Fakt ist, dass die Folgen bildungspolitischer Entscheidungen der ersten Legislaturperiode eine schwere Erblast waren und sind.
Zu dieser Erblast kam noch erschwerend hinzu, dass die demografische Entwicklung in Folge der dramatischen Geburtenrückgänge nach der Wende allerhöchste Anforderungen an die Bildungsplanung im weitesten Sinne stellte. Der 1995 erreichte Grundkonsens zwischen Land und Bildungsverbänden zum Lehrerpersonalkonzept zum Beispiel war deshalb einer der wichtigsten bildungspolitischen und auch sozialpolitischen Erfolge der SPD. Und das Konzept zeigt nun auch die ersten konkreten Früchte, denn schließlich beginnt die Umsetzungsphase ja gerade erst. Besonders in diesem Bereich wird es in den nächsten Jahren große Anstrengungen geben müssen – da hoffe ich auch auf fraktionsübergreifende Anstrengungen –, um den Konsens zu wahren und Bildungsqualität letztendlich zu sichern.
Meine Damen und Herren, Bildungsqualität ist auch das Stichwort, das die Bildungspolitik der jetzigen Landesregierung auszeichnet und weiter auszeichnen wird, und zwar trotz aller Unkenrufe. Trotz aller notwendigen Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushaltes werden wir die Qualität von Bildung, Ausbildung, Forschung und Wissenschaft sichern und weiter entwickeln.
Gemäß Koalitionsvertrag werden wir ein Landesprogramm „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Schulbereich“ umsetzen. Des Weiteren haben wir mit der Überarbeitung des Hochschulgesamtplans die Aufgabe, das Studienangebot im Land bedarfsgerecht und vor allem auf zukunftsfähige Felder ausgerichtet zu organisieren. Dabei – und das sage ich auch im Hinblick auf die vergangenen Debatten – erwarten wir von den betroffenen Einrichtungen konstruktive Mitarbeit und, soweit es geht, das Hintenansetzen von vordergründigem Besitzstandsdenken.
Ich sage noch einmal ganz deutlich, auch für meine Fraktion: Bildungspolitik wird ein absoluter Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Jahren sein.
Meine Damen und Herren, abschließend noch eine Anmerkung zum Thema Orientierungsstufe auf die Sie ja alle so neugierig warten. Ich sage ganz deutlich, bei allem pädagogisch Wünschbaren dürfen wir die Realitäten im Land nicht ignorieren. In der Koalition sind wir uns einig über die Einführung der schulartenunabhängigen Orientierungsstufe. Einig sind wir uns über die Verbesserung der Standards mit mehr Förder- und Teilungsstunden.
Einig sind wir uns auch über die freie Elternwahl nach Klasse 6 auf der Basis einer Schullaufbahnempfehlung. Eigentlicher Streitpunkt ist die Frage, ob wir alle Eltern und Kinder zwingen, das pädagogisch angereicherte Angebot der schulartenunabhängigen Orientierungsstufe überhaupt anzunehmen.
Angesichts dieser Situation sage ich: Um in dieser Frage zu einer pädagogisch sinnvollen und mehrheitlich akzeptierten Lösung zu kommen, müssen und werden Kompromisse diskutiert werden, um das Machbare und nicht das ideologisch Wünschbare zu erreichen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist dazu angetan, tiefgründig über die Entwicklung von Bildung in Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen, Entwicklungen der zurückliegenden Jahre zu analysieren und Erfordernisse für aktuelle und künftige Bildungspolitik zu bestimmen.
Bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich die Befürchtung gehabt, dass diese Auseinandersetzung mit dem ungeeigneten Mittel von Fünfminutenrhythmen zu einem polemischen Schlagabtausch über Detailfragen des Bildungsbereichs verkommt und es ja nicht Ziel ist, wirkliche Ursachen mit künftigen Erfordernissen darzustellen. Ich will es deshalb an dieser Stelle deutlich sagen: Für die PDS war und ist das Interesse einer chancengerechten Bildung für die Kinder dieses Landes der Ausgangspunkt für bildungspolitische Diskussionen und Überlegungen,
nicht irgendeine ideologisch geprägte Auseinandersetzung um Strukturen, so, wie es des öfteren den Anschein hat, wie es dargestellt wird.
Und die Situation, in der sich die Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern heute befindet, ist eben nicht allein Produkt von ein und einem viertel Jahr SPD/PDSKoalition. Das, was sich hier heute bei uns im Lande im Bereich der Bildung darstellt, ergibt sich aus vielen bildungspolitischen Entscheidungen der Jahre seit 1990, ebenso aus der Entwicklung der DDR-Schule, der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer bis 1990 und danach ihrer Weiterbildung und dem Umgang der Gesellschaft mit den Lehrerinnen und Lehrern, mit den Schülern und dem Auftrag von Bildung generell. Darauf komme ich an anderer Stelle noch zurück. Hier, denke ich, ist der Ansatz des Themas der Aktuellen Stunde, die „Aktuelle Situation der Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ wirklich dazu angetan, einen Aufbruch in unserem Lande zu vollziehen im Interesse einer höheren und besseren Bildung durch alle Beteiligten.
Schulen, meine Damen und Herren, sind in unserem Verständnis Einrichtungen der Gesellschaft, die auf Zukunftsvorstellungen elementar angewiesen sind. Gera
de zwischen pädagogischen Traditionen und den vermuteten künftigen Anforderungen an die heranwachsenden jungen Menschen brauchen Schulen Leitbilder für künftiges Agieren, um in der Gegenwart Balance und Richtung zu finden.
