Protocol of the Session on April 10, 2019

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nächstes Jahr endet die Laufzeit des Agrarpolitischen Konzeptes 2020 vom 15. April 2014. Rechtzeitig zur nächsten Legislaturperiode bittet Rot-Grün den Senat, seine Vorstellungen für eine moderne Agrarwirtschaft in einem Agrarpolitischen Konzept 2025 der Bürgerschaft darzulegen.

Bereits im bestehenden Koalitionsvertrag hat RotGrün auf Basis des Agrarpolitischen Konzeptes 2020 den Wirtschaftsfaktor Agrarwirtschaft mit seinen rund 3 700 Arbeitsplätzen anerkannt und sich zum Fortbestand der Landwirtschaft im Stadtstaat Hamburg und insbesondere zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft bekannt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wie in der Drucksache beschrieben, wurde mit dem Agrarpolitischen Konzept eine Vielzahl von anspruchsvollen Zielsetzungen formuliert, um die Agrarwirtschaft in Hamburg auf die Anforderungen von morgen einzustellen. In der jetzigen Legislaturperiode ist das Agrarpolitische Konzept kontinuierlich erweitert worden, beispielhaft seien genannt Beitritt zum Netzwerk der Bio-Städte, Öko-Aktionsplan, Schutz der ökologischen Qualität landwirtschaftlicher Flächen. Orientiert am Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher an frische und gesunde regionale Produkte sind mit dem Agrarpolitischen Konzept 2020 systematisch Absatzstrategien zur Förderung der Agrarwirtschaft aufgezeigt worden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Stichwort heißt hierbei: Aus der Region für die Region oder auch Vierländer Frische.

Gleichzeitig sind die Konsequenzen des Klimawandels in die angewandte Forschung und Beratung speziell für den integrierten und biologischen Pflanzenschutz eingeflossen. Dazu wurde neben der Intensivierung der Agrarforschung im Kompetenzund Beratungszentrum am Brennerhof beziehungsweise an der Obstbauversuchsanstalt Jork arbeitsteilig auch die Vernetzung mit anderen Forschungseinrichtungen in Norddeutschland angestrebt. Erwähnt sei hier das Forschungsprojekt der Hochschule Osnabrück zur optimierten Kulturführung und gleichzeitigen Identifizierung von Energiesparpotenzialen und einer damit verbundenen

Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Unterglasbau.

Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Drucksache ersuchen wir den Senat, die Bürgerschaft über die Ergebnisse und Umsetzungserfolge des Agrarpolitischen Konzeptes 2020 zu unterrichten. Zudem möge der Senat der Bürgerschaft mit der Fortschreibung des Agrarpolitischen Konzeptes 2025 seine künftige Zielvorstellung für eine wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Agrarwirtschaft darlegen. Mit Blick auf die derzeit erfolgreiche Agrarförderpolitik ist nach 2020 eine bedarfsgerechte Fortschreibung der Förderung nur mit europäischen Finanzmitteln aus der zweiten Säule, den sogenannten ELER-Mitteln, zusammen mit Fördergeldern für Maßnahmen des Küstenschutzes im ländlichen Raum möglich. In diesem Rahmen soll auch der noch bis 2021 geltende Öko-Aktionsplan ambitioniert fortgeschrieben werden. Der Senat hat dabei Sorge zu tragen, dass die bestehenden Agrarflächen als Basis für eine nachhaltige landwirtschaftliche Bodennutzung in Hamburg grundsätzlich erhalten bleiben. Die Flächenkonkurrenzen in einer stetig wachsenden Metropole sind bekannt und müssen gelöst werden. In den konzeptionellen Überlegungen des Senats dürfen gesellschaftlich erwünschte positive Beiträge der Agrarwirtschaft zu Tierwohl und Naturschutz selbstverständlich nicht fehlen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und zu guter Letzt möchte ich noch insbesondere an unsere Stadtplaner und Bezirksämter appellieren: Nehmen wir uns Südfrankreich oder auch Spanien zum Vorbild und lassen Sie uns das enorme Potenzial Hamburgs zur Absatzförderung für frische und gesunde Agrarprodukte aus der Region durch den Bau zentraler Marktplätze oder gar Markthallen als neue Agrarerlebniszonen nutzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kekstadt. – Es erhält das Wort Herr Ovens von der CDU-Fraktion.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Es ist grundsätzlich sehr erfreulich, dass wir die erste Debatte des heutigen Tages in der Bürgerschaft mit der Agrarpolitik bestreiten. Das kommt ja nicht allzu oft vor, gerade in einem Stadtstaat, und wenn ich mir die Inhalte Ihrer agrarpolitischen Arbeit der letzten vier Jahre anschaue, dann kommt es auch in Ihrer Politik leider nicht ganz so doll vor. Und das ist ärgerlich. Denn wenn man schaut, dass tatsächlich knapp ein Fünftel der Fläche der Freien und Hansestadt Hamburg landwirtschaftlich genutzt wird, dann könnte das Gesamtthema Landwirtschaftspolitik

