat zum Beispiel eine solche Norm in Kraft – am 01.01.1999 die europäischen Vorschriften über Spielplatzgeräte und stoßdämpfende Spielplatzböden mit insgesamt 180 Seiten Text.
Und, meine Damen und Herren, ich habe ja hier in diesem Hause schon Heiterkeit hervorgerufen, obwohl das Thema sehr ernst ist, mit dem Problem des Rüttelns an kommunalen Grabsteinen und einer entsprechenden Rechtsprechung, die es dazu gibt, wonach einmal jährlich die Standfestigkeit der Grabmale zu überprüfen und das Ergebnis schriftlich festzuhalten ist. Da ich damit hier Heiterkeit erregt habe, bin ich der Angelegenheit noch einmal nachgegangen und darf Ihnen im Nachgang mitteilen, dass es inzwischen auch eine Vorschrift gibt, wonach „eine Druckprobe an der oberen Breitseite des Grabsteines mit einem horizontalen Druck von 500 Newton zu erfolgen hat, was etwa 50 Kilogramm entspricht“.
Natürlich darf so eine Verordnung nicht allein stehen bleiben, es muss dazu auch eine Dienstanweisung geben.
Und in dieser Dienstanweisung heißt es: „Das zu überprüfende Grabmal ist zunächst behutsam mit einer Hand zu rütteln. Ergeben sich keine Beanstandungen wegen der Standfestigkeit, ist das gleiche durch kräftiges Rütteln zu wiederholen.“
Nun, meine Damen und Herren, ich denke, es ist eine interessante Aufgabe für eine juristische Seminararbeit, einmal den Unterschied zwischen Rütteln und kräftigem Rütteln juristisch zu definieren. Aber auch dieses – Sie wissen ja, zwei Juristen, drei Meinungen, Entschuldigung, Herr Jäger – wird uns nicht weiterhelfen. Deshalb sind bereits findige Unternehmer auf dem Markt – und dieses ist bitte schön kein Witz –, die uns mit einem transportablen Rüttelgerät
das sach- und fachgerechte Rütteln, das ja sonst nur von einer für das Rütteln in besonderer Weise befähigten Person vorgenommen werden darf, abnehmen.