Hier geht es um wissenschaftlich begründete Entwicklung von Bildungskonzepten anhand der Realitäten, die sich national und international auf den verschiedensten Gebieten vollziehen. Was aber oftmals anzutreffen ist, ist eine Bewahrung des Status quo, die aufopferungsvolle Verteidigung sich längst überholender Strukturen und Methodiken, das alles verschärft durch die zunehmend durchschlagenden demografischen Prozesse und die soziale Situation der Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land und auch der Kinder.
Schulen, die zukunftsfähig seien sollen, müssen solchen Ansprüchen genügen wie Lebensnähe und Frohsinn, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Kreativität. Die PDS betrachtet gerade dieses als richtige Orientierung für die Schule der Zukunft, und da ist es schon blauäugig anzunehmen, dass wir in unseren bildungspolitischen Auffassungen auf neoliberale Ansätze bauen würden, um eine solche Schule zu gestalten. Und da hilft es uns auch nicht weiter, internationale Entwicklungen und modernste wissenschaftliche Erkenntnisse im Bildungsbereich einfach zu ignorieren.
Das Festhalten an Schul- und Bildungskonzeptionen aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts ist kontraproduktiv für die Bestimmung der Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Schule auch in Mecklenburg-Vorpommern.
In tendenziellen Diskussionen wird an den Ergebnissen von Schulstrukturentwicklung der letzten zehn Jahre in Mecklenburg-Vorpommern festgehalten, frei nach dem Motto „Die Schulen brauchen nach den unruhigen Zeiten der Jahre ’91 bis ’98 endlich Ruhe“. Dabei muss verantwortliche Bildungspolitik der unumstößlichen Tatsache entsprechen, dass in der Schulpolitik Entwürfe von heute erst in einigen Jahren wirken und dann Ergebnisse bringen müssen, die eine tragfähige Grundlage auch noch für das Leben in 20 und 30 Jahren darstellen müssen.
Der bekannte Bildungspolitiker Rainer Brockmeier hat einmal formuliert: „Es ist zunehmend in das Bewusstsein gedrungen, dass es darum geht, in einem langjährigen Prozess, orientiert an tragfähigen Leitvorstellungen, den Lernraum Schule so zu gestalten, dass Lernen anders erfolgt als auf der Grundlage der alten Ordnung, die kognitive Lernergebnisse fast absolut setzt.“ Jawohl, meine Damen und Herren, dem muss moderne Bildungspolitik entsprechen! Das ist die Aufgabe, die sich diese Landesregierung stellt, und dafür steht die PDS.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um eine Aktuelle Stunde handelt, und, Herr Bluhm, ich denke, die inhaltlichen Aspekte müssen wir wirklich an anderer Stelle ausführlich noch einmal beraten, halte ich es...
(Heike Lorenz, PDS: Ach so! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wie wollten Sie dann dem Thema gerecht werden?)
Es gibt noch andere Aspekte als nur die inhaltlichen, denn zu den inhaltlichen sind Sie sich in der Koalition ja noch nicht einig geworden.
Es gibt noch eine andere Geschichte und ich halte es hier an dieser Stelle für erforderlich, auf die jüngst erfolgte Auseinandersetzung zwischen dem Landkreistag und dem Finanzministerium auf der anderen Seite näher einzugehen, Stichwort: zur Verfügung stehende Mittel für den Bereich Schulsanierung, Schulbau durch Lockerung des IFG.
Meine Fraktion hat diese Problematik ja wiederholt in den jeweiligen Fachausschüssen deutlich gemacht, nicht zuletzt bei den Beratungen des Landeshaushalts 2000. Aus dem Finanzministerium wurden nun am 26. und 27. Januar diesen Jahres zwei Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit gebracht, in denen voller Stolz eine Erweiterung der Fördertatbestände aus IFG-Mitteln für die Kommunen verkündet wurde.
Meine Damen und Herren, um gleich möglicherweise aufkommenden Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist dieser Schritt zu begrüßen und natürlich hat Frau Keler erfolgreich mit dem Bundesfinanzminister verhandelt.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Richtig! – Heike Lorenz, PDS: Bravo!)
Allerdings ändert dies doch überhaupt nichts an der völlig berechtigten Kritik meiner Fraktion und in diesem Fall auch des Landkreistages an der Schulbaupolitik der Landesregierung. Und ich muss hier noch einmal ganz deutlich sagen: Die Kommunen unseres Landes bekommen durch die jetzt vorgenommenen Änderungen aus dem Topf des IFG nicht einen einzigen Pfennig mehr.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Noch nicht. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)
Ich war auch etwas überrascht, dass in den Presseerklärungen des Finanzministeriums zum Teil schlicht mit falschen Zahlen operiert wird, denn das ist gerade ein Vorwurf, den wir uns von Frau Keler immer wieder anhören mussten. Es ist zwar richtig, dass die IFG-Mittel in ’99 gegenüber ’98 auf 135 Millionen DM angehoben wurden, allerdings betrug der Ausgangswert nicht 100, dies war nur der Sockelbetrag, sondern 115 Millionen DM,
115 Millionen DM, die seinerzeit mühsam gegen den erbitterten Widerstand der Sozialdemokraten erkämpft werden mussten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig! – Sigrid Keler, SPD: Wie viel Millionen sind denn hängen geblieben bei den Kommunen seit 1999?)