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht)

hier bei uns im Hause ruhig das eine oder andere Mal einen höheren Stellenwert einnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Andrea Oel- schläger AfD)

Aber der Antrag, der heute von SPD und GRÜNEN vorliegt, ist per se schon interessant. Wenn man einmal guckt: Da wird jetzt also der rot-grüne Senat von den Regierungsfraktionen aufgefordert, er möge doch bitte einmal den Zwischenstand seines Agrarpolitischen Konzeptes 2020 vorstellen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Was ist daran falsch?)

Frau Dr. Schaal, ich kann Ihnen sagen, was ich daran interessant finde. Ich finde interessant, dass die Regierungsfraktionen hier offenbar entweder reinen PR-Klamauk betreiben – das wäre ja nicht das erste Mal in dieser Legislaturperiode – oder aber ein Kommunikationsproblem mit ihrem eigenen Senat haben, wenn sie ihn beauftragen müssen, vorzustellen, was er denn eigentlich inhaltlich tut. Das ist wirklich keine gute Arbeit hier.

(Beifall bei der CDU)

Aber wir helfen Ihnen gern, so ist es nicht. Wir werden Ihrem Papier zustimmen, Frau Dr. Schaal, damit Sie heute Abend glücklich ins Bett gehen können.

Ein zweiter Punkt, der mich allerdings an Ihrem Papier ein bisschen irritiert: Sie schreiben in Ihrem Antrag, wenn Sie sich das einmal in Ruhe durchlesen, dass Sie eine Zielvorstellung zur Fortschreibung in einem eigenen Agrarpolitischen Konzept 2025 möchten. Das ist per se auch eine interessante Sache, nur haben wir ja noch nicht einmal vorgestellt bekommen, was denn das Agrarpolitische Konzept 2020 tatsächlich erreicht hat, was denn die Ziele sind. Wir konnten diese Ziele noch nicht analysieren, noch nicht debattieren, noch nicht evaluieren. Und Sie kommen schon mit der Forderung nach einem neuen agrarpolitischen Konzept, das uns bis ins Jahr 2025 begleiten soll. Was ist das denn eigentlich für eine substanzlose Politik?

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie versuchen gleichzeitig, Ihren Antrag dann doch noch ein bisschen in eine andere Richtung zu lenken, nachdem Sie erst gefordert haben, ein neues Papier bis 2025 fortzuschreiben. Fortschreibung heißt für mich immer, dass ich das, was ich bisher gemacht habe, fortsetzen will mit kleineren Modifikationen. Aber Sie warten nicht darauf, dass der Senat Ihnen jetzt im Detail vorlegt, was sinnvoll wäre auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse, sondern Sie geben gleich in sieben Unterpunkten bekannt, was der Senat zu ändern hat. Auch das wieder ein interessantes Vorgehen. Offenbar geht es Ihnen also weniger um Ergebnisse und Erfolge, sondern es geht Ihnen um eine möglichst lange

Aktivitäten-Bilanz. Macht sich ja auch gut im Wahlkampf, wenn man erzählen kann, was man alles Tolles angeschoben hat; Ergebnisse sind zweitrangig bei dieser Politik.

(Beifall bei der CDU)

Man kann das ganz gut überschreiben: Ein bisschen Bio schadet nie. Das ist so ungefähr das Fazit Ihrer Politik. Hamburg ist jetzt Bio-Stadt. Na gut. Was wir davon wirklich haben, ob wir uns deswegen besser fühlen, gesünder leben oder die Stadt irgendwie besser dasteht, das schreiben Sie leider nirgendwo in Ihrem Antrag. Das haben wir auch bisher von keinem Senatsvertreter gehört. Ganz ehrlich: Dieser Bio-Aktionsplan 2020, Frau Dr. Schaal, ist doch kein Meilenstein, das ist maximal ein Kieselstein in Ihrer Politik. Aber Sie bleiben dabei. Das ist ja auch in Ordnung.

Ich hätte mir persönlich ein paar andere Akzente gewünscht und das will ich Ihnen gern zum Abschluss noch mitgeben. Wenn wir uns einmal anschauen, was tatsächlich sowohl das Verbraucherwohl als auch das Tierwohl als auch eine sinnvollere, effizientere Nutzung von bestehenden Ressourcen möglich macht, dann ist das das Thema Digitalisierung, dann ist das das Thema Innovation. Schauen wir uns aber Ihre sieben Punkte an, dann findet sich das irgendwo am Rande. Und schauen wir uns Ihr ganzes Agrarpolitisches Konzept 2020 an, dann findet sich auch da das Thema Innovation, das Thema Digitalisierung, das Thema Nutzung von modernen Technologien nur irgendwo am Rande. Aber, meine Damen und Herren, Digitalisierung und Innovationsförderung sollten im Mittelpunkt unserer Politik stehen

(Dr. Monika Schaal SPD: Macht aber nicht satt, Herr Ovens!)

und nicht Randerscheinungen sein, Frau Dr. Schaal. Das müssen auch Sie irgendwann einmal anerkennen.

Nehmen Sie sich doch bitte – abschließend dazu – einfach einmal ein Beispiel an der Politik des BMEL. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Politik der Bundesregierung, an der Sie ja auch ein bisschen mit beteiligt sind, hier allerdings maßgeblich Julia Klöckner als Landwirtschaftsministerin, oder schauen Sie sich gern auch unser Hamburger agrarpolitisches Konzept an. Das können wir bei Gelegenheit auch noch einmal bilateral vertiefen, Frau Dr. Schaal. Da werden nämlich Innovationsförderung und Technologieförderung großgeschrieben und das ist eine vernünftige Landwirtschaftspolitik für eine Stadt wie Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Ovens. – Es erhält das Wort Frau Sparr von der GRÜNEN Fraktion.

(Carsten Ovens)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburgs Landwirtschaft steht unter Druck. Wohnungsbau wie jetzt in Oberbillwerder schmälert die zur Verfügung stehenden Flächen,

(Dennis Gladiator CDU: Dann lasst das doch!)

und für notwendigen Naturausgleich sind bereits jetzt ungefähr die Hälfte der Hamburger Dauergrünlandflächen in die extensive Bewirtschaftung gegangen. Das erfordert ein anderes Verständnis von Landwirtschaft als die konventionelle Viehhaltung im Stall oder auf der Weide, und das ist für manche Landwirte ein Problem, die dann jammern: Bauer sucht Kuh, mit dem Fernglas am Feldrand. Aber nichtsdestotrotz geht das in die richtige Richtung, weil wir da eben letzten Endes auch hochwertige Produkte erhalten, die vielleicht dazu führen, dass wir alle ein bisschen weniger und dafür besseres Fleisch konsumieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Auch wenn es schwierig ist, Hamburgs Landwirtschaft hat seit Jahrhunderten einen festen Platz in der Wirtschaft und der Gesellschaft in unserer Stadt und dabei soll es auch bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Schon klar, anders als früher können die Hamburger Bäuerinnen und Bauern nicht mehr allein die Stadt versorgen, aber sie liefern immer noch aus der Region für die Region und diese regionalen Kreisläufe müssen wir stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen alle, wir müssen unseren ökologischen Fußabdruck verringern: weniger Luftschadstoffe, weniger CO2, weniger Plastik verbrauchen. Das bedeutet eben nicht, dass alle Lebensmittel mit dem Lkw quer durch Europa oder mit dem Flugzeug um die halbe Welt transportiert werden.

In der Landwirtschaft läuft ohne Förderung leider gar nichts. Allerdings sorgt dafür in weiten Teilen die EU, aber Hamburg ist auch hier nicht untätig und fördert zum Beispiel die Umstellung auf den Biolandbau mit eigenen Mitteln. Mit dem Agrarpolitischen Konzept 2020 hat die Wirtschaftsbehörde damals einen umfassenden Plan vorgelegt, der die Chancen und Möglichkeiten der Hamburger Landwirtschaft benennt und auch die Maßnahmen, mit denen die Stadt fördern kann. Aus dem Konzept wird auch deutlich, dass durch die spezielle Hamburger Situation gerade der Biolandbau besonders attraktive Voraussetzungen findet. Darum hat die Wirtschaftsbehörde im zweiten Schritt auch den Öko-Aktionsplan entwickelt, der diesen Sektor besonders fördern will. Das ist eine insgesamt sinnvolle Herangehensweise. Deshalb haben wir jetzt einen Zwischenbericht angefordert, auch, denke

ich, im Sinne der Opposition, die sich dann über den Ausschuss informieren kann; es wundert mich, dass Herr Ovens das scheinbar gar nicht haben möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Agrarpolitik ist ja nicht so ganz immer der Schwerpunkt unserer parlamentarischen Arbeit, darum hole ich jetzt ein klein wenig aus. Die gemeinsame europäische Agrarpolitik beruht auf zwei Säulen, wobei die erste Säule eine fast reine Flächenförderung ist. Wir GRÜNE würden es begrüßen, wenn bei der jetzt anstehenden Neuaufstellung in Brüssel diese Flächenförderung stärker als bisher auch Agrarumweltleistungen belohnen würde. Das könnte gerade unseren Hamburger Landwirten, die alle keine Großagrarier sind, das Leben deutlich leichter machen. Leider sieht es danach nicht aus. Nach den bisherigen Beschlüssen der EU-Kommission und des EUAgrarausschusses geht es eher dahin, dass die intensive Haltung noch gefördert werden soll, und die in großen Teilen unsinnige Exportorientierung soll auch verstärkt werden.

Es gibt aber noch die zweite Säule, Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, kurz ELER genannt. Diese Mittel werden nicht nach dem Gießkannenprinzip vergeben, sondern für konkrete Projekte, darunter Ressourceneffizienz, Wissenstransfer, Verbesserung von Ökosystemen und auch Hochwasserschutz im ländlichen Raum. Die Mittel aus ELER müssen vom Bund, den Ländern und den Kommunen kofinanziert werden. In der jetzt laufenden Förderperiode – sie geht noch bis 2020 – hat Hamburg aufgrund des hohen Personal- und Verwaltungsaufwands darauf verzichtet, diese Mittel anzufordern, und lieber aus eigenen Mitteln gefördert. Unsere Idee ist nun, durch die Kooperation mit einem Nachbarland, wahrscheinlich Niedersachsen, die Abwicklung so zu vereinfachen, dass Hamburg diese Mittel wieder aus Brüssel beantragen kann. Das hätte dann den interessanten Nebeneffekt, dass wir für die ländlichen Gebiete unseres Stadtstaats auch Mittel zum Deichbau aus Brüssel bekommen können.

Meine Damen und Herren! Hamburg ist ein agrarpolitischer Zwerg, aber einer mit Potenzial, und das wollen wir nutzen. Dem gilt unser Antrag und wir freuen uns über eine breite Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)